Wie kann man Opioide hinsichtlich des Agonismus und der Potenz unterscheiden?
Was ist die Besonderheit bei der Kombination aus Tilidin und Naloxon?
Tilidin wird in Deutschland als Kombinationspräparat mit dem antagonisierenden Naloxon verabreicht, um einen i.v. Missbrauch zu verhindern. Pharmakokinetische Erklärung: Naloxonunterliegt bei oraler Anwendung einem hohen First-Pass-Effekt und die antagonisierende Wirkung erlischt, Tilidin wird hingegen in der Leber zum aktiven Metaboliten verstoffwechselt. Wird das Präparat jedoch i.v. eingenommen, bleibt Naloxonaktiv und antagonisiert die Wirkung des Tilidins, sodass bspw. eine missbräuchlich gewünschte "berauschende" Wirkung ausbleibt und auch evtl. tödliche Nebenwirkungen (wie Atemdepression) verhindert werden können.
Was ist die analgetische Potenz?
Morphin hat den Referenzwert 1 – die relative Wirkstärke der einzelnen Opioide wird zu diesem Referenzwert in Bezug gesetzt.
Morphin < Alfentanil (x15) < Fentanyl (x100) / Remifentanil (x100) < Sufentanil (x1000)
Fentanyl: Einleitungsdosis, Wirkdauer, wichtige Fakten
Einleitungsdosis: 2-4qg/kgKG i.v.
Wirkdauer: 20-30 Min.
starke Lipophilie mit rascher Anflutung im ZNS
Kumulation bei kontinuierlicher Zufuhr
Applikation als Fentanylpflaster möglich
Remifentanil: Einleitungsdosis, Wirkdauer, wichtige Fakten
Einleitungsdosis: 0,5-1qg/kgKG i.v.
Wirkdauer: 3-4 Min.
Inaktivierung durch unspezifische Esterasen im Blut —> sehr kurzer Wirkdauer ohne Kumulation oder Überhang nach narkosen
keine Dosisanpassung bei LI/NI
Sufentanil: Einleitungsdosis, Wirkdauer, wichtige Fakten
Einleitungsdosis: 0,2-0,5qg/kgKG
Wirkdauer: 30-45 Min.
höchste analgetische Potenz
hohe Lipophilie mit geringerer Kumulation
Alfentanil: Einleitungsdosis, Wirkdauer, wichtige Fakten
Einleitungsdosis: 10-25qg/kgKGi.v.
Wirkdauer: <10 Min.
rasche Anflutung und geringe Kumulation —> gut steuerbar
Dosierungen von:
Tramadol
Piritramid
Tramadol: 50-100mg oder 100-200mg retard
Piritramid: 7,5-15mg i.v.
Morphin: i.v. 2-10mg langsam injizieren (10mg/ml verdünnen mit 9ml NaCl -> 1mg/ml)
Oxycodon: 10mg p.o. 1-0-1
Was sind nicht zentral wirksame Opioide?
Loperamid
geringe Bioverfügbarkeit (hoher First-Pass, Sezernierung ins Darmlumen)
nicht ZNS-gängig (wird duerch P-Glykoprotein wieder rausgeschleust -> hemmung durch Verapamil, dann auch zentralnervöse Symptome)
Mü-Rezeptoragonist am Plexus myentericus im Darm mit Hemmung der propulsiven Peristaltik, Erhöhugn Analsphinktertonus und Hemmung der Flüssigkeitssekretion ins Darmlumen
An welchen 3 Opioidrezeptoren wirken die Opioide?
Was sind die endogenen Liganden?
M-Opioidrezeptor MOR (mü) —> beta-Endorphine
K-Opioidrezeptor KOR (kappa) —> Dynorphin
D-Opioidrezeptor DOR (delta) —>Enkephalin
Welche Wirkungen zeigen sich durch Agonismus am MOR?
Starke Analgesie
Atemdepression
Obstipation
Miosis
Bradykardie
Starke Abhängigkeit
Euphorie
Welche Wirkungen zeigen sich durch Agonismus am KOR?
Analgesie
Dysphorie
Sedierung
Welche Wirkungen zeigen sich durch Agonismus am DOR?
Toleranz
Abhängigkeit
Welche Nebenwirkungen entstehen bei therapeutischer Dosierung?
