Zulässigkeit der Klage des Arbeitnehmers bei Beendigungsstreitigkeiten
A. Zulässigkeit
I. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
Bei Beendigungsstreitigkeiten gem. § 2 I Nr. 3b) i.V.m. § 8 I ArbGG
wenn sich auf reine AN-Schutzvorschriften gestützt wird: Rechtswegeröffnung wenn Kläger Ansicht äußert, AN zu sein (sic-non-Fall)
II. Sachliche Zuständigkeit
§ 8 I ArgGG: Instanz I: ArbG
III. Örtliche Zuständigkeit
§ 46 II ArbGG i.V.m. §§ 12, 13 oder 17 oder 29 ZPO
-> einheitlicher Erfüllungsort ist Ort der Arbeitsleistung
§ 48 Ia ArbGG: Einschlägig als zuständiger Gerichtsstand
-> bestimmt, dass auch das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk der AN gewöhnlich seine Arbeit verrichtet
IV. Partei- und Prozessfähigkeit nach §§ 50 ff. ZPO
V. Statthafte Klageart
-> in allen Beendigungsstreitigkeiten:
allg. Feststellungsklage i.S.d. § 256 ZPO (bei Anfechtung oder Aufhebungsvertrag)
oder besondere Feststellungsklage nach § 4 S. 1 KSchG (bei Kündigung) oder nach § 17 S. 1 TzBfG (bei Befristung)
VI. Besondere Feststellungsinteresse
-> Feststellungsklage i.S.d. § 46 II ArbGG i.V.m. § 256 ZPO bedarf besonderes Feststellungsinteresse
Vorschlag bei Klage gegen AG: besonderes Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Gefahr der Heilung einer eventuellen Unwirksamkeit der Kündigung nach §§ 4 S. 1, 7 KSchG
bei außerordentlichen Kündigung - zusätzlich zur Gefahr der Heilung: immer gegeben, außerordentliche Kündigung hat diskriminierende Wirkung und beeinträchtigt den AN in Ehre, gesellschaftlichen Ansehen und beruflichen Fortkommen
VII. Möglichkeit anwaltlicher Vertretung folgt aus § 11 II, III ArbGG
-> kein Anwaltszwang vor ArbG, § 11 I ArbGG
B. Obj. Klagehäufung, § 260 ZPO
C. Begründetheit
Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft im arbeitsgerichtlichen Verfahren
> Sic-non-Fall
liegt vor, wenn der prozessuale Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche AGL gestützt wurd
Begründetheit der Klage steht und fällt mir der AN-Eigenschaft, weil Prüfungspunkt “Arbeitsverhältnis” Voraussetzung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs ist
AN-Eigenschaft = doppelt relevant
Zulässigkeit: bloße Behauptung genügt
-> Beweisaufnahme i.R.d. Rechtswegszuständigkeit nicht erforderlich
> Aut-aut-Fall:
liegt vor, wenn der Klageanspruch entweder auf einer bürgerlicher-rechtlichen oder einer arbeitsrechtlichen AGL beruht und sich diese gegenseitig ausschließen
-> in Zulässigkeit muss Bestand eines Arbeitsverhältnisses geprüft werden, um nicht den Gegner seinem gesetzlichen Richter zu entziehen
> Et-et-Fall:
Kläger kann seinen Anspruch widerspruchslos sowohl auf eine arbeits- als auch auf eine bürgerlich-rechtliche AGL stützen
-> bereits in Zulässigkeit muss Bestand eines Arbeitsverhältnisses geprüft werden, um nicht den Gegner seinem gesetzlichen Richter zu entziehen
Besondere Sachurteilsvoraussetzungen bezogen auf die Klageart
A. Statthafter Rechtsbehelf
I. Kündigungsschutzklage, § 4 KSchG
richtet sich nur gegen eine im Klageantrag genau bezeichnete Kündigung
-> punktuellen Streitgegenstand
nicht gegen andere Beendtigungstatbestände statthaft
Kündigung durch AG nach Erhebung der Klage: AN muss weitere Kündigungsschutzklage erheben bzw. bestehende erweitern
II. Allgemeine Feststellungsklage, § 256 ZPO
Streitgegenstand = Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündl. Verhandlung
