Propädeutik – Grundschule
Am Ende der Grundschulzeit...
• ...sind viele Kinder mit einfachen funktionalen Zusammenhängen vertraut...
• ...sofern sie in geläufigen Situationstypen eingebettet sind, z.B.
-Preis-Menge-Situationen-Maßstabssituationen
-einfache Umrechnungen von Größen (z.B. Tag/Stunden)
• Die Kinder verfügen dabei über mehr oder weniger an den bestimmtenKontext gebundenes Wissen und Strategien.
• Am Ende der Grundschulzeit verfügen viele Schülerinnen und Schüler überbereichsspezifische, tragfähige Strategien zur Proportionalität.
Funktionsbegriff
Der Funktionsbegriff im Mathematikunterricht
• Im Zentrum stand also zunächst nicht unbedingt der Funktionsbegriff,sondern eine eher alltagsbezogene Fähigkeit, Abhängigkeiten...
-...zu erkennen,
-...zu beschreiben (auch mit mathematischen Begriffen)
-...und zu nutzen.
• Somit: von Beginn an Fokussierung auf verschiedene Aspekte!
Grundvorstellungen zum Funktionsbegriff
1) Zuordnungscharakter
2) Änderungsverhalten- Kovariation- Gezielte Manipulation
3) Sicht als Ganzes
Zuordnungscharakter
Eine Funktion beschreibt einen Zusammenhang zwischen zwei Größen.
• Jedem Wert einer Größe A wird in eindeutiger Weise ein Wert einer Größe Bzugeordnet.
-In den Situationen, in denen A einen bestimmten Wert annimmt, nimmt B denentsprechenden zugeordneten Wert an.
-Ist A bekannt, dann kann B zu einem gewissen Grad vorausgesagt werden.
• Beispiele
-Jeder Höhe über dem Meeresspiegel wird der zu erwartende Luftdruck in dieserHöhe zugeordnet.
-Jeder natürlichen Zahl wird die Anzahl ihrer Teiler zugeordnet.
-Jeder Zahl " ∈ ℝ wird ihr Quadrat zugeordnet (" ↦ "!).
-Der Seitenlänge eines Quadrats wird der Flächeninhalt(desselben Quadrats) zugeordnet
Änderungsverhalten
Eine Funktion beschreibt, wie sich die Änderung einer Größe auf die andereauswirkt.
• Kovariation
-Ändert sich die eine Größe, dann hat das (ggf.) auch Auswirkungen auf die andere.
• Gezielte Manipulation
-Durch Änderung einer Größe kann eine gezielte Veränderung der anderen Größeerreicht werden.
-Je höher ich komme, um so niedriger wird der zu erwartende Luftdruck.
-Verdoppelt man eine ungerade Zahl, so verdoppelt sich auch die Anzahl derdazugehörigen Teiler.
-Um den Flächeninhalt eines Quadrats zu ver-k-fachen, muss man die Seitenlänge mit dem Faktor ! multiplizieren.
Sicht als Ganzes
Funktionen sind Objekte, mit denen als Ganzes operiert werden kann.
• Funktionen als Modelle zur Beschreibung realer Zusammenhänge
• Veränderung an einer Funktion (z.B. Strecken, Verschiebung, Ableiten)entspricht anderem Blick auf die Situation (z.B. andere Maßeinheiten,veränderter Referenzpunkt, Blick auf Änderungsrate)
• Globale Eigenschaften einer Funktion (Additivität,Proportionalitätseigenschaft,...)
• Typen funktionaler Zusammenhänge
Umwelterschließung
Umwelterschließung und Modellierung
Mathematische Funktionen werden genutzt, um funktionaleZusammenhänge aus dem Alltag oder innerhalb der Mathematik zumodellieren.
concept definition
Fachlicher Begriffsumfang
Formale Begriffsdefinition
allgemein akzeptierte Bedeutung des Konzepts
concept image
...that is, the set of all themental pictures associated inthe student's mind with theconcept name, together with allthe properties characterizingthem. (By mental picture wemean any kind of representation – picture, symbolic form,diagram, graph, etc.)
individuelle mentale Repräsentation des Konzepts
Externale Repräsentationen von Funktionen
• Funktionsgraph (graphisch)
- statisch: als Abbildung
- dynamisch: Darstellung mit entsprechender Software
• Funktionsterm
- sofern es einen solchen gibt
• Wertetabelle
- Darstellung nur teilweise möglich (endlich viele Werte)
• Episodisch
- Beschreibung eines Kontextes, den die Funktion modellieren könnte
Darstellungen
Funktion
Konzeptuelles Wissen
Konzeptuelles Wissen zu mathematischen Konzepten und Operationenbesteht zu einem substanziellen Teil darin, flexibel in wechselnden Repräsentationen (mental und external) verarbeiten zukönnen.
