Begriffliches Rahmenmodell zur Konzeptualisierung von unterrichtlichen Lehr-/Lernprozessen
Kollar & Fischer 2019
angelehnt an Angebot-Nutzungs-Modell des Unterrichts (Helmke & Weinert 1997)
Unterscheidung zwischen lehrer- und schülerseitigen
Eingangsvoraussetzungen
Lernergebnissen
5 Basismerkmale kooperativen/kollaborativen Lernens
Johnson & Johnson 1999
Positive Interdependenz: Erfolgsaussichten des einzelnen steigen mit EA aller Mitglieder
Individuelle Verantwortlichkeit: Kein Sucker- oder Free Rider Effect
Förderliche Interaktion
Kooperative Arbeitstechniken (Kommunikation)
Reflexive Prozesse
Situationale Bedingungen
-> Gruppengröße:
Dreiergruppen führen zu höchster Beteiligung (Wiley& Jensen)
-> Gruppenbildung:
LK teilt zu vs. Durch SuS gewählt: Kein Unterschied, solange nicht klar wird, wonach LK zugeteilt hat (z.B. immer ein Schwacher und ein Starker,…)
-> Geschlecht:
möglichst ausgeglichen, Zweiergruppen möglichst gleichgeschlechtlich, sonst erfolgt „Rollenverteilung“ (z.B. Mädchen gibt immer Anweisungen, dokumentiert,… während Junge experimentiert, den Computer bedient etc.)→ Metaanalysen: Besserer Lernerfolg bei gleichgeschlechtlichen Zweiergruppen
-> Leistungszusammensetzung:
homogen besser für stärkere SuS, heterogen besser für schwache SuS: ABER generell: Heterogen für beide vorteilhaft (Umstrukturierung des Wissens etc.) (Gillies 2007)
Ungünstige Gruppenphänomene
Renkl 2008
Trittbrettfahrer
“Bin-ich-denn-der-Depp?”
Komplott gegen die Aufgabe
ICAP-Modell
Chi & Wylie 2014
Annahme: unterschiedliches Niveau der ablaufenden Lernprozesse bei sichtbaren Lernaktivitäten
Günstige Gruppenbedingungen (um ungünstige Phänomene zu vermeiden)
Slavin
Gruppenbelohnung
Individuelle Verantwortlichkeit
Gleiche Erfolgschancen für alle (individuelle Bezugsnorm)
d= .54, in GS stärker
Erklärungsansätze zum Lernerfolg: Lernaktivitäten
kognitiv: Anreicherung des vorhandenen Wissens durch Austausch
sozio-kognitiv (Piaget): Kognitive Konflikte entstehen durch Austausch -> neue Sichtweisen, Weiterentwicklung
sozio-kulturell (Vygotsky): sozialer Austausch & Modellierung zw. Stärken und Schwächeren
Gruppenpuzzle/Jigsaw
Aronson et al. 1977
Bildung von Stammgruppen
Stammgruppen folgen Einführung von LK in Thema, das aus mehreren Teilthemen besteht
Alle Stammgruppen bearbeiten gleiches Thema mit gleichen Teilthemen, jedes Mitglied bekommt Teilthema zugewiesen
Verteilung von SuS auf Expertengruppen (4-5 SuS), die jeweiliges Teilthema bearbeiten (wenn möglich nach Präferenzen der SuS)
Rückkehr in Stammgruppen, in denen nun ein Experte für jedes Teilthema ist – gegenseitiges Erklären der einzelnen Themen
→ Während Diskussion: jeder Lernende gefordert, eigenes Wissen zu explizieren und auf Rückfragen möglichst kompetent zu antworten, andererseits versuchen, von übrigen Mitgliedern möglichst viel über deren Expertisegebiet zu erfahren (konstruktive und interaktive Aktivitäten wie im ICAP-Modell beschrieben und durch Gruppenzusammensetzung quasi natürlich ausgelöst)
Wecker und Fischer (2014): Wissenserwerb über Themen, für die SuS jeweils Experten waren, ist positiv; gleichzeitig aber oft keine oder manchmal negative Effekte hinsichtlich des Erwerbs von Wissen zu den übrigen Teilthemen
Lösung
Gruppenpuzzle 2.0 (Modifikation des normalen Gruppenpuzzles) → Alle müssen alle Info-Experten-Texte lesen →Gruppenbelohnung am Ende →Individuelle Bezugsnorm als Vergleich
Gruppenrallye
Slavin 1999
Zunächst herkömmliche Unterrichtseinheit, dann individueller Test, für den jeder S Punkte erhält
Auf Basis des Testergebnisses: Bildung heterogener Gruppen mit stärkeren und schwächeren SuS, die sich nochmals mit den Inhalten beschäftigen
Am Ende der Phase wieder ein individueller Test, bei dem Gruppen mit Punktezuwachs Belohnung erhalten