grds. Erfassung aller anderen Beendigungstatbestände möglich
Kündigung, die der AG nach Rechtshängigkeit erklärt, wird fristwahrend in das Verfahren mit einbezogen, ohne dass es ein erneute Klageerhebung bedarf
B. Feststellungsinteresse
-> geringe Anforderungen:
Vorbringen des AN, er sei gekündigt worden, ausreichend
-> nur durch Klageerhebung ist Präklusion gem. § 7 KSchG möglich
-> höhere Anforderungen:
beachtlich: Grundsatz der Subsidiarität der Feststellunbsklage ggü. der Leistungsklage steht nicht entegegen
-> Wirkungen eines Feststellungsurteils sind ausnahmsweise weitgehender als die eines Zahlungsurteils
-> bei Zahlungsurteil müsste AN idR jeden Monat wegen Fälligkeitsregelung des § 614 BGB erneut klagen
Begründetheit der Klage gegen eine ordentliche Kündigung
I. Ursprüngliches Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrages
II. Vorliegen einer ordnungsgemäßen Kündigung
= einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung durch die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft aufgelöst werden soll, auf die die Vorschriften der §§ 104 ff. BGB anwendbar sind
-> als Gestaltungsrecht = bedingungsfeindlich
Schriftform
= Wirksamkeitsvoraussetzung, § 623 BGB
-> Nichteinhaltung: Formnichtigkeit, § 125 BGB
Zugang
= Wirksamkeitsvoraussetzung (bspw. § 130 I BGB)
-> allg. Zugangsprobelme des BGB
Zugang bedingt zwingend, dass das Schriftstück in den Machtbereich des AN gelangt
-> AN muss es mitnehmen können
bei Einwurf in Hausbriefkasten: Zugang, wenn nach Verkehrsanschauung mit nächten Entnahme zu rechnen ist (§ 130 I BGB)
beachte: Zurückweisung gem. § 174 BGB (Kündigung muss vom Vertragsarbeitgeber unterzeichnet sein)
-> BAG: auch Unterzeichnung durch Personalleiter
-> Übertragung der Grundsätze zur Zurückweisung von Kündigungen duch Vertreter nach § 174 BGB auf Kündigungen aufgrund Einwilligung des Kündigungsberechtigten nach § 185 BGB (BAG)
Angabe eines Kündigungsgrundes
-> keine Wirksamkeitsvoraussetzung, aber bei außerordentlicher Kündigung: § 623 II 3 BGB, bei ordentlicher Kündigung § 623 II 3 BGB analog
III. Präklusionsfrist, § 4 KSchG
= Klageerhebung innerhalb von 3 Wochen nach Zugang
-> materiell-rechtliche Ausschlussfrist!
Geltungsbereich der Präklusionsfrist
> Geltung für alle ordentlichen Kündigungen
auch bei Bestand von Kündigungsschutz gem. § 1 KSchG, § 23 I 2 KSchG und für alle Unwirksamkeitsgründe
bei allen Klagearten
> Geltung für außerordentliche Kündigungen:
nach § 13 I 2 KSchG
-> keine weitere Anwendung des KSchG auf § 626
Voraussetzungen des § 4 S. 1 KSchG
a) Zugang der schriftlichen Kündigung
-> Anknüpfung an § 623 BGB, kein Fristbeginn bei mündl. Kündigung
b) Fristberechnung (vgl. § 188 II BGB)
c) Fristwahrung durch rechtzeitige Erhebung der Klage
beachte verlängerte Anrufungsfrist des § 6 KSchG
Präklusionsfrist kann auch dadurch gewahrt sein, dass der AN bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz einen punktuellen Kündigungsschutzantrag stellt, wenn er innerhalb der Dreiwochenfrist auf anderem Weg gerichtlich geltend gemacht hat, dass die Befristung rechtsunwirksam ist
-> ergibt sich aus analoger Anwendung von § 6 KSchG
Klageerhebung mit gerichtlichen Zustellung beim Beklagten, § 253 I ZPO
beachte § 17b I 2 GVG, § 48 I ArbGG
Fristversäumnis
-> Zulassung verspäteter Klagen, § 5 KSchG
keine Wiedereinsetzung in vorherigen Stand
-> deswegen Zulassung verspäteter Klagen!
