Buffl

Kapitel 2 - Psychologische Kommunikationsmodelle

HM
von Hanna M.

2.1.1 Kommunikationsmodell nach Lasswell (1948)

Eines der bekanntesten Encoder-/Decoder-basierten Modelle ist das Lasswell-Modell, ursprünglich entwickelt für die Analyse von Massenkommunikation.


Kernaussage

Lasswell begreift Kommunikation als einseitigen Prozess, in dem ein Sender eine bestimmte Reaktion beim Empfänger hervorrufen möchte.


Die berühmte Lasswell-Formel lautet:

Who says What in Which Channel to Whom with What Effect?

Damit stellt Lasswell fünf zentrale Analysefragen:

  1. Wer (Kommunikator / Sender → Kommunikatorforschung)

  2. sagt was (Nachricht / Botschaft → Inhaltsanalyse)

  3. zu wem (Empfänger / Rezipient → Rezipientenforschung)

  4. durch welchen Kanal (Medium → Medienanalyse)

  5. mit welchem Effekt (Wirkung → Wirkungsforschung)

Diese fünf Komponenten ermöglichen eine systematische Untersuchung von Kommunikationsprozessen.


Ziel Lasswells

Lasswell untersuchte vor allem:

  • wie man gezielt Reaktionen beeinflussen kann (Propaganda, politische Kommunikation)

  • wie Kommunikationsprozesse aufgebaut sind

  • wie Medien Menschen beeinflussen


Bedeutung des Lasswell-Modells für die Forschung


✔ Vorteile

  • Ermöglicht vollständige Analyse eines Kommunikationsprozesses

  • Klare Strukturierung verschiedener Forschungsfelder

  • Hoher Wert für die frühe Massenkommunikationsforschung

Die Schritte sind klar voneinander getrennt – dadurch wird das Kommunikationssystem übersichtlich und analytisch bearbeitbar.


✘ Kritikpunkte

  1. Fehlende Berücksichtigung von Feedback

    Das Modell ist unidirektional (eine Richtung) und zeigt Kommunikation ohne Rückkanal. Moderne Kommunikation ist jedoch bidirektional (Wechselwirkung).

  2. Zu starke Trennung der Forschungsfelder

    Die einzelnen Bereiche (Sender, Botschaft, Medium etc.) werden isoliert betrachtet, obwohl sie sich in der Realität ständig gegenseitig beeinflussen.

  3. Reduktion auf Botschaftsübertragung Missverständnisse, kulturelle Einflüsse, Interpretationen und Beziehungen werden kaum berücksichtigt.

Trotz dieser Kritik war das Modell theoretisch sehr bedeutend und ein zentraler Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung moderner Kommunikationsmodelle.

2.1.2 Kommunikationsmodell nach Shannon und Weaver

  • Das Kommunikationsmodell von Claude E. Shannon und Warren Weaver (1949) ist eines der einflussreichsten Übertragungsmodelle der Kommunikationsgeschichte.

  • Ursprünglich war es jedoch rein technisch und überhaupt nicht für menschliche Kommunikation gedacht.



Ausgangspunkt des Modells

✔ Ursprünglich technisches Modell

  • Shannon & Weaver entwickelten das Modell für die Nachrichtentechnik, z. B. Telefon- oder Funkübertragung.

Wichtig:

➡ Das Modell beschäftigt sich nicht mit Bedeutung, Gefühlen, Interpretation oder Absichten.

➡ Es geht ausschließlich um die Frage: Wie kann eine Nachricht möglichst störungsfrei von A nach B übertragen werden?

➡ Kommunikation = Austausch von Informationen zwischen zwei technischen Systemen.


Die wichtigsten Komponenten sind:

  1. Sender – Wählt eine Nachricht aus – Produziert die Information, die übertragen werden soll

  2. Kodierer (Encoder) – verwandelt die Nachricht in ein Signal (z. B. Sprache, elektrische Impulse)

  3. Signal – der kodierte Informationsstrom, der durch den Kanal läuft

  4. Kanal – Transportweg für das Signal – Beispiele: Telefonleitung, Luft (beim Sprechen), Funkfrequenz

  5. Störung / Rauschen – alles, was das Signal beeinträchtigt oder verändert – kann technisch oder menschlich verursacht sein

  6. Dekodierer (Decoder) – entschlüsselt das Signal wieder in eine verständliche Form

  7. Adressat (Empfänger) – erhält die entschlüsselte Nachricht

👉 Wichtig: Zwischen Sender und Empfänger kann es massive Unterschiede zwischen gesendeter und empfangener Botschaft geben.



