WISSEN
Die wesentlichen Charakteristika der Neoromantik um 1900
“Natur” -> Chemie wird von Biologie als Leitwissenschaft abgelöst
Naturheilkunde, Naturmystik, Esoterik
“Degeneration” -> Jugendkult, Eugenik
Naturwissenschaft als Ersatzreligion (Szientismus)
“Nation”, “Volk” -> “Rasse” als biologisch klingender Begriff
Rasse = Begriff aus Landwirtschaft, dort mit biologischer Fundierung
“Arier”, Germanenkult (aus Romantik: “Arierbewegung” -> aus Indien eingesiedelte, historisch allerdings nicht korekt (eigentliche Arier = Sinti & Roma))
“Geschichte” -> Bestimmung
Mittelalter: Reichsidee, Hirarchie
Kolonialismus, Imperialismus
Antisemitismus, Judentum als “Fremde”
NS-Vorgeschichte
Biologismus (um 1900)
naturalistischer Fehlschluss, Analogisierung
Gesellschaft als Organismus, “Staatskörper”
Sozialdarwinismus
Rassismus
“Sozialhygiene” (als Prävention) -> Eugenik (Verbesserung der gesundheitlichen (und ökonomischen) Lage in der Bevölkerung)
Materialismus, Szientismus
Spirituelles Vakuum -> Führerkult
Fortschrittsgedanke vs “Degeneration”
Kulturpessimismus, Vertrauenskrise, Zerfall
Germanenkult -> Imperialismus, Antisemitismus
Defintion und Protagonisten
“Neue deutsche Heilkunde”
Defintion: Reaktion auf die “Krise der Medizin” in den 1920er Jahren (wirtschaftliche Probleme der Ärzte und Kassen, Divergenz zwischen Diagnostik und Therapie) -> Aufgreifen von Naturheilkunde und Phyotherapie
Laienbewegung: ca 500.000 Mitglieder (z.B. Kneippbund, Prißenitzbund, Reichsbund für Homöopathie, Biochemischer Bund
etwa gleich viele Heilpraktiker (“Kurpfuscher”) wie Ärzte
zunehmende Zahl “Naturärzte”
Franz Schönenberger (1865-1933): erster deutscher Lehrstuhl für Naturheilkunde in Berlin
Vertrauenskrise, Krise in der Medizin
relativ geringe therapeutische Möglichkeit bei verbesserter Diagnostik
geringes Einkommen, wenige Karrierechancen
Ziele der Nationalsozialisten
Ausnützen der Vertrauenskrise zu eigenen Zwecken
Klima der Verunsicherung, Mystizismus
Kostensenkung, Unabhängigkeit vom Ausland
Möglichkeit zu direkter staatlicher Einflussnahme auf medizinische Maßnahmen
Zwangsvereinigunh der Laienverbände
Betonung der Prävention und “Abhärtung”
“deutsche” Medizin, “Blut und Boden”
Proganda gegen jüdische Ärzte
Paracelsus als “deutscher Arzt” (da er deutsch als Sprache an den Universitäten manifestieren wollte)
Ausschaltung “esoterischer” Konkurrenz
trotz (wegen?) Paracelsus-Rezeption: Verfolgung der Anthroposophen
Verbot des Monistenbundes
“Sozialhygiene”
Definition: Übertragung des Präventionsgedankens durch den Aufschwung der Hygiene auch auf allgemeine, soziale oder gesellschaftliche Probleme
“Rassenkunde”
Definition: Wissenschaft, die sich mit der Entstehung, Beschreibung und Klassifizierung von Menschenrassen befasst
Protagonisten
Rassenkundler Otto Reche (1879-1966)
Anthropologie und Ethnologie
1924 Lehrstuhl in Wien
1927 Lehrstuhl an der Universität Leipzig (“Institut für Rassen- und Völkerkunde”)
Blutgruppenforschung
Anthropologische Gutachten
Beurteilung rassenkundlicher Abstammungsmerkmale
“Apologet des Völkermordes in Osteuropa”
nach Krieg: Vaterschaftsgutachten
Joseph Mengele
Rassenkundler
im KZ-Auschwitz-Birkenau
Menschenversuche
“Rassenhygiene”
Definition: Maßnahme der Sozialmedizin des Nationalsozialismus, Beurteilung des Einzelnen nach “rassen- und erbbiologischer Wertigkeit”
Defintion
“Eugenik”
Definition:Eugen(et)ik: “gute Herkunft herstellen”
Zukunftsprojekt eines Staates für die nächste(n) Generationen= politisches Programm
Ziel: Verbesserung der allgemeinen Gesundheit, Aufhalten von Krankheits- und Degeneratiosnerscheinungen (zunächst Fokus: Tbc und Syphilis)
Methode: staatliche Einflussnahme auf Reproduktion
Kontext 1: Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts (präventiver Aspekt der Medizin)
Kontext 2: Kulturpessimismus und Darwinismus
diffuse Vererbungslehre: Gleichsetzung von Vererbung und familiärer Häufung
“Natürlichkeitsargumente” gegen den Sozialstaat
Ethische Problematik
Ausschließlich öffentliches Interesse, persönliche Präferenzen irrelevant
Art der Festlegung unerwünschter Eigenschaften (per Regierungsbeschluss ohne Einbeziehung Betroffener)
Fixierung auf Vererbung, “Schicksal”, Determinismus
Verbachlässigung anderer präventiver Maßnahmen