à Fähigkeit zum intermodalen Transfer als wesentlicher Teil von Begriffsverständnis.
• Konzeptuelles Wissen zu mathematischen Konzepten und Operationenentsteht auch ganz wesentlich dadurch,dass strukturelle Beziehungen zwischen verschiedenen Darstellungen analysiert,erkannt und beschrieben werden.
à Beziehungen zwischen verschiedenen Darstellungen erkennen als Lernprinzip.
EIS-Prinzip
• Bruner unterscheidet drei „Ebenen von Repräsentationen“
- Enaktive Repräsentationen: in einer Handlung, konkret, haptisch
- Ikonische Repräsentationen: in Diagrammen, bildlich, visuell
- Symbolische Repräsentationen: in einem mathematischen Symbolsystem
• Das EIS-Prinzip besagt...
- ...dass das Verständnis mathematischer Konzepte damit einhergeht,sie auf verschiedenen Ebenen darstellen zu können
- ...und flexibel zwischen verschiedenen Darstellungsebenenfür ein mathematisches Konzept wechseln zu können.
Fähigkeit Repräsentationswechsel
• Externale Repräsentationen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Darstellungsform (s.Prinzip des intermodalen Transfers)...
• ...sondern auch in Bezug auf die Struktur der enthaltenen Informationen, also auch in...
- ...anwendbaren Operationen (z.B. Steigungen bilden, Verschiebungen, Streckungen)...
- ...Möglichkeiten zum Ablesen/Beschreiben von Eigenschaften (z.B. Monotonie, Existenz vonAsymptoten)...
• Verschiedene Darstellungen einer Funktion ineinander überführenz.B. Tabelle à Graph, Tabelle à Term,...
• Bedeutung von Eigenschaftsbegriffen, Relationsbegriffen und Operationen in denverschiedenen Repräsentationen aufeinander beziehen
Prototypische Vorstellungen
• Um Konzepte in Anforderungssituationen wieder zuerkennen, nutzen wir prototypische Vorstellungen zudiesen Konzepten.
- Wir denken an eine „typische Funktion“.
- z.B. lineare Funktionen, monotone Funktionen,...
• Zu tragfähigem begrifflichen Wissen gehören ausreichend ausgeschärfte und flexibleprototypische Vorstellungen...
- ...nicht jede Funktion ist stetig/linear/auf einem Intervall definiert.
- ...nicht jede monoton (steigende) Funktion ist linear.
- ...nicht jede Funktion hat einen (grafisch darstellbaren) Funktionsgraphen.
- ...nicht jede Funktion kann durch einen Funktionsterm beschrieben werden.
- ...nicht jede stetige Funktion ist differenzierbar.
Problembereiche
• Graph-als-Bild-Fehler
• Interval-Point-Confusion (Slope-Height-Confusion)
-Fokussierung auf den Zuordnungsaspekt, anstelle des Kovariationsaspekts (Betrachtung konkreter Werte anstatt Änderung dieser Werte im Intervall (lokale Steigung))
• Fehlende Beziehungen zwischen Repräsentationen (Fehlende Beziehungen z.B. zw. Graph und Term)
• Eingeschränkte prototypische Vorstellungen
- Eingeschränktes concept image
- Nur teilweise konsistent mit typischen realen funktionalen Zusammenhängen (z.B. Stetigkeit)
- Beispiele siehe oben
- Auch bei bekannter Definition des Funktionsbegriffs (concept definition)
• Rolle von zeit(un)abhängigen Funktionen
- Häufig bessere Leistungen bei funktionalen Zusammenhängen, die zeitliche Abläufe beschreiben,als bei funktionalen Zusammenhängen, die den Zusammenhang nicht-zeitlicher Größenbeschreiben.
