Definition von Selbstkonzept
= Ein Selbstkonzept umfasst selbstbezogenes Wissen, selbstbezogene Überzeugungen und selbstbezogene Bewertungen und meint die Einschätzung einer Person von sich selbst in verschiedenen Bereichen (abseits objektiver Wahrnehmung)
Kognitive Komponente
= Inhalte von Selbstbeschreibungen
= Selbstwahrnehmung und Wissen darum, was die eigene Person ausmacht z.B. Eigenschaften und Fähigkeiten
Affektive Komponente
= Selbstwert(gefühl)
= Positivität der Einstellung zu sich selbst und eine globe Bewertung dessen, ob man sich mag und mit seinem Leben zufrieden ist
Bedeutung des Selbstkonzepts für die Entwicklung
Es hat eine verhaltensregulative Funktion z.B. im Hinblick auf Emotionsregulation und Motivation
Es (positiv oder negtiv) hat Auswirkungen auf …
… das psychische Wohlbefinden
… die sozialen Beziehungen
… das Leistungsverhalten
… die weitere langfristige Entwicklung
Hierarchisches Modell des Selbstkonzepts nach Shavelson
Strukturales, mehrdimensionales und hierarchisches Gefüge, das auf auf hohen Hierarchieebenen eine gewisse Stabilität hat und sich mit steigendem Alter ausdifferenziert
Globales Selbstkonzept, das in ein schulisches und nichtschulisches Selsbtkonzept (sozial, emotional und körperlich) unterteilt ist
Von unten nach oben zu lesen -> Aus de Wahrnehmung des eigenen konkreten Verhaltens in spezifischen Situationen entstehen im Verlauf der Entwicklung die verschiedenen Hierarchieebenen
Ursprüngliche Fassung: Generelles schulisches Selbstkonzept mit den einzelnen unterrichtsfachspezifischen Selbstkonzepten
Revidierte Fassung: Verbales und mathematisches Selbstkonzept (auf der Ebene der globalen schulischen Fähigkeiten) mit den jeweils zugehörigen unterrichtsfachspezifischen Selbstkonzepten
Grund: Das verbale und mathematische Selbstkonzept korrelieren unwesentlich, gar nicht oder sogar negativ miteinander
Entwicklung der kognitiven Komponente (Inhalte des Selbstkonzepts)
Visuelles Selbsterkennen
Der Aufbau eines Selbstkonzepts setzt voraus, dass man sich selbst als eigenständige Person erlebt
Beispiel: Rouge-Test
Kinder bekommen unbemerkt einen Rouge-Fleck auf ihr Gesicht getupft und sollen sich anschließend im Spiegel anschauen -> Erst 18- bis 24-Monate-alte Kinder berühren bei der Wahrnehmung des Rouge-Flecks im Spiegel ihr Gesicht und erkennen somit, dass das Spiegelbild ihr Abbild ist
Anhand konkreter, beobachtbarer Eigenschaften wie …
… Besitztümern
… körperlichem Erscheinungsbild bzw. Aussehen
… körperlichen Aktivitäten und Fähigkeiten
… sozialen Beziehungen
… psychischen Eigenschaften
Unrealistsich positiv -> Kinder beschreiben eher wie sie sein wollen als wie sie wirklich sind und nutzen frühere Misserfolge nicht für ihre Fähigkeitseinschätzung
Zunehmend umfassend (Selbstkonzept erhält zunehmend seine hierarchische Struktur) -> Integration spezifischer Verhaltensweisen
Zunehmend differenziert -> Integration positiver und negativer Aspekte d.h. Stärken und Schwächen werden miteinander in Einklang gebracht
Zunehmend realistisch -> Kinder nutzen soziale Vergleiche mit Gleichaltrigen (im Hinblick auf Besitztümer, körperliches Erscheinungsbild bzw Aussehen und Fähigkeiten) und objektive Gütemaßstäbe wie Noten als entscheidende Quelle selbstbezogenen Wissens
Entwicklung der affektiven Komponente (Selbstwert)
Personen mit negativen Einschätzungen eigener Eigenschaften und Fähigkeiten müssen keinen niedrigen Selbstwert haben
