Grundsätzliches
Vorkenntnisse sind die zentrale Lernvoraussetzung.
Warum ist das so?
Vorwissen ist keine systematische Theorie.
!!!
- Wachsende Bedeutung von Vorwissen,sinkende Bedeutung von Intelligenz über die Schulzeit hinweg.
- Vorkenntnisse sind der beste Prädiktor für Lernerfolg.Matthäus-Effekt: Wer hat, dem wird gegeben
- Lernen erfolgt (so gut wie) immer kumulativ.
- (Re-)Konstruktion individuellen Wissens erfolgt unter der Nutzung individuellen Wissens.
- Gemeinsames Verständnis von den im Lernprozess genutzten Begriffen.
- Individuelles Vorwissen kann in sich widersprüchlich sein.
- Es ist bedingt durch und angepasst an die Erfahrungen, die die Lernenden vorher gemacht haben;Präkonzepte statt Fehlvorstellungen.
Vorkenntnisse im Lernprozess
Neue Imformationen
Wann und wo wird mit Vorkenntnissen gearbeitet?
Vorerfahrungen systematisieren
Neue Konzepte einführen
Vernetzen von Konzepten
- Informelle Vorerfahrungen nutzen und systematisieren.
- Vor der Behandlung neuer Konzepte.
z.B. Brüche und Dezimalschreibweise für Größenbereiche: Umstrukturierung vorbereiten.
- Anschlussfähigkeit an vorherigen Unterricht sicherstellen.
- Beachtung individueller Vorerfahrungen und Präkonzepte.
z.B. Addition und Subtraktion von Brüchen:
An welche Vorstellung zu Addition und Subtraktion kann man anknüpfen?
- Bezüge zwischen neuem Wissen und Vorwissen herstellen.
- Anschlussfähigkeit für weitere Inhalte vorbereiten.
z.B. Multiplikation von Brüchen und Multiplikation von natürlichen Zahlen (gemischte Zahlen)
Rechenstrategien und Algorithmen
Halbschriftliches Rechnen
Kopfrechnen
Rechenverfahren/Algorithmen
Rechnen mit technischen Hilfsmitteln
- Erlernte oder selbst gefundene Strategien
- Flexible und adaptive Nutzung verschiedener Strategien, individuelle Notation (Symbole, Skizzen,...)
- Rechnen nach erlernten oder selbstgewählten Strategien
- Keine Notation des Vorgehens (aber Reflexion möglich)
- Festgelegtes Verfahren
- Nutzung bei passenden Problemstellungen
Notation nach einem vorgegebenen Schema
Prototypische Strategien zum halbschriftlichen Rechnen
Schrittweise
Stellenweise
Hilfsaufgabe
Vergleichsaufgabe
Ergänzen\Umkehraufgabe
Nutzung dekadischer Analogien
- …sind operative Beziehungen zwischen Zahlen und Operationen.
- …lassen sich oft relativ leicht an Arbeitsmitteln begründen.
- …sind häufig die Basis von Rechenstrategien.
Beispielle Dekadische Analogien
Schriftlich versus halbschriftlich: Kritik an schriftlichen Verfahren
Das Lösen der Rechenaufgaben erfolgt fast ohne ZahlverständnisReproduzieren („Abspulen“) von Algorithmen auf rein symbolischer Ebene
Das Wissen über Zahlen, Zahlstrukturen, Zahlbeziehungen und die Zahlvorstellungwerden eher verlernt als gefördert.
Die Anschlussfähigkeit der Verfahren zur Entwicklung von praktisch nutzbarenRechenstrategien (z.B. Kopfrechnen, Abschätzen) wird eher kritisch gesehen.
Schriftlich versus halbschriftlich:Vorteile halbschriftlichen Rechnens
Chance für größere Individualisierung durch Rechnen auf eigenen Wegen.