Für den einzelnen Lerner ist also nicht nur seine eigene Leistung wichtig, sondern auch die seiner Gruppenmitglieder → er unterstützt diese in ihrem Wissenskonstruktionsprozess, trägt aber auch individuelle Verantwortung (persönliche Leistung entscheidet mit darüber, ob Gruppe im Anschluss Belohnung erhält)
Insgesamt positive Effekt im Vergleich zu traditionellem Unterricht auf Wissenserwerb und auf nicht kognitive Lernergebnisse (z.B. Beziehungsqualität zwischen SuS, Selbstbewusstsein)
Kooperationsskripts
Fischer et al. 2013
Innerhalb Kleingruppe genaue Vorgaben darüber, welche Lernaktivitäten in welcher Reihenfolge und mit welchen Rollen ausgeführt werden
Sehr effektiv gegenüber unstrukturiertem kooperativem Lernen, v.a. beim Erwerb genereller Fertigkeiten (Kooperation, Kommunikation), aber auch hinsichtlich des Erwerbs von Wissen über die in Gruppen diskutierten Inhalten
Unterrichtsmethoden/Lehrstrategien vs. Lehrtechniken
Unterschiede (Lerntheorien)
Kennzeichen von Unterricht
nach Doyle 1986
Multidimensionalität (Ereignisse, Aufgabenstellungen und Interaktionen sind äußerst variantenreich)
Simultanität (viele Prozesse & Ereignisse laufen gleichzeitig ab)
Unmittelbarkeit (während Unterricht zahllose Interaktionen, die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen)
Unvorhersehbarkeit
Öffentlichkeit
Geschichte
Unterrichtsmethoden
Lehrerzentrierte Ansätze: Kognitivistische Ansätze
Direkte Instruktion
LK im Zentrum, bestimmt in hohem Maße Inhalte, Lehrtempo, Schüleraktivitäten etc.
Durch strukturierte Darstellung und Bearbeitung der Lerninhalte können SuS in kurzer Zeit viel neues Wissen erwerben
Gehört zu darstellenden Methoden
Kognitivistische Ansätze
Lernen als Prozess der Informationsverarbeitung, der sich eindeutig beschreiben und damit auch steuern lässt
Der Lehrgegenstand wird als fertiges System vermittelt, sodass der Lernende das Wissen über den Lerngegenstand in ähnlicher Weise besitzt wie der Lehrende → Gestaltung einer gegenstandszentrierten Lernumgebung
Primat der Instruktion
Im Sinne einer außengesteuerten Optimierung der Lehrsituation
Sichtweise des Lehrenden als „Didactic Leader“
Rationales und im Voraus planbares Lerngeschehen
Direkte Instruktion: Unterrichtsablauf in 7 Schritten
Slavin 2015
LK nennt Lernziele und gibt Überblick über Stundenablauf
LK versucht kognitive Lernvoraussetzungen schaffen, die für Erwerb neuen Wissens notwendig sind: Vorwissen aktivieren
LK präsentiert neu zu lernende Inhalte durch klare, strukturierte und effiziente Stoffdarbietung: Überlastung des AG vermeiden
Verständnisprüfung (Zwischenfragen); SuS erhalten Infos zu eventuellen Wissenslücken, die es zu schließen gilt
Phase des selbstständigen Übens: Studium ausgearbeiteter Lösungsbeispiele
Verzögertes Üben und Wiederholen (z.B. Hausaufgaben)
Bewerten der Schülerleistungen und darauf aufbauende Rückmeldung
Expertise-Reversal-Effekt
Kalyuga 2007
Instruktionsansätze, die bei Novizen zu positiven Effekten auf den Wissenserwerb führen, verlieren mit steigender Expertise an Effektivität, im Extremfall sogar hinderlich für Wissenserwerb
-> Lerner mit höherem Vorwissen werden durch Vorgabe detaillierter Instruktionen gezwungen, bereits Gewusstes noch einmal zu verarbeiten (Redundanz); dadurch Bindung von AG-Ressourcen, die nicht für Verfeinerung bereits entwickelter oder Aufbau neuer Schemata im LZG genutzt werden können
Four-Components/Instructional Design-Ansatz (4C/ID)
Merrienboer & Kirschner 2017
4 Komponenten zur Gestaltung von Unterrichtsphasen
Reichhaltige Lernaufgaben
Unterstützende Informationen
Prozedurale Informationen
Gelegenheiten zur Übung von Teilschritten
Programmierter Unterricht
e-learning (Padlets)
Schülerzentrierte Ansätze: Konstruktivistische Ansätze
Lernen als Enkulturation (Hineinwachsen)
Primat der Konstruktion (Situated Learning)
Lernen ist hochgradig kontextgebunden (situiert) und individuell
