Was ist eine Verhaltensstörung? (Definition)
Bildungspolitik KMK 2000
• Sind aufgrund ihres Erlebens und ihrer Selbststeuerung in ihren Bildungs-, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten erheblich
eingeschränkt
Schulrecht AO-SF (NRW):
• u.a. Erziehungsschwierigkeiten, d.h. nachhaltige Verschließung/ Widersetzung vor der Erziehung
—> Förderung durch den Unterricht kann nicht hinreichend gelingen
—> Eigene oder die Entwicklung anderer SuS ist gefährdet
• Erhebliche Beeinträchtigung im Lernen, der Sprache, der sozialen und
emotionalen Entwicklung
—> bedingen/verstärken sich häufig gegenseitig
—> Evtl. sopäd. Förderbedarf in mehreren Bereichen
Begriffsbestimmung
Gefühls-/Verhaltensstörung:
beschreibt eine Beeinträchtigung (disability)
• Werden in der Schule als emotionale Reaktionen/Verhalten
wahrgenommen
• Unterscheidet sich gravierend von der alters-/kulturellen-/ethnischen
Normen
—> Negativer Einfluss auf die Erziehungserfolge des Kindes
—> Erziehungserfolge umfassen schulische Leistungen sowie
soziale, berufsqualifizierende und persönliche Fähigkeiten
• Mehr als zeitlich begrenzte, erwarteter Reaktionen auf Stress
• Tritt über einen längeren Zeitraum in mind. zwei Verhaltensbereichen (Settings), mind. ein Bereich ist schulbezogen
• Nicht durch direkte Interventionen im Rahmen allgemeiner
Erziehungmaßnahmen aufhebbar —> waren/wären erfolglos
• Kann im Zusammenhang mit anderen Behinderungen auftreten —> Erfordern für ihre Beschreibung Informationen aus
verschiedenen Quellen & Messverfahren
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung - Kriterien
Die folgenden Kriterien sind nach den Klassifikationssystemen bei eine
Zuschreibung zu „Gefühls- und Verhaltensstörung“ zu beachten:
• Intensität = längere Zeitdauer, hoher Schweregrad
• Ökologie = In mind. zwei Settings (mind. eins ist schulbezogen)
• Integration = Erfordert spezifische Hilfen für die Teilhabe an der Gesellschaft
Zur Absicherung von Diagnosen und der gemeinsamen Kommunikation dienen insbesondere die Klassifikationssysteme ICD-10/11 und DSM V
Wertung „Gefühls- und Verhaltensstörungen“
• Berücksichtigt das pädagogische Kriterium des Erziehungserfolgs
• ausdrückliche Berücksichtigung der Gefühle und Emotionen
• Setting „Schule“ wird in seiner Bedeutung explizit anerkannt
• Internationale Verwendung
• Kompatibilität zu Forschungen: hohe Bedeutung der Emotionen
• geeignet für transdisziplinären Diskurs •Problem der Stigmatisierung ist auf der Ebene der Begriffe nicht lösbar!
