Komponenten der Sprache
Prosodische Kompetenz
Prosodie
= Intonation, Betonung und rhytmische Gliederung
Linguistische Kompotenz
Grammatik
Phonologie
= Organisation von Lauten
Morphologie
= Wortbildung
Syntax
= Satzbbildung
Semantik
Lexikon
= Wortschatz
Wortsemantik
= Wortbedeutung
Satzsemantik
= Satzbedeutung
Pragmatische Kompetenz
Pragmatik
= Sprechhandlungen, Konversationssteuerung, Kohärenz der Konversation und Diskurs
Reteptiv d.h. Wahrnehmung dieser Komponente
Produktiv d.h. Produktion dieser Komponente
Rezeptive phonologisch-prosodische Entwicklung
(Prosodie und Phonologie - rezeptiv)
= Die rezeptive phonologisch-prosodische Entwicklung ist die Entwicklung der Sprachwahrnehmung
= Phonologisch meint die Lautstruktur einer Sprache mit ihren Phonemen als charakteristische Einheiten bzw. bedeutungsunterscheidende Kategorien
= Prosodisch meint charakteristische Muster, mit denen eine Sprache gesprochen wird z.B. hinsichtlich Sprachrhythmus und Sprachmelodie
= Kategoriale Wahrnehmung meint, dass ein breites Spektrum an akustischen Sprachsignalen zur Wahrnehmung einer begrenzten Anzahl von Wahrnehmungskategorien führt
Der kontinuierliche Übergang zwischen Lauten wird nicht wahrgenommen, sondern es erfolgt ein abrupter Wechsel von einem Phonem zum anderen
Mit der Stimmeinsatzzeit bzw. Voice Onset Time (VOT)
= Die Voice Onset Time ist die zeitliche Verzögerung zwischen dem Einsetzen eines Lautes und dem Beginn der Schwingung der Stimmbänder
Beispiel: Identifikationsexperiment mit den Phonemen /ba/ und /pa/
Erwachsene nehmen bei einer Voice Onset Time unter bzw. bis ca. 25 Millisekunden ein /ba/ wahr
Erwachsene nehmen bei einer Voice Onset Time ab bzw. über ca. 25 Millisekunden ein /pa/ wahr
Beispiel: Diskriminationsexperiment
Erwachsene nehmen zwei physikalisch verschiedene Reize, die aber aus der gleichen Wahrnehmungskategorie kommen, als gleich wahr
Erwachsene nehmen zwei physikalisch verschiedene Reize, die auch aus zwei verschiedenen Wahrnehmungskategorien kommen, als verschieden wahr
Fazit: Erwachsene nehmen nicht die Differenziertheit akustischer Signale, sondern Phonemkategorien wahr = Kategoriale Wahrnehmung
Beispiel: Experiment mit der High-Amplitude-Sucking-Methode von Eimas et al.
Säuglinge dishabituieren, wenn sie nach längerer Darbierung eines /b/-Lautes (20 ms VOT) plötzlich einen /p/-Laut (40 ms VOT) dargeboten bekommen
Säuglinge dishabituieren nicht, wenn sie nach längerer Darbietung eines /p/-Lautes mit einer VOT von 60 ms plötzlich einen /p/-Laut mit einer VOT von 80 ms dargeboten bekommen
Fazit: Schon 1-Jährige weise eine ähnliche kategoriale Wahrnehmung auf wie Erwachsene
Sprachen unterscheiden sich in der Art und Anzahl ihrer Phoneme
Bis 6-Monate-alte Säuglinge: Können zwischen den Phonemen der Muttersprache, aber auch zwischen den Phonemen anderer Sprachen differenzieren
1-Jährige: Können nur noch zwischen den Phonemen der Muttersprache differenzieren d.h. ihre Fähigkeit zur Differenzierung von Phonemen ist auf die Phoneme der Muttersprache abgestimmt
Beispiel: Im Japanischen haben die Laute /r/ und /l/ keine bedeutungsunterscheidende Funktion -> 4-Monate-alte Säuglinge mit Japanisch als Muttersprache können noch zwischen den Lauten differenzieren, während 1-Jährige dies nicht mehr können (Verlust der Sensibilität)
Beim Sprechen werden keine Pausen zwischen einzelnen Wörtern gemacht -> Wie gelingt es Kindern, im Sprachstrom Wörter zu erkennen und herauszulösen d.h. die Segmentation des Lautstroms?
