a) Der Bundestag
Was ist der Bundestag und welche vier Funktionen übt er aus?
Bundestag
= oberstes Bundes- und Verfassungsorgan / eigentliche, unmittelbar demokratisch legitimierte Volksvertretung auf Bundesebene
Funktionen:
Gesetzgebung
—>beschließt formelle Gesetze,Art. 77 I 1 GG ( ! allerdings nur durch Mitwirkung weiterer oberster Bundesorgane, vgl. Art. 76 I, 78, 82 I 1 GG)
Wahlen
—>wählt verschieden Staatsorgane bzw. wirkt bei Wahl dieser mit (z.B. Bundeskanzler (Art. 63 GG), Bundestagspräsident (Art. 40 I 1 GG), Bundespräsident (Art. 54 I 1, III GG), Richter oberster Bundesgerichtshöfe (Art. 95 II GG i.V.m. Richterwahlgesetz)
Parlamentsbeschlüsse (= Resolutionen, Appelle)
—> Voraussetzung dafür: Angelenheit fällt in Verbandskompetenz des Bundes (vgl. Art. 30 GG) sowie in die Organkompetenz des Bundestages
Kontrollfunktion
—> parlamentarischeKontrolle von Regierung und Verwaltung (erfolgt soweit keine ausdrückliche Regelung durch GG aus Gesamtschau der Art. 43 I, 38 I 2 i.V.m. 20 II 2 GG und wird begrenzt durch Art. 44, 45b, 114 I GG)
Welche Mehrheit muss für einen Parlamentsbeschluss vorliegen und wo ist dies geregelt?
Wie verhält es sich dabei mit Stimmenthaltungen?
Parlamentsbeschluss
—>Art. 42 II 1 GG: wenn GG kein anderes Mehrheitserfordernis vorschreibt, genügt für einen Parlamentsbeschluss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Mehrheit)
Stimmenthaltungen
—> h.M.: Stimmenthaltungen werdennicht zu abgegebenen Stimmen gezählt, da entsprechende Abgeordnete nicht mit Nein stimmen wollten; für einfache Mehrheit des Art. 42 II 1 GG genügen danach mehr Ja- als Nein-Stimmen
Wann liegt ein Parlamentsvorbehalt vor? Nenne ein Beispiel für einen Parlamentsvorbehalt.
Parlamentsvorbehalt
= wenn besonders wichtige Entscheidungen der Exekutive der Zustimmung des Bundestages bedürfen
Beispiel:
—> jeder konkrete Auslandseinsatz bewaffneter Streitkräfte der Bundeswehr bedarf grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Bundestages
! außer
wenn gem. Art. 115a GG schon der Verteidigungsfall festgestellt wurde
bei Gefahr im Verzuge (dann nachträgliche Zustimmung des Bundestages notwendig)
Wann spricht man von konstitutiver Zustimmung?
konstitutive Zustimmung
= wenn die Rechtmäßigkeit einer Handlung der Exekutive die Zustimmung des Bundestages zwingend voraussetzt
=> konstitutiver Beschluss des Bundestages
( ! nicht: schlichte Beschlüsse des Bundestages; keine rechtliche Bindungswirkung (z.B. Aufforderung zum Rücktritt eines Bundesministers))
Woraus werden Zitier- und Fragerecht abgeleitet jeweils für
Bundestagsabgeordnete
Fraktionen
und was bedeutet dies im jeweiligen Fall?
Zitier- und Fragerecht
für Bundestag (und seine Ausschüsse):
Zitierrecht aus Art. 43 I GG
—> Recht, Anwesenheit eines jeden Mitglieds der Bundesregierung zu verlangen (Mehrheitsbeschluss erforderlich)
Fragerecht aus Art. 38 I 2 i.V.m. Art. 20 II 2 GG
—> herbeizitierte Mitglieder der Bundesregierung müssen Fragen beantworten, wenn sie verfassungsrechtlich zulässig sind und ihnen kein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht
für einzelne Bundestagsabgeordnete
kein Zitierrecht aus Art. 43 I GG
Fragerecht (Interpellationsrecht) aus Art. 38 I 2 i.V.m. Art. 20 II 2 GG
—> Mitglieder der Bundesregierung sind verpflichtet, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen und den Abgeordneten die zur Ausübung ihres Mandats erforderlichen Informationen zu geben
für Fraktionen
eigenes Frage- und Antwortrecht aus Art. 38 I 2 i.V.m. Art. 20 II 2 GG gegen Bundesregierung
—> beschränkt sich auf Angelegenheiten, die in Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Bundesregierung fallen
Auf wie viele Jahre wird der Bundestag gewählt und wo ist dies geregelt?