Erscheinungsformen im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
• Externalisierende Verhaltensstörung = Hyperaktivität/Impulsivität/
verweigerndes- und aggressives Verhalten/ Aufmerksamkeitsprobleme
• Internalisierende Verhaltensstörung = Angst/Ängstlichkeit
• Sozial unreifes Verhalten
• Sozialisiert delinquentes Verhalten = Gemeinsam mit anderen Regeln
Missachten
Epidemiologie
BELLA Daten (aus KIGGS Studie):
16,8% aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland zeigen psychische Auffälligkeiten (Hölling et al. 2017)
COPSY-Studie (2021) zeigt, dass die Herausforderungen der Pandemie Lebensqualität und psychisches Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen verringern sowie das Risiko für psychische Auffälligkeiten erhöhen. Betroffen scheinen vor allem sozial benachteiligte Kinder zu sein. Einzelne ADHS Symptome: 5-22% (Görtz-Dorten & Döpfner, 2009)
Oppositionelles Trotzverhalten: 23% (Frick & Nigg, 2012) ADHS: 5,3% (Polanczyk et al., 2014), 1-3,4% (Görtz-Dorten & Döpfner, 2009)
Störung des Sozialverhaltens: 3,3 % (Canino et al., 2010), 3,6% (Erskine et al., 2013)
Angst: 0,8-4,7 (Christiansen & Röhrle, 2012)
Depression: 2-8% (Costello et al., 2006)
PEARL-Studie
Lehrkrafteinschätzung zu 46 Items zu psychischen Störungen
PEARL-Studie (Hennemann et al., 2020)
ca. 80% der Schüler*innen zeigen auffälliges Verhalten im Bereich ADHS
ca. 45% der Schüler*innen zeigen auffälliges Verhalten im Bereich SSV
44% der Schüler*innen zeigen in beiden Bereichen Auffälligkeiten
fast 20% der Schüler*innen zeigen Auffälligkeiten im Bereich Angst
über 31% der Schüler*innen zeigen Auffälligkeiten im Bereich Depression
15,3% der Schüler*innen zeigen externalisierende und internalisierende Auffälligkeiten
85% der Schüler*innen werden von den Lehrkräften als „funktionsbeeinträchtigt“ eingeschätzt
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung - Pädagogisch relevante Erklärungsansätze in der Erziehungshilfe nach Benkmann (1986)
Personenzentrierte Ansätze:
• Lerntheoretisch
• Psychodynamisch
• Biophysisch
Umweltbezogene Ansätze:
• Polit-ökonomisch
• Soziologisch
• Ökologisch
• Humanistisch-psychologisch
Transaktionales Entwicklungsverständnis
Die Entwicklung vollzieht sich auf unterschiedlichen Ebenen, die sich gegenseitig beeinflussen:
• Biologische Ebene: genetische-, psychophysiologische-,
neurpsychologische Faktoren
• Psychologische Ebene: kognitive-, emotionale-, sprachliche- und
behaviorale (= das Verhalten betreffende) Faktoren
• Soziale Ebene: familiäre, umfeldbezogene und kulturelle Faktoren
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung - Bedingungen, die die Persistenz psychischer Fehlentwicklung
erhöhen (nach Loeber)
• Häufung von Risikofaktoren, die sich ggf. auch begünstigen
• Frühes Aufkommen eines Problemverhaltens
• Häufung eines Problemverhaltens
• Beständigkeit eines Problemverhaltens
• Vielfältigkeit eines Problemverhaltens, z.B. Hyperaktivität,
Impulsivität, oppositionelles und aggressives Verhalten, Delinquenz
und Kriminalität)
• Auftreten in unterschiedlichsten Kontexten (Familie, Kindergarten,
Schule, …)
Multifaktorielle Verursachung - Störungen entstehen durch ein ungünstiges Zusammenspiel aus
Entwicklung – zwischen Risiko- und Schutzfaktoren
Vulnerabilitäten/ Stressoren
Gene/Geburtsprobleme
inkonsistente Erziehung
schwieriges Temperament
Psychopathologie der Eltern
Niedriger IQ
