Welche (wichtigen) Staatszielbestimmungen gibt es?
Was ist damit gemeint, dass die Staatsprinzipien nur objektives Verfassungsrecht sind?
Bundesstaatsprinzip
Rechtsstaatsprinzip
Demokratieprinzip
Republikanisches Prinzip
Sozialstaatsprinzip
Staatsziel Umwelt- und Tierschutz
! Staatsprinzipien sind nur objektives Verfassungsrecht
—> für sich genommen räumen sie dem Bürger keine eigenen Rechte ein
—> bei Verstoß gegen sie handelt der Staat zwar rechtswidrig, allein dieser Verstoß kann aber nicht mit Erfolg vor Gericht geltend gemacht werden
=> Jedoch setzten Einzelausprägungen der Staatsprinzipien dem Staat Schranken, wenn er in die Rechte der Bürger eingreift. Kommt es in diesen Fällen zu Verstößen durch den Staat, sind Rechte der Bürger verletzt
a) Bundesstaatsprinzip
Was besagt das Bundesstaatsprinzip und woraus wird es abgeleitet?
a) Bundestaatsprinzip
-> Art. 20 I GG: “Die Bundesrepublik Deutschland ist ein … Bundesstaat”
= Deutschland ist in Bund und Länder gegliedert, welche jeweils eigene Staatsqualität besitzen
—> Neben dem GG gibt es 16 verschiedene Landesverfassungen. Diese dürfen dem GG inhaltlich nicht widersprechen (GG > LVR)
—> Bund und Länder üben die staatliche Gewalt (Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtssprechung) eigenständig und unabhängig voneinander aus
! Diese Gliederung sowie die Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung (über Bundesrat) darf nicht im Rahmen einer Grundgesetzänderung angetastet werden, Art. 79 III GG (da Nennung in Art. 20 GG)
Was bedeutet es, dass Deutschland ein zweigliedriger Bundesstaat ist?
Zweigliedriger Bundesstaat
= neben Bund und Ländern existiert keine weitere Organisationsebene mit Staatsqualität
(vgl.: dreigliedriger Bundesstaat
= Zentralstaat und Gliedstaaten sind zu einem dritten eigenständigen staatlichem Gebilde, dem Gesamtstaat, zusammengefasst)
Doppelzuständigkeit von Bund und Ländern darf es nicht geben. Wer (Bund oder Länder) darf im Einzelfall staatliche Gewalt ausüben und welche Norm regelt das?
(s. KK 1 in 3. Gesetzgebung)
—> Art. 30 GG:
“Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder. Der Bund darf nur tätig werden, wenn ihm das GG eine entsprechende Kompetenz zuweist. D.h., die Länder dürfen immer dann tätig werden, wenn keine dem Bund grundgesetzlich zugewiesene Kompetenz entgegensteht”
Die allgemeine Regel des Art. 30 GG (“Wer darf im Einzelfall staatliche Gewalt ausüben?”) wird für die drei einzelnen Staatsgewalten im GG wiederholt und konkretisiert:
Gesetzgebung —> Art. 70-74 GG
Verwaltung —> Art. 83-91e GG
Rechtsprechung —> Art. 92-96 GG
Was besagt der Grundsatz der Bundestreue (auch: Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens) und woraus wird er abgeleitet?
Grundsatz der Bundestreue
= ungeschriebener verfassungsrechtlicher Grundsatz
—> wird aus Bundesstaatsprinzip aus Art. 20 I GG abgeleitet
Bund gegenüber Ländern, Länder gegenüber Bund, sowie Länder untereinander sind zur gegenseitigen Rücksichtsnahme verpflichtet
Der Bund oder das einzelne Land darf seine Kompetenzen nicht ohne Rücksicht auf die Interessen und Belange der anderen Träger staatlicher Gewalt ausüben
! Der Grundsatz der Bundestreue kommt nur zur Anwendung, wenn zwischen Bund und Ländern bereits ein konkretes verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis besteht
Er begründet oder begrenzt Recht nur innerhalb eines bestehenden Rechtsverhältnisses und ist deshalb akzessorischer Natur (= begründet keine selbstständigen Rechte und Pflichten, sondern beeinflusst nur ein anderweitig begründetes Rechtsverhältnis)
Was besagt die Kollisionsklausel des Art. 31 GG?
