Deduktion/ Induktion
möchte bessere Hypothesen usw. generieren können (Wissensfortschritt)
Entdeckungszusammenhang/ Begründungszusammenhang
Zwei Bereiche wissenschaftlicher Arbeit
Entdeckungszusammenhang (contextofdiscovery)
Entdeckung und Beschreibung von Phänomenen, Generierung von Hypothesen und Theorien
meist offene Fragestellungen: „Welche Faktoren beeinflussen X?“ oder „Was geschieht mit X unter der Bedingung Y?“
-> hypothesengenerierende oder explorative Untersuchungen
Begründungszusammenhang (context of justification)
Prüfung der Hypothesen auf logische Konsistenz, empirischen Gehalt, Kompatibilität mit bestehendem Wissen, empirische Adäquatheit
Typischerweise geschlossene Fragestellungen: „Passiert Y, wenn X?“ „Trifft Hypothese XY zu?“ „hat die unabhängige Variable (UV) den erwarteten Effekt auf die abhängige Variable (AV)?
-> hypothesenprüfende Untersuchungen
Der Schwerpunkt der Vorlesungliegt auf hypothesenprüfenden Untersuchungen (Begründungszusammenhang).
Versuchplanung
Vorlesung Versuchsplanung
Fokus auf hypothesenprüfende, insbesondere experimentelle Untersuchungen, wie sie im Experimentalpraktikum durchgeführt werden (andere Untersuchungstypen werden kurz angesprochen)
Ziel der experimentellen Versuchsplanung ist es, eine empirische Untersuchung so zu planen, durchzuführen, und auszuwerten dass eine Kausalhypothese möglichst valide (und ökonomisch)überprüft werden kann.
-> Validität: Gültigkeit oder allg.Güte der Hypothesenprüfung
-> ökonomisch: mit möglichst geringem Aufwand
Leitfrage: Wie muss eine experimentelle Untersuchung gestaltet sein, damit sie Erkenntnisse über die Gültigkeit der Kausalhypothese liefern kann?
ABbildung Theorie/ Hypothese
Verschiedene Typen von Hypothesen
Kausalhypothesen
Hypothesen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen
Experimenteller Versuchsplan
Korrelationshypothesen
Hypothesen über Zusammenhänge zwischen Merkmalen
korrelativer Versuchsplan
Deskriptive/beschreibende Hypothesen
Forschungsfragen bezüglich der Ausprägung einzelner Variablen
populationsbeschreibender Versuchsplan
Hypothesen über Merkmalsausprägungen/
populationsbeschreibende Designs
Hypothese über Merkmalsausprägungen: X hat [mindestens/höchstens] die Ausprägung A in Grundgesamtheit G
„Über 50% aller Jugendlichen in Deutschland spielen täglich Computerspiele“
Überprüfung mit populationsbeschreibendem Designs
z.B. Beobachtungsstudie an einer einfachen Zufallsstichprobe:
Für eine zufällig ausgewählte Stichprobe von Jugendlichen in Deutschland wird erfasst, wie häufig sie am Computer spielen
-> Bei populationsbeschreibenden Designs geht es um die möglichst präzise Schätzung von Populationskennwerten
Korrelationshypothesen/
korrelative Designs
Korrelationshypothese: X steht mit Y in [pos/neg] Zusammenhang
„Die Häufigkeit des Computerspielens bei Jugendlichen steht in einem positiven Zusammenhang mit ihrer Gewaltbereitschaft“
„häufiges Computerspielen geht einher mit höherer Gewaltbereitschaft“
„Jugendliche, die häufig am Computer spielen, sind gewaltbereiter“
Überprüfung mit Hilfe eines korrelativen Designs
z.B. querschnittlicheskorrelatives Design:
An einer Stichprobe von Jugendlichen wird die Häufigkeit des Spielens am Computer und die Gewaltbereitschaft gemessen
beide Variablen werden zueinander in Beziehung gesetzt
Korrelative Designs sind zur Prüfung von Zusammenhangshypothesen geeignet
aber nicht zur Prüfung von Kausalhypothesen
Kausalhypothesen/ experimentelle Designs
Kausalhypothese: X verursacht Y
„Computerspielen verursacht eine erhöhte Gewaltbereitschaft von Jugendlichen.“
„Computerspielen erhöht die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen.“
Überprüfung mit Hilfe eines experimentellen Designs
z.B. einfaktoriellerZufallsgruppen-Versuchsplan:
Zufällige Aufteilung einer Stichprobe von Jugendlichen in eine Experimentalgruppe (Spielen am Computer) und eine Kontrollgruppe (neutrale Aktivität)
Messung der Gewaltbereitschaft und Vergleich der Gruppen
Gibt es systematische Unterschiede in der Gewaltbereitschaft, können sie nur durch Computerspielen verursacht worden sein
-> Experimente erlauben die Prüfung von Kausalhypothesen
Kausalität / Korrelation
Kausalität ≠ Korrelation
Sachverhalt: Zusammenhang zwischen H und E
H wird häufig zusammen mit E beobachtet
Mögliche Kausalbeziehungen:
(1) H verursacht E
Die Henne legte das Ei
(2) E verursacht H
Aus dem Ei wuchs die Henne
(3) Eine dritte Variable S (bzw. eine Menge von zusammenhängenden Variablen X1, …, Xn) verursacht sowohl H als auch E
Sowohl Henne als auch Ei wurden von eine:rDritten geschaffen
-> Korrelation impliziert nicht Kausalität
Kausalität und Intervention
InterventionistischeAuffassung von Kausalität
"to think of a relation between events as causal is to think of it under the aspect of (possible) action. [...] that p is the cause of q [...] means that I could bring about q if I could do (so that) p. (von Wright, 1971)
The paradigmatic assertion in causal relationships is that manipulation of a cause will result in the manipulation of an effect. [...] Causation implies that by varying one factor I can make another factor vary.(Cook & Campbell, 1979, S. 36)
Methodologische Implikation:
-> aktive Manipulation der interessierenden Variablen
Kausalität: Ursachen als INUS Bedingungen
Kausalität: Ursachen als INUS-Bedingungen (1)
Ursache: “insufficient but necessary part of an unnecessary but sufficient condition”
Teil einer Menge von Bedingungen; für sich genommen nicht hinreichend (insufficient),
als Bestandteil der Menge aber notwendig (necessary) für das Auftreten des zu erklärenden Sachverhalts.
Die Bedingungsmenge insgesamt ist nicht notwendig (unnecessary),
aber hinreichend (sufficient) für das Auftreten des zu erklärenden Sachverhalts.
Beispiel: Waldbrand verursacht durch Streichholz.
Insufficient: Es braucht auch (z.B.) Sauerstoff.
Necessary: Eine Flammenquelle wird benötigt.
Unnecessary: Feuerzeug geht auch.
Sufficient: Sauerstoff, Streichholz, Trockenheit zusammen hinreichend.
Kausalität: Ursachen als INUS-Bedingungen (2)
Konzeptuelle Implikationen:
Ursachen sind nur als Teil einer Menge von Randbedingungen (ermöglichenden Bedingungen) wirksam
Theorien können sich auf unterschiedliche Teile der Bedingungsmenge beziehen
Methodologische Implikationen:
Idealmodell für die Überprüfung von Kausalhypothesen:
Vergleich von Bedingungskonstellationen, die sich nur im Hinblick auf das Vorhandensein der vermuteten Ursache unterscheiden
Kontrolle aller anderen Faktoren (Kontrolle von Störvariablen)
Systematische Beobachtung, ob der zu erklärende Sachverhalt eintritt oder nicht
Fazit:
aktive Manipulation der interessierenden Variablen
Kontrolle aller anderen Faktoren
Das Experiment: Kernelemente
Kausalhypothese
Vermutung über den Einfluss einer Variable auf eine andere Variable
Manipulation einer UV
es werden zwei (oder mehr) Bedingungen aktiv hergestellt, die sich nur bzgl. einer einzigen Variable unterscheiden
diese Variable wird Unabhängige Variable (UV) genannt
z.B. „Ego-Shooterverursachen erhöhte Gewaltbereitschaft“
Kontrolle aller anderen Variablen
Randomisierung: jede Person (Untersuchungseinheit) wird per Zufall einer der Bedingungen zugewiesen
z.B. per Münzwurf entscheiden, was eine Person spielen muss
Versuchsplanerische Kontrolle aller anderen Störvariablen
Beobachtung (Messung) einer AV, Vergleich der Bedingungen
Ausprägung der interessierenden Abhängigen Variable (AV) wird gemessen
z.B. die Gewaltbereitschaft der Personen messen & vergleichen:
Ist die Gewaltbereitschaft der Ego-Shooter-Bedingung größer?