in der Geschichte oft: biologische Lösung sozialer Probleme angestrebt
2 Formen:
positive Eugenik: Förderung der Geburtenrate von Geeigneten (Förderprogramme, finanzielle Anreize, Abtreibungsverbot)
negative Eugenik: Geburtenkontrolle von “Ungeeigneten” (Heiratsrestriktionen für Einwanderer, Zwangssterilisationen für soziale Randgruppen und genetisch Erkrankte)
keine NS-Erfindung
kann von einer breiten Bevölkerungsmehrheit befürwortete werden
auch heute noch “eugenische” Tendenzen
muss nicht mit Zwangsmaßnahmen verbunden sein, sondern kann auch Anreize bieten (positive Eugenik)
hat NICHTS mit Euthanasie zu tun
Anfänge:
Begriff geprägt von Francis Galton (1822-1911), 1883
Heriditary Talent and Character (1865)
Heriditary Genius: An Inquiry into Its Laws ans Consequences (1869)
Cousin von Darwin, Anthropologe
Vermischung mit Rassenlehre
Internationale “Eugenics Education Society” (1908)
Problem der höheren Fruchtbarkeit der Unterschicht verglichen mit der Elite
Frühe Protagonisten
Ernst Haeckel (Szientismus, Eugenik), Il’ja Mecnikov (Phagozytose)
Schweizer Psychiater: Auguste Forel, Eugen Bleuler u.a.
Winston Churchill
Alexander Graham Bell (Telefon-Unternehmer): wegen gehörloser Ehefrau Kampf gegen Taubheit durch massenhafte systematische Zwangssterilisation Gehörloser in den USA
Wilhelm Schallmeyer: Erbgutförderung in Analogie zur Nationalökonomie
Alfred Grotjahn: sozialistische Eugenik, “Sozialhygiene” als Verbindung von Eugenik mit sozialen Maßnahmen
Eugenik in
Großbrittanien
Dänemark
Schweden
USA
Auftrieb durch Burenkrieg (1899-1902)
extrem verlustreich, große Grausamkeit, negatives Medienecho (erster Krieg in einer Massendemokratie)
Mangel an kampffähigen Soldaten (Degenerationsangst)
Angst vor Verlust der Vormachtstellung in Afrika
Prominente Fürsprecher der Eugenik, z.B.
John Maynard Keynes (Makroökonom)
Georg Bernard Shaw (Dramatiker, Satiriker, Nobelpreis 1925)
Margaret Sanger (Vorkämpferin für Frauenrecht auf Empfängnisverhütung, Gründungsmitglied von ProFamilia (sinkende Geburtenzahl für besser Gesundheit der Mutter und bessere Versorgung der Familie)
1929 Gesetz zur Zwangssterilisation
ca 10.000 Betroffene, 5-7.000 zwangsweise
Praxis bei heranwachsenden geistig und körperlich Behinderten vor Entlassung aus Heimen
Ziel: präventive Lösung sozialer Probleme
1967 abgeschafft
1921 Institut für Rassiche Biologie an der Universität Uppsala (1922 Schautafeln “rein schwedische Rasse”
1934+1941 Gesetze zur eugenischen Zwangssterilisation
zwischen 1935 und 1976 ca 62.000 Sterilisationen
geistig Behinderte
“Gemischtrassige”, “Zigeuner”
“Asoziale”, alleinstehende Mütter mit “unstetem Lebenswandel” (Sterilisation nach 3. unehelichem Kind)
1976 Aufhebung der Sterilisationsgesetze
1911-1930 Gesetze zur Zwangssterilisation in 24 Bundesstaaten
(geistig Behinderte, Kranke, Kriminelle)
genetische Beratungspflicht vor der Heirat
Verbot von Eheschließlung zwischen Angehörigen verschiedener “Rassen”
1924: Johnson-Act (Einschränkung der Einwanderung von Ost und Südeuropäern)
Beispiele für NS-Sozialmedizin und NS-Leistungsmedizin
Sozialmedizin
Übertragung von Prävention/ Hygiene auf soziale/ gesellschatftliche Probleme
Ideologie, in der der Einzelne sehr wenig, die “Volksgemeinschaft” aber sehr viel zählt
Medizin als politisches Instrument
Ziele:
Bevölkerungswachstum
gesundheitsbezogene “Leistungsbilanz” des Volkes
lange Erhaltung/ rascher Wiederaufbau von Arbeits-/ Wehrfähigkeit
Verlängerung der Arbeitslebenszeit
Kostenersparnis und Entlastung der Sozialsysteme
Leistungsmedizin
“Patient deutsches Volk” soll unter allen Umständen und auch gegen persönliche Einzelinteressen und moralische Einwände gesund und zukunftsfähig gemacht werden
kein humanitärer, sondern ideologischer Gedanke
Maßnahmen
Mutter-, Jugend- und Arbeitsschutz (Verhinderung von Frühinvalidität)
Betriebsarztsystem
Förderung des Breitensports, Betriebssportgruppe
Anti-Tabak- und Anti-Alkohol-Kampagne
Ausbau eines staatlich-ambulanten Fürsorgenetzes, besonders zur Tuberkulosebekämpfung
epidemiologische Register
Forcierung von Krebsforschung und -früherkennung
Verbot/ Verhinderung von Abtreibung
rechtliche Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder
Prämierung von Kinderreichtum (“Mutterkreuz”)
Max Bürger (1885-1966)
1937: Ordinarius für Innere Medizin