• Funktionale Zusammenhänge und Kausalität
- Zusammenhänge werden nur akzeptiert, wenn eine vermittelnde kausale Verbindung (z.B. einvermittelnder Mechanismus) bekannt ist (z.B. Gewicht eines Haustiers und notwendigeNahrungsmenge).
- Korrelative Abhängigkeiten werden nicht akzeptiert (z.B. Gewicht eines Haustiers und zuerwartende Lebensdauer).
Weitere Problembereiche
• Correspondence Misconception
- Nur bijektive (1-zu-1-Zuordnungen) werden als Graphen akzeptiert.
• Diskrete und kontinuierliche Graphen/Funktionen
• Probleme mit dem Variablenkonzept
• Probleme mit formalen Aspekten
- Verständnis kartesischer Koordinatensysteme (Graphen)
- Spezifischer: Interpretation derSkalierung der Achsen, Nullpunkt,...
Prävention
-Bei zeitabhängigen Funktionen muss nur eine Variable in ihrer zeitlichen Entwicklung gesehenwerden.
-Eingeschränkte prototypische Vorstellungen aufgrund einseitiger Thematisierung zeitabhängiger Zusammenhänge.
-Erarbeitung von nicht bijektiven Zuordnungen
- Unterscheidung von one-to-many und many-to-one correspondences
-Lernende stellen diskrete Funktionen durch kontinuierliche Graphen dar.
-Lernende haben Probleme mit kontinuierlichen Funktionen als Modelle für diskreteZusammenhänge.
Zusammenfassung – Problembereiche
• Probleme beim flexiblen Repräsentationswechsel
- Verständnis von Eigenschaften und Operationen
- Nutzung zum Problemlösen
• Einseitig formalisiertes Begriffsverständnis
- Starke Fokussierung auf den Zuordnungsaspekt
- Zu starke, oberflächliche Orientierung an formalen Notationen
- Gute technische Fertigkeiten und Probleme bei komplexeren Problemen
- Vermischung von Begriffen: Kurven, Funktionsgraphen, Funktionsterm, Funktionsgleichung,Funktion, Funktionswert,...
• Eingeschränkter Begriffsumfang
- Eingeengte Variablenvorstellungen/Grundvorstellungen zu Funktionen
- Einengung von Funktion auf „durch Terme beschreibbar“
- Einengung auf „exakte“ Beschreibung der Umwelt
- Einengung auf einen kleinen Bereich funktionaler Zusammenhänge
Implikationen
• Thematisierung unterschiedlicher Repräsentationen
- Anregen von Repräsentationswechseln
- Begriffe und Operationen in unterschiedlichen Repräsentationen
- Nutzung verschiedener Repräsentationen beim Problemlösen(adaptive choice of representations)
• Vorbeugung einseitig formalisierter Vorstellungen
- Verständnisorientierte Fundierung des Funktionsbegriffs
- Übungen zur Sicherung von technischen Fertigkeiten und Thematisierung der Bedeutung inunterschiedlichen Repräsentationen (z.B. Graph, Sachsituationen)
- Fachvokabular sparsam einführen- Nutzung „standardisierten“ Vokabulars gemeinsam mit alternativen Beschreibungen („y-Wert“, aber auch: „Funktionswert“, „abhängige Variable“,...)
- Potential des Funktionsbegriffs herausarbeiten
- Verfrühte Formalisierung ohne zugrundeliegende Fragestellung vermeiden
Weitere Implikationen
• Erweiterung des Begriffsumfangs von Anfang an
- Andere Funktionstypen zur Kontrastierung immer wieder einflechten
- Variation von AnforderungenNicht alle Aufgaben im Mathematikunterricht müssen sich auf das gerade behandelte Konzeptbeziehen.(à Oberflächenstrategien bei der Aufgabenbearbeitung)
- Kumulativen Aufbau des Funktionsbegriffs beachten (Spiralprinzip)
o Konkrete funktionale Zusammenhänge in der Grundschule, Geometrie,...
o Terme als Werkzeug zur Beschreibung von Zusammenhängen durch Rechenoperationen
o Funktionsbegriff zur Modellierung beliebiger Zusammenhänge, Graphen
o Detailliertere Betrachtung einzelner Funktionstypen,Werkzeuge zur Analyse spezifischer Funktionstypen
o Werkzeuge zur Analyse großer Klassen von Funktionen (Differentialrechnung)
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