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Urkundendelikte

LI
by Larissa‘s I.

(P) Ist eine Fotokopie eine Urkunde ?



Diskutieren beim Urkundenbegriff


Fotokopie ist keine Urkunde

verkörperte Gedankenerklärung (-)

  • Kopiervorgang schaffe aufgrund eines Kausalgesetzes einen Abgleich des Originals, auf dessen Entstehung der Fotokopierende keinen Einfluss habe

  • Fotokopie gebe lediglich Auskunft darüber, was in einem anderen Schriftstück – dem Original – verkörpert sei


Aussteller zu erkennen (-)

  • Die Fotokopie selbst weise keinen Aussteller aus

  • Vielmehr sei lediglich der Aussteller des Originals erkennbar

  • Der Hersteller des Originals garantiere nicht für die Richtigkeit einer Kopie


kriminalpolitische Argumente

  • Aufgrund der Manipulationsgefahr sei der Inhaber einer Kopie weniger schutzbedürftig als der Inhaber des Originals

  • aber beglaubigte Fotokopie (+)


Urkunde (+)

  • Ausnahme wenn Fotokopie den Anschein einer Originalurkunde erweckt und sie als eine vom angeblichen Aussteller herrührende Urschrift ausgegeben wird—> täuschend echt

  • Kopie verfügt aufgrund ihrer hohen Wiedergabequalität über die gleiche Perpetuierungsleistung wie das (gefälschte) Original

  • Das Vertrauen des Rechtsverkehrs, dass diese vermeintliche verkörperte Gedankenerklärung von dem Aussteller stammt, ist bei einer täuschend echten Farbkopie im gleichen Umfang schützenswert, wie beim Original.

  • Soll eine derartige Kopie im Rechtsverkehr als vermeintliches Original angesehen wer- den, dann „rückt die Kopie zur Urkunde auf“


    • Objektiv müsste die Kopie dem Origi­nal bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit zum Verwechseln ähnlich sein

    • subjektiv müsste G ihr gezielt den Anschein einer Originalurkunde gegeben haben




Gegen eine Urkundeneigenschaft spricht, dass Fotokopien keine menschliche Gedankenerklärung verkörpern, sondern diese vervielfältigen, keinen Aussteller erkennen lassen und ihre Beweisqualität zumindest zweifelhaft ist.

A schreibt eine Klausur und gibt diese unzufrieden ab. Am nächsten Tag entdeckt A den Klausurenstapel im Büro des Professors, fischt ihre Arbeit heraus und fügt schnell den noch fehlenden Prüfungspunkt ein.

Hat sich A wegen Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 2 StGB strafbar gemacht ?

(P) Kann dies auch durch den Aussteller selbst geschehen ?


Eine Ansicht

  • setzt Identitätstäuschung voraus

  • geschützt wird nicht die Wahrheit der Urkunde, sondern die Echtheit

—> A hat als Aussteller die Urkunde nicht verfälscht


(+) durch § 274 I sei hinreichender Schutz geboten. Würde man annehmen, dass auch der Aussteller selbst den Tatbestand des § 267 I Var. 2 StGB erfüllen kann, würde sich der Schutzbereich des § 267 mit dem des § 274 StGB vermengen.


(-) die Alternative des Verfälschens echter Urkunden wäre überflüssig, da der Fall des Manipulierens einer Urkunde durch Dritte immer auch die Herstellung einer unechten Urkunde bedeute


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Gegenauffassung (vorzugswürdig)

  • auch der wahre Aussteller kann die Urkunde verfälschen

  • nachträgliche Inhaltsänderungen wird als verfälschen gewertet

  • ausreichend ist jede unbefugte, nachträgliche Änderung der Beweisrichtung und des gedanklichen Inhalts

  • Voraussetzung: Täter hat in der Zwischenzeit seine Dispositionsbefugnis über die entsprechende Urkunde verloren

(+) Zweck des Delikts: Schutz berechtigter Beweisinteressen des Rechtsverkehrs


ABER: Wann ist eine Abänderung nachträglich ?

  • abhängig von konkreten Umständen

  • Abzustellen ist darauf, ob die Urkunde bereits derart in den Rechtsverkehr gelangt ist, dass ein anderer ein Recht auf ihren unverfälschten Fortbestand erlangt hat

  • Klausur: Ende der Bearbeitungszeit —> Uni erlangt mit Abgabe das Recht auf unverfälschten Fortbestand der Prüfungsleistung


T hat seine juristische Prüfung abgelegt und möchte seine Note verbessern. Dazu fertigt er mit seinem Computer eine „11“ und druckt diese auf einem weißen Etikett aus. Die „11“ schneidet er aus und klebt sie so auf das Zeugnis, dass die „6“ nicht mehr zu sehen ist. Zuvor hat T das Etikett mit einem Föhn angewärmt, damit es sich später leicht wie ein Post-it wieder entfernen lässt. Aufgrund des erhitzten Klebstoffs wäre die „11“ ohnehin nach kurzer Zeit von ganz allein abgefallen. Danach kopiert er das „beklebte“ Zeugnis mit einem Farbkopierer. Die Kopie ist vom Original nicht mehr zu unterscheiden. Sogar der Stempel des Prüfungsamtes sowie die Unterschriften des Prüfungsvorsitzenden wirken täuschend echt.


PROBLEM: Verfälschen, wenn z.B. das Etikett nur vorübergehend (zum Zwecke der Anfertigung einer Fotokopie) aufgeklebt wurde und damit nicht dauerhaft auf dem Original verbleiben sollte und konnte ?