Beispiel aus menschlicher Kommunikation (aus dem Text)

Wenn zwei Menschen telefonieren:

  • Sender = Gehirn der sprechenden Person

  • Kodierer = Stimmbänder, die Schall erzeugen

  • Kanal = Luft + Telefonleitung

  • Signal = Schallwellen / elektrische Impulse

  • Störung = Rauschen, Nebengeräusche, schlechte Verbindung

  • Dekodierer = Ohr + Gehirn der hörenden Person

  • Adressat = Person, die die Nachricht aufnimmt


Rauschen/Störung als zentrale Komponente

Shannon und Weaver nennen jede Form von Störung „noise“ (Rauschen). Rauschen ist jede Veränderung einer Nachricht, die dazu führt, dass:

👉 gesendete und empfangene Botschaft nicht identisch sind

Beispiele:

  • technische Verzerrungen

  • laute Umgebung

  • undeutliche Aussprache

  • fehlerhafte Übertragung

Das Modell ist besonders empfindlich für Signalverluste und sieht die Lösung darin, die Übertragung möglichst störungsfrei zu gestalten.


Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Kommunikation

Laut Shannon & Weaver:

  1. Beidseitige Aufmerksamkeit – beide müssen sich auf den Kommunikationsprozess konzentrieren

  2. Gemeinsamer Code – Sender und Empfänger müssen dieselbe Sprache bzw. Zeichensystem beherrschen – Beispiel: Deutsch sprechen, gemeinsame Bedeutung bestimmter Wörter kennen

Wenn der Code nicht identisch ist → entstehen Übertragungsfehler.


Kritik am Shannon-Weaver-Modell

Obwohl das Modell wichtig ist, hat es aus psychologischer Sicht einige Schwächen:


✘ 1. Kein Kommunikationskontext

  • Keine Berücksichtigung von Beziehung, Emotionen, Absichten oder sozialen Einflüssen

✘ 2. Beschränkt auf verbale Kommunikation

  • Nonverbale Hinweise (Mimik, Gestik, Tonfall) fehlen → obwohl sie enorm wichtig sind

✘ 3. Vorstellung eines störungsfreien Kanals ist unrealistisch

  • Menschen interpretieren immer individuell

  • Sprache ist nie vollkommen eindeutig

✘ 4. Annahme eines „gemeinsamen Codes“

  • Empfänger können Wörter unterschiedlich interpretieren

  • Hintergrundwissen, Kultur, Erfahrungen beeinflussen das Verstehen (Winterhoff-Spurk, 2004)


Warum ist das Modell trotzdem bedeutsam? (Stärken)

  1. Einfach und klar strukturiert → Hilfreich zur Einführung in Kommunikationsprozesse

  2. ✔ Viele spätere Modelle (auch psychologische) nutzen seine Grundelemente:

    • Sender

    • Empfänger

    • Kodierung

    • Kanal

    • Störungen

  3. ✔ Bietet eine Basis zur Analyse technischer, aber auch menschlicher Kommunikationsstörungen.

  4. ✔ Hat die moderne Kommunikationsforschung stark beeinflusst, insbesondere:

    • Medienforschung

    • Informatik

    • Psycholinguistik

    • Kommunikationspsychologie

Heute weiß man, dass Diskrepanzen zwischen gesendeter und empfangener Botschaft nicht nur technische Ursachen haben. → Auch Kognitionen, Emotionen, Aufmerksamkeit und Interpretation spielen eine große Rolle.


2.1.3 Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun

  • Das Vier-Seiten-Modell (auch Vier-Ohren-Modell) von Friedemann Schulz von Thun erweitert das klassische Sender-Empfänger-Modell von Shannon & Weaver um psychologische Dimensionen.

  • Während Shannon & Weaver sich auf die technische Übertragung konzentrieren, betont Schulz von Thun die Mehrschichtigkeit menschlicher Kommunikation.