Pathophysiologie, Sportmedizin, Hormonforschung, Stoffwechsel (Fette, Diabetes), Altersforschung
Beteiligung am “leistungsmedizinischen Programm”
1938: Zeitschrift für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
1939: Zeitschrift für Alternsforschung
Die Situation jüdischer Ärzte vor 1933
Arzt als bevorzugter Beruf
0,9% der Bevölkerung Juden, aber 16% der Ärzte
jüdische Familientradition seit dem 18. Jahrhundert
freie Berufe wegen sonstiger Diskriminierung bevorzugt
mehr Rechte für Juden im Zuge der Zivilgesellschaft
Verbeamtungsverbot für Juden (keine Möglichkeit im Juristentum/ Professur)
relativ hoher Frauenanteil (konnten nicht verbeamtet werden, wenig Lehrerinnen (Lehrerinnenzölibat, Heiratsverbot) -> oft Wahl der Ärztinnenkarriere
gut 2/3 niedergelassen
hohes Ansehen auch bei Nicht-Juden
trotz z.T. kirchlicher Verbote konsultiert
hoher Anteil unter Forschern
Generationen von Ärzten -> langjähriges Vertrauen der Bevölkerung in Ärztefamilien
1882-1909: 20-25 jüdische Ordinarien, bis 1917 auf 13 abgesunken, dann Anstieg auf 30
Antisemitismus in Studentenschaften (durch Studentenverbindungen -> Burschenschaften und christliche Verbindungen -> Ausschluss von Juden)
oft sozialer Boykott von Kollegen (Karriereende mit Extraordinat)
Wahl von Randfächern (geringere Konkurrenz/ Boykott)
Dermatologie, Pharmakologie, Hygiene, Pädiatrie
neue oder kleine Universitäten
Ausnahme: Frankfurt am Main, Breslau
außeruniversitäre Forschung (Kaiser-Wilhelm-Institute)
Antisemitismus um 1900
Judentum als “Konfession” vs. Judentum als Volk bzw. “Rasse” (“Israeliten”)
Konversion vs. Zionistische Bewegung
Einwanderungswelle konservativer “Ostjuden” wegen Pogromen in Russland
Abgrenzung der “Semiten” von “Germanen”
Zuschreibung von Minderwertigkeit
Einbindung in die Weltgeschichte (“der ewige Jude”), dunkle Mächte, Weltverschwörung (“Protokolle der Weisen von Zion”)
Schädlichkeit durch Verhindern der Weiterentwicklung
Antisemitismus in der Ärztschaft
Überlagerung des konfessionellen Antisemitismus (“volksfremd”)
Konkurrenz
Unterstellung moralischer Unzuverlässigkeit (weibliche Patienten!)
Propotionialität: “zu viele Juden unter den Ärzten”
Antimodernistische Stömungen
Beteiligungen an Tierversuchen, Impfungen
Psychoanalyse, Sexualwissenschaft, Hypnose
“entseelte Heilkunst”
Gegen jüdische Ärzte gerichtete antisemitische Maßnahmen nach 1933
Antisemitismus in der Ärzteschaft - Beginnende Ausgrenzung
Verbreitete Vorwürfe:
Sozialdemokraten, Kommunisten
Verein sozialistischer Ärzte (gegründet 1924)
Liberale, “Vaterlandslose Gesellen”
24.03.1933: Gleichschaltung deutscher Ärztschaft
Nationalsozialistischer deutscher Ärztebund
1.April: “Tag des allgemeinen Judenboykotts”
3. April: Entfernung von Juden aus Vorständen
Staatliche Maßnahmen um 1933
7. April: Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums -> Entlassungen
“Arierparagraph” (Eltern/ Großeltern)
“Frontkämpfer” ausgenommen
Entlassung von ca. 30 medizinischen Ordinarien
22. April: Verbot kassenärztlicher Tätigkeiten für “Nicht-Arier” und Kommunisten
25. April: Gesetz gegen Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen
10. August: Verbot der Zusammenarbeit von “arischen” und “nicht-arischen” Ärzten
Nürnberger Gesetze
5. Februar 1935: Änderung der Prüfungsordnung: Zulassung und Approbation nur für “Arier” -> Juden (und Ehepartner dürfen nicht zu Ende studieren und kein Examen machen)
13. Dezember 1935: Neue Reichsärzteordnung: keine Approbation bei “nicht-arischen” Ehegatten
25.Juli 1935: Ergänzung zum Reichsbürgergesetz:
zum 30. September Entzug der Approbation für jüdische Ärzte
noch 709 jüdische “Krankenbehandler” übrig
Beispiele für die Vertreibung jüdischer Mediziner in Leipzig
Emigration jüdischer Ärzte
1933: 2000 jüdische Ärzte in wirtschaftlicher Notlage
1933/34: 1700 jüdische Ärzte emigrieren
bis 1939: insgesamt 4.500-5.000 Emigranten
bis 1942: 3.600-4.000 in USA emigriert -> verschiedene Examina - Ausbildung oft nicht anerkannt
sehr unterschiedliche Schicksale
häufig Unterbrechung der wissenschaftlichen Karriere
häufig Wechsel in andere Berufe nötig
häufig Verarmung
Konsequenz: intellektuelles “Ausbluten” der deutschen Medizin und Naturwissenschaft
Leipzig: Vertreibung jüdischer Wissenschaftler
Felix Skutsch (1861-1951), Gynäkologe
