M. Reger: Variationen und fuge über ein Thema von Mozart, op. 132, (Var. I - VIII)
Max Reger
Annäherungen an den Menschen, den Künstler und sein Werk
„Er konnte zum Frühstück ein Dutzend Weißwürste verdrücken, und nach einem Konzert verblüffte er im Restaurant den Ober mit der Bestellung: "Bringen Sie mir zwei Stunden lang Wiener Schnitzel!" Kaffee trank er "badewannenweise", wie er selbst sagte, und täglich rauchte er an die zwanzig schwere Brasilzigarren … Max Reger, ein Komponist, Organist, Pianist und Dirigent aus der Oberpfalz. Unmäßigkeit war sein Markenzeichen in fast jeder Hinsicht- im Essen und Trinken, im Tabak- und Alkoholkonsum, in seinem derben Humor und auch in seiner Musik. Max Reger schrieb das längste Klavierkonzert, das längste Violinkonzert, er komponierte die verwickeltste chromatische Polyphonie. Regers Musik gilt dementsprechend vielen als schwer, überladen und kompliziert.“
Werk
Regers Schaffen umfasst über 1000 Werke, darunter fast alle musikalische Gattungen
heute bekannt durch seine Orgelwerke
Wirkung auf andere Komponisten
Reger s Wirkung auf andere Komponisten war sehr zwiespältig: Strawinski: abstoßend wie auch die Erscheinung des Komponisten; Hindemith: “Reger war der letzte Riese. Ich bin ohne ihn gar nicht zu denken.”
Reger hatte auch großen Einfluss auf Komponisten der Neuen Wiener Schule.
Biographie:
19.3.1873 Geburt in Brand (Bayern)
1878 Klavierunterricht
bei seinen Eltern, ab 1884 Klavier- und Orgelunterricht bei Adalbert Lindner.
1888 Besuch der Bayreuther Festspiele:
Nachdem Eindruck von Wagners Parsifal fasste Reger den Entschluss, Musiker zu werden. Danach erste Kompositionen und Selbststudium von Selbststudium von Lehrbüchern und Partituren.
1890-93 Musikstudium
in Sondershausen und in Wiesbaden bei Hugo Riemann: Klavier, Violine, Komposition, Kontrapunkt.
1893-98 freischaffender Musiker in Wiesbaden
als Komponist, Bearbeiter und Lehrer (am Konservatorium und Privatschüler). Misserfolge führten zu Schulden, Depression, Nikotin- und Alkoholabhängigkeit und gesundheitlichen Problemen. Reger nannte seine Wiesbadener Jahre später „Sturm-und-Trankzeit“.
1898-1901 Erholung und künstlerische Produktivität im Elternhaus in Weiden
Reger komponierte viele neue Werke (v.a. Orgelwerke, Lieder und Kammermusik) und fand einen Verleger, der seine Werke druckte.
1901-1907 Erfolge in München
Heirat mit Elsa von Bercken
Erfolge als Komponist, Pianist und Dirigent
Berufung an die Akademie der Tonkunst (Orgel, Klavier, Kompositionslehre)
erste sinfonische Werke
1907-11 Lehrtätigkeit in Leipzig
Berufung ans Leipziger Konservatorium als Professor und kurzzeitig auch als Universitätsmusikdirektor
ausgedehnte Konzertreisen
1911-14 Hofkapellmeister in Meiningen
ausgedehnte Konzertreisen mit der Meininger Hofkapelle
weiterhin Lehrtätigkeit am Konservatorium in Leipzig
körperlicher und seelischer Zusammenbruch 1914 führten zur Aufgabe der Stelle
1915/16 Spätwerk in Jena
intensive Kompositionstätigkeit (von Reger selbst als „freier Jenaischer Stil“ bezeichnet)
weiterhin Konzertreisen und Lehrtätigkeit am Konservatorium in Leipzig
11.5.1916 Tod in Leipzig durch Herzversagen
Sicilliano- und Patorale-Charakter des Mozart Themas
Siciliano (Siciliana, frz. Sicilienne):
Bezeichnung bezieht sich auf Sizilien, Herkunft aus Sizilien ist jedoch nicht gesichert
Bezeichnung für Vokalstücke oder Tanzstücke im 17. und 18. Jahrhundert
Zunächst im schnellen, ab 1700 im langsameren 6/8 oder 12/8-Takt
Lyrische Melodie mit punktiertem Rhythmus (Charakter: graziös, wiegend, zärtlich, lieblich, schmerzhaft-süß, zärtlich-melancholisch)
Entstehungsgeschichte
Herbst 1913: erste Ideen zu den Mozart-Variationen
28.2.1914 körperlicher und seelischer Zusammenbruch nach einer Aufführung mit Meininger Hofkapelle in Hagen.
ab 27.3.1914 vierwöchiger Sanatoriums-Aufenthalt in Meran mit befreundetem Ehepaar Stein, Beginn der näheren Beschäftigung mit den Mozart-Variationen.