Grundidee des Modells: Jede Nachricht hat vier Seiten

Nach Schulz von Thun enthält jede Nachricht immer gleichzeitig vier verschiedene Botschaften:


  1. SachinhaltWorüber ich informiere

  2. SelbstoffenbarungWas ich von mir selbst preisgebe

  3. BeziehungWas ich über unsere Beziehung ausdrücke

  4. AppellWas ich bei dir erreichen möchte

Diese vier Seiten können der Sender (vier „Schnäbel“) und der Empfänger (vier „Ohren“) unterschiedlich stark nutzen oder betonen.

→ Störungen entstehen immer dann, wenn Schnabel und Ohr nicht zusammenpassen.


  • Jede Kommunikation enthält simultan alle vier Perspektiven.

  • Die Kommunikationsqualität hängt demnach davon ab, wie störungsfrei die Entschlüsselung der Intention zwischen beiden Partnern gelingt.

  • Zusätzlich trägt eine einseitige Empfangsgewohnheit, also ein bevorzugtes ‚Ohr‘, bei einem Empfänger dazu bei, dass Kommunikationsstörungen auftreten

Einordnung des Modells in die psychologischen Kommunikationsmodelle

  • Das Vier-Seiten-Modell gilt zwar primär als intentionsorientiertes Modell (weil Absichten wichtig sind), wird aber häufig auch den Dialogmodellen zugeordnet, weil beide Kommunikationspartner aktiv beteiligt sind und Kommunikationsverläufe dynamisch betrachtet werden.

Es ist eines der praxisrelevantesten Modelle, besonders in:

  • Kommunikationstrainings

  • Teamberatung

  • Coaching

  • Konfliktklärung


Die vier Seiten / Ohren im Detail

1. Sachinhalt (Sach-Ohr / Sach-Schnabel)

  • umfasst reine Informationen, die der Sender mitteilen möchte

  • typische Fragen: Ist das wahr? Ist es relevant? Ist es vollständig? Beispiel: „Das Fenster ist offen.“ → reine Beobachtung

2. Selbstoffenbarung (Selbstoffenbarungs-Ohr / -Schnabel)

  • enthält Hinweise über den Sender:

    • Gefühle

    • Werte

    • Bedürfnisse

    • Persönlichkeit

  • kann bewusst (Selbstdarstellung) oder unbewusst (Selbstenthüllung) erfolgen Beispiel: „Das Fenster ist offen“ → könnte bedeuten: Mir ist kalt.

3. Beziehung (Beziehungs-Ohr / -Schnabel)

  • vermittelt, wie der Sender zum Empfänger steht

  • wird besonders über Tonfall, Gestik, Mimik und Ausdrucksweise transportiert

  • ist die häufigste Ursache für Missverständnisse Beispiel: „Das Fenster ist offen.“ → Das solltest du eigentlich wissen oder Du hast nicht aufgepasst.

4. Appell (Appell-Ohr / -Schnabel)

  • zeigt, was der Sender beim Empfänger erreichen möchte

  • beinhaltet Aufforderungen, Wünsche, Bitten Beispiel: „Das Fenster ist offen.“ → Mach es bitte zu.

Warum kommt es zu Kommunikationsstörungen?


Schulz von Thun erklärt Störungen durch:

1. Unterschiedliche Ebenen-Fokusse

  • Sender betont z. B. den Sachinhalt

  • Empfänger hört vor allem über die Beziehungsebene → Die Botschaft wird verzerrt wahrgenommen

Beispiel: Sender (neutral): „Du hast die Suppe verschüttet.“ Empfänger hört Beziehungsohr: Du bist unfähig!


2. Einseitige Hörgewohnheiten – das „Lieblingsohr“

Jeder Mensch hat eine bevorzugte Ebene. Beispiele:

  • Beziehungsohr stark ausgeprägt → sieht schnell Kritik, Ablehnung

  • Appellohr dominant → fühlt sich ständig unter Druck, alles erfüllen zu müssen

  • Selbstoffenbarungsohr dominant → interpretiert alles als Aussage über den anderen

  • Sachorientiertes Ohr → ignoriert emotionale oder soziale Botschaften


Dies führt zu typischen Missverständnissen, etwa:

  • Lachen wird als Auslachen interpretiert

  • Wegschauen wird als Ablehnung gedeutet

  • Hinweise werden als Befehle wahrgenommen

  • Kritik wird ignoriert, weil nur der Sachinhalt gehört wird

Wie entstehen Konflikte?