Wann beginnt die Wahlperiode des gewählten Bundestages und wann endet sie?
Art. 39 I 1 GG: Der Bundestag wird auf vier Jahre gewählt
—>Beginn der Wahlperiode: mit erstem Zusammentritt des gewählten Bundestages, Art. 39 I 2 GG ( ! nicht durch Wahl direkt)
—>Ende der Wahlperiode des amtierenden Bundestages: wenn neuer Bundestag das erste Mal zusammentritt
=> es gibt demnach keine bundestagslosen Zeiten
Darf der amtierende Bundestag seine vierjährige Wahlperiode verlängern (und damit Art. 39 I 1 GG ändern)?
Darf er sie verkürzen?
Verlängerung der vierjährigen Wahlperiode durch den amtierenden Bundestag:
Nein! Dies wäre unvereinbar mit dem Demokratieprinzip sowie Art. 79 III GG —> der amtierende Bundestag ist nur für vier Jahre gewählt und nur insoweit demokratisch legitimiert
Verkürzung der vierjährigen Wahlperiode durch den amtierenden Bundestag:
Umstritten: Das Demokratieprinzip zwingt nicht, dass der Bundestag die volle Legislaturperiode existiert (vgl. Art. 68 I 1 GG); eine Verkürzung ermöglicht eine erneute unmittelbare demokratische Betätigung des Volkes —>nicht demokratiewidrig
Darf der amtierende Bundestag die Wahlperiode für künftige Bundestage verlängern oder verkürzen?
Verlängerung oder Verkürzung der Wahlperiode für künftige Bundestage:
Grundsätzlich mit Art. 20 II i.V.m. Art. 79 III GG vereinbar
! Zulässige Ober-und Untergrenze von Legislaturperioden allerdings umstritten:
—> muss so bemessen sein, dass zum einen der Volkswille sich in angemessenen Zeitabständen in Form von Wahlen manifestieren kann (Obergrenze)
—> muss so bemessen sein, dass zum anderen der Bundestag seinen demokratischen Auftrag (Art. 20 II 2 GG) hinreichend effektiv erfüllen kann (Untergrenze)
Kann sich der Bundestag selbst auflösen?
Selbstauflösung des Bundestages:
kein bestehendes Selbstauflösungsrecht
—> Bundestagsabgeordnete können die Auflösung des amtierenden Bundestages nicht rechtsverbindlich beschließen
—> Selbstauflösungsrecht könnte nur im Wege einer Gesetzesänderung eingeführt werden
—> auchvorzeitige Neuwahlen können nicht beschlossen werden
In welchen zwei Fällen ist eine Auflösung des Bundestages möglich? Was muss dabei beachtet werden?
Auflösung des Bundestages nur in zwei Fällen möglich:
bei Kanzlerneuwahlen erreicht kein Kanzlerkandidat in der dritten Wahlphase die absolute Mehrheit der Bundestagsmitglieder
=> Bundespräsident kann Bundestag gem. Art. 63 IV 3 GG auflösen, muss es aber nicht
ein Vertrauensantrag des amtierenden Bundeskanzlers findet nicht die absolute Mehrheit der Bundestagsmitglieder
=> Bundespräsident kann Bundestag auf Vorschlag des Bundeskanzlers gem. Art. 68 I 1 GG auflösen, muss es aber nicht
=> Folge: Neuwahlen müssen innerhalb von 60 Tagen stattfinden, Art. 39 I 4 GG
! auch hier endet Wahlperiode des aufgelösten Bundestages nicht direkt, sondern erst durch Zusammentritt des neuen Bundestages
Was besagt der Grundsatz der Diskontinuität des Bundestages?
Grundsatz der Diskontinuität des Bundestages
alle Anträge, Eingaben, Gesetzesvorlagen usw. gelten als erledigt, wenn sie nicht bis zum Ende der Wahlperiode verbeschieden und abgeschlossen sind (materielle Diskontinuität)
—> können allerdings in nächsten Bundestag eingebracht werden
—> Ausnahme: Petitionen erledigen sich nicht, § 125 2 GOBT
alle Organe, Untergliederungen und Ausschüsse des alten Bundestages (z.B. Fraktionen, Untersuchungsausschüsse) verlieren mit Zusammentritt des neuen Bundestages ihre Existenz (organisatorische Diskontinuität)
Wo ist die Geschäftsordnung des Bundestages im GG normiert, welchen Rang hat sie und was passiert bei Verstößen gegen sie?
