Buffl

ZPO

LL
von Leonie L.

A kauft beim Händler H einen neuen Computer. Da A trotz

Mahnung nicht zahlt, erhebt H Zahlungsklage. Das Gericht

bestimmt einen frühen ersten Termin und setzt A eine Frist

von zwei Wochen zur Klagerwiderung. In der Klageerwide-

rung, die wegen Nachlässigkeit der A erst nach drei Wochen

eingeht, beantragt A unter Hinweis auf Mängel Abweisung der

Klage. Im frühen ersten Termin bestreitet H das Vorliegen von

Mängeln. Zur abschließenden Klärung müsste deshalb ein

Sachverständigengutachten eingeholt und in einem weiteren

Termin erörtert werden. H meint, dass das nicht erforderlich

sei, da sich zu spät auf Mängel berufen habe. A erwidert,

dass das Gutachten auch bei rechtzeitiger Klageerwiderung

nicht im frühen ersten Termin vorgelegen hätte.

Richter R fragt sich, ob er ein Sachverständigengutachten einholen und einen

weiteren Termin bestimmen muss oder ob er der Klage stattgeben kann?

• Nach § 296 I ZPO sind Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend

entschuldigt.

• Nach dem sog. relativen Verzögerungsbegriff verzögert sich ein Rechtsstreit nur dann, wenn gerade die Verspätung – und nicht das Vorbringen an sich – das Verfahren ver-längert. Verglichen wird also die zu erwartende Prozessdauer bei Zulassung des Vor-bringens mit der hypothetischen Prozessdauer bei unterstelltem rechtzeitigem Vor-

bringen.

• Nach dem sog. absoluten Verzögerungsbegriff, den u.a. der BGH vertritt, liegt eine Ver-zögerung auch dann vor, wenn schon das Vorbringen an sich das Verfahren verlängert.Verglichen wird die zu erwartende Prozessdauer bei Zulassung des Vorbringens mit der

bei Nichtzulassung. Eine Zulassung des Vortrags kommt aber dann in Betracht, wenndieselbe Verzögerung auch bei fristgerechter Klageerwiderung eingetreten wäre.

• Ergebnis: Das Gericht darf das Vorbringen der A sowohl nach dem relativen als auch nachdem absoluten Verzögerungsbegriff nicht nach § 296 I ZPO als verspätet zurückweisen.

A kauft beim Händler H einen Neuwagen für € 25.000,00. Bis

zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises behält sich H das

Eigentum an dem Wagen vor. Wenige Monate später gerät A

mit der Zahlung der Raten in Rückstand. Daran ändert sich

auch nach zahlreichen Mahnungen durch H nichts. Als H von

dritter Seite erfährt, dass A pleite ist, will er den Wagen zu-

rückhaben. Er erhebt deshalb Klage beim zuständigen Land-

gericht. Zum Beweis, dass zwischen ihm und A ein Kaufver-

trag mit Ratenzahlung vereinbart wurde, beruft er sich auf

Emails, die er mit A ausgetauscht hat. Diese könne er unpro-

blematisch ausdrucken und vorlegen. A bestreitet die Raten-

zahlungsvereinbarung. Die Emails habe sie nicht geschrieben.

Richterin R fragt sich, ob sie die Email – oder einen Ausdruck – als

Beweismittel akzeptieren darf?

• Emails können nach § 371a ZPO als elektronische Dokumente zum Gegenstand des Augenscheinbeweises gemacht werden, wenn sie qualifiziert elektronisch signiert sind. Die Beweisführung erfolgt dann durch Einreichung der Datei, der die Beweiskraft einer Privaturkunde zukommt (§§ 371a, 416 ZPO). Sie erbringt also den vollen

Beweis dafür, dass die Email von dem Aussteller stammt und der Aussteller die in ihr enthaltene Erklärung abgegeben hat.

• Emails, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, können demgegenüber nicht über § 371a ZPO zum Gegenstand des Augenschein-beweises gemacht werden. Sie sind, auch wenn sie ausgedruckt vorliegen, mangels Unterschrift auch keine Privaturkunde i.S.v. § 416 ZPO.

• Emails können aber zum Gegenstand des Augenscheinbeweises nach § 371 ZPO gemacht werden. Die Beweiswürdigung erfolgt dann nach § 286 BGB und nicht nach § 371a ZPO. Gleiches gilt für ausgedruckte Emails, die als einfache Urkunde i.S.d. ZPO in den Prozess eingeführt werden können, aber nicht von den Beweisregeln der §§ 415 ff. ZPO profitieren.

• Ergebnis: R darf die Email (elektronisch oder ausgedruckt) als Beweismittel akzep-tieren.

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Leonie L.

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