Was ist unter Interaktionismus im Bezug auf die Persönlichkeitsforschung zu verstehen?
Interaktionismus zielt darauf ab, dass Persönlichkeitseigenschaften nicht isoliert und allein genommen unser Erleben bedingen, sondern dies tun im Zusammenspiel mit Umweltbedingungen
Warum wird Zimbardo als Situationist bezeichnet?
Situationismus - Zimbardo - Stanford Prison Experiment:
Auch gute Leute könnten durch eine entsprechende Situation zu schlechten gemacht werden
Was waren die zentralen Befunde der Studie von Hartshorn & May (1928) bzw. des Review von Mischel (1968)?
Studie von Harshorne & May (1928) zum moralischen Charakter
Untersucht in welchen Situationen Schulkinder unehrliches Verhalten (Mogeln, Diebstahl, Lügen) zeigten
Durchschnittliche Korrelation mit r=.19 zu niedrig
-> transsituative Konsistenz nicht gegeben
-> es gibt keine Eigenschaft für Ehrlichkeit/Mogeln
Walter Mischels Buch “Personality and Assessment” (1968)
Studien zu Vorhersagbarkeit von Verhalten aus Persönlichkeitseigenschaften
Korrelationen zwischen Eigenschaftsmaßen und Verhalten liegen selten über r = .30
Persönlichkeit nützt gar nichts zur Vorhersage von Verhalten -> man muss sich nur die situation anschauen
Welche Lösung der Krisen der Persönlichkeitspsychologie bietet der moderne Interaktionismus?
Haupteffekte der Person (P) waren schwach
Die Haupteffekte der Situation (S) waren schwach
Die kombinierten Interaktionseffekte waren stärker (PxS)
Wie groß sind Effekte der Person bzw. der Situation?
Persönlichkeitseffekt r = .19 (wie bei Hartshorne & May, 1928)
Situationseffekt r = .22
-> P und S beeinflussen Verhalten etwa gleich stark
-> Die Interaktion P x S ist stärker als die Haupteffekte
„Moderner Interaktionismus“:
P x S Interaktionen besonders bedeutsam zur Vorhersage von Verhalten
Persönlichkeit und Situation verändern gegenseitig ihren Einfluss
Was versteht man unter reaktiver, evokativer, proaktiver, manipulativer Interaktion? Generieren Sie Beispiele.
4 Interaktionsmuster:
Reaktive Interaktion
Personen verarbeiten Reize in Situationen unterschiedlich
Situationen subjektiv unterschiedlich
Große Unterschiede zwischen Personen in mehrdeutigen Situationen (geringere in eindeutigen Situationen)
Bsp.: unterschiedliche Arousal-Schwelle für den hedonischen Tonus -> unterschiedlicher Zeitpunkt des Zurückziehens erreicht
Evokative Interaktion
Personen rufen bei Interaktionspartnern unterschiedliche Reaktionen hervor; wirken auf die Person zurück
Situationen objektiv unterschiedlich
Beispiel: Aggression und Provokation
Proaktive Interaktion
Personen wählen Situationen aktiv aus
Situationseinfluss variiert über Personen
Beispiel: Ängstlichkeit und Reisen
Manipulative Interaktion
Personen gestalten ihre Umwelt aktiv
Bsp.: physikalische Umwelt -> Blume, Bücher hinstellen
Teufelskreis der Interaktionsprozesse kann dazu führen, dass Persönlichkeitseigenschaften eher verfestigen
Beispiel: Misstrauische Person
Reaktive Interaktionsprozesse:
mehrdeutige Reize werden als feindselig interpretiert
Evokative Interaktionsprozesse:
missbräuchliche Erfahrungen gemacht -> hält physische Distanz von anderen -> wirkt auf andere eher unfreundlich
Proaktive Interaktionsprozesse:
vorsichtig mit neuen Situationen, ängstlich
Manipulative Interaktionsprozesse
manipuliere soziale Umwelt, indem nachgefragt wird, ob über einem gelästert wird und dadurch erhält man die Bestätigung der Befürchtung
Welche Form der PxS Interaktion postulierten Endler & Spielberger in ihren State-Trait Theorien der Angst und des Ärgers?
reaktive Interaktion von Emotionen
Wie begründen interindividuelle Unterschiede in Wahrnehmungsschwelle und Reaktivität dieses Muster?
Wahrnehmungsschwelle unterscheidet sich:
Personen mit starker Eigenschaftsausprägung nehmen bereits schwache Anzeichen von Bedrohlichkeit und Provokation wahr
Personen mit schwacher Eigenschaftsausprägung nehmen Hinweise auf Bedrohlichkeit/Provokation erst wahr, wenn diese schon stärker sind
Reaktivität unterscheidet sich:
Perosonen mit starker Eigenschaftsausprägung reagiern überproportional stärker auf Bedrohlichkeit und Provokation
-> synergetische Interaktion -> verstärken sich gegenseitig
Ähnlichkeit zu Umwelt-Gen-Interaktion Arousal und Genausprägung
Was sind nach Walter Mischel starke Situationen? Was macht eine Situation stark? Welche Konsequenz hat das?