Kollisionsklausel, Art. 31 GG
=> Bundesrecht bricht Landesrecht, soweit beide wirksam sind und einander widersprechen
! Art. 31 GG kommt nur zur Anwendung wenn beide Gesetze an sich wirksam wären. Es gilt nur für die Kollision von verfassungskonformen, also kompetenzgerecht erlassenen Bundesgesetzen mit gültigem Landesrecht
Was besagt das Homogenitätsprinzip des Art. 28 I GG?
Homogenitätsprinzip, Art. 28 I GG
=> die Landesverfassungen müssen strukturell mit dem GG übereinstimmen
=> die Länder müssen wie der Bund republikanisch, demokratisch, sozial- und rechtsstaatlich organisiert sein
! Der Bund hat gem. Art. 28 III GG außerdem zu gewährleisten, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern nicht nur diesen Grundsätzen, sondern auch den anderen Vorgaben des Art. 28 I, II GG sowie auch den Grundrechten des GG entspricht
Welche Maßnahmen kann der Bund ergreifen, wenn die Länder ihre aus der bundesstaatlichen Ordnung folgenden Pflichten gegenüber dem Bund oder anderen Ländern verletzen?
Nach Art. 37 GG kann die Bundesregierung (+ Zustimmung Bundesrat) die Länder zur Pflichterfüllung zwingen (sog. Bundeszwang)
b) Rechtsstaatsprinzip
Was ist das Rechtsstaatsprinzip und woraus wird es abgeleitet?
= sehr weitgefasster, allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz, aus dem sich eine Vielzahl weiterer verfassungsrechtlicher Grundsätze ableiten lassen
—> leitet sich aus einer Zusammenschau der Art. 20 III, 1 III, 19 IV und 28 I 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des GG ab
! Rechtsstaatsprinzip (sowie seine nicht ausdrücklich genannten Elemente) darf nicht im Rahmen einer Grundgesetzänderung angetastet werden, Art. 79 III GG (da Nennung in Art. 1, 19, 20 GG)
Was ist der Unterschied zwischem dem formellen und materiellen Rechtsstaatsbegriff?
formeller Rechtsstaatsbegriff
= besagt, dass jegliche staatliche Machtäußerung am Maßstab von Gesetz und Recht messbar sein muss
—> Art. 20 III GG (Gesetzgeber an GG und ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundsätze gebunden; Verwaltung und Gerichte an Gesetze und ungeschriebene Rechtssätze gebunden)
materieller Rechtsstaatsbegriff
= besagt, dass sich jegliches staatliches Handeln vom Gedanken der (materiellen) Gerechtigkeit leiten lassen muss (sog. “Prinzip der materiellen Gerechtigkeit”)
Wobei handelt es sich bei geschriebenem und ungeschriebenem Recht?
Geschriebenes Recht
=
Verfassungen
Formelle Gesetze
Materielle Gesetze
—> Rechtsverordnungen
—> Satzungen
Verwaltungsvorschriften
Ungeschriebenes Recht
= wird aus geschriebenem Recht abgeleitet (z.B. Grundsatz der Bundestreue aus Bundestaatsprinzip) oder ist als Gewohnheitsrecht anerkannt
Was ist der Unterschied zwischen formellen und materiellen Gesetzen?
formelle Gesetze
= alle Hoheitsakte, die von den verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsorganen im Gesetzgebungsverfahren als Gesetze erlassen werden
—> formelle Bundesgesetze (v. Bundestag unter Mitwirkung Bundesrat beschlossen)
—> formelle Landesgesetze (v. Landtag beschlossen)
materielle Gesetze
= alle generell-abstrakte Regelungen, die Pflichten und Rechte für den Bürger (oder sonstige Rechtspersonen) begründen, ändern oder aufheben
=> allgemeinverbindliche Regelungen
b) Rechtstaatsprinzip
Was ist Gewohnheitsrecht und was sind seine Entstehungsvoraussetzungen?
Gewohnheitsrecht
= besondere Erscheinungsform des ungeschriebenen Rechts
Entstehungsvoraussetzungen:
längere und allgemeine Übung, d.h. Anwendung
allgemeine Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Übung
Formulierbarkeit der Übung als Rechtssatz
Die meisten formellen Gesetze sind zugleich auch materielle Gesetze. Wann liegt ein Gesetz im nur formellen Sinne vor?