Der Selbstwert ist davon abhängig, inwiefern die Dimensionen des Selbstkonzepts von einem selbst und wichtigen Bezugspersonen als wichtig erachtet werden
Beispiel: Die negative Einschätzung der eigenen Sportlichkeit hat keinen Einfluss auf den Selbstwert, wenn Sportlichkeit als unwichtig erachtet wird
Hoch, aufgrund der unrealistisch positiven Einschätzung eigener Eigenschaften und Fähigkeiten
Sinkt kontinuierlich ab bzw. relativiert sich, …
aufgrund der sozialen Vergleiche mit Gleichaltrigen
aufgrund der Orientierung an Fremdurteilen z.B. von Lehrkräften
weil sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass negatives Feedback zu Eigenschaften und Fähigkeiten nicht ausgeblendet wird
Fähigkeiten in Bereichen, die als wichtig erachtet werden
Grad der Anerkennung und Unterstützung durch Eltern, Gleichaltrige und weitere Bezugspersonen
Ein Kind, das seine Leistungen in vielen Bereichen eher gering einschätzt, kann durch Anerkennung und Unterstützung ein hohes Selbstwertgefühl entwickeln
Aber: Ein Kind, das Anerkennung und Unterstützung erhält, kann dennoch ein geringes Selbstwertgefühl haben, wenn es an hohen Leistungsansprüchen in Bereichen, die es für wichtig erachtet, scheitert
Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Leistung
Skill-development-Ansatz
= Erbrachte Leistungen sind die Ursache für die Selbsteinschätzung
Beispiel: Ein Kind schreibt eine schlechte Note in der Mathematikklausur, wodurch sein mathematisches Selbstkonzept negativ beeinflusst wird
Self-enhancement-Ansatz
= Das Selbstkonzept ist die Ursache für erbrachte Leistungen
Beispiel: Ein Kind hat ein negatives mathematisches Selbstkonzept, wodurch es eine schlechte Note in der Mathematikklausur schreibt
Kein konsistentes Ergebnismuster in vorliegenden Längsschnittstudien -> Einige Arbeiten bestätigen den Skill-development-Ansatz, andere den Self-enhancement-Ansatz
Aber: In vielen Studien ergeben sich positive Effekte der Selbsteinschätzung auf die zukünftigen Leistungen (Self-enhancement-Ansatz)
Im Grundschulalter ist das Selbstkonzept hauptsächlich Konsequenz der Leistung -> Skill-development-Ansatz
Ab 10 bis 12 Jahren beeinflussen sich Selbstkonzept und Leistung wechselseitig -> Reziproker Zusammenhang von Skill-development- und Self-enhancement-Ansatz
Leistungsängstlichkeit
Lernfreude
Motivation -> Selbstwertdienliche Kausalattributionen
Handlungskompetenz -> Anstrengungsbereitschaft
Geringe Leistungsängstlichkeit
Positive Einstellung zur Schule und zum Lernen -> Anstregungsbereitschaft
Selbstwertdienliche Kausalattributionen bei Erfolg und Misserfolg
Bei Erfolg: Internale Faktoren (Begabung oder Anstrengung)
Bei Misserfolg: Externale Fakoren (Pech oder Aufgabenschwierigkeit) oder kontrollierbare internale Faktren (Anstrengung)
Das Selbstkonzept wirkt sich direkt auf die Leistung aus
Das Selbstkonzept wirkt sich indirekt über die Beeinflussung affektiver Schülermerkmale auf die Leistung aus
Das I/E-Modell
= Modell des externalen und internalen Bezugsrahmens
= Internal/External Frame of Reference Model
Starke positive Korrelation zwischen verbalen und mathematischen Leistungen
Beispiel: Ein Kind, das gute verbale Leistungen erbringt, erbringt in der Regel auch gute mathematische Leistungen
Keine Korrelation zwischen fachspezifischen Selbstkonzepten
Beispiel: Ein Kind, das in beiden Fächern gut ist, hat trotzdem kein gleichsam positives verbales und mathematisches Selbstkonzept
