Diagnostik nach erstmaligen epileptischen Anfall
Ausschluss möglicher Provokationsfaktoren
Schlafentzug
Alkoholkonsum bzw. -entzug
Medikamenteneinnahme
Fieber
Labor
Elektrolytstörungen als Provokationsfaktor
CK
EEG: ggf. epilepsietypische Potentiale, Herdbefunde
CT/Rötngen bei V.a. Traumafolgen (bei Sturz)
cMRT: Ursachen einer symptomatischen Epilepsie
Fahrverbot nach epileptischem Anfall
unprovozierter Anfall ohne Anzeichen einer Epilepsie: 6 Monate
provozierter epileptischer Anfall ohne Anzeichen einer Epilepsie: 3 Monate
Epileptischer Anfall bei Epilepsie: 12 Monate
Beendigung einer antikonvulsiven Therapie: während der Reduktion sowie 3 Monate nach dem Absetzen
Der Patient muss über das Fahrverbot aufgeklärt werden und dies sollte mit Unterschrift des Patienten dokumentiert sein
Definition epileptischer Anfall
= vorübergehende elektrophysiologische Dysfunktion von Nervenzellen und Nervenzellverbänden der Hirnrinde aufgrund synchroner und hochfrequenter Entladungen, die sich auf benachbarte Kortexareale ausbreiten kann
Definition Epilepsie
= Erkrankung des Gehirns, die durch eine andauernde Prädisposition für epileptische Anfälle, also eine anhaltend erhöhte Anfallsbereitschaft des Gehirns gekennzeichnet ist
Kriterien:
Mind. 1 der folgenden Faktoren:
≥ 2 unprovozierte Anfälle oder Reflexanfälle, zwischen denen mehr als 24 Stunden liegen
1 unprovozierter Anfall oder Reflexanfall in Kombination mit einem 10-Jahres-Risiko für weitere Anfälle, das mit dem allgemeinem Rückfallsrisiko (≥60%) nach 2 unprovozierten Anfällen vergleichbar ist
Diagnose eines Epilepsiesyndrom
Ursachen einer erhöhten Epileptogenität
Strukturell: z.B. bei zerebralem Tumor, Metastasen, Hirnabszess, arteriovenöser Malformation oder Narben
Genetisch: z.B. bei Veranlagung zu neuroanatomsichen Fehlbildungen wie der Hippocampussklerose
Infektiös: z.B. im Rahmen einer viralen Enzephalitis
Metabolisch: z.B. bei Hypoglykämie, Urämie oder im Rahmen eines Alkoholentzugs
Immunvermittelt: z.B. bei Bildung von Antikörpern gegen körpereigene intrazelluläre Antigene im Rahmen einer paraneoplastischen Enzephalitis
Unbekannt: falls keine ätiologische Einordnung möglich ist
Triggerfaktoren epileptischer Anfälle
Substanzabhängige Trigger
Einnahme von Drogen (z.B. Alkohol, Amphetamine)
Einnahme von Medikamenten, welche die Anfallsschwelle senken
Antidepressiva
Antipsychotika
Antibiotika
Analgetika
Antiemetika
Theophyllin
evtl. Clonidin
Entzug: insb. Alkoholentzug (häufigste Ursache bei Erwachsenen)
Trigger im Rahmen anderer pathologischer Zustände
Fieber (häufigste Ursache bei Kindern)
Elektrolytentgleisungen (z.B. Hyper- und Hyponatriämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie)
Hypoglykänie (v.a. durch Insulinüberdosierung)
Hypoxie
Hyperventilation
Eklampsie
Epilepsie nach ischämischen Schlaganfall
Situationsabhängige Trigger
exzessive körperliche Verausgabung
extremer psychischer Stress
Stroboskop-Licht
Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn
= Anfälle, bei denen die epileptogene Aktivität (zumindest zu Beginn) nur in einer der beiden Hemisphären auftritt
Kategorien zur Klassifikation
Bewusstseinszustand
Motorische Phänomene
Nicht-motorische Phänomene
Epileptische Anfälle mit generalisiertem Beginn
= Anfälle, bei denen die epiletogene Aktvität in einem auf beide Hemisphäre n verteilten Netzwerk beginnt, also von Beginn an bilateral ist
Klassifikation: Erstes prominentes Anfallszeichen
Motorisch
Nicht-motorisch (Absence)
Bilateral-tonisch-klonischer epileptischer Anfall: Symptome
Typische Symptomatik: Bewusstseinsverlust und rhythmisches Zucken
Klassischer Ablauf:
ggf. Aura bei fokalem Beginn (Sekunden bis Minuten)
Tonische Phase: heftige Tonuserhöhung aller Muskeln (Phase dauert Sekunden)
Tonuserhöhung kann zu Initialsschrei und lateralem Zungenbiss führen
Arme eleviert, Beine leicht angewinkelt, Lider geöffnet, Pupillen lichtstarr und weit, Apnoe
Klonische Phase: Vibrieren -> Rhythmisches Zucken -> Unregelmäßiges, grobes Zucken -> Erschlaffung (Phase dauert Sekunden bis Minuten)
Postiktale Phase: Terminalschlaf, Amnesie und Desorientiertheit (Minuten bis Stunden)
Weitere mögliche Symptome: Schaum vor dem Mund, Urin- und/oder Stuhlabgang
Bilateral-tonisch-klonischer epileptischer Anfall: EEG
Im Anfall
tonische Phase: hochfrequente Spikes
klonische Phase: Spikes mit folgender Nachschwankung
postiktal: verlangsamter Grundrhythmus
Im anfallfsfreien Intervall: abhängig von Ursache des Anfalls
Epileptischer Anfall: Bildgebende Diagnostik bei V.a. neurologischen/neurochirurgischen Notfall
eine notfallmäßige cCT isr nach (Fremd-)Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung indiziert bei
Z.n. Status epilepticus oder Serie epileptischer Anfälle
Vorliegen wegweisender klinischer Befunde, z.B.
Sturz mit SHT bzw. relevanter Kopfverletzung im Kontext des Anfalks
Postiktal persistierende Bewusstseinsstörung
Postiktal persistierendes fokal-neurologisches Defizit
Postiktal persistierende Kopfschmerzen
Klinischer V.a. Meningitis/Enzephalitis
Vorliegen wegweisender bekannter Risikofaktoren, z.B.
Gerinnungsstörung oder Therapie mti Antikoagulanzien
Malignom in der Vorgeschichte
Chronischer Alkoholkonsum
Medikamentöse Prophylaxe epileptischer Anfälle
Indikation
≥ 2 Anfälle/6 Monate
nach erstem Anfall nur, wenn MRT oder EEG zur Klinik passende, spezifische Befunde zeigen, Spike-Wave-Muster
Durchführung
Zunächst Monotherapie, bei Umwirksamkeit: Umsetzen auf Monotherapie mit anderem Medikament
Therapieende
Individuell abwägen; grundsätzlich nach 2-5 Jahren Anfallsfreiheit und bei unauffälligem EEG möglich
Anfälle mit fokalem Beginn - Medikamentöse Prophylaxe
Wahl: Lamotrigin, Levetiracetam
Wahl: Carbamazepin, Gabapentin, Valproat, Oxcarbazepin, Pregabalin, Topiramat, Phenytoin
Anfälle mit generalisierten Beginn - Medikamentöse Prophylaxe
Wahl: Valproat
Wahl: Lamotrigin, Topiramat
Bei nicht ausreichender Wirkung ist eine Kombinationstherapie indiziert:
Retigabin, Tiagabin, Pregabalin, Gabapentin
Absencen - Medikamentöse Prophylaxe
Valproat, Ethosuximid (im Schulkindalter besser Nebenwirkungsprofil)
Epilepsie: Nicht-medikamentöse/interventionelle Therapie (bei Pharmakoresistenz)
Operative Intervention
Voraussetzungen: Medikamentös therapierefraktäre Epilepsie, bevorzugt bei läsionellen Ursachen
Resektion pathologischer Veränderungen/Herde
Kallosotomie (Verhinderung der Generalisierung von Anfällen; allerdings nicht folgenlos (kognitive Defizite) und Wirksamkeit umstritten)
Stimulationsverfahren
N. vagus-Stimulation
tiefe Hirnstimulation des Hippocampus
Status epilepticus
Drei klinische Situationen können einen Stauts epilepticus definieren:
≥ 5 Mnuten anhaltender bilateral-tonisch-klonischer Anfall
≥ 10 Minuten anhaltender fokal beginnender Anfall (mit oder ohne Bewusstseinsstörung) bzw. Absence
Rezidivierende epileptische Anfälle in kurzer Abfolge, ohne eine vollständige Remission zwischen den Anfällen
Stadien des Status epilepticus
Initial: erste 10 Minuten
Etabliert: > 10 Minuten
Refraktär: > 30-60 Minuten
Suprarefraktär: trotz kontinuierlicher Narkosetherapie klinisch oder elektroenzephalografisch persistierender Status epilepticus
Status epilepticus: Therapie
Ziele: Unterbrechung des Status epilepticus, Therapie kausaler Ursachen (wenn möglich)