1905 habilitiert
Oberarzt an der universitären Frauenklinik
1933 entlassen
1943 nach Theresienstadt deportiert, dort Tod seiner Frau
1945-47: Übernahme ärztlicher Aufgaben und Aufrechterhaltung der Lehre, bis zu seinem Tod
Doz. Friedrich Fischer, Augenheilkunde
Prof. Max Goldschmidt, Augenheilkunde
Ludwig Friedheim, Dermatologie
Prof. Siegfried Rosenbaum, Kinderheilkunde
Owsei Temkin, Geschichte der Medizin
Entzug der Lehrerlaubnis (1935): Doz. Ernst Bettmann, Orthopädie
letzte Promotion eines jüdischen Studenten (1934): Bernhard Katz (später Nobelpreisträger, Ehrendoktorwürde)
Beispiele für positive und negative Eugenik im Nationalsozialismus
positive Eugenik
negative Eugenik
Bedeutung
Förderung “rassenhygienisch erwünschten” Nachwuchses
Geburtenkontrolle für “Ungeeignete”
Beispiele
Mutter-, Jugend- und Arbeitsschutz
Verbot von Abtreibungen
finanzielle Anreize
Prämierung von Kinderreichtum
“Lebensborn e.V.” der SS
“biologische Aufrüstung”, “rassistische Elite”
Gründung durch Heinrich Himmler
Fürsorge f. uneheliche Kinder
Geheimhaltung
Schulunhg Kinder/ Mütter
Zwangssterilisation
“erbliche” Krankheiten (“Schwachsinn, Obdachlosigkeit, Alkoholismus, …)
Einschränkung von Eheschließung für Zuwanderer
Erbgesundheits-gerichte
Anzeige von Verdachtsfällen
Begutachtung von Gesundheitsämtern
Antrag auf Sterilisation (Betroffene/ Amtsärte)
Schnell-Verfahren meist ohne viel Anamnese
Negative Eugenik: “Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses”
“Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” - negative Eugenik-
Erblichkeitsdiagnostik als soziale Diagnostik
Unterschichten, Arme, Ungebildete, Ungelernte
“Asoziale”, Prostituierte, Obdachlose, Trinker “Zigeuner”
weniger: chronisch Kranke, Behinderte, Pflegebedürftige
“Erblichkeit liegt sicher vor, ist nur nicht festzustellen”
negative Feststellung der “Lebensbewährung” als Entscheidungsgrundlage
nur <5% verneinen Erblichkeit, obwohl in ca 30% keine familiäre Häufung vorliegt
im Deutschen Reich und annektierten Gebieten mindestens 300-350.000 Sterilisationen
in Hamburg rund 30.000 Betroffene
in Leipzig (Robert Schröder, Universitäre Frauenklinik): 630 Frauen, davon 430 wegen “erblichen Schwachsinns”
Leipzig: zwiespaltige Forschung in den 1940er Jahren
Robert Schröder (1884-1959)
Beginn der Zwangssterilisationen unter Hugo Sellheim (1871-1936)
hormonelle Steuerung des weiblichen Zyklus
Schwangerschaftstoxikosen
Strahlenbehandlung maligner Tumore
1945 suspendiert, 1947-57 wieder Direktor und Ordinarius, Nationalpreisträger, “Verdienter Arzt des Volkes”
ab 1947 Sozialmedizin, Krebsfrüherkennung, Krebsregister
Vorgeschichte der NS-Euthanasie
“Lebensunwertes Leben” - Vorgeschichte
Euthanasie = “guter Tod”, “Gnadentod”
Adolf Jost: Das Recht auf den Tod (1895)
Wert des Lebens für die Betroffenen
Wert des Lebens für die Gemeinschaft
kann auf und unter Null (“Unwert”) sinken
Staat hat Recht auf Lebensbeendigung bei Unheilbarkeit
Unbegrenztes Vertrauen in die Integrität des Staates
Praktische Forderungen Josts:
Freigabe der Selbsttötung (Selbstmord wird nicht mehr bestraft)
Freigabe der Tötung auf Verlangen
Ernst Haeckel: “Lebenswunder”
“Selbsterlösung”, u.U. mit ärztlicher Beihilfe
neue “monoistische” Moral: Forderung nach biologischer Auslese
Tötung missgebildeter Neugeborener
“Perfekte Natur”
Befürworter der Eugenik
“Perfekte Gesellschaft” durch Maßnahmen
politische Forderung aufgrund der Mystifizierung der Natur
Roland Gerkan
schwer lungenkrank - Langzeitschaden nach Tuberkulose
Mitglied des Monistenbundes
1913 Vorschlag für einen Gesetzesentwurf (in: “Das monistische Jahrhundert”)
“wer unheilbar krank ist, hat das Recht auf Sterbehilfe” = aktive Euthanasie
“Wer einen Kranken tötet, ohne dass dieser es ausdrücklich und unzweideutig verlangt, wird mit Zuchthaus bestraft”
Karl Binding (Jurist) und Alfred Hoche (Psychiater):
Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens (1920)
“Gnadentod” für Unheilbare und Leidende
Tötung von “Schwachsinnigen” und Komatösen (“Menschenhülsen”, “Verödete”)
Betonung der “finanziellen Belastung”
breite gesellschaftliche Diskussion
Umdeutung des Euthanasie-Begriffes
Karl Bindig und seine problematischen Forderungen zur Euthanasie
Karl Binding
Jubiläumsrektor 1909
Rennomierter Srafrechtler
Normentheorie, Vorsatztheorie