Förderung von Flexibilität und Adaptivität beim Rechnen
Beitrag zum nachhaltigen Kompetenzerwerb
Förderung prozessbezogener Kompetenzen
Wesentliche Basis für das Verständnis schriftlicher Rechenverfahren
Vorteile halbschriftlichen Rechnens
• Chance für größere Individualisierung durch Rechnen auf eigenen Wegen.
- gute Differenzierungsmöglichkeiten
- leichtere aber aufwändigere vs. schwierigere aber kürzere Rechenwege
• Förderung von Flexibilität und Adaptivität beim Rechnen
- Flexibilität: verschiedene Strategien kennen und anwenden können
- Adaptivität: für verschiedenartige Aufgaben geeignete Strategien wählen
- Hinführung auf Kopfrechenstrategien (ohne schriftliche Notation)
- Erfordert ganzheitliches Zahlverständnis und regt dessen Aufbau an (Zahlen werden als Ganzesverrechnet)
- Möglichkeit für mathematische Interaktion und Kommunikation (auch) zwischen Kindern
- Möglichkeit zur Darstellung und Beschreibung eigener Lösungswege
- Möglichkeit zur Argumentation für oder gegen die Gültigkeit bzw. Eignung verschiedenerLösungswege
- Sicher kein Argument für das Thematisieren halbschriftlichen Rechnens…- …aber ein wesentlicher Vorteil, wenn man es ohnehin thematisiert.
Was gibt es zu bedenken?
Halbschriftliches Rechnen im Unterricht…
Gefahren bei ungünstiger Umsetzung
Hohe Anforderungen an die Lernenden.
Hohe Anforderung an die Lehrkraft
- …hat hohes Potential für nachhaltiges Mathematiklernen.
- …ist kein Selbstläufer sondern erfordert gezielte didaktische Gestaltung!
- Ungleichgewicht von Normierung vs. individuellen Wegen/NotationenVermitteln halbschriftlicher Rechenstrategien als schematisierte VerfahrenGefahr der einseitigen Normierung durch Schulbücherzu diverse und unverständliche Notationsformen
- Verpasste LerngelegenheitenKommunizieren über eigene Lösungswege, Argumentieren: Welcher Weg ist geschickt?Kennenlernen von Rechenvorteilen…
- Verschiedene Rechenstrategien sind selbst Lernstoff- dauernde geistige Aktivität gefordert
- Notwendige Vorkenntnisseà Aber: individuell anpassbare Anforderungen für alle Lernenden!
- Individuelle Arbeit gefordert
- Gründliche Kenntnisse der Strategien
- Erkennen und Einordnen der individuellen Strategien
- Langfristiger Aufbau von Vorwissen (Zahlraumerweiterung)à Sie müssen vorbereitet sein!
(Keine) Gründe für halbschriftliches Rechnen
• Sicheres Rechnen
• Schnelleres, sicheres Kopfrechnen
• Lerngelegenheiten für mathematische Prozesskompetenzen
• Lerngelegenheiten für zentrale Aspekte von Zahlverständnis
- Ggf. auf anderen Wegen auch/besser erreichbar (schriftliche Verfahren). Aber zu welchem Preis?
- Dennoch bisher keine Hinweise auf negative Effekte halbschriftlichen Rechnens.
- Teilweise schlüssig, allerdings ggf. auch mit einer einzigen, stark eintrainierten Strategie erreichbar.
- Schlüssiger, wenn es um flexibles Kopfrechnen geht.
z.B. Zahleigenschaften, Zahlbeziehungen, operative Beziehungen
Rechenstrategien – Ziele in der Sekundarstufe
• Systematisierung und Weiterentwicklung des halbschriftlichen Rechnens
• Weiterentwicklung des Algorithmenbegriffs
- Ausbildung sicherer Kopfrechenfertigkeiten (z.B. Kopfrechenphasen)
- Erweitertes Strategierepertoire/strategisch nutzbares konzeptuelles Wissen zu Operationen in neuenZahlbereichen
- Vertiefung der schriftlichen Rechenverfahren(z.B. höherer Zahlenraum, Division auch mit mehrstelligen Divisoren)
- Rechenverfahren („Rechenregeln“) für Operationen in neuen Zahlbereichen und deren adaptiveNutzung.