Gesetz im nur formellen Sinne:
betrifft nur eine Person (Individualgesetz)
regelt nur einen Fall (Einzelfallgesetz)
erzeugt für Bürger keine unmittelbaren Rechte und Pflichten
z.B.: Haushaltsgesetz nach Art. 110 II 1 GG
Was sind Rechtsverordnungen und Satzungen? Worin liegt der Unterschied?
Rechtsverordnungen (i.d.R. nur materielle Gesetze)
= Rechtsnormen, die von Exekutivorganen (Regierung, Minister, Verwaltungsbehörde) zur Regelung staatlicher Angelegenheiten erlassen werden
—> Bundesrechtsverordnungen/Landesrechtsverordnungen erlassen von Bundesbehörde/Landesbehörde
Beispiel: StVO
Satzungen (i.d.R. nur materielle Gesetze)
= Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat zugeordneten selbstständigen Verwaltungseinheit im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie zur Regelung ihrer Angelegenheiten mit Wirkung für die ihr angehörenden und unterworfenen Personen erlassen werden
—> bundesrechtliche Satzung wenn satzungserlassende Stelle im Bund eingegliedert/landesrechtliche Satzung wenn in einem Bundesland eingegliedert
Beispiel: universitäre Prüfungsordnung
Inhaltlicher Unterschied:
=> Satzungen werden nicht unmittelbar vom Staat als solchem, sondern von rechtlich selbstständigen, aber dem Staat eingegliederten Organisationen erlassen
=> Satzung regelt nur die speziellen Angelegenheiten gerade ihrer jeweils satzungserlassenden Verwaltungseinheit
Was sind Verwaltungsvorschriften? Wo lassen sich diese innerhalb der Normenpyramide einordnen?
= generell-abstrakte Regelungen oder Anordnungen einer Behörde gegenüber nachgeordneten Behörden oder eines Vorgesetzten gegenüber ihm unterstellten Verwaltungsbediensteten
—> beschränken sich auf denverwaltungsinternen Bereich (=Innenrecht)
—> lassen sich als bloßes Innenrechtnicht in die Gruppe der anderen Rechtsvorschriften innerhalb der Normenpyramide einordnen
Welche Einzelausprägungen des Rechtsstaatsprinzps gibt es?
Normenhierarchie (—> Normenpyramide)
Gewaltenteilung (—> Legislative, Exekutive, Judikative)
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung(—> Vorrang des Gesetzes + Vorbehalt des Gesetzes)
Verhältnismäßigkeitsprinzip (—> keine unzumutbaren Belastungen)
Vertrauensschutzprinzip (—> u.a. Rückwirkungsverbote)
Bestimmtheitsgrundsatz (—> Klarheit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns)
Rechtsschutzgarantie (—> Rechtsschutz durch Gerichte + Effektivität des Rechtsschutzes)
Einzelausprägung: Normenhierarchie
Was ist die Normenhierarchie und was besagt sie?
Normenhierarchie
= Regelung, die darüber entscheidet, welche Rechtsvorschrift sich im Kollisionsfall durchsetzt (wenn verschiedene Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze sich im Einzelfall widersprechen)
ranghöheres Recht bricht rangniedrigeres Recht
=> rangniedrigeres Recht ist nichtig und damit ungültig
bei Kollision von Normen derselben Stufe:
—> jüngeres Recht geht älterem Recht vor
—> spezielles Recht geht allgemeinem Recht vor
Wozu dient die Normenpyramide und wie ist sie aufgebaut?
Normenpyramide
—> kennzeichnet den Rang der verschiedenen Rechtsnormen
EU-Recht ( ! prinzipiell Anwendungsvorrang, kein Gültigkeitsvorrang)
Bundesrecht
Bundesverfassungsrecht (insb. GG)
Formelle Bundesgesetze
Rechtsverordnungen des Bundes
Bundesrechtliche Satzungen
Landesrecht
Landesverfassungsrecht
Formelle Landesgesetze
Rechtsverordnungen der Länder
Landesrechtliche Satzungen
Wo ist das Völkerrecht (innerhalb der Normenpyramide) einzuorndnen?