Art. 40 I 2 GG: Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT)
—> giltnur für den bundesinternen Bereich und für die Bundestagsmitglieder
—> stehtunter dem GG sowie den formellen Bundesgesetzen, ergänzt und konkretisiert GG lediglich
=> nur Innenrecht; Verstöße gegen die GOBT haben nur dann auch Außenwirkung über den Bundestag hinaus, wenn zugleich gegen Verfassungsrecht verstoßen wird
Wie wird der Bundestagspräsident gewählt und welche Aufgaben hat er?
Art. 40 I 1 GG: Bundestagspräsident wird vom Bundestag gewählt (i.d.R. Kandidat der stärksten Fraktion; dies ist aber nicht zwingend geboten)
Aufgaben:
leitet Bundestagssitzungen
vertritt den Bundestag
ist oberste Dienstbehörde (Chef) der Bundestagsbeamten ( ! nicht Abgeordnete)
übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Bundestagsgebäude aus (Art. 40 II 1 GG, § 7 GOBT)
übt für den Bundestag die Ordnungsgewalt (Sitzungsgewalt) aus
noch viele weitere Aufgaben aus GOBT…
Was umfasst das Hausrecht des Bundestagspräsidenten? Nenne ein Beispiel.
Hausrecht des Bundestagspräsidenten
—> alleBefugnisse, die aus dem Eigentum Deutschlands an den Bundestagsräumlichkeiten und den dazugehörigen Gebäuden und Grundstücken folgen (§ 7 III GOBT)
Beispiele:
Entscheidung über Zutritt und Verbleib in den Bundestagsräumen
Bestimmung über Verhalten in den Bundestagsräumen
Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmung von Gegenständen in den Bundestagsräumen durch die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren
Was umfasst die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten? Nenne ein Beispiel.
Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten
—> alleBefugnisse zur Abwehr drohender und zur Unterbindung eingetretener Störungen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in den Bundestagsräumen zu gewährleisten
—> dafür stehen dem Bundestagspräsidenten besondere Bundespolizeivollzugsbeamte beim Bundestag zur Verfügung (§ 1 II BPolBG), welche für ihn auf Weisung oder selbstständig tätig werden
Anordnung zur Beschlagnahme von Gegenständen zum Zwecke der Gefahrenabwehr
Was umfasst die Ordnungsgewalt des Bundestagspräsidenten? Nenne ein Beispiel.
Ordnungsgewalt des Bundestagspräsidenten
—> stellt einen geordneten Ablauf der Bundestagssitzung sicher (geregelt in § 44e I AbgG und §§ 36 ff. GOBT)
—> wird aus Art. 40 I 2 GG abgeleitet; steht dem Bundestag als ganzes zu, wird aber durch den Bundestagspräsidenten in eigener Verantwortug und unabhängig ausgeführt (vgl. § 7 I 2 GOBT)
Beispiele (für Ordnungsmaßnahmen):
Sachruf, § 36 I 1 GOBT
Ordnungsruf, § 36 I 2 GOBT
Wortentziehung, § 36 II GOBT
Ordnungsgeld, § 44e I 1, 2 AbgG, § 37 GOBT
Sitzungsausschluss, § 44e I 3 AbgG, 38 GOBT
Welche gemeinsame Funktion haben Hausrecht, Polizeigewalt und Ordnungsgewalt?
Worin liegt ihr Unterschied hinsichtlich des Rechtsschutzes?
gemeinsame Funktion:
Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Bundestages
Unterschied im Rechtsschutz:
Maßnahmen der Ordnungsgewalt
Haus- und polizeirechtliche Maßnahmen
—> treffen BTP in verfassungsrechtlicher Eigenschaft
—> treffen BTP inbehördlicher Eigenschaft
=> Adressaten, denen ebenfalls verfassungsrechtliche Qualität zukommt (Abgeordnete), können sich im Organstreit (Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG) wehren
=> gegen Maßnahmen steht verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung; nach erfolgloser Rechtswegerschöpfung kann Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG erhoben werden ( ! auch für Abgeordnete; wenn sie sich auf ihre GR berufen *)
(* berufen sich die Abgeordneten allerdings auf ihre spezifisch organschaftlichen Abgeordnetenrechte aus Art. 38 I 1 2 GG wird von verschiedenen Landesverfassungsgerichten der Organstreit für einschlägig erachtet, obwohl BTP nicht als Verfassungsorgan sondern als Behörde handelt und somit kein Beteiligter eines Verfassungsorganstreits sein kann)
Inwiefern kommt dem Bundestagspräsidenten rechtlich eine Doppelstellung zu?