Begründetheit der Klage gegen eine ordentlichen Kündigung - Wirksamkeit der Kündigung
IV. Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung
Anhörung des Betriebsrats / der Personalvertretung
§ 102 I 1 BetrVG, § 31 II SprAuG, §§ 79 IV bzw. 108 III BPersVG
“nachschieben” von Kündigungsgründen
= wenn Kündigungsgründe bereits bei Ausspruch der Kündigung entstanden waren aber dem AG erst später bekannt geworden sind
-> materiell-rechtlich uneingeschränkt möglich
-> aber erneute Anhörung!
nur Anhörung ist Wirksamkeitsvoraussetzung, Reaktion des Betriebsrats hat keinen Einfluss
Widerspruch des Betribsrates: Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 V BetrVG
Besonderer Kündigungsschutz (Unwirksamkeitsgründe)
§ 15 KSchG
§ 17 MuSchG
Ausschluss der ordentliche Kündigung durch Arbeitsvertrag
Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch Tarifvertrag
Keine allgemeinen Nichtigkeitsgründe (nach BGB)
§ 138 I BGB
§ 134 BGB
§ 242 BGB
§ 613a IV BGB
Allgemeiner Kündigungsschutz nach KSchG
a) Anwendbarkeit KSchG
persönliche Anwendbarkeit: § 1 KSchG
betriebliche Anwendbarkeit: § 23 KSchG
b) Soziale Rechtfertigung der Kündigung, § 1 I, II, III KSchG
= Kündigung unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist
sozial gerechtfertigt, wenn sie durch einen in § 1 II 1 KSchG genannten Kündigungsgrund bedingt (insbes. auch verhältnismäßig) ist
personenbedingt
verhaltensbedingt
betriebsbedingt
-> keine unmittelbare Anwendbarkeit das AGG (§ 2 IV AGG)
nie sozial gerechtfertigt, wenn ein absoluter Grund für Sozialwidrigkeit gem. § 1 II 2 und 3 KSchG vorliegt
-> keine Interessenabwägung
Kündigungsfrist
§ 622 BGB, außer bei anderer Vereinbarung
bei Nichteinhaltung: Auslegung der Kündigung in eine fristgerechte Kündigung zum nächtmöglichen Termin
Personenbedingte Kündigung
= wenn der AN aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mehr in der Lage sein wird, regelmäßig seine Arbeitsleistung zu erbringen
Prognoseprinzip: es kommt nicht auf eine Störung des AV in der Vergangenheit an, sondern auf die Frage, ob Störung in Zukunft zu erwarten ist
Kündigung dient zur Vermeidung künftiger Störungen
Kommt nicht auf Verschulden des AN an
> Wirksamkeitsprüfung
-> 3 Stufen:
Stufe
= Feststellung der Gründe, die auf den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des AN beruhen und die in der Zukunft weitere Störungen der Erbringung der Arbeitsleitung erwarten lassen (negative Zukunftsprognose)
= zu erwartende konkrete betriebliche Beeinträchtigungen und das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit
-> kommt auf die sichere Wahrscheinlichkeit an, dass das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis von Arbeitsleitungen und Vergütung zukünftig erheblich gestört wird
= Interessnabwägung
-> umfassende Abwägung der Interessen unter Beachtung des ultima ratio Prinzips
> Die krankheitsbedingte Kündigung
= Sonderfall der personenbedingten Kündigung
-> Gruppen:
wegen häufiger Kurzzeiterkrankung
wegen langdauernder Erkrankung
wegen dauernder Leistungsunfähigkeit
wegen erheblicher krankheitsbedingter Leistungsminderung
-> Dreistufige Wirksamkeitsprüfung:
= negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit
-> maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt: Zugang der Kündigungserklärung
-> unter besonderen Umständen: Wiedereinstellungsanspruch für AN
= erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
-> bei langdauernder Erkrankung konkret nachzuweisen, bei dauernder Leistungsunfähigkeit grds. anzunehmen
= Interessenabwägung muss ergeben, dass betriebliche Beeinträchtigung zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des AG führt und als letztes Mittel nur die Kündigung bleibt
