Das Mehrspeichermodell nach Atkinson & Shiffrin, 1968
– Sensorisches Register / Ultrakurzzeitgedächtnis:
große Kapazität, Speicherdauer wenige Sek.
durch Aufmerksamkeit werden Inhalte übertragen ins Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis)
– Kurzzeit- oder Arbeitsgedächtnis:
Limitierte Kapazität: je nach Alter und Vorwissen (1 – 10 Items)
Subsysteme: visuell- räumlich Notizblock, phonologische Schleife, episodischer Puffer, zentrale Exekutive, Speicherdauer ~ 30 s
zentrale Exekutive: steuert Aufmerksamkeit, Planung, Handlung
– Langzeitgedächtnis:
große Kapazität, lange Speicherdauer
Entwicklung der Aufmerksamkeit
Grundproblem:
beschränkte Informationsverarbeitungskapazität des menschlichen Geistes
Grundfunktionen der Aufmerksamkeit:
Orientierung und Selektion
1. Zunehmende Kontrolle
Zeitliche Ausdauer der Aufmerksamkeitszuwendung
Ignorieren ablenkender Reize
2. Verbesserung der Einschätzung von Anforderungsmerkmalen einer Aufgabe
Aufmerksamkeit auf schwierigste Teile einer Aufgabe
3. Unterscheidung zwischen mehr oder weniger wichtigen Reizmerkmalen
Nutzung von Hinweisreizen
Gedächtnisentwicklung - Kurzzeitgedächtnis
sprachliches Gedächtnis:
graduelle Performanzsteigerung bis ins späte Jugendalter
größte Zuwächse vom späten Kindergartenalter bis späten Grundschulalter
Behaltensstrategien
Kinder im Alter von 3-4 Jahren zeigen kein intentionales Memorierverhalten, auch wenn explizite Behaltensinstruktionen vorgegeben werden
–> Behaltensinstruktionen für den Gedächtnisvorgang eher hinderlich
Befunde deuten hin, dass bei Kindern dieser Altersstufe das „unwillkürliche“ gegenüber dem willkürlichen Gedächtnis eine größere Rolle spielt
Gedächtnisentwicklung zwischen 5 und 15
Vier zentrale Determinanten der (Zunahme der) Gedächtnisleistung
1. Gedächtniskapazität
2. (Vor-)Wissen
3. Gedächtnisstrategien
4. Metagedächtnis/Metakognition
Gedächtniskapazität
Kapazität (Dempster, 1985):
Gleichsetzung mit Leistung in einem Test zur Erfassung der Gedächtnisspanne
= Speicherplatz für kognitive Operationen und Ergebnisse
Erfassung der Gedächtniskapazität:
Vorgabe von Stimuli etwa im Sekunden-Takt mit Anweisung diese Stimuli unmittelbar danach zu reproduzieren
Gedächtnisspanne (Zahlen): im Alter von 4 Jahren: 4 Items/ im Alter von 12 Jahren: 6-7 Items
mögliche Bedeutung:
Aufgrund neurologischer Reifungsprozesse steht im Verlauf der Entwicklung zunehmend mehr strukturelle Gedächtniskapazität zur Verfügung,
Oder:
Andere Modelle gehen von Unveränderbarkeit der Verarbeitungskapazität aus
Zunahme der Gedächtnisspanne: Theorie von Case (1985, 1995)
Verarbeitungskapazität wird zwischen zwei Grundfunktionen aufgeteilt:
Arbeitsspeicher (operating space):
– für kognitive Prozesse reserviert
Kurzzeitspeicher (storage space):
– für Speicherung der Ergebnisse abgelaufener Prozesse
Im Verlauf des Vor- und Grundschulalters zur Bewältigung der gleichen Aufgaben weniger Arbeitsspeicher für erforderlichen mentalen Operationen benötigt aufgrund von Automatisierungsprozessen und steigender Geschwindigkeit
–>mehr Raum für Speicherung von Informationen im Kurzzeitspeicher
Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley & Hitch
Einspeichermodell von Cowan
Keine Trennung von LZG und Arbeitsgedächtnis.
Nimmt drei ineinander verschachtelte Ebenen an: Langzeitrepräsentationen–aktivierte Langzeitrepräsentationen– Aufmerksamkeitsfokus
Arbeitsgedächtnis= Summe kognitiver Prozesse, die Informationen aktiv halten, um komplexe Aufgaben zu lösen.
