Selbst - Begriffsklärung
• Selbst: Begriffliches System der auf die eigene Person bezogenen Kognitionen und Einstellungen
• Wiliam James (1890):
– “I” : Selbst als erkennendes Subjekt = Persönlichkeit vs.
– “Me”: Selbst als Objekt der Erkenntnis = Wissen und Überzeugungen über die,eigene Person = Selbstkonzept und Identität
• Selbstkonzept: kognitive Komponente
– Selbstwahrnehmung, Wissen um eigene Person, Eigenschaften, Fähigkeiten,
• Selbstwert: affektive Komponente
– Bewertungen der eigenen Person, Fähigkeiten, Verhalten
Symbolischer Interaktionismus
Cooley (1902) “Spiegel-Selbst”
• Selbst setzt sich aus wahrgenommenen Zuschreibungen anderer zur eigenen Person zusammen
• Voraussetzung: Fähigkeit zur Perspektivenübernahme
• Übernahme der Perspektive: mögliche,Reaktion des Anderen auf mein beabsichtigtes Handeln
Neuere sozialpsychologische Ansätze
• Gestaltungsmöglichkeiten
• Individualisierung und Pluralisierung in modernen Gesellschaften
– Verschiedene Lebenswelten
– Konzept widerspruchsfreier Identität nicht mehr aufrechtzuerhalten
– >aus mehreren Lebenserfahrungen zusammengesetztes Selbstbild
Hierarchisches Selbstkonzept
Entwicklung des Selbst
18-20 Monate:
Zusammenhang zwischen sich selbst im Spiegel zu erkennen und Empathie
Reaktionen auf Zielerreichung (ca. 2 Jahre)
Selbstbezogene Emotionen (ca. 2 Jahre)
Physische Merkmale und Fähigkeiten (3-4 Jahre)
Privates Selbst (Privatheit von Gedanken, Träumen etc.)
–>Theory of Mind, ca. 4 Jahre
Selbst im Kindergarten-/Vorschulalter
Selbstkonzept als unstrukturiertes Konglomerat von konkreten und beobachtbaren Selbstaspekten
Erfassung von Diskrepanzen Real-Selbst und Fremd-Soll-Selbst
Beschreibung durch typische Emotionen
Alles-oder-Nichts Denken: häufig in unrealistischem Maße positiv
Selbst im Grundschulalter
Gruppe Gleichaltriger: soziale Vergleiche
Können ggstzl. Selbstrepräsentationen integrieren („gut in X, schlecht in Y“)
leistungsbezogene Vergleiche; Lehrer als Quelle selbstbezogenen Wissens
Strukturierung und Kohärenz des Selbstkonzeptes
Entwicklung hierarchisch strukturierten Selbstwertgefühls
Selbst in der Adoleszenz
erhöhte Selbstaufmerksamkeit, hohes Ausmaß an Selbstreflexion
„imaginäres Publikum“ (Elkind, 1976) /„ persönliche Fabel“ (Elkind, 1976)
Ausbildung eines Persönlichkeitskonzeptes: Selbstbeschreibung durch Persönlichkeitseigenschaften
Widersprüchlichkeiten werden thematisiert–>Versuch der Entwicklung eines integrierten Selbstbildes
Körperselbstkonzept rückt in Mittelpunkt
Ablösung Elternhaus: Selbstbestimmung von Erfahrungen
–>Prototypische Darstellung des Selbstkonzepts eines 15-jährigen Mädchens
Entwicklung der Identität
Identität
Summe der Merkmale/Eigenheiten, die ein Individuum als Einheit ausmachen
Gruppenzugehörigkeit
Soziale Rollen
Identitätsentwicklung als Prozess von
Selbsterkenntnis
Selbstgestaltung
Erikson
Integration psychosexueller/ psychosozialer Aspekte
Identität als Ziel der adoleszenten Entwicklung= Basis für Bewältigung der Aufgaben des Erwachsenenalters
Psychosoziale Entwicklungstheorien: Erikson
• Identität= Fokus der Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter
• Modifikation der Freud‘schen Stadientheorie durch soziale Faktoren
• Auf jeder Stufe grundlegender Konflikt
• Aufbau von Selbstkonsistenz
• Integrationsleistung (psychosexuelle/–soziale Veränderungen, Orientierung in der Erwachsenenwelt)
• Moratorium: Aufschub erwachsener Verpflichtungen
• Entwicklung findet immer in kulturellen Kontexten statt; muss aus jeweiliger Lebenssituation heraus verstanden werden
+
Betont Einzigartigkeit der Lebensgeschichte eines Menschen
Fokus auf frühe emotionale und soziale Entwicklung; Bindung, Geschwisterbeziehungen etc.