Professuren in Basel, Freiburg im Breisgau, Straßburg
1873-1913 Lehrstuhl in Leipzig
1892/93 und 1908/09 Rektor
1909-2009 Ehrenbürgerwürde der Stadt Leipzig
problematische Forderungen
Teilnahme am Suizid
Strafbarkeit der Beihilfe zur Selbsttötung eines Gesunden
Straflosigkeit der Beihilfe zur Selbsttötung eines Todkranken
Straflosigkeit der aktiven Sterbehife (Beschleunigung des Todeseintrittes durch schmerzstillende Medikamente), auch ohne Einwilligung des Betroffenen
Privilegierung der Tötung auf Verlangen
Feststellung des “Lebensunwertes” und Einverständnis der Betroffenen:
Straflosigkeit der Tötung auf Verlangen bei unheilbar Kranken, tödlich Verwundeten unf hoffnungslos Leidenden
Feststellung des “Lebensunwertes” und vermutetes Einverständnis bei:
dahinvegetierenden, “unheilbar Blödisinnigen” ohne positive Äußerung des Lebenswillens
dauerhaft Bewusstlose (Komapatienten)
Absicherung gegen Missbrauch durch Aufsicht und Mitwirkung staatlicher Stellen
Maßnahmen und Zielgruppen für NS-Euthanasie
Die “Aktion T4” (Tiergartenstraße 4, Berlin)
Tarnfirmen
Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten (Kommunikation mit Angehörigen)
gemeinnützige Krankentransport GmbH
Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege
Zentralverrechnungststelle Heil- und Pflegeanstalten
ca 70.000 Erwachsene aus psychiatrischen Anstalten betroffen
Pflegefälle aus unbehandelten Stoffwechselerkrankungen
tatsächlich psychisch Kranke
vorgeben, die Patienten gingen zu “Arbeitseinsätzen” -> keine schwer kranken Patienten, später jedoch weniger selektiv
Jan 1940-24.08.1941, danach “wilde Euthanasie” (Tod der Insassen durch Verwahrlosung)
CO2-Gas, später Medikamente und Verhungern (“Leeren” der Psychiatrie, Einsatz als Feldlazarett)
6 zentrale Tötungsanstalten
Brandenburg, Bernburg, Grafeneck bei Reutlingen, Hadamar, Hartheim bei Linz, Sonnenstein bei Pirna
“Aktion 14f13” (April 1941-Dezember 1944)
mindestens 20.000 KZ-Insassen betroffen
politisch-rassistische Gesichtspunkte, keine Krankheiten
“Nachnutzung” der Gaskammern in Bernburg, Hartheim und Sonnenstein
“Aktion Brandt” (ab Sommer 1943)
Opferzahl unbekannt, kaum erforscht, eventuell nur in Berlin
Schwerkranke und Pflegefälle im allgemeinen Krankenhaus betroffen (Bettenmangel nach Zerstörung vieler Kliniken durch Luftangriffe)
Krankentötungen in den besetzten Gebieten Polens und der Sowietunion
mindestens 10.000 Insassen von Heil- und Pflegeanstalten
Widerstand gegen NS-Euthanasie
keine gesetzliche Grundlage für “Euthanasie”
Anstaltsmorde seit Sommer 1940 in der Bevölkerung bekannt -> Unruhe (verschleppte Angehörige extrem schnell als “verstorben” an die Familien gemeldet)
Passiver Widerstand in den Anstalten
Kirchlicher Widerstand
Pastor Paul Gerhard Braune (Lobetal/ Brandenburg)
Theophil Wurm (Landesbischof von Württemberg)
Kardinal Michael von Faulhaber (München)
Bischhof Clemens August Graf von Galen (Münster)
Bischhof Johannes Baptista Dietz (Fulda)
Die NS-Kinder-Euthanasie und die Beteiligung Leipzigs
(schwer) behinderte und missgebildete Kinder
insgesamt ca 5.200 Betroffene
siet Herbst 1939
überdosierte Medikamente (Schlafmittel), Verhungern
Bezug zur Lokalgeschichte
Leipzig: Werner Catel (1894-1981) als Gutachter, “Kind K” als Auslöser (gestorben Juli 1939) ->unklarer Fall eines Kindes, dass auf Antrag der Eltern euthanasiert wurde
Jena: Jussuf Ibrahim (1877-1953), “drei Anträge auf “Euthanasie” schwerstbehinderter (?) Kinder”
Werner Catel (1894-1981) - Leipzig und die Kinder-Euthanasie
1920-22 Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn in Halle
1922 Eintritt in Kinderklinik Leipzig unter Georg Bessau
1926 Habilitation, 1928 Oberarzt, 1931 Professur
1932 Wechsel nach Berlin mt Bessau
1933-46 Ordinarius in Leipzig
1947-54 Chefarzt der Landeskinderheilstätte Memmolshöhe im Taunus
1954-62 Ordinarius in Kiel
1973 Promotion zum Dr. rer. nat. in Mineralogie
dreimal vor Gericht, dreimal freigesprochen
trotz Beamtentum kein Parteimitglied
Menschenversuche um 1930 und daran Beteiligte nennen und die Reaktion des Gesetzgebers
Menschenversuche im Deutschen Reich
Albert Neisser (1855-1916): exerimentelle Syphilis-Immunisierung bei Prostituierten
“Lübecker Totentanz” (1930): experimenteller Tuberkulose-Impfstoff bei Neugeborenen
