Medien als Konstruktionsangebote für Rezipient_innen:
Mediale Vermittlungen stellen “cues“ (David Bordwell) zur Verfügung, die den Rezipient_innen zur Konstruktion von “meaning“ (derselbe) dienen.
Durch präzise Filmanalyse wird eine genaue Beschreibung der medialen Vermittlung hervorgebracht, die Rückschlüsse auf die unterschiedlichen (!) Bedeutungskonstruktionen durch die Rezipient_innen schließen lässt.
Bedeutung ist kontextabhängig, Rezipient_innenbasiert, intersubjektiv.
Welche Fallstricke sind zu berücksichtigen?
Konstruktionvon“nationalerIdentität“durchdasSchreibeneiner nationalen Filmgeschichte
ProblematikHomonationalismus:pinkwashing, Identitätsessenzialismus
InklusivitätundExklusivitätdesMedienbegriffs:Abgrenzungdes Materials, der Sparten
WelchenmethodischenAnsatzwählen?„MedialeKonstruktionvon queeren Sexualitäten“ vs. „Repräsentation von LGBTIQ“? vs. „LGBTIQ Filmemacher_innen“
Zusammenhang von Geschichte und Kino
“‘Die Geschichte ist Gegenstand einer Konstruktion, deren Ort nicht die homogene und leere Zeit sondern die von der Jetztzeit erfüllte bildet.‘“ (Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte; in Büttner/Dewald 1997, 7)
“Das Kino ist der einzige Ort, der in seinen Bildern Geschichte unmittelbar und direkt zeigt, dokumentiert und aufbewahrt. Die Geschichte der Mentalitäten, der Imagination, der gebündelten Sehnsüchte, der Weltfluchten steht dabei auf der einen Seite. Die andere, nicht minder wesentliche Seite gibt Auskunft über die Welt, propagiert, deckt auf und gewährt Handlungsfähigkeit. Oft genug hat sich das Kino dabei an den Kommerz verkauft oder wurde von politischen Machthabern für die eigenen Ziele in Beschlag genommen. Seine grundsätzlich Kraft hat es jedoch nie eingebüßt“ (ibid.)
“Kino ist immer im Zusammenspiel mit anderen kulturellen Praktiken zu sehen. Kino etabliert keine zweite Wirklichkeit, sondern geht eine direkte Liaison mit dem gesellschaftlichen Alltag ein.“ (ibid., 8)
“Österreich spricht im Kino mit vielen Stimmen, zeigt divergierende Facetten seines Selbstverständnisses. Diese Vielfalt wollten wir weder auf einige dominante Linien zurechtbiegen noch ihre Risse kitten. So folgt etwa dem Bild einer Aktion Otto Muehls dasjenige von Willy Birgel im Panzer seiner Uniform.“ (ibid.)
ilmgeschichte schreiben mit Büttner/Dewald:
Geschichtsbegriff, der die Gegenwart beinhaltet (KEINE Teleologie)
- Doppelbilder: Kino zeigt Geschichte direkt UND Kino lässt über Geschichte, Welt, Gesellschaft reflektieren
- Kino immer im Kontext mit allen kulturellen Praktiken (Cultural Studies Ansatz)
- ‚Österreich‘ als Vielfalt, Divergenz, Widersprüchlichkeit, Risshaftigkeit – nicht als Dominante oder als Qualität
Homo-Nationalismus verhindern! Keinen Identitätsessentialismus betreiben!
1. Konstruktion von “nationaler Identität“ durch das Schreiben einer nationalen Filmgeschichte – Lösungsansätze bei Büttner/Dewald
2. Problematik Homo-Nationalismus (als ob es eine queere Kinopraxis in Österreich gäbe!) und Identitätsessenzialismus (als ob es Klarheit darüber gäbe was mit ‚queer‘ zu bezeichnen wäre!)
Homo-Nationalismus
Neoliberale Nationalstaaten betreiben eine Einverleibung queerer Subjekte durch rechtliche Anerkennung bzw. Abschaffung homophober Gesetze. Sie betreiben damit eine Repräsentationspolitik im Mainstream.
Diese “Einverleibungen“ lassen LGBTIQ Personen nicht mehr als Figurationen des Todes (AIDS) erscheinen, sondern verbinden sie mit Konzepten von Positivität und Leben und Produktivität, auch Reproduktivität.
Puar argumentiert, dass dies durch die Produktion von “orientalisierten terroristischen Körpern“ geschieht: Heteronormative Ideologien, auf die sich etwa die USA sehr lange verlassen haben, werden jetzt von homonormativen Ideologien begleitet, die enge rassisierende, klassistische, geschlechternormative und nationale Ideale reproduzieren.