Rechtliche Doppelstellung des Bundestagspräsidenten
zum einen übt er als Teil des Verfassungsorgans Bundestag verfassungsrechtliche Funktionen aus (z.B. bei Ausschluss von Bundestagssitzungen)
—> über Streitigkeiten entscheidetBVerfG
zum anderen übt er aber auch verwaltungsrechtliche Funktionen aus (z.B. bei der Festsetzung und Auszahlung der staatlichen Geldmittel an Parteien, §§ 18 ff. PartG) und fungiert somit als mittelverwaltende Stelle, § 21 II PartG
—> über Streitigkeiten entscheidetVerwaltungsgericht
Was sind Fraktionen? Wo ist dies legal definiert?
Wie gestaltet sich der Rechtsschutz von Fraktionen?
Was sind Gruppen?
= § 10 I 1 GOBT: “Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens 5% der Bundestagsabgeordneten, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.”
=> Fraktionen sind damit Zusammenschlüsse von Abgeordneten (der gleichen Partei im Parlament) und Untergliederungen (Teile) des Bundestages
! keine Parteien; Parteien sind keine Untergliederungen des Bundestages
Rechtsschutz
Fraktionen grundgesetzlich durch Art. 38 I 2 GG abgesichert (sicher Status + verleiht Rechte)
Fraktionen können als Teil des Bundestages i.S.d. § 63 BVerfGG Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gem. § 64 I BVerfGG geltend machen
=> die aus Art. 38 I 2 GG abgeleiteten Rechte können nur im Bundesorganstreit nach Art. 93 I Nr. 1 GG; §§ 63 ff. BVerfGG geltend gemacht werden
! auf Grundrechte können sich Fraktionen nicht berufen (nur Prozessgrundrechte)
Gruppen
= bestehen aus Abgeordneten, die keine Fraktionsstärke erreichen, also unter der 5%-Grenze bleiben
—> nach § 10 IV 1 GOBT anerkannt
—> habenweniger aber z.T. gleiche Rechte wie Fraktionen
—> Rechte können ebenfalls nur imBundesorganstreit geltend gemacht werden
Was ist die Aufgabe von Ausschüssen?
Welche Ausschüsse sind im GG ausdrücklich genannt?
Aufgabe von Ausschüssen
= Vorbereitung von Bundestagsentscheidungen
—> sind nach Stärke der Fraktionen zusammengesetzt und fungieren mithin als “verkleinerter Bundestag”, § 12 1 GOBT
Ausschüsse, die im GG ausdrücklich genannt sind:
Ausschuss für Angelegenheiten der EU, Art. 45 GG
Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Art. 45a I GG
Ausschuss für Verteidigung, Art. 45a I, II GG
Petitionsausschuss, Art. 45c GG
Untersuchungsausschüsse, Art. 44 GG
=> Bundestag kann weitere Ausschüsse im Rahmen seiner Geschäftsordnung einsetzten, §§ 12 1, 54 ff. GOBT
Wann wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt?
—> Bundestag hat Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, Art. 44 I 1 GG (sog. Mehrheitsenquête)
—> Bundestagmuss einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn ein Viertel der Abgeordneten dies beantragt (sog. Minderheitsenquête)
—> Untersuchungsausschüsse werden i.d.R.auf Antrag oppositioneller Abgeordneter zur Aufdeckung (angeblicher) Misstände eingesetzt
=> sollen einen bestimmten Sachverhalt aufklären und aufdecken, wer für bestimmte Vorgänge verantwortlich ist
Welche sieben Grundsätze sind bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beachten?