Allgemeine Regeln des Völkerrechts
—> sind gem. Art. 25 GGunmittelbar geltendes Bundesrecht
=> stehen im Rang über den formellen Bundesgesetzen (Art. 25 2 GG) aber unter dem Bundesverfassungsrecht
Alle anderen völkerrechtlichen Normen
—> bedürfen derAnerkennung durch eine deutsche Rechtsvorschrift (als formelles Bundesgesetz (Art. 59 II 1 GG), formelles Landesgesetz (Art. 32 III GG), Bundesrechtsverordnung (Art. 59 II 2 GG) oder bundesrechtliche Verwaltungsvorschrift)
=> Völkerrecht hat dann den Rang der entsprechenden deutschen Rechtsvorschrift
Einzelausprägung: Gewaltenteilung
Was besagt der Grundsatz der Gewaltenteilung?
Wo ist er normiert?
Grundsatz der Gewaltenteilung:
Verteilung der Staatsgewalt auf drei Träger (Art. 20 II 2 GG):
Legislative
(1. Gewalt)
Exekutive
(2. Gewalt)
Judikative
(3. Gewalt)
= Gesetzgebung
= vollziehende Gewalt (Verwaltung + Regierung)
= Rechtssprechung
Organe:
Bundestag + Bundesrat
(auf Landesebene: Landtag)
Behörden + Regierungen (Bund, Länder)
Richter/Gerichte
(Art. 92 GG)
—> begrenzt und mäßigt staatliche Machtausübung
—> ermöglichtwechselseitige Kontrolle
Wie sieht die wechselseitige Kontrolle innerhalb der drei Staatsgewalten aus?
Legislative erlässt formelle Gesetze
—> müssen von Exekutive beachtet und vollzogen werden
—> Richter sind an Gesetze gebunden und müssen sie anwenden
Regierungsspitze der Exekutive (Bundeskanzler)
—> wird von Bundestag gewählt (Art. 63 GG)
Judikative kontrolliert
—> Tätigkeit der Exekutive (insb. durch Verwaltungsgerichte)
—> Gesetzgebung des Bundestages (BVerfG entscheidet über Verfassungsmäßigkeit formeller Gesetze)
Die drei Staatsgewalten überschneiden und verpflechten sich regelmäßig. Nenne ein Beispiel.
Was muss dabei aber unbedingt beachtet werden?
Obwohl sich die drei Staatsgewalten regelmäßig überschneiden bzw. verpflechten, z.B.:
Regierungsmitglieder (Exekutive) können gleichzeitig Mitglieder des Bundestages (Legislative) sein
Bundesregierung (Exekutive) kann Gesetzesvorlagen in den Bundestag (Legislative) einbringen, Art. 76 I GG
Normsetzung durch Exekutive in Art. 80 I GG
Bundestag (Legislative) nimmt gewisse Aufgaben der Exekutive wahr:
—> Feststellung des Verteidigungsfalls, Art. 115a I GG
ABER:
! Jeder der drei Staatsgewalten steht ein Kernbereich zu, in den die anderen beiden Staatsgewalten nicht eingreifen dürfen. Eingriffe in den unentziehbaren Kernbereich verstoßen gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 II 2 GG. Auch entsprechende Grundgesetzänderungen nach Art. 79 III GG sind verboten
Einzelausprägung: Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung
Was besagt der Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit?
Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit
= stellt Bindung der vollziehenden Gewalt an den vom Volk unmittelbar gewählten Bundestag (und die Landtage) sicher
—> unterteilt inVorrang des Gesetzes und Vorbehalt des Gesetzes
—> z.T. in Art. 20 III GG normiert + zugleich im Demokratieprinzip des Art. 20 II GG angelegt
Was meint der Vorrang des Gesetzes?
Vorrang des Gesetzes
= Art. 20 III GG: vollziehende Gewalt ist an die bestehenden Gesetze gebunden
—> Exekutive muss so handeln, wie es ihr Gesetze vorschreiben (Handlungspflicht)
—> Exekutive darf wenn sie handelt nicht gegen Gesetze verstoßen (Unterlassungspflicht)
Was meint der Vorbehalt des Gesetzes?
Vorbehalt des Gesetzes
= Exekutive darf in bestimmten Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen nur handeln, wenn sie hierzu in einem formellen Gesetz ermächtigt ist
—> giltfür gesamten Bereich der Eingriffsverwaltung; Exekutive darf nur dann in Rechte der Bürger oder sonst. Rechtspersonen eingreifen, wenn sie hierzu in einem formellen Gesetz ermächtigt ist
! Die meisten Grundrechte unterliegen speziellen Gesetzesvorbehalten (= in sie darf nur durch oder aufgrund eines entsprechenden Gesetzes eingegriffen werden), welche (als besondere Ausprägung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes) vorgehen
Was besagt die Wesentlichkeitstheorie?