-
Daten nur aus klinischen Interviews
Psychoanalytische Ideen häufig sehr spekulativ
Havighurst‘s Konzeption der Entwicklungsaufgabe
• In unterschiedlichen Lebensabschnitten je unterschiedliche Aufgaben
• Erfolgreiche Bewältigung: Glück, Erfolg; Nichtgelingen: unglücklich, Ablehnung durch Gesellschaft
• Quellen der Entwicklungsaufgaben
− Physische Reife / indiv. Leistungsfähigkeit
− Kultureller Druck / soziokulturelle Normen
− Individuelle Zielsetzung
• Lebenslanges Überwinden von Problemen; Individuum aktiver Gestalter
• Dabei: sensitive Perioden des Lernens
Stadien der Identitätsentwicklung nach Marcia (1966)
• Entwicklung einer „integrierten“ Identität im Jugendalter/jungen Erwachsenenalter
–> Vier Stadien der Auseinandersetzung mit Rollen und Werten
Im JA Identitätsdiffusion oder übernommener Identität am häufigsten
Moratoriumszustand zwischen 17 und 19 am höchsten
Geschlechtstypische Verhaltensweisen, Geschlechtsstereotypes Verhalten
• häufig rigidere Erwartungen bzgl. Geschlechtsstereotypen Verhaltens an und von Jungen als an und von Mädchen
• Aber: tatsächlich sind interindividuelle Varianzen von Präferenzen und Verhaltensweisen i.d.R. sehr viel größer, als Geschlechtseffekte
Entwicklung von Geschlechtstypischem Verhalten und Geschlechtsstereotypen : Schematheorie
–>Annahme der Tendenz zur Selbststabilisierung
Entwicklung von bereichsspezifischen Selbstschemata:
= kognitive Generalisierungen über die eigene Person, die beeinflussen, welche Information wie aufgenommen und verwertet wird
–> Bsp.: Entwicklung von Geschlechterschemata (Bem, 1981; Martin & Halverson, 1981)
Einflüsse auf die Identitätsbildung
• Elterliche Wärme/ Unterstützung im Streben nach Autonomie und Individualität
• Sozioökonomischer Status
• Historischer Kontext (z.B. Rolle der Frau)
Eltern-Kind-Beziehung
Zunahme von Vertrauen, aber auch Konflikten zwischen Eltern und Kind
Funktionaler Ersatz für physische Distanz: psychische Distanzierung
Hinzugewonnenes Urteilsvermögen des Teenagers
–>Abnahme der Konflikte mit zunehmder Autonomie
–> Prozess der “Individuation”: neue Balance zwischen emotionaler
Verbundenheit und Autonomie (Grotevant & Cooper, 1986)
–> Beste Umgangsweise: Autoritativer Erziehungsstil
Moralische Entwicklung
Moral und moralisches Urteil
Moral
• die Unterscheidung von Recht und Unrecht
• Empfinden moralischer Gefühle
Moralisches Urteil
• Basiert auf der Begründung oder Motivation für ein Verhalten
• Entwicklung des moralischen Urteils ist die Basis moralischer
Entwicklung
• Untersucht mit Aufgaben zur Lösung moralischer Dilemmata und
Begründung für Urteile Soziale Konventionen:
• Regeln und Gebräuche einer Gesellschaft
– Aber: Gesellschaften unterscheiden sich darin, welche Regeln moralischer oder konventioneller Natur sind!