Verfälschen (-)

  • Der Vorteil einer Urkunde – etwa im Vergleich zu einer Zeugenaussage – besteht darin, dass die Gedankenerklärung dauerhaft verkörpert und damit jederzeit zu Beweiszwecken reproduzierbar ist.


  • Das bedeutet, dass der Inhalt einer Urkunde auch nur dann verändert werden kann, wenn eine dauerhafte Einwirkung auf den Urkundenkörper selbst vorgenommen wurde.

    • —> Zwischen dem Etikett und dem Urkundenkörper ist keine dauerhafte Verbindung entstanden

      —> Urkundenkörper selbst erfuhr keine Veränderung

      —> Urkunde wurde nicht verfälscht.


  • Kontrollüberlegung bestätigt: Das Produkt einer Urkundenfälschung muss immer die Voraussetzungen einer Urkunde erfüllen, ansonsten sind die Voraussetzungen des § 267 Abs. 1 Var. 2 nicht erfüllt.


  • Es käme allenfalls eine Urkundenunterdrückung nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht. Die zusammengeklebte Kopiervorlage erfüllt jedenfalls nicht das Merkmal der Beweiseignung. Sie diente lediglich dem „Beschicken“ des Kopierers.


—> Der objektive Tatbestand des § 267 I Var. 2 StGB ist nicht erfüllt


(P) Kann der Staat gemäß § 274 StGB durch die Vereitelung des staatlichen Straf-/ und Bußgeldanspruchs einen Nachteil erleiden?


Nachteilzufügungsabsicht

  • Begriff ist weit zu verstehen

  • muss kein Vermögensschaden sein

  • vielmehr wird jeder Beweisnachteil erfasst, der gerade durch das Vorenthalten der Urkunde entsteht

  • Will der Täter lediglich die Verhängung einer Strafe bzw. eines Bußgeldes verhindern, ist nach h.M. die Nachteilszufügungsabsicht zu verneinen


1. Ansicht (h.M.) - NEIN


(+) Wortlaut § 274 I Nr. 1 StGB

  • setzt ausdrücklich die Absicht voraus, einem „anderen“ einen Nachteil zuzufügen. Der Staat ist jedoch kein „anderer“ im Sinne des Gesetzes.

  • Der „Nachteil“ liegt nicht innerhalb des Schutzbereichs der Norm.


(+) Der „Nachteil“ liegt nicht innerhalb des Schutzbereichs der Norm.

  • Der staatliche Straf- und Bußgeldanspruch darf mit Blick auf strafverfahrensrechtliche Wertentscheidungen nicht mit dem privaten oder öffentlich-rechtlichen Interesse gleichgesetzt werden.


(+) § 258 V StGB habe einen abschließenden Charakter


2. Ansicht - JA


(+) Der Staat kann ein „anderer“ im Sinne des § 274 I Nr. 1 StGB sein.

  • Die Annahme, der Staat sei nicht als „anderer“ im Sinne des § 274 I Nr. 1 StGB zu werten, wird weder durch die Teleologie der Norm noch durch die Systematik der Strafrechtsordnung gestützt.

  • Innerhalb des StGB finden sich zahlreiche Normen, die den Staat als solchen bzw. in Ausübung gemeinschaftsförderlicher Tätigkeiten schützen. Es bestehen daher keine Bedenken, den Staat auch im Rahmen des § 274 I Nr. 1 StGB als „anderen“ zu werten, der durch die Vereitelung des staatlichen Straf-/ und Bußgeldanspruchs einen Nachteil erleiden kann.


Öffentliche Urkunde

Öffentliche Urkunden sind solche, die von einer Behörde oder einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihrer Zuständigkeit in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden ist. Sie muss zudem hinsichtlich der beurkundeten Erklärung für den Rechtsverkehr nach außen bestimmt sein und dem Zweck dienen, Beweis für und gegen jedermann zu erbringen.

  • von einer öffentlichen Urkunde ist stets eine erhöhte Beweiskraft zu fordern. d.h.,

  • Urkunde muss Beweiswirkung für und gegen jedermann entfalten

  • Abzugrenzen von sog. schlicht amtlichen Urkunden, die nur zur Ordnung oder Erleichterung des inneren Dienstes bestimmt sind.

  • Glaubwürdigkeit einer Urkunde bemisst sich insgesamt nach der Glaubwürdigkeit des Ausstellers

  • Damit lässt sich der Wahrheitsschutz der §§ 271, 348 StGB extensiver legitimieren als allgemein angenommen

    • eine dazu ermächtigte, mit öffentlichem Glauben versehene Person oder Behörde hat die Beurkundung vorgenommen

    • Der Aussteller repräsentiert die Autorität des Staates, eben diese Autorität bewirkt das besondere Vertrauen der Allgemeinheit in den Wahrheitsgehalt der Urkunde

    • Der Wahrheitsgehalt ist gerade der Schutzzweck des § 348 Abs. 1 StGB. Eine Beamtin ist eine solche mit öffentlichem Glauben versehene Person, der durch die Aufnahme und Bearbeitung von z.B. Verwarngeldern auch von anderen Personen Vertrauen entgegengebracht wird. Außenstehende vertrauen auf den korrekten Umgang desjenigen Beamten, der für die Entgegennahme dieser Gelder zuständig ist. Folglich stellen auch die Durchschriften über die Verwarngelder öffentliche Urkunde dar.




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Larissa‘s I.

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