Durch ihre Sensibilität für Betonungsmuster und Verteilungscharakteristiken der Muttersprache
= Betonungsmuster sind Regelhaftigkeiten in der Betonung von Wörtern
Beispiel: Im Englischen wird bei zweisilbigen Wörtern meist die erste Silbe betont -> 9-Monate-alte Säuglinge mit Englisch als Muttersprache richten mehr Aufmerksamkeit auf Wortlisten, die diesem Betonungsmuster folgen
= Verteilungscharakteristiken meinen das Phänomen, dass in jeder Sprache bestimmte Laute mit höherer Wahrscheinlichkeit zusammen auftreten als andere
Säuglinge lernen neue Wörter allein auf Grundlage der Regelhaftigkeit, mit der ein bestimmter Laut auf einen anderen folgt
Beispiel: Experiment zum statistischen Lernen von Aslin et al.
Phase 1: Säuglinge (18 Monate) hören eine Aufnahme, in der vier dreisilbige Nichtwörter in zufälliger Reihenfolge ohne Pausen immer wieder aneinander gereiht werden
Phase 2: Säuglinge hören die bekannten Nichtwörter oder andere Nichtwörter (mit den gleichen Silben in anderer Kombination) -> Säuglinge achten länger auf neuartige Nichtwörter, weil sie in Phase 1 registriert haben, welche Silben wiederholt zusammen auftreten
Fazit: Säuglinge nutzen sich wiederholende Sprachmuster zum Erkennen und Herauslösen von Wörtern aus dem Sprachstrom
Lexikalische Entwicklung
(Lexikon und Wortsemantik - rezeptiv)
= Die rezeptive lexikalische Entwicklung ist die Entwicklung des rezeptiven bzw. passiven Wortschatzes d.h. der Wörter, die ein Kind schon verstehen kann
Früher als der produktive Wortschatz d.h. das Verstehen von Wörtern geht der Produktion von Wörtern voraus
4-Monate-alte Säuglinge: Erkennen den eigenen Namen
6-Monate-alte Säuglinge: Verstehen vertraute Wörter (z.B. Mama und Papa)
7- bis 8-Monate-alte Säuglinge: Erkennen und speichern neue Wörter ab
10-Monate-alte Säugle: Verstehen 11 bis 154 Wörter -> Große Variabilität im rezeptiven Wortschatz
(Lexikon und Wortsemantik - produktiv)
= Die produktive lexikalische Enntwicklung ist die Entwicklung des produktiven bzw. aktiven Wortschatzes d.h. der Wörter, die ein Kind schon benutzen kann
10-Monate-alte Säuglinge: Produzieren erste Wörter -> Zunächst langsamer Aufbau des produktiven Wortschatzes
18-Monate-alte Kinder: Produzieren ca. 50 Wörter -> Wortschatzexplosion bzw. Vokabelspurt
Große Variabilität im produktiven Wortschatz zwischen Kindern im Hinblick auf …
… das Alter der ersten Wortproduktion
… das Alter, in dem der Vokabelspurt auftritt
… den Vokabelspurt generell (tritt nur bei 70% der Kinder auf, 30% haben einen kontinuierlichen Lernzuwachs)
Im Altersbereich zwischen 18 und 30 Monaten kommt es charakteristisch zu einem deutlichen Anstieg des produktiven Wortschatzes, allerdings gibt es auch eine große Variabilität zwischen den Kindern hinsichtlich der Größe des Wortschatzes zu einem gegebenen Zeitpunkt
= Der Vokabelspurt ist der rapide Anstieg des produktiven Wortschatzes in der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahres
Im Alter von 16 und 30 Monaten kommt es zu einem 10-fachen Anstieg des produktiven Wortschatzes
Ab dem Alter von 18 Monaten bis zur Einschulung werden pro Tag ca. 5 bis 10 neue Wörter gelernt
(Lexikon und Wortsemantik - rezeptiv / produktiv)
= Fast Mapping ist die schnelle Zuordnung eines Wortes zu einer ersten, noch vorläufigen und unvollständigen Bedeutung
Beispiel: Studie zum Fast Mapping von Carey und Bartlett
Kinder (3 Jahre) hören die Bitte “Bring mir das chromerne Tablett, nicht das rote!” -> Kinder können sich erschließen, dass “chromern” ein Farbenname ist, welches Tablett sie bringen sollen und eine Woche später noch einen Gegenstand dieser Farbe korrekt herausgreifen
Fazit: Kinder lernen schon durch die einmalige Darbietung etwas über ein Wort
= Das Problem der Referenz bezieht sich auf das Erschließen von Wortbedeutungen und stellt die Frage, wie Fast Mapping und somit schnelles Wortlernen möglich ist
Durch Constraints (Vorannahmen über die Bedeutung von Wörtern)
