Einteilung der Angststörungen
Spontane Angst:
• Anfallsartig -> Panikstörung
• Durchgehend -> Generalisierte Angststörung
Objekt- und situationsgebundene Angst:
• Phobien
Lernziele
- Symptome
- Epidemiologie/Verlauf
- Ätiologie (Biologische Modelle/Psychologische Theorien)
Was ist die generalisierte Angststörung?
-> Angst als unterschwelliger Dauerzustand
-> permanente Sorgen
-> immer da
Generalisierte Angststörung (GAS/GAD)
• Vorliegen anhaltender und ausgeprägter Sorgen und Ängste oder deren körperliche Manifestationen
• Abgrenzung zur spezifischen Phobie:
○ Ängste u. Sorgen nicht auf Objekte oder Situationen bezogen, sondern ängstliche Sorgen und Erwartungen vordergründig
• Ängstigende Sorgen und Erwartungen
○ Können sich auf Vielzahl von Lebensbereichen beziehen
○ Werden als übertrieben und unkontrollierbar erlebt
○ Können hoch automatisiert und schnell aufeinander folgen und „Sorgenketten“ bilden
• Ausgeprägtes Rückversicherungsverhalten -> Aufrechterhaltung
• Verhaltensweisen, die zur Angstreduktion und Beruhigung eingesetzt werden
• Vertrauen in erlangte Informationen sinkt schnell wieder ab -> häufige Wiederholung des Verhaltens
• Verhinderung jeglicher Habituation und Realitätsprüfung
Symptome
-> mindestens 1 vegetatives Symptom
GAS: Sorgen -> Unterscheidung von 2 Arten von Sorgen (Wells, 1995)
-> Klausurfrage: Was ist damit gemeint, dass Typ I Sorgen positiv als auch negativ bewertet werden können?
Unterscheidung von 2 Arten von Sorgen (Wells, 1995):
• Typ-I-Sorgen:
○ Beziehen sich auf „alltägliche“ Ereignisse (z.B. Unfälle, Krankheit)
• Typ-II-Sorgen:
○ „Metasorgen“: Sorgen über Sorgen
○ In deren Rahmen können Typ-I-Sorgen sowohl positiv als auch negativ bewertet werden
-> positive Bewertung: es ist gut, dass ich mir Sorgen mache, denn dann bin ich auf jede Situation vorbreitet und es wird nicht mehr so schlimm (Beispielsatz 1 bei typische Sorgen vom Typ II)
-> negative Bewertung: die anderen beiden Beispielsätzen (Man macht sich zu viele Sorgen und das kann nicht gut sein
-> die Bewertung bezieht sich nicht auf den Inhalt der Sorgen
GAS: Sorgeninhalte und Sorgenketten
• sind eher eine gedankliche (als auf bildhaften Vorstellungen beruhende) Aktivität (Wells, 1999)
• sind mit ängstlicher Erwartung und Anspannung (und negativen Gefühlen) verbunden (Barlow, 2002)
• werden eher als intrusiv und unkontrollierbar erlebt (Wells, 1999)
• beschäftigen sich mit zukünftigen, potentiell gefährlichen oder negativen Ereignissen (Hoyer, Gloster & Herzberg, 2009)
• können der Problemlösung dienen oder nicht (Hoyer & Heidrich, 2009)
-> Beispiel einer Sorgenkette
-> man springt von einer Sorge zur nächsten
-> dadurch können keine guten Bewältigungen angewandt werden (da man sich nicht mit den Sorgen genug auseinandersetzt, sondern gleich zu der nächsten Sorge springt)
Sorgen = „kognitive Vermeidung“
Vermeidung von:
• (negativen) Emotionen (Olatunji, Moretz & Zlomke, 2010)
• physiologischem Arousal (reduzierte Herzratenvariabilität) (Borkovec & Hu, 1990; Hoehn-Saric, 1998)
• Unsicherheit (erhöhte Unsicherheitsintoleranz) (Dugas, Buhr, Ladouceur, 2004)
• “emotionalen Kontrasten” (Newman & Llera, 2011)
Sorgen mit der stärksten Vermeidungsfunktion:
• wirklich wichtig / nicht so wichtig
• lösbar / unlösbar
• angemessen / übertrieben
Funktionen der Sorgen
• während des Sorgenprozesses ist der relative Anteil von Vorstellungen (gegenüber Kognitionen) reduziert (Borkovec & Inz, 1990)
• Sprachproduktion bzw. Problemelaboration weniger konkret (Stöber & Borkovec, 2000;)
• Abstraktheit “blockiert” aversive (emotionale und physiologische) Angstreaktionen (Borkovec & Hu, 1990)
• wirkt als negative Verstärkung der Sorgen und fördert positive Annahmen über die Sorgen (Borkovec, Ray & Stöber, 1998)
GAS DSM-5
GAS: Epidemiologie
-> Lebenszeit-Prävalenz
-> Onset
-> Komorbidität
• Lebenszeit-Prävalenz 5.1% bis 8.5%; Frauen 2x häufiger
• Onset meist zwischen 35. und 45 Lj.