Nicht Arbeitsgedächtniskapazität sondern Aufmerksamkeitsprozesse bedingen entwicklungsmäßige Veränderungen
Langzeitgedächtnis (LZG)
–> Deklaratives (explizites) Gedächtnis: Wissen, dass....
speichert Faktenwissen (Tatsachen, Ereignisse), bewusstes Gedächtnis
Wird unterteilt in:
− Semantisches Gedächtnis: Faktenwissen (von der Person unabhängiges Wissen) z.B. München ist in Bayern
− Episodisches Gedächtnis: Episoden, Ereignisse, Tatsachen, Erfahrungen aus dem eigenen Leben
z.B. Erinnerungen an einen Besuch in München
– Autobiographisches Gedächtnis: Teilbereich des LZG, in dem Erinnerungen an Erlebnisse mit starkem Selbstbezug repräsentiert sind
– Prozedurales Gedächtnis: Wissen, wie...
–> bezieht sich auf Fertigkeiten, Erwartungen, Verhaltensweisen
= Auch als implizites Gedächtnis bezeichnet, da Prozesse weitgehend unbewusst: z.B. Gehen, Radfahren, Klavierspielen
Gedächtnis im Vorschulalter
• Diskrepanz zwischen Rekognition (Wiedererkennen) und Reproduktion (Perlmutter, 1984):
Erklärung: Reproduktion setzt eine innerliche Repräsentation voraus
In der Testsituation stehen nur bei Rekognitionsaufgaben äußere
Gedächtnishilfen zur Verfügung.
Erfolg bei der Reproduktionsaufgabe setzt voraus, dass Merkmale der Ausgangssituation innerlich repräsentiert sind/ wieder abgerufen werden können –> Diese Anforderung schwierig für Kinder
Gedächtnisentwicklung: Vorwissen
–> Besonderer Einfluss von Skriptwissen
Skripts: Drehbücher für bestimmte Ereignisse z.B. Geburtstagsparty feiern
Kinder können Geschichten mit Skriptcharakter (Geburtstagsparty) wesentlich besser reproduzieren als Geschichte mit ebenfalls vertrauten Inhalten (Spielnachmittag), die nicht in ein allgemeines Schema eingebettet werden konnte
Bezugspersonen können bei Aufbau langfristiger Gedächtnisrepräsentationen helfen, wenn sie häufig nachfragen
Vorwissen und Gedächtnis, Studie von Chi (1978)
Probanden
• 10-jährige Schachexperten & erwachsene Novizen unterschiedlichen Alters
Aufgabe
• Schachpositionen erinnern, die kurze Zeit gezeigt wurden
Ergebnis
• Aufgabe gelang den Kindern besser, obwohl sie in einem Gedächtnisspannentest schlechter abschnitten als die Erwachsenen
• Behaltensvorteil der Experten geht bei sinnfreien Stellungen verloren
–> Umkehrung der im allgemeinen zu beobachtenden Alterseffekte kann auch in andern Domänen beobachtet werden
LZG: Semantisches Gedächtnis: Netzwerkmodell
–> Inhaltswissen repräsentiert als Netzwerk bestehend aus miteinander verknüpften Inhalten oder Knoten, zu denen es verschiedenartige Assoziationen gibt:
• Ist-ein-Verbindungen (Kategorienzugehörigkeiten)
• Kann-und-hat-Verbindungen (Eigenschaften des Merkmals)
• Sieht-aus-wie-Verbindungen (assoziierte visuelle Vorstellungen)
Metakognition:
–> Wissen über Wissen und Überwachung und Kontrolle der eigenen Wissensvorgänge
–> Wichtig für Selbstüberwachung und Selbstregulation
Metagedächtnis:
–> Das Wissen über Gedächtnisvorgänge
• deklaratives Metagedächtnis: Faktisch verfügbares/verbalisierbares Wissen der Gedächtnisvorgänge
• prozedurales Metagedächtnis: Fähigkeit zur Regulation/ Kontrolle gedächtnisbezogener Aktivitäten
Deklaratives Metagedächtnis
Personmerkmale: Wissen über eigenes Gedächtnis/ Gedächtnis anderer
Aufgabenmerkmale: Wissen darüber, was bestimmte Gedächtnisaufgaben schwerer macht als andere
Strategiemerkmale: Wissen über verschiedene Enkodier-/ Abrufstrategien
–> Verbessert sich in der Grundschulzeit beständig; bis in die Adoleszenz