> Die Verdachtskündigung
= ein durch obj. Tatsachen belegbarer dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung muss den Wegfall des zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens bewirken
nur wirksam, wenn AG alle ihm zumutbare Maßnahmen zur SV-Aufklärung wahrnimmt + AN Gelegenheit zur Stellungnahme gibt
bei sehr schwerwiegenden Verdachtsmomente: fristlose Kündigung gem. § 626 BGB
-> bei Unbegründetheit: ggf. Wiedereinstellungsanspruch
Verhaltensbedingte Kündigung, § 1 II 1, Fall 2 KSchG
= Als Gründe, die im Verhalten des AN liegen, kommen insbes. alle erheblichen Vertragspflichtverletzungen in Betracht, die nicht die Bedeutung eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 I BGB haben
schuldhaften Verhalten des AN i.d.R. erforderlich
-> u.U. auch nicht schuldhaftes Verhalten ausreichend
Stufe: Abstrakte Einigung
= Vorliegen eines Sachverhalts, der abstrakt dazu geeignet ist einen Kündigungsgrund zu bilden
-> geht um Klärung der Frage, ob überhaupt die behauptete Vertragsverletzung vorliegt
Stufe: Konkrete Eignung
= bedarf einer vollständigen Abwägung der Interessen von AN und AG unter Berücksichtigung des ultima ratio prinzips
-> berücksichtige, dass die Vertragspflichtverletzung nicht genügt, sondern es müssen nach dem Prognoseprinzip zukünftige Pflichtverletzung zu befürchten sein und die Verletzung muss so gravierend sein, dass sie sich auch zukünftig belastend auswirken kann und mithin eine vertrauensvolle Fortführung des AV als ausgeschlossen erscheinen lässt
-> verhaltensbedingte Kündigung nur letzte Kosequenz, vorher: Abmahnung!
Die Abmahnung
I. Begriff und Erforderlichkeit
> verhaltensbedingte fristgerechte oder fristlose Kündigung grds. erst nach Aussprache einer Abmahnung zulässig
-> Prognoseprinzip + Verhältnismäßigkeit
> Abmahnung erforderlich, wenn die Erwartung begründet ist, der AN werde sich künftig aufgrund der Abmahnung vertragsgerecht verhalten
bei schweren Pflichtverletzungen, wo Rechtswidrigkeit dem AN ohne weiteres ersichtlich und bei denen eine Hinnahme durch AG offensichtliche ausgeschlossen ist, nicht erforderlich
-> Funktionen:
Rüge-/Hinweisfunktion
AG weist auf Vertragspflichten und deren Verletzung hin
AN kann klar erkennen, was beanstandet wird und was er korrigieren soll
Pauschale Erklärungen genügen Bestimmtheitsgebot nicht
Warnfunktion
Aufforderung zu zukünftigen vertragsgemäßen Verhalten und Drohung mit Kündigung für erneute Verletzung
erforderlich für Kündigung, dass AN in vergleichbarerweise Pflichten verletzt
keine Regelzahl an Abmahnungen vor Kündigung
vorweggenommene Abmahnung mach nur dann eine konkrete Abmahnung nach vorheriger Tatbegehnung entbehrlich, wenn der AG diese bereits in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung ausspricht, sodass die dann tatsächlich zeitnah folgende Pflichtverletzung des AN aus Sicht eines besonenen AB als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen kann
Dokumentarfunktion
Nachweis für AG, dass er AN mit der Androhnung rechtlicher Kosequnenzen zur pflichtgemäßen Arbeit aufgefordrt hat
Schriftform nicht erforderlich
-> erleichtert aber rechtlichen Nachweis
II. Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
h.M.: kein schuldhaftes Verhalten des AN vorausgesetzt
grds. auch keine Anhörung des AN vor Abmahnung
-> auch bei Betriebsrat, §§ 102, 103 BetrVG gelten nicht für Abmahnung
AN muss vom Inhalt tatsächlich Kenntnis erlangen
keine Ausschlussfrist
III. Entfertnungsanspruch
AN steht bei rechtswidirger Abmahnung ein Entfernungsanspruch analog § 1004 I 1 BGB i.V.m. § 611a BGB zu
-> Entfernungsklage
wird Abmahnung allein durch zeitablauf wirkungslos oder überflüssig?