Atemdepression → CO2↑ → respiratorische Azidose, Hirndruckanstieg
Opioid-Toleranz-Entwicklung und Opioidabhängigkeit
Orthostatische Dysregulation: RR↓
Übelkeit und Erbrechen (emetisch) (v.a. Tramal wg Serotoninfreisetzungv)
Vermehrtes Schwitzen
Juckreiz (durch Mediatorenfreisetzung)
Therapie: Naloxon oder H1-Antihistaminika
Kontraktion der glatten Muskulatur
Harnverhalt
Konstriktion des Sphincter oddi (Gallengang, am wenigsten Buprenorphin, Pethidin)
Thoraxrigidität (insb. bei schneller intravenöser Injektion hoher Dosen)
cave: Während sich im Verlauf der Opioidtherapie die Nebenwirkungen Sedierung, orthostatische Dysregulation, Übelkeit und Erbrechen bessern, ist dies bei der Obstipation nicht der Fall!
Was sind Indikationen für Opioide?
schwere Schmerzen
Notfallmedizin (Morphin)
Analgosedierung
Langzeitanalgesie bei IntensivpatientInnen
Welches Opioid wird bei Husten benutzt? Wieso ist es gefährlich?
Dihydrocodein bzw. Codein
Etwa 2% der Bevölkerung haben eine Genvariante (sog. ultraschnelle CYP2D6-Metabolisierer), die zu einer vermehrten Umwandlung von Codein zu Morphin führt. Morphin kann eine Atemdepression bewirken, die v.a. für junge Kinder sehr gefährlich sein kann. Daher ist Codein seit 2015 bei Kindern <12 J. und in der Stillzeit kontraindiziert.
Wie ist das WHO Stufenschema?
Stufe I: Nichtopioid-Analgetikum
Diclofenac
Ibuprofen
ASS
Celecoxib
Paracetamol
Metamizol
Stufe II: Nicht-Opioid-Analgetikum + niedrig-potente-Opioide
Tilidin
Dihydrocodein
Stufe III: Nicht-Opioid-Analgetikum + hoch-potente-Opioide
Morphin
Oxycodon
Fentanyl
Pethidin
Buprenorphin
(+ggf Koanalgetikum/Adjuvans)
Wie wird eine Bedarfsmedikation durchgeführt?
Unretardiertes, schnellwirksames Analgetikum bevorzugen
Bei bereits bestehender Opioidtherapie der WHO-Stufe III: Bedarfsdosis 1/6 der Opioid-Gesamttagesdosis
Bei Einsatz der Bedarfsmedikation ≥3×/d oder unzureichender Analgesie durch diese sollte die Basismedikation überprüft und ggf. eine höhere Stufe nach dem WHO-Stufenschema oder eine Dosiserhöhung der Basistherapie erwogen werden.
Was sind Koanalgetika?
Koanalgetika können in jeder Stufe des WHO-Stufenschemas als Begleitmedikation gegeben werden.
Neuropathische Schmerzen (Bspw. diabetische Neuropathie, Post-Zoster-Neuralgie)
Trizyklische Antidepressiva: Amitriptylin, Doxepin, Clomipramin, Imipramin
Antikonvulsiva: Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin
Hirndruck und Nervenkompression
Glucocorticoide
Knochenmetastasen und -schmerzen
Bisphosphonate (bspw. Pamidronat)
Was sind Adjuvanzien?
Mit Adjuvanzien wird den Nebenwirkungen der Therapie mit Analgetika sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch entgegengewirkt.
Laxantien
Antiemetika
Protonenpumpeninhibitoren
Was sind Prinzipien der Schmerztherapie?