Durch die Nutzung pragmatischer Hinweise
Durch die Nutzung formal-sprachlicher Hinweise (Wortart und Syntax)
Ganzheitsconstraint
= Die Annahme, dass sich neue Wörter auf ganze Objekte und nicht auf Objektteile oder Eigenschaften beziehen
Beispiel: “Tisch” bezeichnet das gesamte Objekt und nicht nur die Tischplatte oder die Tischbeine
Taxonomieconstraint
= Die Annahme, dass Wörter kategorial verbundene Objekte (Dinge gleicher Art) bezeichnen und die Ausweitung der Wortbedeutung auf verwandte Objekte möglich ist
Beispiele: Heißt ein Objekt “Tisch”, können alle anderen Objekte, die gleich aussehen, auch "Tisch" genannt werden
Disjunktionsconstraint
= Die Annahme, dass jedes Objekt nur einen einzigen Namen hat -> Erlaubt die Überwindung des Ganzheitsconstraints und damit das Erlernen der Namen von Objektteilen und Eigenschaften
Beispiel: Hört ein Kind das Wort “Tischbein”, während auf einen Tisch gezeigt wird, nimmt es an, dass es sich nicht um ein anderes Wort für das Objekt handelt, sondern dass nur ein Teil des Objekts gemeint ist
= Pragmatische Hinweise sind Aspekte des sozialen Kontexts, die für das Erschließen von Wortbedeutungen herangezogen werden können
= Pragmatische Entwicklung ist der Erwerb des Wissens darber wie Sprache verwendet wird
Kinder richten ihre Aufmerksamkeit auf den sozialen Kontext, in dem ein Wort benutzt wird
Fragt die Versuchsleiterin das Kind nach dem “Blicket”, wird das Kind nach dem unbekannten Objekt greifen, weil es die Wortbedeutung des anderen Objekts (Hund) kennt
= Formal-sprachliche Hinweise meinen die grammatische Form und die grammatische Struktur ganzer Sätze, die für das Erschließen von Wortbedeutungen herangezogen werden können
Beispiel: Studie von Brown
Kinder (Kindergartenalter) werden in Gruppen eingeteilt und erhalten je nach Gruppenzuteilung eine andere Beschreibung desselben Bildes -> Kinder interpretieren das Bild entsprechend der grammatischen Form der Beschreibung
Fazit: Die grammatische Form eines Wortes beeinflusst die Annahmen über die Wortbedeutung
= Syntactic Bootstrapping meint die Strategie, die grammatische Struktur ganzer Sätze für das Erschließen von Wortbedeutungen heranzuziehen
Beispiel: Studie von Naigles
Phase 1: Kinder (2 Jahre) werden in Gruppen eingeteilt und erhalten je nach Gruppenzuteilung eine andere Beschreibung (“Die Ente kraddet den Hasen” oder “Der Hase und die Ente kradden”) desselben Videos (Video, in dem eine Ente einen Hasen auf den Boden drückt und beide Tiere mit dem rechten Arm Kreise beschreiben)
Phase 2: Kinder sehen zwei verschiedene Videos parallel (in Video 1 drückt die Ente den Hasen zu Boden und in Video 2 wedeln beide Tiere mit den Armen) und sollen das “Kradden” finden -> Kinder wählen das Video, das mit der Syntax aus Phase 1 übereinstimmt d.h. interpretieren das Verb in Abhängigkeit von der Syntax
Fazit: Die grammatische Struktur eines ganzen Satzes beeinflusst die Annahmen über die Wortbedeutung
Grammatikerwerb
(Morphologie und Syntax - rezeptiv / produktiv)
= Morphologie meint die Regeln der Wortbildung mit Morphemen als kleinste bedeutungsunterscheidende grammatische Einheiten
Beispiel:
"Katze" → Ein Morphem (Stammmorphem)
"Katzen" → Zwei Morpheme (Stammmorphem und Pluralmorphem)
= Syntax meint die Regeln der Satzbildung d.h. die Regeln für die Kombination von Wörtern zu Sätzen
(Morphologie und Syntax - rezeptiv)
Früher als die Produktion von Mehrwortäußerungen d.h. das Verstehen der Art und Weise wie Wörter zu Sätzen kombiniert werden, geht der Produktion von Sätzen voraus
12- bis-14-Monate-alte Säuglinge: Hören Sätzen mit normaler Syntax länger zu als Sätzen mit durcheinandergewürfelten Wörtern
16- bis 18-Monate-alte Kinder: Unterscheiden Sätze wir “Big Bird is tickling Cookie Monster” und “Cookie Monster is tickling Big Bird”
(Morphologie und Syntax - produktiv)
18-Monate-alte Kinder: Beginnen mit der Kombination von Wörtern zu Sätzen -> Zweitwortäußerungen und Telegrammstil