• Schichtabhängiges Urteilsniveau:
– Stärkere Betonung von Autoritäten und weniger Autonomie in niedrigeren Sozialschichten
Von der heteronomen zur autonomen Moral
• Strukturgenetisches Paradigma:
–> Moralentwicklung als eigenständiger Konstruktionsprozess
• Untersuchung durch einfache Dilemmageschichten
Neuere Evidenz:
• Unterschätzung des Intentionsverständnisses bei jüngeren Kindern
• Wenig Evidenz für die These, dass Peer Interaktion per se moralische Entwicklung stimuliert
Kohlbergs Stufentheorie des moralischen Urteils
Postkonventionelles Niveau
6 Suche nach allgemeingültigen ethischen Regeln; Verfahren zur Prüfung normativer Entscheidungen
5 Verständnis des Systems als Gesellschaftsvertrag, Konventionen änderbar; Verfahrensgerechtigkeit
Konventionelles Niveau
4 Soziales System wird berücksichtigt, “law-and-order”
3 Erhalt wichtige Sozialbeziehungen; Orientierung an Familie / Primärgruppe
Präkonventionelles Niveau
2 Eigene Interessen
1 Drohende Strafen, Autoritäten
Kohlbergs Annahmen
• Stufen stellen qualitative Unterschiede im Denken dar
• invariante Entwicklungssequenz
• Stufen: stufentypisches Denken und Urteilen in allen Kontexten beobachtbar
• sozialisatorische Einflüsse können Entwicklung beschleunigen/ verlangsamen, aber nicht Sequenz der Stufen verändern
• Regression von höherer auf niedrigere Stufe ausgeschlossen
Kritik an Kohlberg
Jugendliche sind in der Lage, unterschiedliche Stellungnahmen zum Thema abzugeben, z.T. über ihrem eigenen Niveau (Yussen, 1976)
–> eigene Stellungnahme reflektiert nicht Grenzen der Kompetenz, sondern der Überzeugung
Kontextspezifische Urteilsunterschiede (Beck, 2004)
–> verschiedene Subsysteme haben unterschiedliche normative Regelungen
–> äußert sich in Urteilsbildung über spezifische Kontexte
• nicht direkt handlungsleitend, nur schwache/mittlere Zusammenhänge zwischen Urteil/ Handeln
Carol Gilligan: “Weibliche Moral” (Moral der Fürsorge) vs “Männliche Moral” (Moral der Gerechtigkeit)
–> empirisch nicht bestätigt
Eisenbergs fünf Stadien des prosozialen moralischen Denkens (1986)
• Kohlberg: Wahl zwischen zwei “Übeln”
• Eisenberg: Abwägung von Eigenutz vs. Fairness
Gewissen
–> innerer Regulationsmechanismus, der die Einhaltung kulturell akzeptierter Standards sicher stellt
Gewissensentwicklung
• spiegelt bei jungen Kindern die internalisierten Standards der Eltern
• verhindert antisoziales Verhalten und fördert prosoziales Verhalten
Entwicklung:
• Beginn in der frühen Kindheit, allmählicher Prozess
• geeignete Erziehung zur Gewissensentwicklung abhängig vom Temperament des Kindes:
–> hochängstliche Kinder – maßvolle, induktive Erziehung
–> wenig ängstliche Kinder entwickeln Gewissen in kooperativer Eltern-Kind Interaktion, motiviert durch Wunsch, die Bezugsperson zu erfreuen≠Angst vor Strafe
Förderung moralischen Denkens und Handelns Generell
• Modellverhalten von Bezugspersonen (Eltern, Peers, Lehrkräfte)
• Induktiver Erziehungsstil (->Perspektivenübernahme)
• Förderung positiver moralischer Emotionen
Schulkontext
• Moralischer Diskurs (Dilemmata-Diskussionen; z.B. Lind, Nucci, Creane, & Powers, 2015)
• Gelegenheit zum selbstbestimmten prosozialen Handeln (mit Reflektion; Nucci , 2006)
• Kohlberg: „gerechte Schulgemeinschaft“: diskursive Mitbestimmung
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