–> Zusammenhang zwischen kognitiven Fähigkeiten und metakognitivem Wissen –> Schon bei fortgeschrittenen Grundschülern können Gedächtnisleistungen in sehr unterschiedlichen Aufgaben durch das verfügbare metakognitive Wissen bedeutsam vorhergesagt werden: Korrelation von r = .41
Gedächtnisstrategien
Strategien:
bewusste, intentionale kognitive Aktivitäten, die helfen eine Gedächtnisaufgabe besser zu bewältigen
Enkodierstrategien: Strategien die primär während der Einspeicherung wirksam sind
Wiederholung: ab ca. 10 J. gut, verbessert Leistung im GS Alter
Kategorisierung/Organisation: spätes GS Alter, verbesserte Leistung wenn Anwendung bei Einspeicherung und Abruf
Elaborierung (Verwendung von Eselsbrücken): erst in der Adoleszenz
Abrufstrategien:
Strategien die während des Abrufs wirksam sind –> Kategorisierung
Wiederholung: Entwicklung über die GS-Periode hinweg
Strategiedefizite
Mediationsdefizit:
KIGA-Kinder können Strategien nicht spontan einsetzen/ profitieren nicht von Unterweisung
Produktionsdefizit:
Vorschulkinder/ Schulanfänger setzen keine Strategien ein, profitieren von gezielter Unterweisung
Nutzungsdefizit/Nutzungsineffizienz:
Jüngere Schulkinder profitieren noch wenig vom spontanen Strategieeinsatz
Vorteil erst nach wiederholten Erfahrungen mit der Strategie
–>Fortgeschrittene Gedächtnisstrategien entwickeln sich meist nicht spontan, sondern durch Instruktion, müssen automatisiert werden: Lehrer als Instruktor/ Modell
–> Bedeutung metakognitiver Kompetenzen
Metagedächtnis und Gedächtnisstrategien: Pädagogische Implikationen
Vermittlung von Strategien, z.B.
− Zusammenfassen gelesener Textabschnitte
− Eigene Fragen generieren
− Aktivieren von Vorwissen
Lehrperson erklärt Strategien, ist Modell für Strategieerwerb, Rückmeldung und Verstärkung –>Strategien explizit vermitteln und üben
Aber: Zu Anfang braucht die Strategie selber Kapazität, d.h. die Leistungen werden nicht sofort besser, sondern können zuerst sogar abfallen
Kognitive Kontrolle (auch: Exekutive Funktionen)
Definition:
• …übergeordnete kognitive Prozesse..., die sensorische, motorische, emotionale und kognitive Prozesse so modulieren bzw. verändern, dass eine optimale Anpassung an aktuelle Aufgabenanforderungen oder Zielsetzungen möglich ist (Kray & Schneider, 2018).
Intentionale Handlungskontrolle, wenn automatische Handlungsschemata durchbrochen werden müssen (Norman & Shallice, 1986)
Komponentenmodell nach Miyake & Friedman
Inhibitorische Kontrolle
Hemmung automatisierter Handlungstendenzen / Inhibition
Inhibition von Antworten zu irrelevanten Stimuli während der Verfolgung kognitiv repräsentierter Ziele
Lesefreie Aufgaben
− Day-Night task
− Happy-Sad task
Aufrechterhaltung relevanter & Unterdrückung irrelevanter Informationen
• 1-zurück-Aufgabe:
− mit 10-12 Jahren auf dem Niveau von Erwachsenen
• 2-zurück-Aufgabe (interferierende Reize):
− weitere Entwicklungsveränderungen über das Jugendalter
• Ergebnis
− Fähigkeit zur Aufrechterhaltung relevanter Information bei interferierenden Reizen verbessert sich kontinuierlich
Kognitive Flexibilität
Handlungsplanung
Planungsfähigkeiten verbessern sich bis ins frühe Erwachsenenalter
Bsp. Turm von London / Tower of Hanoi
− Antizipation der Ergebnisse von Teilhandlungen
− Formulierung von Zwischenzielen
− Kombination der Zwischenziele i.H. auf übergeordnetes Ziel
Entwicklung exekutiver Funktionen
Förderung von exekutiver Kontrolle und Aufmerksamkeit
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