Kommunikationskonflikte entstehen laut Schulz von Thun dann, wenn:

  • Sender und Empfänger verschiedene Ebenen betonen

  • Schnabel ≠ Ohr

  • der Empfänger „mit halbem Ohr“ hört

  • Bedeutungen vorausgesetzt werden, die der andere gar nicht im Fokus hat


Lösung: Metakommunikation

Nach Schulz von Thun können Kommunikationsstörungen nur durch Metakommunikation behoben werden.

Metakommunikation bedeutet:

  • "über die Kommunikation sprechen"

  • Klären, welche Ebene gemeint war

  • Eigene Wahrnehmung und Interpretation offenlegen

  • Missverständnisse transparent machen

Doch: In der Praxis wird Metakommunikation selten genutzt, weil viele Menschen sich scheuen oder nicht wissen, wie man sie einsetzt.


Stärken & Bedeutung des Modells

✔ erklärt Missverständnisse sehr differenziert

✔ berücksichtigt emotionale, soziale und intentionale Ebenen

✔ extrem praxisnah

✔ eignet sich zur Konfliktklärung und Selbstreflexion ✔ zeigt, warum Kommunikation selten „einfach“ ist


2.2.1 Kommunikationsmodell nach Grice – das Kooperationsprinzip


Der Philosoph H. Paul Grice (1975) schlug vor, Kommunikation als kooperative Bemühung zu verstehen.


Grundannahme:

Menschen kommunizieren nicht chaotisch, sondern folgen einem unausgesprochenen Kooperationsprinzip:

„Gestalte deinen Beitrag so, wie es für das gemeinsame Kommunikationsziel notwendig ist.“

Das bedeutet:

  • Sender und Empfänger bemühen sich, einander zu verstehen.

  • Kommunikation soll effizient, transparent und zielgerichtet sein.

  • Beide unterstützen sich gegenseitig bei der Bedeutungsfindung.


Grice’s vier Konversationsmaximen (Basisregeln)

  • Um das Kooperationsprinzip umzusetzen, formulierte Grice vier Regeln – die Konversationsmaximen.

  • Sie beschreiben, wie man sprechen soll, damit Kommunikation gelingt.

Tabelle 1 aus deinem Studienheft fasst diese Maximen übersichtlich zusammen:



1. Qualitätsmaxime („Sei wahrhaftig“)

Nachrichten sollten wahr sein.

Der Sender soll:

  • nur sagen, was er für wahr hält

  • nichts behaupten, für das gute Gründe oder Belege fehlen

Verletzung der Maxime: Ironie, Übertreibungen, Gerüchte, falsche Behauptungen


2. Quantitätsmaxime („Sage nicht zu viel und nicht zu wenig“)

Nachrichten sollen genau so viel Information enthalten, wie nötig ist.

Der Sender soll:

  • nicht mehr sagen als notwendig

  • nicht weniger sagen als nötig

  • überflüssige Informationen vermeiden

Verletzung: Zu viel reden → ausschweifend Zu wenig reden → uninformativ, lückenhaft


3. Relevanzmaxime („Sei relevant“)

Beiträge sollen zum Thema passen und von Bedeutung sein.

Der Sender soll:

  • nichts sagen, was nicht zum Thema gehört

  • irrelevante Nebeninformationen vermeiden

Verletzung: Abschweifen, Themenwechsel, „am Thema vorbei“ reden


4. Klarheitsmaxime („Sei klar“)

Nachrichten sollen verständlich, geordnet und eindeutig sein.

Der Sender soll:

  • klare Formulierungen wählen

  • Mehrdeutigkeit vermeiden

  • nicht umständlich oder verwirrend sprechen

  • logische Struktur einhalten

Verletzung: Unklare, vage, doppeldeutige oder wirre Aussagen


Warum sind die Maximen wichtig?

Die Maximen unterstützen:

  • Effizienz der Kommunikation

  • Missverständnisfreie Verständigung

  • Erfolgreiches Erkennen der Absicht des Senders

Wenn eine Maxime verletzt wird:

  • entstehen Missverständnisse

  • Kommunikation wird ineffizient

  • die Absicht des Senders wird möglicherweise verfehlt


Beispiel:Wenn jemand etwas sehr vage sagt (Verstoß gegen Klarheitsmaxime), kann der Empfänger nicht sicher verstehen, was gemeint war → Interpretationsspielraum → Missverständnisse.