- Algorithmen zur Lösung mathematischer Probleme (Polynomdivision, Nullstellenbestimmung)
- Zunehmender Einblick in das Konzept des Algorithmus
schriftliche Normalverfahren
Universell einsetzbare Algorithmen
Normierung
Verschiedene Verfahren des schriftlichen Rechnens
Algorithmus: Folge von eindeutigen und schrittweise in einer bestimmten Reihenfolge ausführbaren
Anweisungen, die ein bestimmtes Problem in allen vorgesehenen Fällen löst.
- Festgelegte Abfolge der Rechenschritte
- Festgelegte Notationsform
- Festgelegte Sprechweise
„Normalverfahren“ leitet sich von einer Normierung dieser Aspekte ab.
- Es gibt durchaus Variation zwischen (Bundes-)Ländern.
- Variierende Zielsetzungen führen zu Änderungen der Verfahren über die geschichtliche Entwicklunghinweg (s.u.).
Algorithmen: Beispiel schriftliche Subtraktion
Mehrere mathematisch grundsätzlich verschiedene Verfahren
Subtraktionsmethode
Übertragstechnik
Die konkrete Notationsform kann weitgehend unabhängig davon schrittweiseentwickelt werden.
- Subtraktion (7 minus 5 ist 2)
- Ergänzen (5 und 2 ist 7)
- Entbündeln des Minuenden
- „Erweitern“ von Minuend und Subtrahend
- Auffüllen (nur mit Rechenrichtung Ergänzen)
Entwicklung
• Vielfältige Auseinandersetzungen in Bildungspolitik und Mathematikdidaktik zur schriftlichenSubtraktion in den letzten Jahrzehnten.
• Seit 1958 Ergänzungsmethode mit den Übertragstechniken Erweitern (gleichsinnigesVerändern) oder Auffüllen vorgeschrieben seitens der Kultusministerkonferenz.
• Festlegung der KMK 2002 stillschweigend aufgehoben.Vorher Freistellung des Verfahrens in einigen Bundesländern
• Seitdem zunehmende Verbreitung des Abziehverfahrens.Bayern: Abziehverfahren mit neuer Notation als verbindliches Verfahren im Grundschullehrplan 2014
Vorkenntnisse – schriftliche Normalverfahren
Schriftliche Normalverfahren werden eingeführt im Millionenraum…
Typische „Stolpersteine“
Weitere Entwicklungsbereiche
- …für die Addition
- …für die Subtraktion (Abziehverfahren mit Übertragstechnik entbündeln)
- …für die Multiplikation (ein- und zweistellige Faktoren)
- …für die Division (inklusive Division mit Rest, für einstellige Divisoren).
- Notwendige Überträge
- Probleme mit der Ziffer Null in Aufgabe und Ergebnis
- Stellenwerte korrekt berücksichtigen,
- z.B. unterschiedliche Stellenzahl bei Addition und Subtraktion
- Verständnis der Verfahren
- Anschlussfähigkeit an Größenbereiche, Dezimalbrüche
Grundprinzipien von Stellenwertsystemen
Bündelungsprinzip
Kleinere Einheiten werden zu größeren Einheiten zusammengefasst, indemimmer die gleiche Anzahl (Basis) von kleineren Einheiten zusammengefasst wird.
Stellenwertprinzip
Die Stelle einer Ziffer im Zahlwort gibt an, um welche Bündelungseinheit es sichhandelt, der Wert einer Ziffer gibt an, wie häufig die Bündelungseinheit vorkommt.
Die Ziffern für die Bündelungseinheiten b0, b1, b2,… (b: Basis) werden von rechts nach linksangeordnet.