Multiproblem-Milieu
Impulsivität
Familiäre Konflikte
Resilienz/ Ressourcen - Schutzfaktoren:
Stabile emotionale Beziehung
Positive Freundschaften
soziale Attraktivität
Lernerfolg
Lehrer als Modell
unterstützendes Erziehungsklima
Hoher IQ
Aktive Stressbewältigung
Planung von Handlungsstrategien
Basis für die Planung von Handlungsstrategien: Erfüllung der psychischen Grundbedürfnisse
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
- Sozial-kognitive Informationsverarbeitung (SKI) (Crick
& Dodge 1994, mod. Lemerise & Arsenio 2000)
Ressourcen und ihre Bedeutung für die Prävention bei Gefühlsund Verhaltensstörungen
Präventionen versuchen die vorhandenen Ressourcen konsequent zu
stärken:
• Diagnostik: auch Ressourcen, Stärken und Kompetenzen erheben
• Förderplanung: auch die Stärkung der Stärken planen
• Unterricht und Förderung: Stärken der Kinder in den Unterricht/ pädagogisches Angebot einbauen
PRÄVENTION UND INTERVENTION BEI ESE
Handlungsstrategien – in einem mehrstufigen Rahmenmodell im Team verankert
Qualitätskriterien wirksamer Prävention
1. Mehrstufige Prävention – möglichst früh ansetzen
2. Multimodal – Kind, Lehrkraft, pädagogische, therapeutische, medizinische Fachkräfte, Schule, Eltern
3. Multiprofessionell – im Team aus allen Professionen
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung - Qualitätskriterien wirksamer Prävention
Möglichst früh ansetzen
• Wirksamkeit: Verbesserung prosozialen Verhaltens, Reduktion von ADHS/Aggressionen/Diesziplinproblemen/Bullying
—> Wirksamkeit durch fundierte, prozessbegleitende Diagnostik
verdoppelt und individuell implementierbar
—> Von Lehrkräften als sehr hilfreich eingeschätzt
Multimodal:
• Kind, Lehrkraft, pädagogische-/
therapeutische-/ medizinische Fachkräfte, Schule,Eltern
Multiprofessionell:
• Im Team aus allen Professionen
12-Felder-Schema bei externalisierenden Verhaltensproblemen Ziel: Problemverhalten reduzieren & sozial-emotionale Kompetenzen aufbauen
Ziel: Problemverhaltens reduzieren + sozial-emotionale Kompetenzen aufbauen
Wirksamkeit mehrstufiger Prävention
Verbesserung prosozialen Verhaltens (Carr et al., 1999)
Reduktion ADHS, Aggression, Disziplinprobleme, Bullying (Bradshaw et al., 2010; Hawken & Horner, 2003; Luiselli et al., 2005; Oswald et al., 2005; Fabiano & Pyle, 2018)
Wirksamkeit durch fundierte, prozessbegleitende Diagnostik verdoppelt
Individuell implementierbar, von Lehrkräften als sehr hilfreich eingeschätzt (Farkas et al., 2012; Scott & Barret, 2004; Sanetti & Collier-Meek, 2015)
Multimo- Modell (multiprofessionell und Multimodal fördern)
Wirksamkeit von Multimo
Förderschwerpunkt emotionale und soziale
Entwicklung - Zwei grundlegende Ansätze
1. Etablierung positiver, sicherer Lernumgebung
2. Gezielte Förderung sozial-emotionaler Fertigkeiten in der
Schule
Gute Lehrer-Schüler-Beziehung als Basis erfolgreichen Handelns:
• Wärme, Wertschätzung & Empathie der Lehrkräfte
• Verhaltensspezifisches Lob, Schülerpartizipation
• Positive Wahrnehmung des Schulklimas
—> Reduziert externalisierendes Problemverhaltens
—> Erhöht das Wohlbefinden
—> Wirkt sich positiv auf Lernprozesse aus
Schlechte Lehrer-Schüler Beziehung gilt als Prädiktor
externalisierender Verhaltensprobleme & Lernschwierigkeiten
Classroom Management: 3 Dimensionen
„Maßnahmen zur Schaffung einer effektiven schulischen Ökologie, eines effektiven Lernmilieus“ (Kounin, 2006, S. 148).