Besondere Bedeutung der Maximen im Alltag

Grice geht davon aus, dass Menschen die Maximen unbewusst beherrschen und anwenden. Wir erwarten automatisch, dass unser Gegenüber:

  • die Wahrheit sagt

  • relevante Infos gibt

  • verständlich bleibt

  • und nur das sagt, was nötig ist

Wenn das nicht passiert, fällt uns das sofort unangenehm auf.


Typische absichtliche Verletzungen (Ironie, Andeutungen etc.)

  • Ironie, Sarkasmus, Höflichkeitsformeln oder indirekte Bitten verletzen oft bewusst eine Maxime, um eine zweite Ebeneder Bedeutung zu erzeugen.

  • Beispiel: „Hier ist es ja mega ordentlich.“ → Person meint das Gegenteil → absichtlicher Verstoß gegen die Qualitätsmaxime, um Ironie auszudrücken.



2.3 Perspektivübernahme-Modell

  • Perspektivübernahmemodelle stellen – im Gegensatz zu den vorherigen Modellen – nicht den Sender, sondern den Empfänger in den Mittelpunkt der Betrachtung.

  • Sie basieren auf dem Symbolischen Interaktionismus des Soziologen George Herbert Mead.

Kernidee:

  • Erfolgreiche Kommunikation gelingt, wenn eine Person die Fähigkeit besitzt, die Situation und Botschaft so wahrzunehmen, wie das Gegenüber sie wahrnimmt.

  • Diese Fähigkeit nennt man Perspektivübernahme.

  • Das Modell beschreibt interpersonales Verhalten, also Verhalten zwischen Menschen.

Zu den zentralen Fähigkeiten zählen:

  • Perspektivwechsel (Ich kann mich gedanklich in die Sichtweise des anderen hineinversetzen)

  • Empathie (emotionales Einfühlen in die Erlebniswelt des anderen)

  • Rückmeldung (Feedback) (dem Gesprächspartner spiegeln, dass man ihn verstanden hat)

  • Wechselseitigkeit (Kommunikation ist ein gegenseitiger Prozess, kein Einbahnstraßenmodell)

  • Kognitive Reflexion (eigene Einstellungen und Annahmen wahrnehmen und hinterfragen)

Die Perspektivübernahme-Modelle betonen:

Verstehen ist aktives Mitdenken und Mitfühlen.


2.3.1 Kommunikationsmodell nach Rogers

Der Psychologe Carl Rogers, Begründer der klientenzentrierten Gesprächsführung und zentraler Vertreter der humanistischen Psychologie, beschäftigte sich intensiv damit, wie Empathie in Kommunikation gelingen kann.

Ursprünglich für Therapie und Beratung entwickelt, wird sein Modell heute auch in:

  • Coaching

  • Führung

  • Pädagogik

  • Personalarbeit

  • sozialer Arbeit angewendet.


Grundannahme von Rogers

Rogers geht davon aus:

  • Jeder Mensch strebt nach Autonomie und Selbstverwirklichung.

  • Damit ein Mensch sich öffnen, entwickeln und authentisch kommunizieren kann, braucht er eine vertrauensvolle Beziehung.

  • Diese entsteht nach Rogers nur, wenn der Gesprächspartner drei psychologische Grundhaltungen zeigt:


Die drei zentralen Verhaltensmerkmale nach Rogers

Diese sind in Abbildung 7 dargestellt:



Sie lauten:

  1. Einfühlendes Verstehen (Empathie)

  2. Echtheit (Kongruenz)

  3. Emotionale positive Wertschätzung

Erst das Zusammenspiel aller drei Merkmale ermöglicht echte Verständigung auf Augenhöhe.


1. Einfühlendes Verstehen (Empathie)

Empathie bedeutet:

  • Eintauchen in die persönliche Erfahrungswelt des Gegenübers

  • Verstehen ohne zu bewerten, wie die andere Person fühlt, denkt und wahrnimmt

Wichtig:

  • Empathie bedeutet nicht, dass man ein Verhalten gutheißen muss.