(1) am Untersuchungsausschuss muss ein öffentliches Interesse bestehen
(2) es darf nur ein bestimmter Fall bzw. Vorgang Untersuchungsgegenstand sein
—> Untersuchungsauftrag und Untersuchungsgegenstand müssen hinreichend bestimmt sein
(3) Bundestag darf beantragten Untersuchungsausschuss nicht aus Zweckmäßigkeits- oder politischen Gründen abändern, § 2 II PUAG
(4) Bundestag ist verboten, einen Untersuchungsausschuss mit rechtswidrigem Untersuchungsegenstand einzusetzen; nur der verfassungsmäßige Teil darf dann eingesetzt werden, § 2 III 1 PUAG
—> Im Falle einer nur beschränkten Einsetzung des Untersuchungsausschusses kann der Antragsteller gem. § 2 III 2 PUAG gegen den Bundestag das BVerfG (im Rahmen des Organstreits nach Art. 93 I Nr. 1 GG) anrufen
=> dieses prüft dann, ob der beantragte Untersuchungsausschuss rechtmäßig und der Bundestag zur Einsetzung verpflichtet ist
(5) Untersuchungsausschuss muss sich auf Angelegenheit des Bundes beziehen
(6) Untersuchungsauftrag darf sich auf keine Angelegenheit erstrecken, die in den Kernbereich der Exekutive und Judikative fallen (z.B. keine Gerichtsentscheidungen)
(7) Grundrechte der Bürger und sonstiger Grundrechtsträger müssen beachtet werden
Wie wird gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Einsetzung (oder Nichteinsetzung) von Untersuchungsausschüssen und einzelnen Maßnahmen während des Untersuchungsverfahren gewährt?
—> § 36 I PUAG: gerichtlicher Rechtsschutz wird durch den BGH gewährt, soweit nicht das BVerfG zuständig ist:
BGH zuständig:
Grundrechtsträger (v.a. Bürger) gegen Einzelmaßnahmen von Untersuchungsausschüssen: können BGH anrufen, § 36 I PUAG
übrige Fälle, in denen BVerfG nicht zuständig ist
BVerfG zuständig:
materiell verfassungsrechtliche Streitigkeiten, § 36 I, II PUAG
Streitigkeiten zwischen Einsetzung beantragender Minderheit und dem Bundestag: Bundesorganstreitverfahren nach Art. 93 Nr. 1 GG
Streitigkeiten zwischen Untersuchungsausschuss und Verfassungsorganen (z.B. Bundesregierung, einzelne Abgeordnete): Bundesorganstreitverfahren nach Art. 93 Nr. 1 GG
Grundrechtsträger gegen die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen: Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG
Was geschieht mit dem Abgeordnetenmandat, wenn ein Bundestagsabgeordneter aus seiner Partei bzw. Fraktion ausgeschlossen wird?
Abgeordnete können aus ihrer Partei oder Fraktion ausgeschlossen werden, wenn sie deren Programme und Vorgaben missachten
—> Allerdingsbehalten sie auch im Falle eines Partei- und Fraktionsausschlusses ihr Abgeordnetenmandat
=> Die Mitgliedschaft in Partei und Fraktion einerseits und im Bundestag andererseits ist voneinander unabhängig
Welche Rechte besitzen Abgeordnete und woraus werden diese abgeleitet?
Wie können Verstöße gegen diese Rechte geltend gemacht werden?
=> Soweit keine speziellen Vorschriften einschlägig sind (wie z.B. Art. 46 GG), leiten sich die grundlegenden parlamentarischen Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 I 2 GG ab:
das Recht auf Sitzungsteilnahme
das Rederecht im Bundestag
das Recht auf Teilnahme an den Abstimmungen
das Recht zur Fraktionsbildung
Frage- und Informationsrecht (i.V.m. Art. 20 II 2 GG bzw. Demokratieprinzip)
Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Wahrnehmung der Aufgaben des Bundestages (Repräsentationsprinzip > Gleichbehandlungsanspruch)
Recht auf freie Kommunikation zwischen Abgeordneten und Wählern
—> weitere Rechte regelt Art. 48 GG
! Die Abgeordneten agieren im Bundestag nicht als natürliche Personen und Grundrechtsträger, sondern als Träger spezifischer verfassungsrechtlicher Kompetenzen
—> eine Berufung auf Grundrechte scheidet daher aus
—> Art. 38 I 2 GG ist auch kein grundrechtsgleiches Recht
=> Verstöße gegen die aus Art. 38 I 2 GG abgeleiteten Rechte können daher nur im Bundesorganstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG und nicht mit der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG geltend gemacht werden
Welches Verfahren steht dem Abgeordneten zur Verfügung, wenn er durch eine staatliche Maßnahme zugleich in seinen Abgeordnetenrechten aus Art. 38 I 2 GG als auch in seiner Rechtsstellung als natürliche Person und damit in seinen Grundrechten verletzt ist?