= Der Telegrammstil meint die Auslassung von bestimmten Satzteilen bei frühen Wortkombinationen wie Zweiwortsätzen, sodass diese ohne Kontext oft nicht zu verstehen sind
Häufig ausgelassen werden …
Wortendungen
Artikel
Hilfsverben
Funktionswörter
Kinder folgen in der Wortkombination der typischen Wortstellung ihrer Muttersprache d.h. die Syntax ist trotz Verkürzung schon früh regelgeleitet
= MLU steht für Mean Lenght of Utterance und meint die durchschnittliche Äußerungslänge der Aussage eines Kindes
= MLU ist ein Maß des frürhen Grammatikerwerb und wird in Morphemen angegeben
Im Ater von 28 bis 44 Monaten steigt die durchschnittliche Äußerungslänge in Morphemen an
Große Variabilität der MLU zwischen Kindern im Hinblick auf …
… das Alter der ersten Produktion von Zweiwortsätzen
… den Anstiegsverlauf der MLU
Unterstützung des Spracherwerbs durch Bezugspersonen
Abstimmung mit dem Blickverhalten des Kindes
Abstimmung der Sprache auf den Entwicklungsstand des Kindes
Indirekte Rückmeldung über die Grammatik
Die Bezugsperson folgt dem Blick des Kindes und erläutert, was das Kind gerade sieht
Auch wenn das Kind noch nicht die Fähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit hat (vor 9 Monaten), ist die Unterstützung der lexikalischen Entwicklung dadurch möglich, indem die Bezugsperson dem Blick das Kindes folgt anstatt andersherum
9-Monate-alte Säuglinge mit der Fähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit können dann auch andersherum dem Blick der Bezugsperson folgen und dadurch Wortbedeutungen erlernen
Ammensprache bzw. Baby-Talk (bis 12 Monate)
Stützende Sprache bzw. Scaffolding (12 bis 24 Monate)
Lehrende Sprache bzw. Motherese (24 bis 27 Monate)
Merkmale:
Überzogene Intonationskontur
Hoher Tonfall
Reliable Pausen an Phrasenstrukturgrenzen
Einfache, aber variable Sätze
Kindgemäßer Wortschatz
Funktionen:
Spracherkennung
Segmentierung
Erwerb prosodischer und phonologischer Regelmäßigkeiten
Gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokus
Einfache und sich wiederholende Dialogstrukturen
Worteinführung
Spracheinführung im Dialog
Wortschatzerwerb
Modellsprache
Sprachanregung durch offene Fragen
Sprachlehre
Sprachanregung
Reformulierung
= Elemente der kindlichen Äußerung werden in korrigierter Form wiederholt
Beispiel: Kind “Mit die Tiere” - Bezugsperson “Mit den Tieren”
Expansion
= Elemente der kindlichen Äußerung werden in korrigierter Form wiederholt und inhaltliche Elemente werden hinzugefügt
Beispiel: Kind “Ich bekamte neue Schuhe” - Bezugsperson “Ja, du bekamst ein Paar neue rote Schuhe”
Theoretische Ansätze zum Spracherwerb
Nativismus
Konstruktivismus
Sprache ist humanspezifisch und hat eine biologische Basis
Spracherwerb ist ohne eine sprachliche Umwelt nicht möglich
Spracherwerb erfordert eine gelungene Passung zwischen den inneren Voraussetzungen des Kindes und äußeren Faktoren
Welche relative Rolle spielen Anlage und Umwelt beim Spracherwerb?
In welchem Ausmaß wird der Spracherwerb von sprachspezifischen oder allgemeinen kognitiven Fähigkeiten geleitet?
Welche Rolle spielen soziale Interaktion und Kommunikation beim Spracherwerb?
Nativisten:
Rolle der Umweltsprache:
Auslöser des Erwerbsprozesses
Spezifizierung grammatischer Prinzipien, die im angeborenen abstrakten grammatischen Wissen fehlen
Sprache ist aus der Umwelt nicht erlernbar, denn …
… die Sprache der Umwelt bietet viele grammatische Strukturen nicht an
… viele inkorrekte Äußerungen werden nicht korrigiert
Konstruktivisten:
Aufbau grammatischer Strukturen
Sprache ist aus der Umwelt erlernbar, denn …
… Kinder konstruieren komplexe Sätze auf Grundlage einfacherer Sätze
… bestimmte Aspekte der an das Kind gerichteten Sprache wirken auf den Grammatikerwerb
… inkorrekte Äußerungen werden sehr wohl indirekt durch Reformulierung oder Expansion korrigiert
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