Vorteile von Stellenwertsystemen
• Mit einer begrenzten Anzahl von Ziffern können große Zahlen übersichtlicherdargestellt werden.z.B. MMMMMDCCCLXXVII = 5877
• Jedes Zahlzeichen liefert zwei Informationen:Stellenwert (Position) und Ziffernwert (Ziffer)
• Die Bündelungseinheiten sind nach einer einfachen Systematik aufgebaut.
• Möglichkeit effizienter Rechenverfahren
• Einfaches Ordnen mehrstelliger Zahlen
• Erweiterbarkeit(Dezimalbrüche, Potenzschreibweise sehr großer und sehr kleiner Zahlen)
Nachteile von Stellenwertsystemen
• Es ist eine eigene Ziffer 0 nötig für Bündelungseinheiten, die in der beschriebenenZahl nicht vorkommen:(104)10 = 1 • 100 + 0 • 10 + 4 • 1
• Das System ist sehr abstrakt, da dieselbe Ziffer (ohne spezielle Kennzeichnung) fürverschiedene Werte stehen kann.
• Es werden nicht alle Informationen notiert (Stufenbezeichnung folgt aus der Position).
• Auch Stellenwertsysteme können unübersichtlich sein:14537869= 14 537 869 (Dreiergliederung hilft)
Bedeutung für den Unterricht
• Stellenwertsysteme sind die Zahldarstellung in unserer Kultur.
• Zahlverständnis ist eng nach dem dekadischen Stellenwertsystem strukturiert.
• zentrale Rolle im Mathematikunterricht aller Schulstufen, z.B.
- Erweiterung des Zahlenraums/der Zahlbereiche („Dezimalsystem“)
- Nutzung von Rechenstrategien und Verfahren
- Handhabung von Größenangaben
Eigenheiten der Zahlaussprache im Deutschen
Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet in der deutschen Sprache noch die umgekehrteSprechweise bei Zehnern und Einern
Hier können insbesondere – aber nicht nur – bei Kindern mitfamiliärem Migrationshintergrund Schwierigkeiten auftreten.
Stellenwertsysteme – Verständnis fördern
• Erfahrungen zu Bündelungs- und Stellenwertprinzip
• Thematisieren in unterschiedlich strukturierten Darstellungen
- Verbal und symbolische Varianten
- Als einzelne Bündel oder als Ganzes
- EIS – Ebenen (insbesondere auch intermodaler Transfer)
Zentrale Frage: Welche Arbeitsmittel ermöglichen einsichtsvolles Arbeiten zu den Grundprinzipien desStellenwertsystems?
Arbeitsmittel für Stellenwertsysteme
• Zehnersystemblöcke, sog. Dienes-Blöcke
Mehrsystemblöcke, z.B. Sechsersystemblöcke
• Zahlenkartensatz
• Kombination
• Rechengeld
• Stellenwerttafel
Berichtete mentale Zahlenstrahlmodelle
Anmerkungen zu Zahlenstrahlvorstellungen
Es treten (auch bei Lehramtsstudierenden!) Zahlenstrahlvorstellungen auf, die aus zwei getrenntenZahlenstrahlen (positiv/negativ) bestehen.Diese führen zu Problemen z.B. beim Vergleich von Zahlen.
Relevante Vorerfahrungen Dezimalsystem
...aus der Grundschule
• Komma-Schreibweise für Größen (Längen, Geld, Gewichte, Hohlmaße)Nicht selten (auch unterrichtliche) Beschränkung auf Komma-Trennt-Vorstellungen, teilweiseangebunden an Maßzahlaspekt
• Multiplikation von Bündelungseinheiten
• Lesen von (einfachen) Dezimalbrüchen (s.a. gewöhnliche Brüche)
...aus der Sekundarstufe
• Komma-Schreibweise für Volumina und Flächeninhalte Sollte über Komma-Trennt-Vorstellungen hinaus gehen!
• (Zehner-)Brüche aus der gewöhnlichen Bruchrechnung
Vorerfahrungen zu gewöhnlichen Brüchen
• Vorerfahrungen zu einfachen Brüchenbei vielen Lernenden
• i.d.R. verankert an Größenbereichen
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