3 Dimensionen des proaktiven Classroom Managements:
1. Lehrkraft antizipiert mögliche Vorkommnisse in der Klasse, sie besitzt
einen konkreten Plan mit Handlungsmöglichkeiten
2. Lehrkraft erkennt an: Lernen und Verhalten sind untrennbar verknüpft
3. Pädagogisches Handeln bezieht sich in erster Linie auf die Gruppe
Classroom Management: 4 Prinzipien
4 Prinzipien des effektiven Classroom Managements:
1. Klare Abläufe + Routinen des Unterrichts im Klassenzimmer etablieren
2. Proaktive Vermittlung erwarteten Verhaltens + Lernens an die Schüler
3. Erfüllung dieser Erwartungen wird geprüft + Feedback gegeben
4. Den Schülern wird Eigenverantwortung für erfolgreiches schulisches Lernen verdeutlicht
Proaktive und Reaktive Kriterien
(Nach Evertson & Emmerich 2009)
Spotlight: verhaltensspezifisches Lob
= Lob, das ausdrücklich das Verhalten des Kindes und die
Anerkennung für dieses Verhalten ausdrückt
—> Am effizientesten wenn es unmittelbar + herausragend ist
Gründe für Lob:
• Lernverhalten: Lernstrategien, Umgang mit Fehlern/Frust, Mitarbeit
• Arbeitsverhalten: Konzentrations-/Anstrengungsbereitschaft (bei schwierigen Aufgaben), Selbstständigkeit
• Sozialverhalten: freundliches Verhalten, Zusammenarbeit, Teilen
• Regelverhalten: Vereinbarungen einhalten, sich melden und warten
3 inhaltliche Aspekte:
• Wer wird angesprochen (Name des Kindes)
• Eine Zustimmung/Anerkennung
• Nennung des spezifischen Verhalten das hervorgehoben wird
Art der Vermittlung: ruhig sprechen, Pausen setzen, Augenkontakt, Mimik und Gestik, ggf. Räumliche Distanz verringern
Strategien:
• Strichlisten, Klebepunkte, kleine „Erinnerer“, vibrierendes Gerät, Sticky notes, kollegiale Unterstützung
Präventionsprogramme zur Förderung sozialer Kompetenzen
Lubo aus dem All (Kindergarten: Hillenbrand, Hennemann & Heckler-Schell, 2008; Klasse 1 und 2: Hillenbrand et al., 2022): Aufbau sozial-emotionaler Kompetenzen
Medienhelden (7.-10. Klasse): Reduktion von Cybermobbing
Fit for Life (13-21 Jahre): Unterstützung beim Aufbau sozialer Kompetenzen
LARS & LISA (ab 13 Jahre): Verringerung des Auftretens affektiver Störungen
SNAKE (Klassenstufen 8 und 9): Stressbewältigung im Jugendalter
Spielraum der Lehrkraft
Wissen:
• Die Komplexität herausfordernden Verhaltens auch im Kontext der Entstehung
anerkennen
• Merkmale + Formen effektiver, bestmöglicher Förderung
—> Repertoire an Organisationsformen und Netzwerken der Hilfe
Handeln:
• Wissenschaftl. fundierte Praxis realisieren und prozessbezogen evaluieren
• Für eine effektive Förderung is eine positive L-S-Beziehung (bzw. Päd. Fachkraft) in qualitativ hochwertigem pädagogischem Angebot unabdingbar = didaktische Perspektive
• Lerngruppe auf Klassenebene stärken, keinen vergessen (no child left behind)
Hoffen:
• Verbesserung der Förderung auf der Ebene der SuS durch präventiv ausgerichtete,
multiprofessionelle, multimodale „simultane“ Mehrebenenansätze (auch im inklusiven) schulischen Setting
• Auf die Akteure kommt es an: „Vom Wissen, zum Wissen wie, zum Können“ —> Selbstwirksamkeit wir durch prozessbezogene Unterstützung erhöht, wie Qualifizierung und Coaching
Positive Behavior Support (Hintz et al., 2014)
TOOTLING
Vorgehen:
1. SuS beobachten eine gute Tat, positives Verhalten etc.
2. Sie notieren es auf einem Tootle Ticket
3. Reflexion der guten Taten in einer täglich stattfindenden
Reflexionszeit
Implementation im Unterricht:
1. Einführung von Klassenregeln
2. Erwünschtes Verhalten erkennen und benennen können
3. Wie wird ein Tootle-Ticket ausgefüllt
4. Mögliche Belohnungen sammeln
5. Tägliches Tootling mit Reflexion
KlasseKinderSpiel - Hintergrund
Das KlasseKinderSpiel ist eine Adaption des amerikanischen „Good Behavior Game“ aus den 70er Jahren, welches 1969 erstmals evaluiert wurde (Barrish et al., 1969).