by the mouth
by the clock
by the ladder (WHO)
Regelmäßige Schmerzskalen
NRS: numeric rating scale
VAS: visuelle Analogskala
Definiere die verschiedenen Schmerzformen:
Akut vs. chronisch
Akuter Schmerz: Reaktion, die den Organismus vor Schaden schützt
Chronischer Schmerz: Schutzfunktion des Schmerzes rückt in den Hintergrund
Zeitliche Limitation nicht absehbar
Besteht länger als drei bis zwölf Monate (je nach Definition)
Stellt ein eigenständiges Krankheitsbild dar
Zentraler vs. peripherer Schmerz
Zentraler Schmerz: Schmerz, der seinen Ursprung in einer Störung der Integrität des ZNS hat, bspw. nach Läsionen wie bei einem ischämischen Schlaganfall
Therapie: Opioide sind Mittel der Wahl. Periphere Analgetika sind weitestgehend wirkungslos
Peripherer Schmerz: Schmerz, der seinen Ursprung in einer Gewebeschädigung hat und über periphere Nervenfasern (Aδ- und C-Fasern ) übertragen wird
Therapie: Periphere Analgetika und Opioide sind wirksam
Nozizeptiver vds. neuropathischer Schmerz
Nozizeptiver Schmerz: Schmerz, der durch Reizung (chemisch, mechanisch, thermisch) von somatischen (peripheren) oder viszeralen Nervenstrukturen (Nozizeptoren) ausgelöst wird
Somatischer Schmerz: Schmerz, der vom Bewegungsapparat ausgeht und sich zunächst als kurz, hell und gut lokalisierbar darstellt (Aδ-Fasern )
Sobald dieser Schmerz abklingt, zeigt sich ein dumpfer und weniger eindeutig lokalisierbarer Schmerz (C-Fasern )
Viszeraler Schmerz: Schmerz, der von den inneren Organen ausgeht und meistens auf einer Reizung des viszeralen Blatts des Peritoneums beruht
Es handelt sich um einen dumpfen, schwer lokalisierbaren Schmerz (C-Fasern )
Neuropathischer Schmerz: Schmerz, der durch eine Läsion oder eine Dysfunktion peripherer Nerven verursacht wird
Dabei kann es bspw. durch Schädigung der Neuroglia zu spontanen Entladungen nozizeptiver Afferenzen kommen (bspw. bei neuralgiformen Schmerzsyndromen wie der Trigeminusneuralgie)
Neuropathische Schmerzen können sich ganz unterschiedlich darstellen, wobei der Schmerz häufig als brennend beschrieben wird
Wie entstehen weitergeleitete Schmerzen? Und wie manifestieren sich diese klinisch?
Anatomischer/Physiologischer Hintergrund: Viszerokutaner Reflexbogen
An denselben Neuronen des Rückenmarks enden verschiedene Schmerznervenfasern → Nervenfasern für den viszeralen Schmerz von inneren Organen konvergieren auf Höhe des Rückenmarkhinterhorns mit Nervenfasern für den somatischen Schmerz aus den verschiedenen Dermatomen → Von dort gemeinsame Weiterleitung in Richtung zentrales Nervensystem→ Strikte Zuordnung von Schmerzentstehung und Schmerzwahrnehmung geht verloren
Dieses Phänomen manifestiert sich als weitergeleiteter Schmerz („referred pain“ )
Klinik:
Übertragung von Schmerzen aus einem Organ auf ein bestimmtes, fest definiertes Hautareal (Dermatom) → Das zugehörige Areal wird als Head'sche Zone bezeichnet (Bsp. Diaphragma Dermstom C4 -> Schulter, Herz Th3-4 -> Linker Thorax)
Analog: Schmerzübertragung in die vom entsprechenden Rückenmarkssegment innervierte Muskulatur (Myotom) → MacKenzie-Zone (bspw. Schmerzen im linken Arm bei Herzinfarkt)
Weitere Phänomene der Schmerzübertragung
Gallenblase: Unter anderem sensibel vom rechten N. phrenicus (C4) versorgt → Bspw. bei CholezystolithiasisSchmerzausstrahlung in die rechte Schulter und Hyperästhesie unter dem rechten Schulterblatt/Rücken (= Boas-Zeichen)
Milz: Unter anderem sensibel vom linken N. phrenicus (C4) versorgt → Bei Milzruptur Schmerzausstrahlung in die linke Schulter (= Kehr-Zeichen) und Druckschmerz an der linken Halsseite (= Saegesser-Zeichen)
Welche Formen der Phantomsensationen gibt es? Wie werden diese behandelt?
Phantomschmerz oder Phantomempfindung (Telescoping)
Frühzeitige Regionalanästhesie: Eine perioperative Regionalanästhesie senkt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Phantomschmerzen
NMDA-Antagonisten (Hemmung der Übererregung der glutamatergen NMDA-Rezeptoren)
Koanalgetika (bspw. trizyklische Antidepressiva)
Spiegeltherapie
Welche weiteren Verfahren der Schmerztherapie gibt es?
Regionalanästhesie-Verfahren
Physikalisch: Physio, Massagen, Desensibilisierung
Psychotherapie: Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training, Biofeedback, Kognitive Verhaltenstherapie
Hypnose
Akupunktur
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