Diese „Homonationalismen“ werden eingesetzt um „ordentliche Heteros“ und „ordentliche Homos“ – US Patriot_innen – von als pervers sexualisierten und rassifizierten „Terrorist-look-a-likes“ (Sikhs, Moslima, Araber_innen) zu unterscheiden.
Queer Cinema als Ermöglichungsort vs. Queer Cinema als Sammlung positiver bzw. negativer Bilder
“Cinema makes queer spaces possible, but at the same time, what cinema means in these films is rarely prescriptive. It is a space that is never quite resolved or decided, at once local and global, public and private, mainstream and underground; it produces spaces of dominance and resistance.”
„Queer“ als strategisches Dispositiv, welches Zukunftsrethorik verweigert
“Wir fassen also queer im Sinne einer Epistemes auf: ein strategisches Dispositivs, welches die Verweigerung einer optimistischen, positiven und hoffnungsfrohen Zukunftsrhetorik verfolgt, ein Ort, an dem eine fundamentale Kritik (der Kultur, der ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, der Politik) formuliert werden kann, die nicht darauf abzielt, Anerkennung und Sichtbarkeit für diejenigen zu erreichen, die nicht als Teil der Mehrheitsgesellschaft imaginiert werden. Queer wird also zur Produktionsstätte eines kritischen Imaginären, das nicht mit dem kapitalistischen Heil(-ung )sversprechen korrumpiert werden kann, das alles in einer nicht allzu fernen, jedenfalls aber erreichbaren Zukunft, besser werden wird. („Yes we can.“)”
Analyse der Relationen vs. Gegenstandsanalyse
“Queeratorialität wäre also die Hervorbringung medienkulturwissen- schaftlicher Vermittlungen (Zeichen), deren Konstitutivität im Augenblick ihrer Hervorbringung auf die Bedingungen des Anti-Gemeinschaftlichen und Selbstzerstörerischen von Homosexualität reflektieren. Queeratorialität ist also i. d. S. immer schon performativ gedacht, analog zur Medialität. Die Auseinandersetzung mit Phänomenen der Queeratorialität besteht nicht in einer Analyse medialer (künstlerischer, filmischer, etc.) Gegenstände sondern in einer Analyse der Relationen, die als die queere Verbindung von jenen Relationen bezeichnet werden kann, die zur Genese medialer (künstlerischer, filmischer, etc.) Gegen- stände führen (oder auch nicht).”
What‘s in, what‘s out? Korpus
2. Problematik Homonationalismus, Identitätsessenzialismus (queer als Adjektiv)
3. Korpus-Definition: Materialvielfalt, Zeitspanne, „österreichisch“
Geräumiger Korpus – promisker Ansatz
„In place of a neat definition of queer cinema, we propose a radically promiscuous approach, and we insist that our polemic can be found in the logic of a capacious corpus. We are unwilling to relinquish the category of queer to charges that openness equals conceptual looseness and a dissipation of power. In fact, we believe that capaciousness is necessary so as not to deter- mine in advance what kinds of films, modes of production, and reception might qualify as queer or do queer work in the world.“
Methodik: how to „assemble“?
3. Inklusivität und Exklusivität des Medienbegriffs: Abgrenzung des Materials (Spielfilm, Dokumentarfilm, Animation, Video, Experimentalfilm, Fernsehproduktionen, Fernsehformate, Amateurfilm, Bewegtbildarbeiten aus der bildenden Kunst, Videoinstallation)
4. LGBTIQ: Welchen Ansatz wählen? „Mediale Konstruktion von queeren Sexualitäten“ (Konstuktivismus; strukturalistische Medienanalyse) | „Repräsentation von LGBTIQ“ (Ideologiekritik, Repräsentationskritik) | „Assembling LGBTIQ“ ?
LGBTIQ Rezeptionserfahrung Schaustrategien erforschen
LGBTIQ Rezption ist geprägt vom „reading against the grain“ (gegen-den-Strich- lesen)
„This re-coding of “straight” films as queer is not simply a private practice with a discrete semiotics: queer appropriation contaminates a wider cultural perception of popular cinema. Queer film criticism has always had to address the question of how to define the boundaries of queerness across a perplexing multitude of texts and audiences.“ (vgl. Galt/Schoonova 2016: 9)
Schaubiographien / Collagen
Schaubiographien: Einzelinterviews (leitfadengestütztes Interview) mit LGBTIQ+ identifizierten Zuschauer_innen Listen von Filmen erarbeiten, die im Laufe des Lebens identitätsbildend waren.
Assemblagen/Collagen: in Gruppensettings zu spezifischen, besonders relevanten oder kontroversen oder etc. Filmen (loci of debate, Mette Hjort/Scott McKenzie) heterogene Meinungsbilder/Schaubilder erstellen.
Last changed2 years ago