A kauft beim Händler H einen neuen Computer. Da A trotz
Mahnung nicht zahlt, erhebt H Zahlungsklage. Das Gericht
bestimmt einen frühen ersten Termin und setzt A eine Frist
von zwei Wochen zur Klagerwiderung. In der Klageerwide-
rung, die wegen Nachlässigkeit der A erst nach drei Wochen
eingeht, beantragt A unter Hinweis auf Mängel Abweisung der
Klage. Im frühen ersten Termin bestreitet H das Vorliegen von
Mängeln. Zur abschließenden Klärung müsste deshalb ein
Sachverständigengutachten eingeholt und in einem weiteren
Termin erörtert werden. H meint, dass das nicht erforderlich
sei, da sich zu spät auf Mängel berufen habe. A erwidert,
dass das Gutachten auch bei rechtzeitiger Klageerwiderung
nicht im frühen ersten Termin vorgelegen hätte.
Richter R fragt sich, ob er ein Sachverständigengutachten einholen und einen
weiteren Termin bestimmen muss oder ob er der Klage stattgeben kann?
• Nach § 296 I ZPO sind Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend
entschuldigt.
• Nach dem sog. relativen Verzögerungsbegriff verzögert sich ein Rechtsstreit nur dann, wenn gerade die Verspätung – und nicht das Vorbringen an sich – das Verfahren ver-längert. Verglichen wird also die zu erwartende Prozessdauer bei Zulassung des Vor-bringens mit der hypothetischen Prozessdauer bei unterstelltem rechtzeitigem Vor-
bringen.
• Nach dem sog. absoluten Verzögerungsbegriff, den u.a. der BGH vertritt, liegt eine Ver-zögerung auch dann vor, wenn schon das Vorbringen an sich das Verfahren verlängert.Verglichen wird die zu erwartende Prozessdauer bei Zulassung des Vorbringens mit der
bei Nichtzulassung. Eine Zulassung des Vortrags kommt aber dann in Betracht, wenndieselbe Verzögerung auch bei fristgerechter Klageerwiderung eingetreten wäre.
• Ergebnis: Das Gericht darf das Vorbringen der A sowohl nach dem relativen als auch nachdem absoluten Verzögerungsbegriff nicht nach § 296 I ZPO als verspätet zurückweisen.
wann greift der Beweis des ersten Anschein? Und wie kann dieser ausgeräumt werden?
Der Beweis des ersten Anscheins (tatsächliche Vermutung) greift ein, wenn aus unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung, d.h. aus allgemeinen Erfahrungssätzen bei typischen Geschehensabläufen auf eine be-stimmte Ursache o. einen bestimmten Geschehensablauf geschlossen werden
kann.
• B kann den Beweis des ersten Anscheins allerdings ausräumen, indem er die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden atypischen anderen Geschehensablaufs vorträgt. Nicht erforderlich ist, dass er die tatsächliche Vermutung widerlegt. Ein „Er-schüttern“ ist ausreichend.
A kauft beim Händler H einen Neuwagen für € 25.000,00. Bis
zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises behält sich H das
Eigentum an dem Wagen vor. Wenige Monate später gerät A
mit der Zahlung der Raten in Rückstand. Daran ändert sich
auch nach zahlreichen Mahnungen durch H nichts. Als H von
dritter Seite erfährt, dass A pleite ist, will er den Wagen zu-
rückhaben. Er erhebt deshalb Klage beim zuständigen Land-
gericht. Zum Beweis, dass zwischen ihm und A ein Kaufver-
trag mit Ratenzahlung vereinbart wurde, beruft er sich auf
Emails, die er mit A ausgetauscht hat. Diese könne er unpro-
blematisch ausdrucken und vorlegen. A bestreitet die Raten-
zahlungsvereinbarung. Die Emails habe sie nicht geschrieben.
Richterin R fragt sich, ob sie die Email – oder einen Ausdruck – als
Beweismittel akzeptieren darf?
• Emails können nach § 371a ZPO als elektronische Dokumente zum Gegenstand des Augenscheinbeweises gemacht werden, wenn sie qualifiziert elektronisch signiert sind. Die Beweisführung erfolgt dann durch Einreichung der Datei, der die Beweiskraft einer Privaturkunde zukommt (§§ 371a, 416 ZPO). Sie erbringt also den vollen
Beweis dafür, dass die Email von dem Aussteller stammt und der Aussteller die in ihr enthaltene Erklärung abgegeben hat.
• Emails, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, können demgegenüber nicht über § 371a ZPO zum Gegenstand des Augenschein-beweises gemacht werden. Sie sind, auch wenn sie ausgedruckt vorliegen, mangels Unterschrift auch keine Privaturkunde i.S.v. § 416 ZPO.
• Emails können aber zum Gegenstand des Augenscheinbeweises nach § 371 ZPO gemacht werden. Die Beweiswürdigung erfolgt dann nach § 286 BGB und nicht nach § 371a ZPO. Gleiches gilt für ausgedruckte Emails, die als einfache Urkunde i.S.d. ZPO in den Prozess eingeführt werden können, aber nicht von den Beweisregeln der §§ 415 ff. ZPO profitieren.
• Ergebnis: R darf die Email (elektronisch oder ausgedruckt) als Beweismittel akzep-tieren.
welche Folgen hat die Beweisvereitelung?
Nach Auffassung der Literatur stellt sich die Beweisvereitelung als Problem der Be-weiswürdigung dar. Der Richter muss deshalb im Rahmen von § 286 BGB entschei-den, ob er die behauptete Tatsache als erwiesen ansieht oder nicht. Im Fall der ab-sichtlichen Beweisverteilung gilt der Beweis typischerweise als erbracht.
• Nach Auffassung des BGH (NJW 2004, 222) stellt sich die Beweisvereitelung dem-gegenüber als Problem der Beweislast dar. Sie hat danach zur Folge, dass die An-forderungen an den Beweis – unter Umständen bis hin zur Beweislastumkehr – ab-gesenkt werden. Vorliegend
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