Negative Korrelation zwischen Leistungen im einen und Selbstkonzept im anderen Fach
Beispiel: Ein Kind mit einer guten verbalen Leistung, hat oft ein negatives mathematisches Selbstkonzept
Mit dem Zusammenwirken zweier Vergleichsprozesse bei der Einschätzung der eigenen Leistung
Einerseits: Vergleich der eigenen Leistung mit fremden Leistungen = externale, interindividuelle Vergleiche = externaler Bezugsrahmen
Andererseits: Vergleich der eigenen Leistungen in beiden Fächern = internale, intraindividuelle Vergleiche = internaler Bezugsrahmen
Mit der Anwendung eines externalen Bezugsrahmens: Beurteilung der eigenen Leistung durch den Vergleich der eigenen Leistung mit den Leistungen der Mitschüler
Konsequenzen:
Schüler mit guten Leistungen in einem Fach entwickeln ein hohes Selbstkonzept in diesem Fach
Schüler mit schwachen Leistungen in einem Fach entwickeln ein niedriges Selbstkonzept in diesem Fach
Mit der Anwendung eines internalen Bezugsrahmens: Vergleich der eigenen verbalen und mathematischen Leistungen
Kontrasteffekt -> Unterschiede in der eigenen Leistungsfähigkeit werden übertrieben deutlich wahrgenommen
Abwertung oder Aufwertung der Selbstkonzepte
Gute Leistungen in Mathematik -> Abwertung des Selbstkonzepts im verbalen Bereich
Schwache Leistungen in Mathematik -> Aufwertung des Selbstkonzepts im verbalen Bereich
Entgegen der logischen Vermutung, haben aus einer Schülergruppe, in der alle die gleiche Mathematiknote haben, diejenigen ein positiveres mathematisches Selbstkonzept, die eine schlechtere Deutschnote habe -> Internaler Bezugsrahmen
Lehrkräfte überschätzen in der Regel die Korrelationen zwischen den Selbstkonzepten der Schüler
Zu wissen, dass Schüler auch einen internalen Bezugsrahmen anlegen, trägt dazu bei, dass Lehrkräfte die Selbstbilder ihrer Schüler besser nachvollziehen können
Schüler überschätzen ihre Fähigkeiten im stärkeren Fach und unterschätzen ihre Fähigkeiten im schwächeren Fach (Kontrasteffekt), was die Gefahr birgt, dass sich begabte Schüler frühzeitig zu stark spezialisieren
Eltern kommunizieren direkt oder indirekt ihre Einschätzungen über die Stärken und Schwächen ihres Kindes -> Damit beeinflussen sie bedeutsam und nachhaltig die Selbsteinschätzungen ihres Kindes
Eine positiv gefärbte Grundhaltung und prozessorientierte Unterstützung der Eltern, vermittelt den Kindern, mit welchen Mitteln ein Leistungserfolg erzielt werden kann
Elterliche Kausalattributionen bei Erfolg und Misserfolg dienen ihrem Kind als Modell -> Damit beeinflussen sie die Erfolgszuversicht ihres Kindes
Die Art der Rückmeldung zur Leistung der Schüler beeinflusst affektive Schülermerkmale und so auch das Selbstkonzept
Entscheidend ist die Bezugsnormorientierung der Lehrkraft
Soziale Bezugsnorm
= Klasse als Referenzrahmen d.h. die Leistungsbewertung wird am Niveau der Klasse relativiert
Sachorientierte Bezugsnorm
= Vergleich der Leistung des Kindes mit einem objektivem Gütemaßstab (z.B. Erwartungshorizont)
Individuelle Bezugsnorm
= Vergleich der Leistung des Kindes mit seiner eigenen früheren Leistung
Eine Bezugsnormorientierung, die eine individuelle Bezugsnorm einschließt
Grund: Fördert das Selbstkonzept, die Anstrengungsbereitschaft und tatsächliche Leistungen des Schülers
Nur durch die individuelle Bezugsnormorientierung haben auch schwächere Schüler die Chance, Erfolg zu erleben (z.B. in dem Sinne, dass sich Anstrengung lohnt)
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