LK höchstens begleitend und ermöglichen, aber nicht planen und kontrollieren
selbstgesteuerter Lernprozess
Eigenständigkeit
meist in sozialen Kontexten verankert
Cognitive Apprenticeship
Collins, Brown & Newman 1989
Instruktionale Unterstützung der SuS durch 6 Methoden
Reciprocal Teaching (Gegenseitiges Lernen) (Palincsar & Brown 1984)
= Ansatz zur Förderung der Lesekompetenz -> setzt Ideen des Cognitive-Apprenticeship-Ansatzes im Vergleich zu herkömmlichen Lesetrainings um
Forschendes Lernen
de Jong & van Joolingen 1998
Ausgangspunkt für das Lernen = wissenschaftliches Problem
Bestandteile des wissenschaftlichen Probleme-Lösens bzw. erklären:
LK als Coach
SuS in Kleingruppen
Problemorientiertes Lernen
Dochy et al. 2003
= forschendem Lernen nicht unähnliche Methode
-> authentische Problemstellungen
-> Lernen in Kleingruppen
Situiertes Lernen: Modell nach Hmelo-Silver (2004)
Präsentation eines authentischen, reichhaltigen Problems
Analyse und Diskussion in Kleingruppen
Verteilung von Einzelaufgaben: Suchen relevanter Infos auf Basis von Büchern/Internetquellen
Zurück in Kleingruppe: Diskussion möglicher Lösungen auf Basis des zusammengetragenen Wissens
Reflexion der Qualität des Problemlöseprozesses
Während aller Phasen: LK überwacht und gibt Hilfestellung
Techniken zur Überwachung von Lernprozessen
“Professionelle Unterrichtswahrnehmung” (van Es & Sherin 2008)
Erkennen
Beschreiben
Erklären
Vorhersage
Techniken zum Herstellen von Lernbereitschaften
-> kognitive Seite, motivational-affektive Seite
Techniken zur Präsentation und Demonstration von Lehrinhalten
logische, strukturierte Darstellung
relevante Inhalte klar darbieten
Förderung des Fertigkeitserwerbs
Techniken zur Unterstützung von Schülerarbeitsphasen (Scaffolding)
-> zuvor erwerbenes deklaratives Wissen prozeduralisieren
Techniken zum Geben von lernförderlichem Feedback
-> Feedbackmodell (Hattie & Timperley 2007)
Feedbackmodell
Hattie & Timperley 2007
3 Komponenten
Feed-Up (Informiert über angstrebtes Ziel)
Feed-Back (informiert Lerner, wie weit sie noch vom Ziel entfernt sind)
Feed-Forward (informiert Lerner, was als nächstes zu tun ist, wie weiter geübt werden kann)
Aptitude Treatment Interaction (ATI)
Cronbach & Snow 1977
Annahme: Wechselwirkung (Interaktion) zwischen den Merkmalen von Lernenden (Aptitude) und der Unterrichtsmethode (Treatment)
-> Lernende mit ungünstigen Lernvoraussetzungen (Hohes Angstpotential) profitieren von hochstrukturierten Unterrichtsformen, Lernende mit günstigen LV brauchen offenere Unterrichtsformen
Anchored-Instruction-Ansatz
Cognition and Technology Group at Vanderbilt 1997
Ausgangspunkt und Basis des Unterrichts: „narrative Anker“ als zentrales Kennzeichen der Theorie
„Narrative Anker“ = Erzählungen oder Beschreibungen von authentischen Problemsituationen
Gestaltungsprinzipien (Reinmann und Mandl 2006)
Videobasierte Problemstellung: Präsentation der authentischen Problemsituation erfolgt per Video
Narratives Format: Problem in für Lerner bedeutungsvollen Kontext einbetten
Generatives Format: Ankergeschichten sollen Lernenden helfen komplexer werdende Problemstellungen zu bearbeiten → Differenzierung und Spezifizierung im Wissenserwerb wird erreicht
Eingebettete Daten: Alle Daten, die zur Lösung des Problems benötigt werden, sind in die Geschichte eingebettet; aber auch Infos die irrelevant sind → Lernende müssen lernen relevante von irrelevanten Infos zu unterscheiden
Problemkomplexität: geschilderte Problemsituation entspricht der Komplexität einer realen Situation
Paare verwandter Abenteuer: Lernenden werden jeweils zwei ähnliche Geschichten präsentiert, damit sie unter verschiedenen Perspektiven lernen und die erworbenen Kenntnisse flexibel anwenden können
Bsp: Abenteuergeschichten mit Jasper Woodbury für den Matheunterricht
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