Es handelt sich um ein Gruppenkontingenzverfahren, bei dem vorausgesetzt wird, dass das Wissen um gegenseitige Verantwortlichkeit für das Gelingen einer Aufgabe zur Zusammenarbeit motiviert.
Ziel: Reduktion von Unterrichtsstörungen, Förderung eines positiven Lern- & Arbeitsverhaltens sowie Schaffung
eines lernförderlichen Klassenklimas
Theorie: lerntheoretischer Ansatz
Methode: Verhaltenssteuerung durch direktes Feedback der Lehrkraft
Prinzip: Verhaltensbelohnung auf Gruppenebene = kooperatives Verhaltenstraining
Die Prävention mit dem KlasseKinderSpiel ist in erster Linie universell, d.h. alle Kinder einer Klasse sind beteiligt. Daneben ist es aber auch möglich selektiv, d.h. bei erhöhter Risikobelastung, oder sogar indiziert, bei Gruppen mit sehr hohem Risiko und sich bereits abzeichnenden Symptomen, damit zu arbeiten.
KlasseKinderSpiel - Durchführung
Zielgruppe: Vornehmlich Schüler*innen an Grund- und Förderschulen
Das wird benötigt: Ökonomischer und flexibel anzupassender Materialeinsatz (z.B. zur Transparentmachung der Gruppeneinteilung, Notiz über „gewonnene“ Verstärker, Zeitmesser…)
Durchführungsphasen:
Das Spiel vorbereiten: Welches Verhalten soll verändert werden? In welcher Unterrichtsphase eingesetzt?
Belohnungen auswählen - materielle vs. soziale Verstärker
Das Spiel in der Klasse einführen - inkl. Definition des Klassenziels und des inadäquaten Verhaltens (Definition von Goals und Fouls)
Die Spielregeln erklären: Das Team mit der geringsten Anzahl an „Fouls“ gewinnt und erhält eine Belohnung.
Das Spiel in der Klasse durchführen: Sie führen Ihren normalen Unterricht durch, mit dem einzigen Unterschied, dass Sie während der Spielzeit „Fouls“ verbal anzeigen(„Dies war ein Foul für Mannschaft...“) und sichtbar für die Teams notieren. Die Anzeige von „Fouls“ muss konsequent (!) durchgeführt werden.
Spielalternative: Goals statt Fouls definieren
KlasseKinderSpiel - Evaluation
hohe Effekte bezüglich der Reduktion von Problemverhalten und dem Aufbau prosozialen Verhaltens,
für den deutschsprachigen Bereich verweist eine Gruppenuntersuchung (Hillenbrand/Pütz, 2008; durchgeführt 2006/2007 in einer zwölfmonatigen Evaluationsstudie) auf signifikante Effekte im Aufbau von Lern- und Arbeitsverhalten sowie Sozialverhalten.
Erstklässler*innen profitieren vor allem in den Dimensionen Kooperation, Regelverhalten & Aufmerksamkeit.
Goalsetting - Hintergrund
Theoretischer Hintergrund:
Die Auswirkungen von Zielen auf das Verhalten hängen von ihren Eigenschaften ab: Spezifität, Nähe und Schwierigkeitsgrad (Bandura, 1988). Die ursprüngliche Theorie geht davon aus, dass die Zielsetzung eine Verhaltensänderung fördert, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
(1) das Ziel muss bewusst und spezifisch sein; und (2) das Ziel muss ausreichend schwierig sein (d.h. über das üblicherweise Erreichte hinaus). Konkrete Zielesteigern die Leistung durch eine höhere Spezifizierung des Aufwandes für den Erfolg und die erwarteteSelbstzufriedenheit.