Versuchsplan erstellen
Voraussetzung für Leistungsverbuchung: Eigenen experimentellen Versuchsplan entwickeln
Eine psychologische Hypothese aufstellen
Kausalhypothese (X beeinflusst Y)
der Literatur (beliebiger Bereich der Psychologie) entnehmen, oder aus Theorie schlüssig herleiten
Struktur: mind. 2x2-Design mit Replikation & Erweiterung (s.u.)
Die Frage beantworten: Wie muss ich eine experimentelle Untersuchunggestalten, damit sie neue Erkenntnisse über die Gültigkeit meiner Kausalhypothese liefern kann?
im Laufe des Semesters die jeweils neuen Inhalte der Vorlesung auf die eigene Untersuchungsplanung anwenden
die Ergebnisse Ihrer Überlegungen jeweils stichwortartig notieren
Ergebnis: fertige Versuchsplan-Skizze (ggf. im Expraumsetzbar)
Form: Methodenteil Artikel (Abschnitte: Design, Versuchspersonen, Material, Prozedur, Datenaufbereitung & Auswertungsplan)
Abgabe: Datei in ILIAS hochladen(stichwortartig, ca. 2-3 Seiten)
Angebot: Kurzvortrag in VL mit Feedback zum Versuchsplan (bei Interesse bitte Email)
Versuchsplanung im Forschungsprozess
(1) sich kritisch mit Untersuchungen anderer auseinandersetzen
andere Untersuchungen kritisch rezipieren, hinterfragen, interpretieren
und ggf. mit verbesserter Methodik selbst replizieren
(2) Fragestellung präzisieren & einen Versuchsplan entwickeln, der diese Hypothese überprüfen gestattet
eigene Untersuchungen möglichst valide planen, durchführen, auswerten
unter Berücksichtigung ihrer verbleibenden methodischen Schwächen angemessen vorsichtig interpretieren
Forschungsprozess: (1) und (2) kombinieren (iterativ, arbeitsteilig)
Untersuchungen aus der Literatur kritisch rezipieren, d.h. mögliche Validitätsproblemeidentifizieren -> Alternativerklärungen formulieren, d.h. neue Hypothesen aufstellen
daraus Ideen ableiten für neue Untersuchungen zur Prüfung der neuen Hypothesen
-> neue Untersuchung wird durch Andere kritisch rezipiert & verbessert…
Kritische Diskussion empirischer Untersuchungen
Zu (1): Kritische Diskussion empirischer Untersuchungen
Nicht-begutachtete Arbeiten (Manuskripte, Preprints, Buchkapitel,…)Methodik wurde von den Autoren für angemessen befunden
Besondere Vorsicht bei Interpretation der Ergebnisse
Begutachtete empirische Untersuchungen
Haben einen Begutachtungsprozess durchlaufen, bei dem die Arbeit von (zwei oder mehr) anderen Wissenschaftlern geprüft wurdeEinige Fehler werden durch Begutachtung entdeckt & behoben
Aber: Die Validität der Ergebnisse ist dadurch nicht sichergestellt!Es werden immer wieder Fehler in veröffentlichten Artikeln entdeckt
Auch hier: Vorsicht bei Interpretation der Ergebnisse
Validitätsprüfung durch wissenschaftliche Gemeinschaft
Beginnt mit öffentlicher Bereitstellung (in Zeitschrift oder Repository)
andauernder Prozess (Probleme u.U. erst viele Jahre später bekannt)
Eigene Untersuchung planen -Replizieren & erweitern
Zu (2): Eigene Untersuchung planen -Replizieren & erweitern
Standard-Vorgehensweise „Replikation & Erweiterung“
Kombination von Replikationsversuch eines Befunds (Effekt von UV A) mit Hypothesenprüfung bzgl. theoretischer Interpretation (Einflussgrößen)
Replikations-Hypothese „Es gibt einen Effekt von UV A“
Erweiterungs-Hypothese: „Effekt von UV A wird beeinflusst durch UV B“
Typischerweise mindestens zweifaktorielles Design
Faktor A (KG, EG): experimentelle Manipulation aus Originalstudie
Faktor B (Replikation, Erweiterung): Manipulation zur Prüfung eigener Hypothese
Replikation prüft Robustheit des Basisbefunds (Effekt Faktor A)-
„Manipulation check“: Ist Original-Befund robust?