  • Sie beinhaltet immer auch Rückmeldung, z. B. „Ich höre, dass du dich verletzt fühlst, weil…“

Empathie schafft Vertrauen und ermöglicht dem Gesprächspartner, sich wirklich zu öffnen.


2. Echtheit (Kongruenz)

Kongruenz bedeutet:

  • Der Kommunikator ist echt, authentisch und stimmt innerlich mit dem überein, was er nach außen zeigt.

  • Alle Kommunikationskanäle (verbal, nonverbal, vokal) senden die gleiche Botschaft.

Beispiele:

  • Keine Freundlichkeit mit gleichzeitigem Augenrollen (→ Inkongruenz)

  • Wenn der Kommunikator Ablehnung empfindet, soll er dies klar und ehrlich, aber respektvoll ausdrücken.

Kongruenz setzt voraus:

  • Der Sprecher kennt seine eigenen Gefühle.

  • Er ist bereit, diese offen und wahrhaftig mitzuteilen.


3. Emotionale positive Wertschätzung (positive regard)

Bedeutet:

  • Der Gesprächspartner wird bedingungslos akzeptiert

  • Der Respekt richtet sich auf die Person, nicht auf ihr Verhalten

  • Keine Bedingungen wie: „Ich schätze dich, wenn du…“

Das bedeutet nicht:

  • dass man Verhalten nicht kritisieren darf

  • dass man alles gutheißen muss

Nach Rogers soll der Kommunikator:

  • Verhalten kritisieren dürfen, ohne die Person abzuwerten

  • Zuerst wertfrei verstehen, was hinter einem Verhalten steht (z. B. „Wie kam es dazu, dass Sie so reagiert haben?“)


Warum sind diese drei Merkmale so wichtig?

Rogers schreibt ihnen transformative Wirkung zu:

  • Empathie → ermöglicht inneres Öffnen

  • Echtheit → schafft Vertrauen

  • Wertschätzung → vermittelt Sicherheit und Annahme

Die Gesprächssituation wird dadurch zu einem Raum, in dem die Person:

  • sich authentisch zeigen kann

  • eigene Problemlösungen entwickelt

  • persönliche Entwicklung (Selbstaktualisierung) erfährt


2.4.1 Kommunikationsmodell nach Watzlawick


  • Paul Watzlawick und Kollegen (Schule von Palo Alto) entwickelten eine Kommunikationstheorie, die beschreibt, wie Menschen interagieren und welche Muster dabei entstehen.

  • Sie betrachten Kommunikation als Pragmatik menschlicher Beziehungen – also als Verhalten, das immer Bedeutung hat.

  • Das Modell umfasst die berühmten fünf Axiome Watzlawicks.


Axiom 1: „Man kann nicht nicht kommunizieren“

Jede Kommunikation ist Verhalten – und man kann sich nicht nicht verhalten.

Das bedeutet:

  • Schweigen, Wegschauen, Lächeln → sind ebenfalls Kommunikation

  • Auch wenn jemand nichts sagt, kommuniziert er etwas (z. B. Abwehr, Desinteresse, Zustimmung, Unsicherheit)

➡ Dieses Axiom war revolutionär, weil es nonverbale Kommunikation als vollwertigen, unvermeidbaren Anteil aller Kommunikation einführte.


Axiom 2: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt

„Der Beziehungsaspekt bestimmt den Inhaltsaspekt“

Inhaltsaspekt (WAS)

→ Sachinformation (vergleichbar mit Schulz von Thuns Sachinhalt)

Beziehungsaspekt (WIE / WAS WIR VONEINANDER HALTEN)

→ Wird meist über nonverbale und paraverbale Signale vermittelt.

Wichtig: Der Beziehungsaspekt dominiert!

Ein Beispiel:

  • Lob (Inhalt)

  • in abfälligem Ton (Beziehung) → der Empfänger interpretiert es als Kritik.

Das Dialog-Modell betont, dass keine rein sachliche Kommunikation existiert, da Beziehungsbotschaften immer mitschwingen.


Axiom 3: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung

(Interpunktion von Ereignisfolgen)

  • Watzlawick beschreibt, dass jeder Kommunikationsprozess zirkulär ist – es gibt keinen echten Anfangspunkt.