-> BAG: AN kann Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis “in jeder Hinsicht bedeutungslos” geworden ist; nicht automatisch schon dann, wenn AG wegen des Zeitablaufs im Wiederholungsfall eine weitere Abmahnung ausprechen müsste, weil die urspr. Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat
IV. Wirkung der Abmahnung im Kündigungsschutzprozess
Vorliegen einer ordnungsgemäßen Abmahnung wird oft erst im Kündigungsprozess überprüft
-> AN kann sich auch noch im Kündigungsschutzprozess auf die Unwirksamkeit der Abmahnung berufen, auch wenn keine Entfernungsklage angestrebt wurde
kommt nach BAg nicht auf vollständige Richtigkeit für Wirksamkeit an, vorrangig ist entscheidend, ob AN erkennen konnte, dass AG eine Wiederholung des angemahnten Verhaltens nicht tolerieren, sondern Kündigung aussprechen wird
Betriebsbedingte Kündigung, § 1 II 1 Fall 3 KSchG
= Betriebsbedingte Umstände können einen Arbeitskräfteüberhang, mithin den Wegfall eines oder mehreren Arbeitsplätze, auslösen, dabei können innerbetriebliche Umstände, sowie außerbetriebliche der Auslöser sein
I. Wirksamkeitsprüfung
-> dringende betriebliche Erfordernisse müssen einer Weiterbeschäftigung des AN im Betrieb entgegenstehen und die Sozialauswahl muss gem. § 1 III KSchG auf ihn falle
Stufe: Betriebliche Erfordernisse für eine unternehmerische Entscheidung
= Feststellung der dringenden betrieblichen Erfordernisse, auf die der AG mit dem Willensakt der unternehmerischen Entscheidung reagiert
-> Unternehmerische Entscheidung ist nicht die Kündigung als solche, sondern das unternehmerische Konzept zur Anpassung des Personalbedarfs an die vorhandene Arbeit, aus welchem die Kündigungentscheidung resultiert
Stufe: Wegfall eines konkreten Arbeitsplatzes (Betriebsbezogene Betrachtung)
= wenn mehr besetzte Arbeitsplätze vorhanden sind, als der AG für anfallende Arbeit benötigt
-> muss nicht der konkrete Arbeitsplatz des betroffenen AN wegfallen
-> in Fällen einer Kündigung wegen einer künftigen Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse, kann diese bereits ausgesprochen werden, wenn eine abschließende Willensbildung vorliegt und die betreffenden betreiblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben
Stufe: Keine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (Unternehmensbezogene Betrachtung)
= nur sozial gerechtfertigt, wenn sie verhältnismäßig ist
Stufe: ordnungsgemäße Sozialauswahl, § 1 III KSchG (Betriesbezogene Kündigung)
= Sozialwidrigkeit ist trotzdem gegeben. wenn keine oder mangelhafte Sozialauswahl stattgefunden hat
-> Gericht prüft, ob soziale Gesichtspunkte “nicht oder nicht ausreichend” berücksichtigt wurden
-> Beurteilungsspielraum des AG
Welche AN sind in die Auswahl einzubeziehen
Welche Sozialdaten sind bei der Auswahl zu berücksichtigen und wie werden diese gewichtet
Welche AN sind wegen ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur nicht einzubeziehen
II. Gerichtliche Kontrolle
Voraussetzungen unterliegen nach allg. Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Kontrolle
Ausnahme für unternehmerische Entscheidung
-> ob Entscheidung des AG als Unternehmer wirtschaftlich vernünftig und rentabel ist oder wie er rationalisiert gehört zu seiner durch Art. 12, 14 I GG geschützten Entscheidungsfreiheit
-> arbeitsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf sog. Willkürkontrolle
bei Bestreitung der ordnungsgemäßen Sozialauswahl durch AN: sog. abgestufte Darlegungs- und Beweislast
-> AN hat Anspruch gegen AG auf vollständige Mitteilung der Gründe
wenn AG dies nicht tut: Sozialauswahl als fehlerhaft anzusehen
wenn AG dies tut: AN muss Fehlerhaftigkeit beweisen
III. Wiedereinstellungsanspruch
= wenn noch während der Kündigungsfrist der Kündigungsgrund entgegen Prognose wegfallen. hat AN gem. §§ 611a, 242 BGB i.V.m. allg. Fürsorgepflicht einen Wiedereinstellungsanspruch
-> Voraussetzungen:
Prognose muss sich bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist als falsch erwiesen haben, sofer AG nocht Vorwurf des treuwidrigen Rechtsmissbrauchs zu machen ist