Juli Entlassung bei der Meininger Hofkapelle auf eigenen Wunsch (gesundheitliche Gründe angeführt, jedoch auch Wunsch nach mehr Zeit für schöpferische Arbeit)
Juni bis Juli 1914: Sendung der Manuskripte an Verleger
Anfang September: Reger sendet nach mehreren Korrekturdurchgängen die Abzüge an Verlag zurück und erklärt sie als druckreif.
Kriegsereignisse verursachen Verzögerungen der Uraufführung.
8.1.1915 Uraufführung mit dem Wiesbadener Kurorchester
20.1.15 Aufführung in Wien
1915 Bearbeitung des Werkes für 2 Klaviere zu 4 Händen
Pastorale (Pastorella):
Von lat. pastor: „Hirte“; Bedeutung: Hirtenmusik, Hirtentanz, Schäferspiel
Vokalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts mit pastoralem Inhalt oder Charakter.
Instrumentalmusik (seit spätem 16. Jh.): selbständige Komposition oder Satz eines größeren Werkes in wiegendem 6/8 oder 12/8-Takt mit meist lieblich-heiterem Charakter. An die ländliche Hirtenmusik erinnern häufig Terzparallelen, Haltetöne und Hirteninstrumente wie Schalmeien, Oboen oder Flöten. Zunächst häufig in Weihnachtsmusiken, später auch Pastoralsinfonien wie Beethovens 6. Sinfonie.
Ursachen für Regers Zusammenbruch in Zitaten
Wie Reger alles übertreibt, so übertreibt er auch das Concertreisen. (Herzog Georg II über Reger in Popp 404)
Ich will ja brav und folgsam sein; wer aber soll mir den Arbeitsteufel austreiben? (Reger in Popp 405)
… anstatt um 12 o. 1 Uhr spätestens zu Bett zu gehen, wird es oft 3 u. 4 Uhr u. Max hat dann nur einige Stunden Schlaf. Auch das viele Rauchen, mit dem er sich die ganzen Nächte wach hält, will Dr. Fischer nicht, aber Max hört ja nicht. (Frau Else über Reger in Popp 406)
Früher starker Alkoholiker, hatte er seit etwa 2 Jahren Abstinenz geübt … War seit Jahren durch gehäufte Konzertreisen, Kompositionen etc. sehr angestrengt. In letzterer Zeit hat er wieder auf der Reise mehrfach Alkohol-Exzesse gröbster Art begangen. Nach einem solchen brach er am 1. März in Hagen zusammen und bekam äusserst heftige Rückenschmerzen, … Er war psychisch sehr erregt, hat auf der Reise ‚in fremden Betten’ Gesichtshallunzinationen mit Angstvorstellungen gehabt. …Die Diagnose lautete damals auf Lumbago (Hexenschuss), nervöse Erschöpfung, Fettsucht und fragliche Herzerweiterung. Es wurden Aufgabe aller Reisen und beruflicher Tätigkeit für ein Vierteljahr angeraten, … Kur in Martinsbrunn bei Meran. (Bericht des Arztes Prof. Roderich Stintzing nach Regers Zusammenbruch in Popp 409)
Stilistische Einordnung
Reger wirkt in einer Phase des Umbruchs vor dem 1.WK (Fin de Siècle)
musikgeschichtlich an der Schwelle von Spätromantik zur Moderne und auch stilistisch bewegt sich Reger zwischen Tradition und Innovation ⇒ “Max Reger, der konservative Modernist”; keine eindeutige Zuordnung zu Traditionalisten oder Neudeutschen möglich
Dazu Reger selbst:
„Richtung habe ich keine; ich nehme das Gute, wie es eben kommt. Und ist mir jede musikalische Parteilichkeit – Brahms contra Wagner – im Grunde höchst zuwider.“
er beschäftigte sich zum einen mit seinen Vorbildern wie Bach, Brahms, Beethoven, Mozart und Wagner und mit aus der Mode gekommenen Formen wie Chaconne, Passacaglia, Choralpartiten, Chralfantasien, Variationen und Fugen
aber auch mit historischen Formen mit seinen durchchromatisierten, dissonanzreichen Harmonik und ging dabei bis an die Grenzen der Tonalität, dabei gilt er als Vollender der chromatischen Polyphonie, in der schon Bach eine große Rolle spielte.