Beispiel (Abbildung 8):

  • Ehefrau nörgelt, weil Ehemann sich zurückzieht

  • Ehemann zieht sich zurück, weil Ehefrau nörgelt

Beide erleben sich selbst als Reagierende und den anderen als Verursacher. Objektiv betrachtet entsteht ein Teufelskreis.


Wichtige Schlüsse:

  • Kommunikation ist zirkulär und nicht linear

  • Schuldzuweisungen sind sinnlos

  • Lösung: aus dem Muster aussteigen durch offene, neue, wertfreie Kommunikation


Axiom 4: Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten

Abbildung 9 zeigt diese Unterscheidung:



Digitale Kommunikation (eindeutig)

  • Wörter, Sprache, Schrift

  • klare, logische Informationen

  • wenig Interpretationsspielraum

Watzlawicks Annahme: → Worte sind relativ eindeutig – z. B. „Hund“ bezeichnet eine Tierart.

Analoge Kommunikation (mehrdeutig)

  • Körpersprache

  • Mimik

  • Gestik

  • Tonfall → transportieren den Beziehungsaspekt

Beispiele:

  • Gähnen → Langeweile? Müdigkeit? Unklar

  • Tränen → Trauer? Freude? Überwältigung?

Analoge Kommunikation erfordert Interpretation und ist laut Watzlawick die Quelle vieler Missverständnisse.

Wichtig: Aus heutiger Sicht weiß man: Auch Worte können mehrdeutig sein → Watzlawick vereinfachte diesen Punkt.


Axiom 5: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär

Beziehungen basieren entweder auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit.

Symmetrische Kommunikation

  • beide auf Augenhöhe

  • gleichberechtigt

  • wechselseitiges Bemühen um Harmonie Beispiel: Freunde, Kollegen

Komplementäre Kommunikation

  • Unterschiede prägen die Beziehung

  • eine Person ist „überlegen“, die andere eher „untergeordnet“ Beispiel: Eltern–Kind, Chef–Mitarbeiter

Beide Muster sind nicht negativ, sie erklären nur, wie Beziehungssysteme funktionieren.


Gesamtbewertung des Watzlawick-Modells

Stärken:

  • Sehr praxisnah

  • erklärt Kommunikationsstörungen gut

  • berücksichtigt Beziehung, Verhalten und Zirkularität

  • integriert nonverbale Kommunikation

Schwächen / Vereinfachungen:

  • Worte sind nicht immer eindeutig (Gegenargument zur Digitalität)

  • Interpretation analoger Signale ist kultur- und situationsabhängig


Die sechs Komponenten des Modells


Die sechs Komponenten des Modells

  • Hargie unterscheidet sechs miteinander verbundene Komponenten, die den Kommunikationsprozess bestimmen.

  • Alle sechs können Quelle für Kommunikationsstörungen sein (anders als im Shannon-Weaver-Modell, wo Störungen primär im Übertragungskanal liegen).

1. Merkmale der Person und der Situation

Diese Faktoren beeinflussen, wie eine Person kommuniziert:

Personelle Merkmale:

  • Wissen

  • Motivation

  • Einstellungen

  • Persönlichkeit (z. B. Extraversion, Neurotizismus)

  • Emotionen

  • Alter

  • Geschlecht

  • Sprachstil / Sprechweise

Situative Merkmale:

  • Umgebung (z. B. Raumsituation, Lärm, Licht, Sitzordnung)

  • Rollenstruktur (z. B. Chef–Mitarbeiter, Therapeut–Klient)

  • Zielstruktur

  • kulturelle Normen

➡ Diese Faktoren prägen immer, wie Kommunikation verstanden und produziert wird.

2. Ziele

Menschen kommunizieren intentional. Ziele können sein:

  • Instrumentelle Ziele (etwas erreichen: informieren, überzeugen, beraten)

  • Konsumatorische Ziele (etwas erleben: Nähe, Humor, Entlastung)

  • Explizite Ziele (bewusst formuliert)

  • Implizite Ziele (unbewusst wirksam)

Hargie zeigt: Zielkompatibilität hat großen Einfluss auf den Erfolg der Kommunikation.