Erfolgreiche Replikation stellt sicher, dass Effekt der Erweiterungs-Manipulation (UV B) interpretiert werden kann (nur wenn Effekt von A überhaupt vorliegt, kann er durch UV B potentiell beeinflusst werden)
Erweiterung (Faktor B) relevant für theoretische Interpretation
Prüft Alternativerklärungen für Original-Befund (z.B. Konfundierungen)
Untersucht Bedingungen, unter denen Original-Befund auftritt (z.B. Eigenschaften von Versuchssituation, TeilnehmerInnen, Kontext)
Replikation & Erweiterung –Fiktives Beispiel:Stift zwischen Zähnen (vs. Lippen) verbessert Stimmung (Strack, Martin, & Stepper, 1988)
Originalstudie zur „FacialFeedback“-Hypothese
TN bewerten Lustigkeit von Comics (AV) mit Stift, den sie im Mund halten
Manipulation (UV): Stift zwischen den Zähnen (smile) vs. Lippen (frown)
Hypothese: „Facialfeedback“ –Mimik beeinflusst affektive Reaktion
Mögliche Replikation & Erweiterung:
Replikationsversuch: Original-Design replizieren (UV A: Zähne vs. Lippen)
Wagenmakers et al (2016): Original-Befund nicht repliziert; aber: TN mit Videokamera gefilmt
Interpretation unklar: Original unglaubwürdig? Änderung problematisch? Direkter Vgl. fehlt!
Erweiterungs-Hypothese: Selbstaufmerksamkeit reduziert facialfeedback
Erweiterung: Prüfung des Beobachtungseffekts (UV B: mit vs. ohne Video)
Effekt UV A -> Facial-feedback-Effekt: Mimik beeinflusst Stimmung
Effekt UV B -> Selbstaufmerksamkeit beeinflusst den Facial-feedback-Effekt
Replikation & Erweiterung
Warum ist die Replikationsbedingung notwendig?
Ziel: Kausalhypothese über Ursache/Randbedingung des Befunds prüfen
Mittel: Experimentelle Manipulation der Ursache als Faktor
Ohne Replikationsbedingung: nur 1 Stufe des Faktors, d.h. keine Manipulation; Kausalhypothese nicht experimentell geprüft!
Bsp.: Studie will Effekt der Beobachtung auf FacialFeedback prüfen……
aber realisiert nur die Bedingung „mit Video“ (Zähne vs. Lippen)
… um zu beobachten, ob unter dieser Bedingung FacialFeedback auftritt
Fall 1: es zeigt sich ein FacialFeedback-Effekt. Interpretation?
(a) die in Erweiterungs-Bedingung realisierte Manipulation hat keinen Einfluss
(b) unbekannter anderer Grund, warum der Effekt doch zustande kam
Fall 2: es zeigt sich kein FacialFeedback-Effekt. Interpretation?-
(a) die in Erweiterungs-Bedingung realisierte Manipulation eliminiert den Effekt
(b) unbekannter anderer Grund, warum der Effekt nicht zustande kam
-> Prüfung Kausalhypothese bezüglich der Moderatorvariable erfordert direkten Vergleich mit Replikations-Bedingung!
Zusammenfassung
Jeder Befund/Erkenntnisstand ist stets nur vorläufig
unterliegt andauernder Überprüfung/Revision durch wiss. Gemeinschaft
Validitätsprüfung: Replikation & Überprüfung alternativer Interpretation
Erster Schritt der Validitätsprüfung: Replizierbarkeit
durch Originalautor (in streng hypothesentestender Untersuchung)
unabhängige Replikation durch andere Forscher
Erfolgreiche unabhängige Replikation: Vertrauen in empirischen Befund
Zweiter Schritt: Fokus auf theoretische Interpretation des Befunds
Erklärung prüfen: Konfundierungen? Alternative, bessere Theorien?
Prüfung von Hypothesen über Moderatorvariablensetzen Replizierbarkeit voraus
Kausale Interpretation erfordert direkten Vergleich der Replikations-& Erweiterungsbedingungen
-> Prüfung kausaler Hypothesen: Replikation undErweiterung
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