Hintergrundinformationen zur Mozart-Sonate
Satz Andante grazisoso Variationensatz mit sechs Variationen, Thema des Satzes ist Grundlage für Regers “Mozart-Variationen”
Satz: Menuetto
Satz: Allegrino Alla Turca, bekannt auch als “türkischer Marsch”
Nach aktuellem Forschungsstand wurde die Sonate 1783 in Wien oder Salzburg geschrieben
Im Folgejahr mit den Sonaten KV330 und 332 als Opus 6 veröffentlicht —> bildeten Mozarts Einführung als Klaviervirtuose in die Wiener Musikszene
Drucke sind zunächst für pädagogische Zwecke gedacht und wurden hauptsächlich von gebildeten Laien im privaten Rahmen
Reger und Mozart
Reger hatte in der Jugend Abneigung gegenüber Mozartsonaten, da er sie als zu einfach empfand.
Später fand ein Umdenken statt, das in folgenden Zitaten deutlich wird: „Mir ist’s absolut klar, was unserer heutigen Musik mangelt: ein Mozart!“ (Reger nach Schwalb 34)
Während des Entstehungsprozesses der Mozart-Variationen bemerkte Reger: „… denn mir ‚brennt’ die Arbeit unter dem Nagel; meine Mozartvariationen spuken gar arg; das muß eine Partitur voller Grazie werden – ohne alle Erdenschwere – ganz rein ohne irgendwelche `Ausbrüche’“ (nach Popp 416)
Auf einer Postkarte schrieb Reger 1914: „Sehen Sie Sich die Partitur meines op 132 Variationen und Fuge für Orchester über ein Thema von Mozart an! Man kann nicht immer schweren dunklen Bordeaux trinken – so ein klarer ,Mosel‘ ist doch auch sehr schön! [...] Wir brauchen nötigst viel, viel Mozart!!!“ (nach Becker 286)
Stellung des Werkes
Die Mozart-Variationen …
gehören zu den bekanntesten und am häufigsten aufgeführten Werke Regers
gehören zu den letzten sinfonischen Werken Regers
gelten als eines der reifsten Werke Regers
markieren den Beginn von Regers Spätstil
Regers Variationskunst
Variationen nahmen einen wichtigen Teil seines Schaffens ein. große Variationszyklen für Orgel, Klavier, Orchester, Choralphantasien und Variationssätze in seiner Kammermusik. Dabei verwendete er oftmals fremde Themen (von Bach, Telemann, Beethoven, Hiller und Mozart), womit er eine lange Tradition vorangegangener Komponisten aufgriff.
Fuge bei den Variationsreihen bildet das Ende aller Variationszyklen Regers.
Die Mozart-Variationen als Ergebnis der Arbeit mit der Meininger Hofkapelle
Ursprünglich hatte Reger die Mozartvariationen dem Meininger Orchester gewidmet. „Der Meininger Hofkapelle zur Erinnerung“ (siehe Partiturautograph)
„Es gibt nur ein Orchester, das ich haben möchte: Meiningen.“ (Reger über die Meininger Hofkapelle) → Das Orchester gehörte damals zu den traditionsreichsten und besten Orchestern Europas → Zusammenarbeit des Orchesters in der Vergangenheit mit bedeutenden Musikern wie Franz Liszt, Richard Wagner, Hans von Bülow, Johannes Brahms und Richard Strauss
„Ich habe ja meine Meininger Stellung … nur deshalb übernommen, um jene allerintimste Fühlung mit dem Orchester als Klangapparat zu bekommen…“ (Reger in Schwalb 104)
Susanne Popp nennt die Mozartvariationen unter anderem wegen der äußerst differenzierte Instrumentierungskunst „Quintessenz der Meininger Erfahrungen“ (Popp 414)
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