• oft schon lange vor Störungsbeginn ängstlich und nervös
• später meist chronisch-progredienter Verlauf
• Beeinträchtigungen meist geringer als bei anderen Angststörungen, d.h. seltenere Häufigkeit in stationären Einrichtungen
• Komorbidität: Depression, soziale Phobie, Substanzkonsumstörungen
Exkurs Lebenszufriedenheit und Lebenszufriedenheit im Alter
-> Lebenszufriedenheit ist stark, sinkt dann und steigt dann wieder deutlich an (ab 50)
-> U-Form
-> trotz der Defizite im Alter (z.B. körperlicher Verfall), steigt die emotionale Stabilität (ältere Menschen haben eine bessere emotionale Kontrolle)
-> alte Menschen vermeiden negative Stimuli mehr
-> alte Menschen merken sich mehr positive Stimuli
-> Aufmerksamkeit wird mehr auf positive Informationen gerichtet
Diagnostik
• Aufgrund hoher Komorbiditätsraten strukturierte Interviews bzw. Checklisten zur Erfassung von GAS-Symptomatik und weiterer psychopathologischer Symptome empfohlen
○ z.B. SKID, CIDI, DIPS, IDCL
• Störungsspezifische Fragebögen als Screening u. Explorationshilfe
○ z.B. ASQ (Abfrage diagnostischer Kriterien), PSWQ (Ausmaß pathologischer Sorgen -> Fokus auf Intensität, Unkontrollierbarkeitserleben u. Exzessivität der Sorgen)
• Therapiebegleitende Diagnostik: Sorgentagebücher
Differentialdiagnostik
Relevante differentialdiagnostische Merkmale:
• Auftreten von Panikanfällen (Abgrenzung zur Panikstörung)
• Eingrenzung der Angst auf spezifische Reize/Situationen (spezif. Phobie)
• Stereotypie und Inhalt belastender Gedanken (Zwangserkrankung)
• Gedanken auf Vergangenheit bezogen (Depression)
• Sorgen bzgl. der eigenen Gesundheit (Hypochondrie)
Allgemeine Regeln für die Exploration:
• Die Sorgen beziehen sich nicht (nur) auf diese Störungen und ihre vermeintlichen Wirkungen
• Art und Inhalt der Sorgen sind für die anderen Störungen nicht typisch
• Sorgen kommen außerhalb von Phasen der anderen Störungen vor
S3 Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen (Bandelow et al., 2014)
Ätiologie
-> Genetik
Genetische Faktoren:
• Erblichkeitsschätzung bei ca. 30% (Hettema et al., 2001)
• Spezifität jedoch fraglich, eher Anfälligkeit für Angst im Allgemeinen
• evtl. gemeinsames Risiko mit Depression (Kendler, 1996)
-> Verhaltenshemmung ist ein starker Risikofaktor für die GAS
-> Psychologische Erklärungsansätze
Psychologische Erklärungsansätze: Sorgen als dysfunktionale Emotionsregulation
• Wenn Personen mit GAD sich angstvolle Situationen vorstellen sollen und zusätzlich sich darüber Sorgen machen, reduziert sich emotionale und körperliche Reaktion -> negative Verstärkung
• Vermeidung verhindert aber Habituation, weshalb Angst langfristig nicht reduziert wird
• Sorgen als dysfunktionale Emotionsregulationsregulationsversuche
• Metakognitionen entscheidend für Aufrechterhaltung
-> Neurobiologische Faktoren
Neurobiologische Faktoren:
• GABAerges System
• Amygdala/ präfrontaler Cortex (Reaktivität/ funktionelle Konnektivität)
-> starke Aktivität der Amygdala
-> je geringer die Konnektivität ist, desto schwerer ist die Emotionsregulation, desto stärker ist die GAS und soziale Phobie ausgeprägt