Wesentlichkeitstheorie
= trifft Aussagen darüber, welche Angelegenheiten in einem formellen Gesetz geregelt werden müssen
=> alle wesentlichen Fragen des Staat-Bürger-Verhältnisses
—> ergänzt und verfeinert Vorbehalt des Gesetzes (dieser sagt nur, dass in bestimmten Fällen irgendein formelles Gesetz existieren muss)
Einzelausprägung: Verhältnismäßigkeitsprinzip
Was besagt das Verhältnismäßigkeitsprinzip?
Verhältnismäßigkeitsprinzip
= verbietet, dass staatliches Handeln die nachteilig Betroffenen übermäßig belastet (Übermaßverbot).
—> Bei den Fragen:
> “Hat der Staat in die Rechte des Bürgers unverhältnismäßig eingegriffen?” bzw. “Hat der Staat verhältnismäßig gehandelt?”
> “Stimmt das Gesetz mit Grundrechten überein?”
Einzelausprägung: Vertrauensschutz
Was besagt der Grundsatz des Vertrauensschutzes? Wodurch wird er konkretisiert?
Grundsatz des Vertrauensschutzes
= Bürger, der sein Verhalten an der bestehenden Rechtsordnung ausrichtet und z.B. wirtschaftliche Dispositionen trifft, muss grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass seine Dispositionen nicht durch nachträgliche Änderungen der Rechtslage entwertet werden
Konkretisierung durch:
Art. 103 II GG (Rückwirkungsverbot):
= Der Erlass rückwirkender Strafgesetze ist verfassungswidrig
Allgemeine Grundsätze über Rückwirkungsverbote für Gesetze:
= Gesetze, die rechtsstaatswidrig Rückwirkung zu Lasten der Bürger entfalten, verstoßen zugleich gegen die Grundrechte
Einzelausprägung: Bestimmtheitsgrundsatz
Was besagt der Bestimmtheitsgrundsatz?
Bestimmtheitsgrundsatz
= staatliches Handeln muss vor allem gegenüber dem Bürger hinreichend bestimmt sein
—> Gesetz darf nicht völlig unklar und vage formuliert sein
=> Je belastender eine gesetzliche Regelung ist und je stärker ihre grundrechtlichen Auswirkungen sind, desto strengere Anforderungen gelten für den Grad ihrer inhaltlichen Bestimmtheit
Einzelausprägung: Rechtsschutzgarantie
Was besagt die Rechtsschutzgarantie?
Rechtsschutzgarantie
= Bürger kann sich gegen staatliches Handeln gerichtlich wehren (=Rechtsschutzgarantie)
—> Dieser Rechtsschutz muss zudem effektiv sein (=Effektivität des Rechtsschutzes)
c) Demokratieprinzip
Was besagt das Demokratieprinzip und woraus wird es abgeleitet?
—>Art. 20 I GG: “…demokratischer Bundesstaat…”
—>Art 20 II 1 GG: “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.”
= die Ausübung jedweder staatlicher Macht muss durch das Volk legitimiert sein; es muss eine ununterbrochene Legitimationskette zum Volk bestehen
unmittelbare Ausübung der Staatgewalt durch Volk
—> nur in Wahlen und Abstimmungen
ansonsten lediglich mittelbare Ausübung der Staatsgewalt durch Volk
—> durch die in Art. 20 II 2 Alt. 2 GG genannten Organe (Volk wählt Bundestag)
=> parlamentarische (Parlament kontrolliert andere Staatsgewalten) repräsentative (Staatsgewalt vom Volk abgesehen von Wahlen nur mittelbar; Volk wird durch Organe repräsentiert) Demokratie
! Darf nicht im Rahmen einer Grundgesetzänderung angetastet werden, Art. 79 III GG (da Nennung in Art. 20 GG)
Welche Ausprägungen können aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden?