Reaktion des Gesetzgebers
nach Neissers Experimenten -> Direktive des Preußischen Ministers für … medizinische Angelegenheiten (1900):
bei Minderjährigen, Einwilligungsunfähigen und Nicht-Einwilligenden nur Diagnostik, Heilversuche und (experimentelle?) Immuisierung erlaubt
sonstige Versuchspersonen: angemessene Risikoaufklärung, Einwilligung, Dokumentation
nach Tbc-Impfung Neugeborener: Richtlinien … des Reichsministers des Inneren (1931):
Abgrenzung von Heilversuch und Forschung
vor Erprobung einer neuen Therapie Aufklärung und Einwilligung, außer im Notfall
keine nicht-therapeutische Forschung ohne Einwilligung
“Ethikkomitee” empfohlen
klare Festlegung der ärztlichen Verantwortlichkeit, keine reinen Verwaltungsakte
Tierversuche vor Erprobung an Menschen gefordert
Studienprotokoll mit exakter Fragestellung und Planung gefordert
Menschenversuche im Nationalsozialismus und daran beteiligte (auch aus der Leipziger Medizinischen Fakultät) nennen und deren späteres Schicksal beschreiben
NS- Menschenversuche, die Beteiligten und deren späteres Schicksal
KZ Auschwitz-Birkenau:
promovierter Anthropologe, “Rassenkundler” (kein Mediziner)
Selektion der Gefangenen für Vergasung
vererbungswissenschaftliche Zwillingsforschung -> Handlungen aus Grausamkeit ohne rechtfertigende medizinische Fragestellung
Ermordung zur Organentnahme und vergleichenden Sektion
Operationen ohne Narkose
künstliche Infektionen
Flucht nach Südamerika, Arbeit als Genetiker, gest. 1979, exhumiert 1985
Sigismund Rascher
NS-Menschenversuche in Dachau (kein Vernichtungslager, für politische Gefangene)
Unterdruckversuche -> von 200 Versuchspersonen ca 75 gestorben
Karriere + “Kriegswichtigkeit”
unterstützt durch August Weltz, Siegfried Ruff, Hans-Wolfgang Romberg (freigesprochen)
auf Befehl Himmlers Ende April 1945 erschossen
Ernst Holzlöhner
NS-Menschenversuche in Dachau, Kälteversuche
Hans Eppinger, Wilhelm Beiglböck
NS-Menschenversuche in Dachau
Durstversuche, Trinkbarmachen von Salzwasser
Claus Schilling (1871-1946)
Schüler von Robert Koch, Kolonialarzt in Togau und Deutsch-Ostafrika
1905-1936 Direktor der tropenmedizinischen Abteilung des Robert-Koch-Instituts, seit den 1920er Jahren serologische Experimente an Psychiatriepatienten italienischer Heilanstalten und in Berlin
ab 1942 in Dachau Experimente zur Entwicklung eines Heilmittels (Boehringer 2516) bzw eines Impfstoffes gegen Malaria (infizierte Stechmücken, Injetkion infizieren Mückenspeichels)
über 1.000 Häftlinge beteiligt, 30 sofort gestorben, 300-400 durch Spätfolgen geschädigt
Todesstrafe
Carl Clauberg
KZ Auschwitz
Röntgenkastration, Sterilisationsversuche mit Injektionen, Hormonversuche
Erwin Ding-Schuler
Hygiene-Institut der SS
Fleckfieberversuche (von Läusen übertragen, z.B. in Kaserne -> Kriegsrelevanz)
unterstützt von namenhaften Wissenschaftlern
Karl Gebhardt
KZ Ravensbrück
Sulfonamidwirkung bei Schussverletzungen
Knochenregeneration und Transplantation
Zwiespältige medizinische Forschung im Nationalsozialismus und daran Beteiligte (auch aus der Leipziger Medizinischen Fakultät) nennen und deren späteres Schicksal beschreiben
Leipzig - zwiespaltige medizinische Forschung
Bodo Spiethoff (1875-1948), Dermatologe
1911-1934 Professor in Jena
Schwerpunkt: sozialmedizinische Bedeutung von Geschlechtskrankheiten
1931 Mitglied der NSDAP
ab 1933 Mitglied des Sachverständigenbeirates für Bevölkerungs- und Rassenpolitik
1934-1943 Ordinarius in Leipzig (ohne Fakultätsvotum) -> Berufung aufgrund politischer Entscheidung
Josef Vonkennel (1897-1963), Dermatologe
schon nach dem I.WK Mitglied völkischer Gruppierungen
1937-1943 Professur in Kiel, dann Leipzig
NS-Dozentenbund-Führer, SS-Sturmbannführer
Sufonamid-Forschung: Suche nach dem “deutschen Penicillin”
Tests an Häftlingen im KZ Buchenwald
nach Spruchkammerverfahren als Entlastet eingestuft
Arbeit als Facharzt bei Chemischen Werken in Rheinpreußen in Düsseldorf
ab 1950 Ordinarius in Köln
Einleitung eines Vermittlungsverfahrens, Suizid
Max Clara (1899-1966), Anatom
geb und studiert in Österreich, Tätigkeit auch in Italien
1935 deutscher Staatsbürger, Eintritt in NSDAP
1935-41 Ordinarius für Anatomie, Leipzig
1937: Entdecker der Clara-Zellen des Bronchialepithels (histologische Untersuchung an in Dresden hingerichteten