=> Auch in solchen Fällen steht den Abgeordneten nur das Bundesorganstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG zur Verfügung
—> Grundrechtsverletzungen können im Bundesorganstreitverfahren zwar nicht isoliert gerügt werden; sie sind aber bei der Auslegung und Anwendung von Art. 38 I 2 GG mitzuberücksichtigen ( ! aber nicht selbstständig zu prüfen)
Welches Verfahren steht dem Abgeordneten zur Verfügung, wenn er durch eine staatliche Maßnahme nur als Privatperson und damit in seinen Grundrechten verletzt ist?
=> In solchen Fällen handelt es sich um nichtverfassungsrechtliche Streitigkeiten; ein Bundesorganstreitverfahren ist unzulässig
—> über solche Streitigkeiten entscheiden zunächst Verwaltungsgerichte
—> unterliegt der Abgeordnete, kann er anschließend Verfassungsbeschwerde zum BVerfG nach Art. 93 I Nr. 4a GG erheben
Welches Verfahren steh zukünftigen potentiellen Abgeordneten oder Abgeordneten, die bereits aus dem Bundestag ausgeschieden sind, zur Verfügung?
=> zukünftige potentielle Abgeordnete bzw. bereits aus dem Bundestag ausgeschiedene Abgeordnete befinden sich noch nicht oder nicht mehr im Abgeordnetenstatus
—> das Bundesorganstreitverfahren ist ihnen deshalbversperrt
—> soweit sie sich aberauf Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte berufen können (insb. Art. 3 I GG; Art. 38 I 1 GG i.V.m. Art. 38 II GG - passives Wahlrecht und Grundsatz der Wahlgleichheit), steht ihnen die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG zur Verfügung
Was bedeutet Indemnität der Abgeordneten?
Indemnität der Abgeordneten
= ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung im Bundestag oder einem seiner Ausschüsse gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden, Art. 46 I GG
( ! gilt nicht für verleumderische Beleidigungen, sofern der Bundestag den nach Art. 46 II GG eingreifenden Immunitätsschutz aufhebt)
Was bedeutet Immunität der Abgeordneten?
Immunität der Abgeordneten
= ein Abgeordneter darf wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden oder wenn er in flagranti oder am nächsten Tag festgenommen wird, Art. 46 II GG
—> der einzelne Abgeordnete ist damit vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt
—> greift auch bei Straftaten außerhalb des Bundestages und vor Erlangung des Abgeordnetenmandates
=> Immunitätsrecht kann im Wege des Organstreitverfahrens gem. Art. 93 I Nr. 1 GG verteidigt werden, wenn Bundestag Immunität aufhebt (Art. 46 II GG ist kein GR oder grundrechtsgleiches Recht; keine VB)
( ! erlischt mit Verlieren des Abgeordnetenmandates; Verjährung ruht während Abgeordnetentätigkeit, § 78b II StGB)
b) Der Bundesrat
Was ist der Bundesrat?
Bundesrat
= ein oberstes Bundesorgan
—> besteht ausMitgliedern der Regierungen der Länder, Art. 51 I 1 , II GG (= Bundesratsmitglieder), welche von den Landesregierungen bestellt und abberufen werden
Was bedeutet es, dass Bundesratsmitglieder ein imperatives Mandat haben? Inwiefern unterscheidet sich dies zu den Bundestagsabgeordneten?
imperatives Mandat
= Bundesratsmitglieder müssen im Bundesrat so abstimmen, wie es ihre Landesregierung beschlossen hat (abgeleitet im Wege des Gegenschlusses (“argumentum e contrario”) aus Art. 77 II 3 GG, 53a I 3 GG)
(im Vergleich: Bundestagsabgeordnete haben ein freies Mandat; sie sind nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen, Art. 38 I 2 GG)
Was passiert, wenn die Bundesratsmitglieder im Bundesrat weisungswidrig abstimmen?
Was passiert, wenn die Stimmen eines Landes nicht einheitlich abgegeben werden?
weisungswidriges Abstimmungsverhalten der Bundesratsmitglieder
=> führt nicht zur Ungültigkeit der Stimmabgabe
—> dieWeisungsgebundenheit der einzelnen Bundesratsmitglieder betrifft nur ihr Innenverhältnis zu ihrer Landesregierung
uneinheitliche Stimmabgabe eines Landes
=> führt zur Ungültigkeit aller Stimmen; denn nach Art. 51 III 2 GG müssen die Stimmen eines Landes einheitlich abgegeben werden, sodass Stimmen-Splitting unzulässig ist (Grundsatz der Einheitlichkeit der Stimmabgabe)
—> Art. 51 III 2 Gbetrifft nicht nur das Innenverhältnis zwischen Bundesratsmitgliedern und ihren Landesregierungen, sondern das Außenverhältnis
Was sind die Aufgaben des Bundesrates und woraus werden sie abgeleitet?