Parlamentsvorbehalt
—> politische Auseinandersetzung und Willensbildung vollzieht sich primär im Parlament (Bundestag/Landtage)
—> wichtige und weitreichende Entscheidungen der Exekutive bedürfen deshalb der Mitwirkung des Parlaments
Mehrheitsprinzip
—> Art. 42 II GG
Können Volksabstimmungen bzw. Volksbefragungen durch einfaches Bundesrecht eingeführt werden?
Wie verhält es sich mit Umfragen?
Volksabstimmungen
—> nicht im GG vorgesehen
—> unvereinbar mit dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und deshalb verfassungswidrig
Volksbefragungen
—> “ “
—> auch wenn bloße Volksbefragungen rechtlich nicht bindend sind, entfalten sie eine faktische Verbindlichkeit für die zuständigen Staatsorgane
=> Einführung ist nur im Wege einer Grundgesetzänderung zulässig, die an die Vorgaben des Art. 79 GG gebunden ist
Umfragen
—> zulässig, solange sie nicht vom Staat durchgeführt oder in Auftrag gegeben wurden (z.B. Meinungsumfragen von Presse und TV)
Können Volksabstimmungen bzw. Volksbefragungen durch Landesrecht eingeführt werden?
! Volksabstimmungen bzw. Volksbefragungen in einigen Landesverfassungen der Bundesländer ausdrücklich vorgesehen
—> müssen sich aufAngelegenheiten beschränken, die in die Kompetenz des jeweiligen Bundesland fallen
Was sind Rechtsform und rechtlicher Status von Parteien?
Rechtsform
Vereine des bürgerlichen Rechts (§§ 21 ff. BGB)
—> spezielle Regelungen der Art. 21 GG und Vorschriften des PartG beachten
verfassungsrechtliche Institutionen
=> Doppelstellung
rechtlicher Status
keine Bundes- oder Staatsorgane und auch keine Teile hiervon (Bundestag besteht nicht aus Parteien sondern aus Bundestagsabgeordneten)
Welche Rechte lassen sich aus Art. 21 I GG für Parteien ableiten? Wie können diese Rechte geltend gemacht werden?
Gründerfreiheit, Art. 21 I 2 GG
—> Schutz der Gründung einer Partei als auch Beitritt, Verbleib, Austritt und Fernbleiben
Parteiarbeit, Art. 21 I 2 GG
—> Schutz der Betätigung in der Partei und für sie
Bestand und Betätigung der einzelnen Parteien, Art. 21 I 2 GG
Recht auf Gleichbehandlung, d.h. auf Chancengleichheit, Art. 21 I 1 GG i.V.m. Art. 38 I 1 GG (Gleichheit der Wahl) und Art. 21 I 1 GG i.V.m. Art. 3 I, III GG (Gleichbehandlungsgrundsatz)
=> Parteien können Träger von Grundrechten sein; Art, 21 I 2 GG enthält allerdings keine
=> Etwaige Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Verletzung von Rechten aus Art. 21 I GG kann deshalb nur auf Art. 21 I GG i.V.m. anderen Grundrechten gestützt werden
Wann kann eine Partei verboten werden und wo ist dies geregelt?
Wer entscheidet über das Verbot und was gilt bis dahin?
Parteiverbot, Art. 21 II GG, wenn:
Partei oder Anhänger legen eine aggressiv-kämpferische Grundhaltung an den Tag
—> aktives und planvolles Handeln erforderlich
Über Kritik hinausgehende Aktivitäten zur Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung
realitstische Chance, dass Partei ihre Ziele durchsetzen kann (Potentialität)
—> fehlt bei Parteien ohne nennenswertes politisches Gewicht
=> über Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet allein das BVerfG
=> Bis zur Entscheidung darf keine staatliche Stelle die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen und es dürfen keine negativen Sanktionen getroffen werden (Parteienprivileg)
—> Allerdings: Möglichkeit des Ausschlusses von der staatlichen Finanzierung, Art. 21 III GG
Welche Wahlrechtsgrundsätze gibt es und wo sind diese normiert?
—>Art. 38 I 1 GG
=> gelten gem. Art. 28 I 2 GG auch für Landtags- und Kommunalwahlen
Wahlrechtsgrundsätze
allgemeine Wahl
—> grundsätzlichjeder darf wählen
unmittelbare Wahl
—> Abgeordnete werdenallein durch die Wähler und nicht erst durch gewählte Zwischeninstanzen (z.B. Wahlmänner) gewählt
freie Wahl
—>Schutz vor Wahlzwang
gleiche Wahl
—> jeder Wähler hatgleich viele Stimmen; diese Stimmen haben den gleichen Wert
—> jede Stimme hatgleiche rechtliche Erfolgschance
geheime Wahl
—> Wähler werdennicht genötigt, zu offenbaren, wie sie wählen wollen oder wie sie gewählt haben
Was besagt der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahlen und woraus wird er abgeleitet?