AG darf noch keine Dispositionen mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung getroffen haben
dem AG muss die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhätlnisses zumutbar sein
-> grds. nur bei AN, die Kündigungsschutz genießen, nur dann gilt Prognoseprinzip
Betriebsbedingte Kündigung, § 1 II 1 Fall 3 KSchG - Sonderfall: Druckkündigung
= sofern Dritte, Mitarbeiter eines AN oder Kunden, vom AG unter Androhung on Nachteilen die Entlassung eines AN verlangen, kann u.U. eine sog. Druckkündigung
-> Differenzierung:
wenn Verlangen durch einen in der Person des AN liegenden Grund oder Verhalten obj. gerechtfertigt, so kommt eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung in Betracht
andernfalls “echte” Druckkündigung als betreibsbedingte Kündigung sui generis
-> wenn AG für Fall der Nichtkündigung Umstände in Aussicht gestellt werden, die unzumutbare Nachteile für den Betrieb führen können (Betriebsnotstand)
hohe Anforderungen
-> für AG darf es keine andere Möglichkeit als Kündigung geben + er darf Druck nicht sofort nachgegeben (Fürsorgepflicht)
-> AG darf nicht in vorwerfbarer Weise zur Entstehung der Situation beigetragen haben
-> aber Anhörung nicht erforderlich
Begründetheit der Klage gegen eine außerordentliche Kündigung
I. urprüngliches Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrages
II. vorliegen einer ordnungsgemäßen Kündigungserklärung
III. Präklusion, §§ 4, 13 I 2 KSchG
IV. Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung
Anhörung des Betriebsrates
besonderer Kündigungsschutz (Unwirksamkeitsgründe)
> Zustimmungserfordernis bei:
Betriebsratsmitglieder
Schwangeren und Müttern
Schwerbehinderten
> Auschluss der außerordentlichen Kündigung: kraft Gesetzes
Kein allg. Nichtigkeitsgründe
Vorliegen der Wirksamkeitsvoraussetzungen nach § 626 BGB
> § 626 I hat keine absoluten Kündigungsgründe
-> negative Generalklausel
zweistufige Prüfung, um festzustellen ob im Einzelfall ein wichtiger Grund gegeben ist
Prüfung ob Kündigung innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist ausgesprochen wurde
a) Ausschlussfrist (§ 626 II BGB)
2 Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes
bei Nichteinhaltung unwiderlegliche Vermutung, dass AG Fortsetzung des AV zumutbar
b) Umstände, die generell einen wichtigen Grund darstellen können
es wird gefragt, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 I BGB abzugeben
Allgemeines: Differenzierung nach Störungen im
Leistungsbereich
Betriebsbereich
Vertrauensbereich und
Unternehmensbereich
c) Interessenabwägung im Einzelfall
wenn obj. TB eines wichtigen Grundes gegeben, muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Interessenabwägung vorgenommen werden
Gegenüberstellung der Interessen
Dauer Betriebszugehörigkeit
Art, Schwere und Ausmaß der konkreten Verfehlung
Wiederholungsgefahr
Persönliche Umstände des AN
Grad des Verschuldens bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
-> mildere Mittel: ordentliche Kündigung, Änderungskündigung, Versetzung oder Abmahnung
Umdeutung
-> außerordentliche Kündigung die die Voraussetzungen nicht erfüllt, kann analog § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden
-> wenn Wirksamkeitsvoraussetzungen für diese vorliegen (Inzidenzprüfung)
Kündigungsschutzprozess: Weiterbeschäftigungsansprüche
> Problem: Kündigungsschutzprozesse können sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, der AN droht in der Zeit in das Lohnersatz-System abzurutschen, was massive wirtschaftliche Einbußen bedeuten kann
-> hat der AN u.U. Ansprüche auf Weiterbeschäftigung bis zu endgültigen Klärung der Wirksamkeit der Kündigung?
-> drei Fälle:
§ 102 BetrVG
wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist
wenn ein der Klage stattgebendes Urteil noch Bestand hat (allg. Weiterschäftigungsanspruch)
-> aber: allg. Weiterbeschäftigungsanspruch begründet nicht die Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zw. den Parteien kraft Gesetzes und stellt kein gesetzliches Schuldverhältnis dar
AG wird lediglich zur tatsächlichen Beschäftigung und nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gezwungen
Last changed2 years ago