Die Zielsetzungstheorie (Locke & Latham, 1984) basiert darauf, dass bewusstesmenschliches Verhalten immer schon zielführend ist. Aber warum sind Menschen unterschiedlich erfolgreich trotz gleichwertigem Können und Wissen? Die Ursache für das Handeln scheint bei dem Einen motivierender zu sein als bei dem Anderen. Die Wahrscheinlichkeit, ein bestimmtes Ziel zu wählen, wird erhöht, wenn der Einzelne denkt, dass es entweder aufgrund von seinen Fähigkeiten oder aufgrund von Erfolgen in der Vergangenheit erreicht werden kann. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit wählen eher anspruchsvolle Ziele als solche mit geringer Selbstwirksamkeit (Locke et al., 1984).
Die Prävention durch „Goalsetting“ wendet sich sowohl an einzelne Schüler*innen auf universeller Ebene (alle Kinder einer Klasse sind beteiligt), als auch an einzelne Schüler*innen auf selektiver (bei erhöhter Risikobelastung) oder indizierter (Schüler*innen mit sehr hohem Risiko und sich bereits abzeichnenden Symptomen) Ebene.
Goalsetting - Durchführung
Zielgruppe: Vornehmlich Schüler*innen an Förderschulen sowie Schüler*innen mit erhöhtem Förderbedarf in inklusiven
Settings.
Das wird benötigt: Eine Form der Dokumentation mit dem / der Schüler*in vereinbaren: Zielerreichungsskala, Tokenprogramm
1. Verhaltensproblem identifizieren
2. Verhaltensausgangslage systematisch erfassen: Beobachtung/Beurteilung über mehrere Zeitpunkte hinweg, z.B. Anteil der effektiv genutzten Arbeitszeit in % im
Wochenplan, 5x erhoben
3. Verhaltensziel setzen: einschl. Operationalisierung: Festlegung eines Indikators der initialen Zielerreichung, z.B. zunächst 50 % der Arbeitszeit effektiv nutzen
4. Verhaltensfortschritt beobachten (progress monitoring): Möglichst grafische Darstellung der Ausgangslage und des Fortschrittes, Erfassung kann auch durch Schüler*in erfolgen)
5. Feedback geben und positiv verstärken: Idealerweise erfolgt Feedback visuell und mündlich, konkret, ggf. mit Hinweisen zur Verbesserung.
6. Weiteres Vorgehen planen: In Abhängigkeit vom Verhaltensverlauf z.B. den Indikator anpassen, weitere Hilfen einbauen, Wechsel oder Beendigung der Intervention…
Mögliche Modifikationen im Schritt 6:
Für Kinder/Jugendliche, die darauf ansprechen:
o Zielmarker (Indikator) erhöhen, Frequenz der Intervention erhöhen
o Feedbackfrequenz verringern
o Verstärkung:
- Bedingungen verschärfen (muss z.B. Ziel drei Tage hintereinander erreichen, um Belohnung zu
erhalten)
- Belohnungen verändern, Wahlmöglichkeiten vorhalten
- Übergehen zu reinem Lob
o Komponenten der Intervention entfernen
Für Kinder/Jugendliche, die nicht darauf ansprechen:
o Zielmarker (Indikator) herabsetzen, Frequenz der Intervention erhöhen
o Feedbackfrequenz erhöhen
- Belohnung für die tägliche Zielerreichung hinzufügen
- Wahl der Belohnung ermöglichen
- Spezifisches Lob vorhalten
o Komponenten zur Intervention hinzufügen, z.B. self-monitoring, self-graphing, precorrection
Goalsetting - Evaluation
Zielsetzung kann durchaus als eine effektive Verhaltensänderungstechnik angesehen werden. Studien konnten zeigen, dass die Zielsetzung besonders effektiv ist, wenn das Ziel
(a) herausfordernd/schwierig,
(b) öffentlich
festgelegt und
(c) ein Gruppenziel ist (Chidester & Grigsby, 1984; Kleingeld, van Mierlo & Arends, 2011).
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