Therapie
-> S3 Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen (Bandelow et al., 2014)
-> KVT
• Psychoedukation
• Kognitive Umstrukturierung
• Vermeidungsverhalten
• Psychoedukation: Vermittlung von Grundlagen der Angst u. spezifischer Störungsinformation
○ Typ-I-Sorgen Überbewertung:
§ Korrektur der Wahrscheinlichkeit der antizipierten Katastrophe
§ Reduktion negativer Bewertungen von antizipierter Katastrophe -> Stärkung von Zuversicht
○ Typ-II-Sorgen:
§ Rationale Einschätzung der Vor- u. Nachteile exzessiven Sorgens -> Erkennen von sich durch Unterdrückungsversuche ergebenden Schwierigkeiten
§ Achtsamkeitsbasiert: Sorgen als „mentale Phänomene“ wahrnehmen -> erfahrungsoffen, wertfrei und Möglichkeit der Nichtbeachtung
-> wenn die Angst zugelassen wird, wird der Patient feststellen, dass sie nicht ins unermessliche steigen wird
-> sie vermeiden es sonst immer, die Angst zu fühlen
-> deswegen sollen sie die Angst zulassen / sich der Angst stellen (Was passiert am Ende? -> nichts schlimmes)
• Konfrontation
• Angewandte Entspannung (nach Öst, 19
• Konfrontation („Sorgenexposition“): Symptomfokussiertes Vorgehen
○ Sorgen zu Ende denken (in sensu) oder Aufsuchen Sorgenauslösender Situationen (in vivo)
○ Abbau von Rückversicherungsverhalten
• Angewandte Entspannung (nach Öst, 1987): Patienten lernen,
○ Kritische innere/äußere Sorgenauslöser zu identifizieren und wahrzunehmen
○ bei Sorgen gezielt Entspannungsreaktionen herbeizuführen
• Wirksamkeit: Studien belegen hohe Effektivität der KVT und der Sorgenexposition -> d=1.43 für KVT im Bezug auf Reduktion der Hauptsymptomatik
-> Pharmakotherapie
Pharmakotherapie: Häufig eingesetzt aufgrund hoher Prävalenzraten in der Primärversorgung und vorherrschender Informationsdefizite
• Benzodiazepine: hoch problematisch wegen Suchtpotential
• Antidepressiva: Einsatz gerechtfertigt wegen zu verzeichnender Effekte und durch hohe Komorbiditätsraten mit affektiven Störungen
• insgesamt: positive Effekte, die mit Absetzen der Medikamente wieder abnehmen (Davidson, 2009)
-> Transkranielle Gleichstromstimulation
• Durch das Anlegen einer äußeren elektrischen Spannung kann die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn beeinflusst werden
• Nervenzellen können dann entweder mehr oder weniger feuern
• nicht invasiv und schmerzfrei
• nebenwirkungsarm
• kostengünstig
• einfache Handhabung („home treatment“)
• Effekt hält über die Dauer der Stimulation hinaus an
-> linker DLPFC soll gesteigert werden (ist für positive Stimmung zuständig)
-> rechter DLPFC soll gehemmt werden (ist für negative Stimmung zuständig)
-> Transkranielle Magnetstimulation
-> Magnetspule auf dem Schädel
-> Millimeter genaue Stimulation bestimmter Areale (Aktivität steigern oder hemmen)
-> in DE bisher nur für Forschung, in den USA schon zugelassen zur Behandlung von Depressionen
-> alles drei funktioniert gut (Transkranielle Magnetstimulation, Transkranielle Gleichstromstimulation und Behandlung mit Oxytocin)
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