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahlen
—>Art. 38 I 1 GG i.V.m. Art. 20 I, II GG (Demokratieprinzip)
= alle wesentlichen Schritte der Wahl müssen öffentlich überprüfbar sein (soweit keine Ausnahme besteht)
Welche Wahlsysteme sind zulässig und welches davon trifft auf die Bundestagswahl zu?
Wahlsysteme
Mehrheitswahl
—> gewählt ist, werdie meisten Stimmen (in einem Wahlkreis) gewonnen hat
Verhältniswahl
—> maßgeblich ist die Zahl der Stimmen, die auf die Parteien bzw. von ihnen aufgestellten Listen entfallen
—>prozentuales Stimmverhältnis entscheidet, wieviele und welche Personen (auf den Listen)
Mischsystem
—> Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahl
=> Bundestagswahl = personalisierte Verhältniswahl
Wie funktioniert die Bundestagswahl?
Bundestagswahl
- § 1 BWG: 598 Abgeordnete sind zu wählen
Erststimme:
= 280 Abgeordnete werden mit der Erst-Stimme in Einzelwahlkreisen (280) gewählt und ziehen direkt in den Bundestag ein (unabhängig von Zweit-Stimmen)
Zweitstimme:
= 318 Abgeordnete werden mit der Zweitstimme gewählt
—> Parteien stellen Landeslisten mit Kandidaten auf
Jeder Wähler wählt mit Zweit-Stimme eine Landesliste
Parteien erhalten so viele Sitze, wie sie prozentual an Zweit-Stimmen errungen haben
( ! es werden dabei gem. § 6 III 1 BWG allerdings nur solche Parteien berücksichtigt, die entweder mind. 5% der Zweit-Stimmen erhalten haben oder mind. 3 gewählte Direktmandate errungen haben)
Erst-Stimmen werden auf die Sitzanzahl angerechnet bzw. abgezogen
Restliche Plätze werden dann mit Listenkandidaten (nach Reihenfolge der Liste) besetzt
Was ist ein Überhangmandat und welche Folge hat das?
Überhangmandat
= Partei hat mehr Direktmandate (Erst-Stimmen) erreicht, als ihr nach Maßgabe der Zweit-Stimmen zustehen
=> Direkt gewählte Kandidaten ziehen in den Bundestag ein
=> Überhangmandate werden durch Ausgleichsmandate für sämtliche im Bundestag vertretene Parteien ausgeglichen
—> ! nicht für ersten drei Überhangsmandate, § 6 V 4 BWG
—> damit wird die Anzahl von 598 Abgeordneten i.d.R. überschritten; Endverteilung entspricht prozentual aber dem Zweitstimmenaufkommen
Was ist die 5%-Sperrklausel und in welcher Hinsicht ist sie problematisch?
5%-Sperrklausel
= Partei muss mindestens 5% der Zweit-Stimmen erreichen, um in Bundestag einziehen zu können
=> Zweck: Verhinderung zu vieler kleiner Parteien im Bundestag (erschwert Regieren)
P : Grundsatz der Gleichheit der Wahl beeinträchtigt
kleine Parteien gehen bei Sitzverteilung leer aus
(Chancengleichheit beeinträchtigt)
abgegebene Zweit-Stimmen für kleine Parteien wirken sich nicht auf Sitzverteilung aus
(Grundsatz des gleichen Erfolgswertes der Stimmen beeinträchtigt)
Was ist die Grundmandatsklausel und in welcher Hinsicht ist sie problematisch?
Grundmandatsklausel
= Partei muss mindestens 3 Direktmandate erringen, um in Bundestag einzuziehen
=> Zweck: besondere politische Bedeutung von Wählerzustimmung in (mind.) drei Einzelwahlkreisen
P : Grundsatz der Gleichheit der Wahl sowie Grundsatz des gelcihen Erfolgswertes der Wählerstimmen beeinträchtigt
Parteien, (unter 5%) die keine Direktmandate erhalten haben, werden gegenüber Parteien, (unter 5%) die <3 Direktmandate erhalten haben benachteiligt
—> denn diese können nicht nur ihre 3 Direktkandidaten entsenden, sondern soviele wie Zweit-Stimmen entspricht
Kann eine Frauenquote im Bundestag vorgeschrieben werden?