Beispiele:

  • gleiche Ziele → Konfliktpotenzial (beide wollen reden, keiner will zuhören)

  • komplementäre Ziele → Kommunikation läuft (einer spricht, der andere hört zu)

  • gegensätzliche Ziele → Störungen entstehen

3. Vermittelnde Prozesse (kognitiv & affektiv)

Diese Prozesse liegen zwischen Wahrnehmung und Verhalten.

Kognitive Prozesse:

  • Interpretation

  • Bewertung

  • Wissensaktivierung

  • Erwartungen

  • Schemata / mentale Strukturen (vgl. Kapitel 3.1 „Verbale Prozesse“)

→ Sie beeinflussen, wie wir Beobachtungen deuten und Sinn konstruieren.

Affektive Prozesse:

  • Emotionen

  • Stimmungen

  • emotionale Reaktionen auf Verhalten des anderen

Hargie unterscheidet drei Formen emotionaler Kommunikation:

  1. Emotionsmotivierte Kommunikation → Emotionen lösen Kommunikation aus (z. B. Wut = „Ich muss das sofort sagen“)

  2. Emotionsdarstellende Kommunikation → Ausdruck der eigenen Gefühlslage (z. B. traurig wirken, frustriert klingen)

  3. Emotionsinduzierende Kommunikation → zielgerichtet Emotionen beim Empfänger auslösen (z. B. beruhigen, motivieren)

4. Antwortverhalten

Das Antwortverhalten ist die sichtbare Reaktion einer Person:

  • verbal (Wortwahl, Argumentation, Tonfall)

  • nonverbal (Mimik, Gestik, Blickkontakt, Haltung)

Dieses Verhalten ist das Ergebnis der vorherigen Schritte: Wahrnehmung → Vermittlung → Handlung.

5. Feedback

Feedback kommt in zwei Formen vor:

Internales Feedback:

  • körperliche Reaktionen (z. B. Herzklopfen, trockener Mund bei Stress)

  • innere Bewertungen (z. B. „Ich fühle mich unwohl“, „Ich war unklar“)

Externales Feedback:

  • Reaktionen des Kommunikationspartners verbal: Zustimmung, Rückfragen, Kritik nonverbal: Nicken, Stirnrunzeln, Abwenden

Beide Feedbackformen beeinflussen den weiteren Kommunikationsverlauf → Menschen passen ihr Verhalten an.

6. Wahrnehmung

Wahrnehmung ist selektiv, situationsabhängig und störanfällig.

Beispiele:

  • Bei starkem Fokus auf Inhalte → Umgebung wird ausgeblendet

  • Bei Fokus auf äußere Gefahren → Inhalte werden überhört

  • Persönliche Erwartungen beeinflussen, was wir überhaupt wahrnehmen

→ Wahrnehmungsverzerrungen gehören zu den größten Fehlerquellen der Kommunikation.


Bedeutung des Common Ground

Hargie betont nachdrücklich:

Kommunikation gelingt nur, wenn die Beteiligten einen gemeinsamen Wissenshintergrund („Common Ground“) haben.

Das betrifft:

  • geteilte Erfahrungen

  • gemeinsame Begriffe

  • kulturelle Übereinstimmungen

Wenn dieser gemeinsame Boden fehlt, muss er hergestellt werden (z. B. durch Nachfragen, Definitionen, Beispiele).


Einfluss von Persönlichkeit, Alter und Geschlecht

Persönlichkeit:

  • Extraversion → mehr Redebeiträge, mehr Lächeln, gezieltes Blickverhalten

  • niedriger Neurotizismus → bevorzugt direkte Kommunikation gegenüber schriftlicher

Alter:

  • ältere Menschen werden oft mit sekundärem Babytalk angesprochen

  • sie nutzen selbst häufiger lange Wörter (Pennebaker & Stone, 2003)

Geschlecht:

Belegte Unterschiede:

  • Frauen: mehr Blickkontakt, Berührungen, geringere Distanz, mehr Lächeln, bessere Interpretation nonverbaler Signale

  • Männer: decken Lügen besser auf, kommunizieren dominanter

Das integrative Modell erklärt Störungen umfassend

Hargie zeigt:

  • Störungen können in allen sechs Komponenten auftreten.

  • Damit ist das Modell deutlich differenzierter als vorherige Modelle wie Shannon & Weaver, die Störungen nur im Übertragungskanal verorten.


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Hanna M.

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