Starke Situationen= Situationen, in denen Menschen aufgrund von Konventionen oder Normen gleiches oder sehr ähnliches Verhalten zeigen
-> keine/geringfügige Verhaltensunterschiede
Bsp.: Beerdigungen, Gottesdienst
Sehr merkwürdig, wenn dort große Verhaltensunterschiede auftreten
sind entweder leichte oder schwere Situationen für das zeigbare Verhalten
Verhalten ist leicht zeigbar
Verhalten ist schwer zeigbar
Schwache Situationen = Situationen, die Verhaltensunterschiede zulassen
-> Einfluss von Persönlichkeit auf Verhalten möglich
-> mittelschwere Situation für das zeigbare Verhalten
Wie wurde dieses Konzept erweitert zu „Situationsschwierigkeit“? Welche Form(en) der PxS Interaktion sind hier impliziert? Erläutern Sie an einem Beispiel.
synergischer Faktor kann durch einen kompensatorischen Faktor ergänzt werden
Was ist ein Wenn-Dann-Schema? Wie ist dies von Persönlichkeitseigenschaften unterschieden?
Die Person lernt:
dass bestimmte Ziele in bestimmten Situationen mit bestimmten Verhaltensweisen erreicht werden können
also Verknüpfungen der folgenden Art: „Wenn ich unter Bedingung A Verhalten B zeige, tritt Konsequenz C ein.“
Wenn-dann-Verhaltensschemata sind
interindividuell verschieden
intraindividuell stabil
nicht über Situationen generalisierbar
-> somit keine Persönlichkeitseigenschaften
Vorteil: zur individuellen Verhaltensvorhersage geeignet Nachteil: nicht sparsam
Was waren zentrale Befunde der Sommercamp-Studie von Shoda und Kolleg*innen (1994)?
stabile Verhaltensmuster von 2 Kindern in fünf verschiedenen Situationen (die über das SommerCamp hinweg immer wieder zu beobachten waren)
Befunde:
Kinder unterscheiden sich nicht in ihrer übergeordneteten Aggressionsneigungen
Zeigen Aggressives Verhalten, allerdings in unterschiedlichen Situationen
Wenn-Dann-Schemata sind also bei den Kindern unterschiedlich ausgeprägt -> Situationsspezifität
Welche Personenvariablen sieht Mischel als grundlegend an?
Situationsspezifische Personenvariablen
Nicht generalisiert über Situationen (≠ Persönlichkeitseigenschaften)
Grundlegende Personenvariablen:
Kompetenzen: Welches Verhalten kann Person in bestimmter Situation zeigen?
Kodierstrategien und persönliche Konstrukte: Wie interpretiert Person Situationen?
Erwartungen: Vgl. Selbstwirksamkeit, Erfolgserwartung
Ereignisbewertungen:Wie bewertet man die möglichen Konsequenzen? Welche Ziele strebt Person an?
Selbstregulation: Ist Person in der Lage, für längerfristige Ziele auf kurzfristige Belohnung zu verzichten?
Zusammenfassung: Wie entsteht Verhalten?
Zusammenspiel von Merkmalen der Person und Merkmalen der Situation, in der die Person handelt
P x S – Interaktionen können viele Gründe haben, z.B.
Verschiedene Personen interpretieren eine Situation unterschiedlich (reaktive Interaktion)
Menschen unterscheiden sich in der Wahrnehmungsschwelle und ihrere Reaktivität für signifikante Situationsmerkmale (synergetische Interaktion)
Verschiedene Personen lösen bei anderen unterschiedliche Reaktionen aus (evokative Interaktion)
Personen wählen sich Situationen so aus, dass diese zu ihrer Persönlichkeit passen (proaktive Interaktion)
Menschen gestalten und kultivieren ihre Umwelt (manipulative Interaktion)
Situationen unterscheiden sich darin, wie sehr sie Verhaltensvariation zulassen (Situationsstärke)
Zusammenfassung: Wie entstehen interindividuelle Verhaltens- und Persönlichkeitsunterschiede?
Reaktive, evokative, proaktive und manipulative Interaktionen führen zu interindindividuellen Verhaltensunterschieden
Erklären auch Entwicklung von Persönlichkeitsunterschieden
Menschen wählen und gestalten Situationen und Lebenskontexte
Menschen nehmen Situationen auf eine spezifische Art wahr und beeinflussen mit ihrem Verhalten ihre Mitmenschen
→ Menschen gestalten eigene Persönlichkeitsentwicklung
Zusammenfassung: Wie kommt es zu Persönlichkeitsstörungen?
Durch Interaktionsprozesse:
Störung besteht in den sozialen Interaktionsmustern
Beispiele:
Proaktive Interaktion und Angststörung:
Entwicklung dysfunktionaler Vermeidungsstrategien
Reaktive und evokative Interaktion und Aggressivität:
Feindselige Attribution
Subjektiv bestätigt durch ansteckendes Verhalten
Zusammenfassung: Zur Bedeutung für die aktuelle Persönlichkeitspsychologie
Krisen der Konsistenzkontroversen sind überwunden
Konsens darüber, dass interaktionistische Ansätze zukunftsweisend sind
Probleme:
Beschreibungen von Situationen sind noch nicht ausreichend genug
Erklärungen für Interaktionen
Mangelnde Replizierbarkeit von Interaktionen
Wiederholungen des Stanford Prison Experiments (Carnahan & McFarland, 2007)
Höhere Ausprägungen bei z.B. Aggression, Narzissmus, Dominanz
Niedrigere Ausprägungen bei z.B. Empathie
Ergebnisse von Stanford Prison Experiments zumindest teilweise Erklärbar durch SelbstSelektion der Teilnehmer*innen
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