J.S. Bach: “Vom Himmel hoch, da komm ich her”
Aufbau des Werkes:
Variation I. Canone all’ottava, à 2 claviers et pédale
dreistimmig
Kontrapunktkanon (Kanon bezieht sich auf die Kontrapunktstimme)
Oktavkanon in beiden Außenstimmen (Vorausimitation der ersten bzw. letzten Choralzeile in den Takten 1ff und 13ff)
Cantus firmus liegt zwischen den beiden Kanonstimmen im Tenor (pedaliter)
Variation II: Canone alla quinta, c.f. im Pedal
Quintkanon in den beiden Oberstimmen (Vorausimitation der ersten Choralzeile in den Takten 1ff und 16ff sowie der zweiten Choralzeile in Takt 10ff)
Cantus firmus im Bass
Variation III: Canto fermo in canone
drei- und vierstimmig
Themenkanon (Kanon bezieht sich auf den Choral)
(detaillierte Analyseaspekte im Abschnitt c)
Variation IV: Canone alla settima
vierstimmig
cantabile
Septimkanon zwischen Bass und Tenor (Vorausimitation der ersten Liedzeile in den Takten 1ff, 8ff, 14ff und 20ff)
Freie, reich verzierte Altstimme
Cantus firmus im Sopran
Variation V. Canon all’ottava per augmentationem, à 2 claviers et pédale
Oktavkanon zwischen Sopran und Manualbass, Manualbass in doppelten Notenwerten
Freie Altstimme zwischen den Kanonstimmen (mit gelegentlichen Imitationsbezügen zu den Kanonstimmen)
cantus firmus im Tenor (pedaliter)
vielfältige motivische Bezugsmöglichkeiten der Kanonstimmen zum Lied
Am Schluss zweimal B-A-C-H-Motivik ( in Takt 39 im Al sowie in Takt 41 mit Auftakt im Alt als Krebs)
Einbettung des Werkes in den Stilwandel in de Musik um das Jahr 1730
mögliche Streitpunkte über die Qualität von Bachs Musik
Bach bekäme mehr Verwunderung, wenn er nicht durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge, und ihre Schönheit durch all zu Große Kunst verdunkelt
Bach stellte sich ein wenig gegen die Zeit der Musik in dem in seinem kontrapunktischen Spätwerk den eig aufgegeben Stil des Spätbarock nochmals aufgreift.
Als grundsätzliche Merkmale der Vorklassik lassen sich anführend:
Klare, einfache strukturierte Harmonik
Streben nach geschmeidiger, natürlicher Melodieführung
Verzicht auf kontrapunktische Verdichtung
Formal klare, oft periodische Gliederung von Themen
Natürlichkeit und Fasslichkeit als ästhetisches Grundideal
Analyse Variation III :
Die in der Variation III verwendeten Kanon-Techniken beziehen sich auf den Choral selbst und nicht - wie in den anderen Variationen - auf eine dem Choral gegenüberstehende Kontrapunktstimme. J.S. Bach verwendet in den Kanon-Techniken der Variation III mehrere Intervallabstände (Sexte, Terz, Sekunde, None). Zusätzlich erscheinen die verwendeten Kanons jeweils als Umkehrkanons. Der Schlussteil erreicht die höchste kontrapunktische Dichte des Werkes durch die gleichzeitige Verwendung aller vier Choralzeilen (kontrapunktiert von der diminuierten und in Umkehrung stehenden ersten Choralzeile)
Erster Abschnitt (Takte 1-14): vollständige Choralmelodie im Spiegelkanon auf der Sexte (d.h. die Folgestimme setzt auf der Sexte ein) zwischen Sopran und Alt
Zweiter Abschnitt (Takte 14-27): vollständige Choralmelodie im Spiegelkanon auf der Terz (d.h. die Folgestimme setzt auf der Terz ein) zwischen Sopran und Alt
Dritter Abschnitt (Takte 27-39): vollständige Choralmelodie im Spiegelkanon auf der Sekunde (d.h. die Folgestimme setzt auf der Sekunde ein) zwischen Bass und Tenor
Vierter Abschnitt (Takte 40 mit Auftakt – 52): vollständige Choralmelodie im Spiegelkanon auf der None (d.h. die Folgestimme setzt auf der None ein) zwischen den Außenstimmen
Fünfter Abschnitt (Takte 52-56): Abkehr von der bisherigen Kanon-Technik und Hinwendung zu größter kontrapunktischer Dichte: vierte Choralzeile im Pedal mit anschließendem Orgelpunkt, über dem Orgelpunkt alle vier Choralzeilen enggeführt und diminuiert und kontrapunktiert von der mehrfach erscheinenden, im Original befindlichen und umgekehrten sowie auf Sechzehntelnoten diminuierten und sequenzierten ersten Choralzeile.
Entstehungsgeschichte des Werks:
Bach legte das Werk im Juni 1747 bei seiner Aufnahme an der Leipziger “Societät der musikalischen Wissenschaften” als Pflichtstück vor.
Bachs Schüler Lorenz Christoph Milzer ( 1711-1778) wollte 1738 mit der Gründung sein Hauptanliegen: Die Musik völlig in die Gestalt der Wissenschaft zu bringen. Er bringt dazu mittels jährlicher einzureichender Kompositionen 20 bedeutende Komponisten (Telemann, Händel, Graun, Bach (an 14. Stelle), Leopold Mozart) zum musikalischen Gedankenaustausch. Diese Kompositionen sollen so gestaltet sein, “ das sie die Leidenschaft der Menschen errege und stille”.
Nicht bekant: Warum Bach 9 Jahre lang nicht beitrat und ob einige oder alle Sätze des Werks für diese Societät oder auch vllt aus privaten Gründen/ zur Veröffentlichung komponiert wurden.
Bach feilte bis zuletzt an seiner Drucklegung, siehe seine “Fassung letzter Hand”, wo die Anordnung der 5 Sätze nicht ganz überein spricht.
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