Aufgaben des Bundesrates, Art. 50 GG (allgemein):
Mitwirkung bei der Gesetzgebung des Bundes, Art. 50 i.V.m. Art. 76 ff. GG
Mitwirkung bei exekutivem Handeln des Bundes, Art. 50 i.V.m. Art. 76 ff. GG
Mitwirkung in Angelegenheiten der EU, Art. 50 i.V.m. Art. 23 IV-VI GG
sowie weitere Aufgaben und Befugnisse aus GG (z.B. Wahl der Hälfte der Bundesverfassungsrichter, Art. 94 I GG; Einleitung bundesverfassungsgerichtlicher Verfahren (Art. 93 I Nr. 1, 2a II GG)
c) Die Bundesregierung
Woraus setzt sich die Bundesregierung zusammen?
Bundesregierung
= Bundeskanzler + Bundesminister, Art. 62 GG
( ! Staatssekretäre und Staatsminister sind keine Regierungsmitglieder)
Wie wird der Bundeskanzler gewählt?
Wahl des Bundeskanzlers
=> wird vom Bundestag gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt, Art. 63 GG
=> es sind 3 Wahlphasen möglich:
Erste Wahlphase (Art. 63 I, II GG)
—> Bundespräsident schlägt Bundeskanzler vor
—> erreicht der Kandidat dieabsolute Mehrheit muss er vom Bundespräsidenten ernannt werden, Art. 63 II 2 GG
Zweite Wahlphase (Art. 63 III GG)
—> der Kandidat hat in derersten Wahlphase nicht die absolute Mehrheit erreicht
—>Vorschlagsrecht geht auf Bundestag über; ein Wahlvorschlag muss dabei von mind. ein Viertel der Bundestagsabgeordneten unterzeichnet sein
—> gewählt ist, werabsolute Mehrheit erreicht (kann mehrere Wahlgänge dauern) und muss daraufhin ernannt werden, Art. 63 II 2 GG analog
Dritte Wahlphase (Art. 63 IV GG)
—> in derzweiten Wahlphase hat kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht
—> derjenige der hier diemeisten Stimmen erreicht, ist gewählt, Art. 63 IV 1 GG (bei nur einem Kandidat: ja/nein-Wahl) und muss bei absoluter Mehrheit ernannt werden, Art. 63 IV 2 GG
( ! bei keiner absoluten Mehrheit hat Bundespräsident Wahl: Ernennung des Gewählten oder Auflösung des Bundestages)
Wodurch endet das Amt des Bundeskanzlers?
Das Amt des Bundeskanzlers endet durch:
(1) Zusammentritt des neugewählten Bundestages, Art. 69 II GG
! bis zur ersten Sitzung des neuen Bundestages existiert der bisherige Bundestag als oberstes Bundesorgan fort, Art. 39 I 2 GG und auch der bisherige Bundeskanzler und seine Minister bleiben im Amt
(2) Rücktritt
(3) Tod
(4) Verlust der Amtsfähigkeit durch Richterspruch
(5) Erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum, Art. 67 GG
—> schlichte Abwahl im GG nicht vorgesehen; Kanzler kann nur dann aus dem Amt gewählt werden, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages einen anderen Kanzler wählen, Art. 67 I GG
(6) Wahl eines anderen Bundeskanzlers nach gescheiterter Vertrauensfrage, Art. 68 I GG
—> Bundeskanzler, der an seiner Mehrheit im Bundestag zweifelt, kann gem. Art. 68 I 1 GG die Vertrauensfrage stellen; spricht nicht mehr als die Hälfte der Bundestagsmitglieder dem Bundeskanzler das Vertrauen aus, hat der Bundestag 21 Tage Zeit einen neuen Bundeskanzler zu wählen, Art. 68 I 2 GG oder Bundestag durch Bundespräsident aufgelöst werden
Wie werden die Bundesminister ernannt?
Bundesminister
—> werdenauf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und auch entlassen, Art. 64 I GG
—>Anzahl der Ministerien und Bundesminister ist im GG nicht näher bestimmt, sondern liegt im Ermessen des Bundeskanzlers
—> allerdings muss laut GG folgende Bundesminister geben:
Verteidigungsminister, Art. 65a GG
Justizminister, Art. 96 II 4 GG
Finanzminister, Art. 108 III 2, 112, 114 I GG
Wann endet das Amt des Bundesministers?
