Theorien der EPsy

Theorien der Epsy: Die Anfänge

• Präformationslehre (bis ins 19. Jahrhundert)

  • Das Kind als kleiner, fertig geformter Erwachsener

  • Kindheit keine eigenständige Entwicklungsphase

  • Daher auch keine Theorien zur Entwicklung

• Philosoph John Locke (1632-1704)

  • Vorläufer des Behaviorismus: Der Mensch kommt als unbeschriebenes Blatt auf die Welt („tabula rasa“)

  • Das Kind wird durch seine Umwelt bestimmt

  • Wichtigkeit der Erziehung

  • -> freundliches, aber passives Menschenbild, keine Mitbestimmung

Philosoph Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)

• Neue Theorie von Kindheit

• Annahme von einer Entwicklung in Stufen

• das Kind ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern bringt Anlage mit > „Reifung“

• Entwicklung ist in bestimmten Grenzen mitbestimmbar

Philosophen Johannes Nikolaus Tetens (1736-1807), Friedrich August Carus (1770-1807) und Adolphe Quetelet (1796-1874)

• Machten auf die Entwicklung über die Lebensspanne aufmerksam

• Entwicklung sollte auch im Erwachsenenalter betrachtet werden

• -> menschliche Entwicklung war eher Thema der Philosophie

Charles Darwin (1809-1882)

• Begründer der Evolutionstheorie, die weitere Theorien zur menschlichen Entwicklung beeinflusste

Stanley Hall (1844-1924) & Arnold Gesell (1880-1961)

• Bauten auf Darwin auf

• Theorie zur Entwicklung als Reifung

• Betonten die Notwendigkeit der Forschung an großen Stichproben, um Entwicklungsverläufe abzubilden

Theorien der EPsy ab dem 20. Jhd.

• Der psychoanalytische Ansatz

• Der lerntheoretische Ansatz

• Der kognitive Ansatz

• Der humanistische Ansatz

• Der kontextuelle Ansatz

• Der Entwicklungsaufgaben-Ansatz

• Der physiologische Ansatz

• Der evolutionäre Ansatz

Der psychoanalytische Ansatz

• Kernannahmen:

  • Der Mensch durchläuft eine Reihe von Stadien, in denen der mit Konflikten konfrontiert ist

  • Konflikte entstehen aus dem Spannungsverhältnis von Umwelt und biologischen Trieben

  • Gelöste Konflikte bestimmen die Persönlichkeit und den Umgang mit sich selbst und anderen

• Klassische Vertreter:

  • Sigmund Freud (1856-1939) / Alfred Adler (1870-1937) / Carl Gustav Jung (1875-1961)

• Sigmund Freud (1856-1939)

  • Entwickelte seine Theorie aus der Arbeit mit seinen Patienten

  • Drei-Instanzen-Modell

  • Psychosexuelle Entwicklungsstufen bis zum Jugendalter

• In welcher Reihenfolge entwickeln sich die drei Instanzen?

  • Es > Ich > Über-Ich

    • solange es keine Gegenregulation gibt, können die Triebe sich “ausleben”

  • Ich = Kommunikator mit der Umwelt

  • Über-ich -> es kommt zu Konflikten, sobald entwickelt

In welchen Phasen entwickeln sich die Instanzen?

• 1. Es > ist von Beginn an da, Triebe

• 2. Ich > kommt in oraler / analer Phase dazu

• 3. Über-Ich > phallische Phase & Latenzphase

> In der 3. Phase beginnen die Instanzen miteinander zu interagieren

> Zunahme von Bewusstheit und Kontrolle

Freuds psychosexuelle Entwicklungsstufen:

• induktives Vorgehen -> Top-Down Prozesse?