1941-45 Gaudozentenführer in Sachsen, Zwangsversetzt wegen Unstimmigkeiten -> nach München
nach II.W Privatgelehrter, ab 1950 Universität Instanbul
Der Nürnberger Ärzteprozess und der Nürnberger Kodex
Nürnberger Ärzteprozess
= 25.10. 1946 bis zum 20.08.1947 als erster der zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus vor einem amerikanischen Militärgericht
23 Angeklagte, davon
13 Verurteilt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (7 Todesurteile)
12 verurteilt wegen verbrecherischen Menschenversuchen
1952 alle Inhaftierten wieder freigelassen
Rechtschöpfung -> Schaffung neuer Rechtsgrundlage im Nachhinein statt Anwendung bestehender Tatbestände (keine Rechtsstaatlichkeit)
Begründung: Nürnberger Kodex
Nürnberger Kodex
= ethische Richtlinie zur Vorbereitung und Durchführung medizinischer, psychologischer und anderer Experimente am Menschen
Formulierung von Prinzipien für medizinische Forschung der Zukunft
Neudefinition des “Verbrechens gegen die Menschlichkeit”
Deklaration der Menschenrechte aber erst 1948
Teils umstritten, teils ignoriert
in Deutschland: “Siegerjustiz”
in USA: “gilt nur für Nazis”
Wirkung - das gilt bis heute:
Tod und bleibende Schädigung der Versuchsperson sind grunsätlich ausgeschlossen
Freiwillige Zustimmung nach Aufklärung
Widerruf ohne Nachteile möglich
Planung muss berechtigte Erfolgsaussichten haben (voher mit Literaturrecherche/ Tierversuchen zu belegen)
Planung muss Abbruchbedingungen einschließen
NKLM: Historische Ursprünge der Humangenetik, einschließlich der Eugenik
Anfänge der Genetik
Gregor Mendel (1822-1884): Kreuzungsexperimente an Erbsen
erst 1900 in Botanik wiederentdeckt (Hugo deVries, Carl Correns, Erich Tschermak)
(Forschung an nicht-mendelschen Erbgängen)
Wiliam Bateson, 1900: Nachweis der Gültigkeit der Regeln für Tiere
schwer wiegende Einwände gegen Darwin: Ausdünnen der Mutation in der nächsten Generation
Ablehung in der Sowietunion: Weitergabe erworbener Eigenschaften (Neo-Lamarckismus), Einflüsse der Umwelt (Lyssenkiosmus)
“Synthetische Theorie” der Evolution erst seit den 1950er Jahren
Entwicklung der Genetik
1842 Entdeckung anfärbbarer “Chromosomen” (Begriff 1888) im Zellkern, Funktion unklar
1905 Zusammenhang zwischen Chromosomen und Geschlecht (XX vs XY)
1909 Begriff “Gen” als Objekt der Vererbungsforschung
1910 Differenzierung zwischen Genotyp und Phänotyp
1915 Chromosomentheorie der Vererbung: Thomas Hunt Morgan, Nobelpreis 1933
1941: Ein-Gen-Ein-Enzym-Hypothese: George Wells Beadle und Edward Lawrie Tatum, Nobelpreis 1958
1953: Doppelhelix: Francis Crick, James Watson, Maurice Wilkins, Nobelpreis 1962
Eugenik
Eugen(et)ik: “gute Herkunft herstellen”
NKLM: Historische Entwicklung der Sterbehilfediskussion in deren Bedeutung für die aktuellen Debatten
Historische Entwicklung:
“Selbsterlöung”, u.U. mit ärztlicher Beihilfe
Breite gesellschaftliche Diskussion
Umdeuteung des Euthanasie-Begriffes
Aktuelle Debatten
Lernen aus Geschte: Angst vor Missbrauch
Selbsttötung ist nicht strafbar (damit auch die Beihilfe zur Selbsttötung nicht, wenn Suizident freiwillig handelt und keine Garantenpflicht (Eltern, Ehegatten, behandelnder Arzt) besteht
ärztlicher Suizid vom deutschen Juristentag 2006 ausdrücklich gebilligt
Verpflichtung gegen das Leben: Reanimation auch von Suizidenten
Hilfe zum Sterben
passive Sterbehilfe (nichtergreifen, reduzieren oder nicht-fortführen lebenserhaltender Maßnahmen)
indirekte Sterbehilfe (Tötung als unbeabsichtigte Folge der Schmerzbekämpfung)
aktive Sterbehilfe (Beschleunigen des Sterbevorganges durch Gabe eines tödlichen Mittels bei infauster Diagnose, Tötung als letztes Mittel zur Schmerzbeseitigung) - in Dtl nicht erlaubt
Tötung auf Verlangen (ggf durch Unterlassen)
Beihilfe zur Selbsttötung/ ärztlich assistierter Suizid
NKLM: Historische Beispiele ärztlichen Fehlverhaltens in der Forschung und ihre ethischen Implikationen im jeweiligen Kontext
1937: Entdecker der Clara-Zellen des Bronchialepithels (histologische Untersuchung an in Dresden Hingerichteten)
Albert Neisser (1855-1916)
exerimentelle Syphilis-Immunisierung bei Prostituierten (“Volkskrankheit”)
Kälteversuche
VERSTEHEN
Welche Charakteristika der Romantik wurden in der Neoromantik 1900 aufgegriffen und im Nationalsozialismus funktionalisiert und umgedeutet?