Sofortmaßnahmen
Schutz des Patienten vor Verletzungen (ggf. umlagern, polstern, Gefahrenquellen entfernen)
Freihalten der Atemwege
Monitoring der Vitalparameter (Pulsoxymetrie, Blutdruck, EKG)
Legen mind. eines i.v. Zugang in anfallssicherer Lage
ggf. O2-Gabe, Atemwegssicherung und kontrollierte Beatmung
Antikonvulsive Therapie
Stufe 1: Benzodiazepine
1. Wahl Lorazepam
Stufe 2 (etablierter Status epilepticus)
Aufsättigung mit Levetiracetam, Valproat, Fosphenytoin, Phenytoin, Penobarbital oder Lacosamid
Stife 3 (refraktärer Status epilepticus)
Eskalation auf Intensivstation mit Narkotika wie Propofol, Midazolam oder Thiopental
Temporallappenepilepsie
= häufigste Epilepsieform
ursächlich ist eine Hippokamupus-/Ammonshornsklerose (sichtbar als meist einseitige Hyperintensität in der T2-Wichtung mit Atrophie und verwaschener Binnenstruktur)
ungünstige Prognose, 40% Anfallsfreiheit ohne medikamentöse Therapie (Lamotrigin, Levetiracetam)
Temporallappenepilepsie: Klinik
Anfälle treten meist gruppiert auf und haben folgenden Ablauf
Zunächst Aura
(auditatorisch, olfaktorisch, epigastrisch, jamais vu, deja vu)
Komplex-fokale Anfälle mit
motorischen Symptomen (typisch sind oro-alimentäre Automatismen, z.B. Schmatzen), aber auch Nesten, sich Strecken und Tretena uf der Stelle), vegetative Symptome und Bewusstseinsveränderungen
seltener auch Geruchs- und Geschmacksmissempfindungen oder Aphasie
Sekundäre Generalisierung möglich
Postiktale Reorienterungphase mit Amnesie für Anfallsgeschehen
Interiktal kommt es teilweise zur Beeinträchtigung des limbischen Systems (Störungen der Libido, Fertilität, Zyklus)
Frontallapenepilepsie: Klinik
Vielgestaltig, je nach betroffenem Gebiet innerhalb des Frontallappens
Häufig mit Aura als erstem Symptom
Meist einfach-fokale Anfälle mit verschiedenen motorischen Symptomen: Tonisierung, Vokalisation, Blick- oder Kopfwendung zur gesunden Seite (vom epileptischen Herd weg)
kann auch mit vegetativen Symptomen (Enuresis, Speichelfluss), Sprachhemmung und Aufmerksamkeitsstörungen (Pseudo-Absencen) einhergehen
i.d.R. nur geringe postiktale Verwirrtheit
meist kurze Anfälle (≤ 30 s) in Serie und häufig aus dem Schlaf heraus
bei Beteiligung des motorischen Kortex sind ein march of convulsion und postiktal Todd’sche Paresen möglich
häufig sekundäre Generalisierung
Motorischer Jackson-Anfall
Subtyp der Frontallappenepilepsie
Tonische bzw. klonische Zuckungen, die sich von einer Körperregion auf benachbarte Bezirke ausbreitne (sog. march of convulsion)
Häufig Todd’sche Parese: Vorübergehende postiktale Lähmungen im Anfall betroffener Muskelgruppen, lässt häufig Folgerung auf den Anfallsursurpung zu
Parietallappenepilspie
Selten
Einfach-fokale Anfälle mit sensiblen Symptomen (z.B. Parästhesien, Schmerzen), Dyslexie, Störungen des Sprachverständnisses
Ausbreitung der Symptome im Sinne eines march of convulsion möglich (sensibler Jackson-Anfall)
Übergang in temporale und frontale Anfälle mit den jeweiligen Symptomen möglich (sensibler Jacks-Anfall)
Übergang in temporale und frontale Anfälle mit den jeweiligen Symptomen möglich
Okzipitallappenepilepsie
Einfach-fokaler Anfall häufig mit visuellen Phänomenen oder Ausfallsymptomen
Häufiger Übergang in temporale und frontale Anfälle
Generalisierung möglich
Epilepsia partialis continua (Kojevnikov)
Ursache: meist kortikale Schädigung/Läsion (z.B. Narbe, Enzephalitis, Tumor)
Klinik: Klonische Zuckungen einer umschriebenen Körperregion (“partialis”), z.B. des Mundes oder eines Fingers über mehrere Tage (“continua”)
gewissermaßen fokaler Status epilepticus
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