Frauenquote im Bundestag
=> Nein:
—> verstößt gegen
Grundsatz der Gleichheit der Wahlen, Art. 38 I 1 GG (= Kernbestand des Demokratieprinzips; deshalb nicht mal im Wege einer Grundgesetzänderung möglich, Art. 79 III GG)
Diskriminierungsverbot, Art. 3 III 1 GG
Organisationsfreiheit der Parteien, Art. 21 I 2 GG
(analog für Landtag: gegen Art. 38 I 1 GG i.V.m. Art. 28 I 2 GG und Art. 21 I 1 GG sowie inhaltsgleiches Landesrecht)
d) Republikanisches Prinzip
Was besagt das Republikanische Prinzip und woraus wird es abgeleitet?
—>Art. 20 I GG: “… Bundesrepublik…”
—>Art. 28 I 1 GG: “…republikanischen…”
= es darf kein durch Erbfolge bestimmtes Staatsoberhaupt geben
=> verbietet v.a. die Monarchie als Staatsform (auch in den Ländern, Art. 28 I 1 GG)
e) Sozialstaatsprinzip
Was besagt das Sozialstaatsprinzip und woraus wird es abgeleitet?
—>Art. 20 I GG: “…sozialer…”
—>Art. 28 I 1 GG: “…sozialen…”
= verpflichtet alle drei Staatsgewalten (insb. Gesetzgeber), dem Gebot sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit Rechnung zu tragen
=> Hilfe bei Not und Armut, Schutz vor typischen Wechselfällen des Lebens durch Schaffung sozialer Systeme
Das Sozialstaatsprinzip ist wie alle Staatszielbestimmungen nur objektives Verfassungsrecht. Aus dem Sozialstaatsprinzip allein lassen sich für den Bürger somit keine einklagbaren Ansprüche gegen den Staat ableiten.
In welchen Ausnahmefällen besteht dennoch ein einklagbarer Anspruch?
Ausnahme: einklagbare Ansprüche
Staat verstößt willkürlich und evident gegen das Gebot sozialstaatlichen Handelns
=> einklagbarer Anspruch abgeleitet aus Sozialstaatsprinzip i.V.m. Menschenwürdegarantie des Art. 1 I GG
extreme Situationen krankheitsbedingter Lebensgefahr
=> einklagbarer Anspruch auf eine versicherungsrechtlich nicht vorgesehene Behandlung gegen Krankenversicherung abgeleitet aus Sozialstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 II 1 GG
f) Staatsziel Tier- und Umweltschutz
Was besagt das Staatsziel Tier- und Umweltschutz und woraus wird es abgeleitet?
—>Art. 20a GG
Staatsziel Tier- und Umweltschutz
= verpflichtet den Staat, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere zu schützen
! Darf nicht im Rahmen einer Grundgesetzänderung angetastet werden, Art. 79 III GG (da Nennung in Art. 20a GG)
Das Staatsziel Tier- und Umweltschutz ist wie alle Staatszielbestimmungen nur objektives Verfassungsrecht. Allein daraus lassen sich für den Bürger keine einklagbaren Ansprüche gegen den Staat ableiten.
Welche Besonderheit im Hinblick auf Grundrechte besteht beim Staatsziel Tier- und Umweltschutz allerdings?
Zielen des Tier- und Umweltschutzes kommt Verfassungsrang zu
=> sind bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten in besonderer Weise zu beachten:
wenn der Staat in ein Grundrecht eingreift und dabei seine Pflicht zum Umweltschutz verletzt, verstößt er zugleich gegen das Grundrecht
bei der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht von Leben und Gesundheit der Bürger (Art. 2 II 1 GG) muss der Staat auch die Gebote des Umweltschutzes aus Art. 20a GG, wozu auch der Klimaschutz gehört, beachten
Staatsziel Tier- und Umweltschutz kann auch einen Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe darstellen (z.B. Verschärfung des Klimaschutzgesetzes greift in GR (Art. 12 I 1, 14 I 1 GG) von Industrieunternehmern ein)
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