Das Amt des Bundesministers endet durch:
(1) Entlassung, Art. 64 I GG (durch Bundespäsident, auf Vorschlag des Bundeskanzlers möglich)
(2) ersten Zusammentritt des neugewählten Bundestages, Art. 69 II GG
(3) Ende des Amts des Bundeskanzlers (aus welchen Gründen auch immer), Art. 69 II GG
Wie gestaltet sich die Aufgabenverteilung der Bundesregierung nach Art. 65 GG?
Aufgabenverteilung der Bundesregierung
=> drei Prinzipien, Art. 65 GG:
(1) Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers (Kanzlerprinzip), Art. 65 1 GG:
—> Der Bundeskanzler bestimmt dieRichtlinien der Politik; gibt Ziele und Wege vor
—> Bundesminister (nicht Bundestag!)müssen diese Richtlinien umsetzen
(2) Ressortprinzip, Art. 65 2 GG:
—> Jeder Bundesminister leitetinnerhalb der Kanzlerrichtlinien seinen Geschäftsbereich selbstständig und in eigener Verantwortung
—> Manchen Bundesministern stehenSonderrechte zu
- Finanzminister: Art. 112 GG; § 26 I GOBReg
- Justiz- und Innenminister: Art. 26 II GOBReg
- Verteidigungsminister: Art. 65a GG
(3) Kollegialprinzip, Art. 65 3, 4 GG
—> Über Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Ministern entscheidet die Bundesregierung
Welche weiteren Aufgaben hat die Bundesregierung?
Weitere Aufgaben der Bundesregierung
Mitwirkung bei der Bundesgesetzgebung, Art. 76, 77 II 4, 113 GG
Erlass von Rechtsverordnungen, Art. 80 I 1 GG
Ausübung von Bundeszwang, Art. 37 GG
Wahrnehmung von Kompetenzen in Not- und Verteidigungsfällen, Art. 35 III, 80a III, 91 II, 115a ff. GG
Anrufung des BVerfG, Art. 93 I Nr. 1, 2, 3 GG, Art. 18, 21 IV, 126 GG jeweils i.V.m. den einschlägigen Bestimmungen des BVerfGG
Was regeln Koalitionsvereinbarungen?
Sind Koalitionsvereinbarungen rechtlich bindend?
Koalitionsvereinbarungen
= werden von den regierungstragenden Parteien geschlossen und regeln organisatorische Strukturfragen (wie etwa die Anzahl der Bundesministerien und ihre personelle Besetzung); zudem enthalten sie detaillierte Vorgaben für das künftige Regierungshandeln (welche Ziele auf welchem Weg erreicht werden sollen)
Nein, Koalitionsvereinbarungen sind rechtlich unverbindlich und gerichtlich nicht durchsetzbar
d) Der Bundespräsident
Was ist der Bundespräsident und wie wird er gewählt?
Bundespräsident
= oberstes Staatsorgan / Staatsoberhaupt
—> allerdingsnur geringe Machtbefugnisse und politische Entscheidungsmöglichkeiten
=> in erster Linie repräsentative Aufgabe
Wahl des Bundespräsidenten
—> durch dieBundesversammlung (sämtliche Bundestagsabgeordnete + gleiche Anzahl an Mitgliedern, die von den Landesparlamenten gewählt werden ( ! müssen nicht im Landesparlament sitzen; oft Prominente/normale Bürger) auf fünf Jahre gewählt, Art 54 I 1, II GG
Welche Aufgaben hat der Bundespräsident?
Aufgaben des Bundespräsidenten
Ernennung und Entlassung der Bundesrichter, Bundesbeamten, Offiziere und Unteroffiziere, Art. 60 I GG
Ausübung des Begnadigungsrechts für den Bund, Art. 60 II GG
Ernennung des Bundeskanzlers, Art. 63 II 2, IV 2, 3, 67 I 2 GG
Ernennung und Entlassung der Bundesminister, Art. 64 I GG
Erklärung des Gesetzgebungsnotstands, Art. 81 GG
Aufgaben im Verteidigungsfall, Art. 115a III 1, IV 2, V 1 GG
Völkerrechtliche Vertretung des Bundes, Art. 59 I 1 GG
Auflösung des Bundestages gem. Art. 63 IV 3 GG und Art. 68 I 1 GG
Ausfertigung (Unterzeichnung) und Verkündung der Bundesgesetze, Art. 82 I 1 GG
etc.
Last changed3 months ago