kulturelle Tendenzen
gesellschaftliche und politische Folgen
Vertrauen in umfassende Problemlösekompetenz der Naturwissenschaften
Positivismus, Kulturkampf, Glaubenskrise
Führerkult, pseudo-religiöse Riten
Biologismus, Sozialdarwinismus
naturalistischer Fehlschluss: Analogisierung von Abläufen in Natur und menschlicher Gesellschafsordnung, “Recht des Stärkeren”, “Rassenhygiene”
Hygiene, Prävention
Idee des “Staatskörpers”, “Sozialhygiene”, Eugenik
Degeneration, “Untergang des Abendlandes”, Kulturpessimismus
“Entartung”
Jugendstil, Körperkultur
Jugendkult, Familienpolitik, “Mutterkreuz”
Nationalismus, Imperialismus
Reichsidee, “Volk ohne Raum”
Demokratiefeindlichkeit
Zentralismus, “Gleichschaltung”, “starker Staat”
“Neoromantik”, Überhöhung des Natur- und Geschichtsbegriffes
Mystizismus, Antimodernismus, “Bestimmung”, “Schicksal”
Germanenkult
“Blut und Boden”, “Volksgemeinschaft”, Rassenkunde, Antisemitismus
Homöopathie, Naturheilkunde
Erklärung des in der Ärzteschaft des 20. Jahrhunderts verbreiteten Antisemitismus
Unterstellung moralischer Unzuverlässigkeit (weibliche Patienten)
Proportionalität: “zu viele Juden unter den Ärzten”
Antimodernistische Strömungen
Beteiligung an Tierversuchen, Impfungen
“entseelte Heilkunft”
Bezug zwischen “Sozialhygiene”, “Rassenhygiene” und Eugenik
Sozialhygiene
Rassenhygiene
Übertragung des Präventions-gedankens/ Hygiene-gedankens auf gesellschaftliche Probleme
Beurteilung des Einzelnen nach “rassen- und erbbiologischer Wertigkeit”
Verbesserung der allgemeinen Gesundheit, Aufhalten von Krankheits- und Degeneratiosnerscheinungen durch staatliche Einflussnahme auf Reproduktion
in allen Fällen Gemeinwohl > Individualwohl
Ziel: Veränderung der Eigenschaften einer Population (Erbgut, Gesundheit, soziale “Erwünschtheit”)
Maßgaben und Verpflichtungen durch Befehlsgewalt ohne Einbeziehung Betroffener
Wissenschaftshistorische Wurzeln der Eugenik und NS-”Rassenhygiene”
Biologie als Leitwissenschaft durch Fixierung auf “Natur”
Sozialdarwinismus: Deszendenz, Selektion
naturalistischer Fehlschluss
Geburtenkontrolle für “Ungeeignete” (unfit) = negative Eugenik
Förderung der Geeigeneten (fit) = positive Eugenik
“Entartung”: Psychopathie, Konstitution
“Volk” -> “Rasse”, “Aufartung”
Demokratiefeindlichkeit -> natürliche Ungleichheit
Problematik des “Nürnberger Kodex”
Beruht auf Ergebnissen des Nürnberger Ärzteprozesses - Rechtsschöpfung statt Verurteilung wegen bestehender Tatbestände
Bezieht sich 1946/47 schon auf die erst 1948 deklarierten Menschenrechte
teils umstritten, teils ignoriert
Merkwüdigkeiten und Probleme des Nürnberger Kodex
Abgrenzung grausamer Forschung von Mord, Totschlag und Körperverletzung
Grausamkeit ohne wissenschaftlichen Zweck zu “Versuchen” gerechnet
bis heute deswegen negativer Beigeschmack bei “Menschenversuchen”
keine Abgrenzung von Heilversuchen und Experiment, rechnet mit gesunden Probanden
Forderung nach Geschäftsfähigkeit der Versuchsperson
hohes Risiko erlaubt, wenn der Versuchsleiter selbst teilnimmt
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