• nach Freud: Entwicklung geht nur bis ins Jugendalter

• in den Stufen geht es immer um eine gewisse Art von Sexualität

  • 3. Stufe kritischer Punkt -> da alle Instanzen da sind

Erik Homburger Erikson (1902-1994)

• Psychosoziale Entwicklungstheorie auf Grundlage der Theorie von Freud

• Das Ich hat nicht nur vermittelnde Rolle zwischen Es und Über-Ich, es leistet einen positiven Beitrag zur Entwicklung des Menschen

• Auf jeder Entwicklungsstufe werden Fertigkeiten erworben, die den Menschen zu einem aktiven Mitglied der Gesellschaft machen

  • wenn Entwicklungsaufgabe gelöst, dann nächste Stufe

• Lebensspannenperspektive!

Der lerntheoretische Ansatz

Kernannahmen des Behaviorismus

• Beobachtbare Ereignisse stehen im Fokus!

• Der Mensch als unbeschriebenes Blatt entwickelt sich durch den Einfluss der Erziehung

• Klassische und operante Konditionierung

• Vertreter

  • Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936)

  • John Broadus Watson (1887-1958)

    • Emotionen können konditioniert werden -> kleiner Albert

  • Burrhus Frederic Skinner (1904-1990)

    • Ratten / Tauben -> operante Konditionierung -> Belohnung + Bestrafung

• Aus dem Behaviorismus entstand die soziale Lerntheorie, die erklären sollte, wie Menschen neue Verhaltensweisen lernen

• Vertreter: Albert Bandura (1925-2021)

  • Modelllernen / Beobachtungslernen

  • Anfangs: Motivation ein Verhalten nachzuahmen entsteht durch Verstärkungsprozesse

  • Heute stärkere Betonung der Beteiligung der kognitiven Anteile, daher sozial-kognitive Lerntheorie

    • Wir lernen u.a. durch Beobachtung von Belohnung / Bestrafung von anderen

    • Aber Kognition für eigenständige Entscheidung spielt auch eine Rolle

• Aktive Rolle des Individuums!

  • Man ist den Reizen nicht einfach ausgesetzt, sondern Kognition!!

Der kognitive Ansatz

• Jean Piaget (1896-1980) (kein Psychologe, sondern Biologe)

  • Arbeiten entstanden in den 30er Jahren, aber wurden erst in den 60 / 70er Jahren wahrgenommen

  • Widerspruch zum Behaviorismus

  • Kinder konstruieren ihr Wissen selbst, indem sie aktiv auf ihre Umwelt einwirken, sie erkunden und in ihrem Bewusstsein abbilden

• Entwicklung geschieht durch den Wechsel zweier Prozesse

  • Assimilation: Einordnung anhand vorhandener Schemata

  • Akkommodation: Anpassung der vorhandenen Schemata nach wahrgenommener Diskrepanz

  • Akkommodation wird notwendig, wenn Assimilation nicht gelingt

• Angestrebter Zustand ist ein Äquilibrium (= ausgeglichener Zustand)

  • Gleichgewicht zwischen innerer Struktur und Information aus der Umwelt > Disäquilibrium soll aufgehoben werden

  • Folge: Anpassung an Umwelt

• Piaget hat viele verschiedene Versuche gemacht, um zu gucken, wie sich Denken von Kindern entwickelt

Stufentheorie

-> Wie verändern und verfeinern sich Prozesse, damit wir mit dem Alter immer besser „denken“ können?  (Informationsverarbeitungsmodelle -> aktueller)

Informationsverarbeitungsansätze:

• Menschlicher Verstand ist ein System, durch das Informationen fließen und in dem Symbole organisiert werden

• Vollziehen mentaler Operationen, Problemlösen

• Aktives Denken im Vordergrund

• Unterschied zu Piaget: keine Entwicklung in Stufen > kontinuierliche Veränderung und Verfeinerung von kognitiven Prozessen

-> daraus entstanden: Kognitive Neuroentwicklungswissenschaften

Der humanistische Ansatz

• Humanistische Theorien sind in erster Linie eher Persönlichkeitstheorien, es wurden jedoch auch Entwicklungsmechanismen formuliert

• Klassische Vertreter:

  • Charlotte Bühler (1893-1974)

  • Abraham Maslow (1908-1970)

  • Carl Rogers (1902-1987)

• Kernannahmen:

  • Autonomie des Individuums

  • Streben nach Selbstverwirklichung, Ganzheit, Freiheit, Gleichberechtigung und Würde

  • Bedeutung der Subjektivität

• Beispielannahmen Carl Rogers:

  • Der Mensch entwickelt sich unter geeigneten Bedingungen von selbst

  • Entwicklung ist positiv (auf etwas Besseres) ausgerichtet

  • Entwicklung geschieht lebenslang

Der kontextuelle Ansatz

• Beziehen den Entwicklungskontext des Individuums stärker mit ein

  • Z.B. soziale Beziehungen, kulturelle Aspekte

• Hervorgetan haben sich insbesondere zwei Theorien

  • Ökologische Systemtheorie von Bronfenbrenner

  • Soziokulturelle Entwicklungstheorie von Wygotski

Ökologische Systemtheorie von Urie Bronfenbrenner (1917-2005)

• Das Individuum entwickelt sich in einem komplexen System von Beziehungen in seiner Umwelt

• Verschiedene Systeme:

  • Mikrosystem: Beziehungen in der unmittelbaren Umgebung

  • Mesosystem: Wechselwirkungen zwischen den Mikrosystemen

  • Exosystem: soziale Rahmenbedingungen, die das Individuum beeinflussen

  • Makrosystem: kulturelle Werte, Gesetze, Gebräuche, Normen

  • Chronosystem: zeitliche Einordnung

Soziokulturelle Entwicklungstheorie von Lew Wygotski (1896-1934)

• Berücksichtigung kultureller Einflüsse auf die Entwicklung und soziale Interaktionen

• Kognitive Entwicklung ist ein gesellschaftlich vermittelter Prozess

Der Entwicklungsaufgaben-Ansatz

• Entwicklung als Aufgabe:

  • Erster Versuch: Robert James Havighurst (1900-1991)

  • Menschen sind mit normativen Entwicklungsaufgaben konfrontiert

  • Verschiedene Entwicklungsaufgaben über die Lebensspanne: biologische, soziale und selbstgesetzte

  • Stufenmodell (1948/1972): erfolgreiche Bewältigung ist für die weitere Entwicklung wichtig

  • Bei Freud /Erickson schon kennengelernt

Entwicklungsaufgaben nach Havighurst:

Entwicklung durch kritische Lebensereignisse / Anforderungs-Bewältigungs-Theorien

• Nicht nur Umgang mit normativen Entwicklungsaufgaben

• Umgang mit kritischen / negativen Lebensereignissen treibt Entwicklung an

• Normative und non-normative Ereignisse / Coping / Bewältigung

• Passend dazu: Das Anforderungs-Bewältigungs-Modell von Lazarus & Folkman (1984)

Lebensspannenansätze / EPsy der Lebensspanne

• Das Individuum ist Produzent seiner eigenen Entwicklung (Lerner, 1982)

• Entwicklung geschieht bewusst und intentional, wir setzen uns (Entwicklungs-)Ziele und steuern somit unsere eigene Entwicklung

• Entwicklung ist ein lebenslanger, plastischer Prozess

• Vertreter: z.B. Paul Baltes (1939-2006)

Der physiologische Ansatz

• Physiologisch inspirierte entwicklungspsychologische Ansätze

  • Gehirnentwicklung rückt hier in den Fokus

  • Wie stehen Entwicklung des Gehirns mit dem Erleben und Verhalten in Verbindung?

• z.B. “Was passiert im Gehirn, wenn ich Perspektivwechsel lerne?”

Der evolutionäre Ansatz

Evolutionäre Entwicklungspsychologie

• Beschäftigt sich mit dem adaptiven Nutzen von altersbedingten Veränderungen

• Versucht Erleben und Verhalten durch Erkenntnisse über die Evolution zu erklären

• Beispiele:

  • Warum haben Menschen eine lange Kindheit?

  • Warum werden wir so alt?

  • Warum spielen Kinder?

  • Warum gibt es alte Menschen? – welchen adaptiven Vorteil gibt es?