Was umfasst Straftäterbehandlung?
Was sind Probleme in der Forschung von Straftäterbehandlungen?
Keine Definiton im Strafvollzugsgesetz
Palette an Maßnahmen, die von versch. Fachkräften umgesetzt werden:
Vollzugsöffnende Maßnahmen (z.B. Verlegung in offenen Vollzug, Urlaub, Freigang),
Ausbildungs- und Arbeitsmaßnahmen (schulische & berufliche Qualifikationen),
Zuweisung zu Wohngruppen,
Sozialtherapie,
Therapie-, Trainings-, Beratungsmaßnahmen (z.B. Krisenintervention, Schuldnerberatung)
Forschungsprobleme
es gelten die gleichen Herausforderung wie bei Forschung zur Legalbewährung von Strafvollzug
Literatur jedoch umfangreicher, weil nicht alle Behandlungsmaßnahmen durch rechtliche Anordnung zugewiesen werden --> erleichtert Kontrollgruppenfund
Behandlungsmaßnahmen sind (v.a. auch bei sozialtherapeutischen Einrichtungen) oft nicht einheitlich und somit schwer miteinander zu vergleichen --> erschwert Interpretation des Befunds
Ergebnisse aus Deutschland zur Sozialtherapie
+ Herausforderungen der Forschung zur Sozialtherapie
Sozialtherapie = intensive interdisziplinäre Behandlung in sozialtherapeutischer Anstalt
Meta-Analyse (Lösel) --> n=11 (10 davon Quasi, 1 Experiment)--> d=.12, also 12% geringeres Rückfallrisiko der Gruppe in sozialtherapeutischer Behandlung im Vergleich zur Gruppe aus dem Regelvollzug
12% erscheinen wenig im Vergleich zu anderen Psychotherapie-Effektstärken
ABER: Anderes Behandlungssetting, konservatives Kriterium (Rückfall ja oder nein), oft weniger Therapiemotivation, therapeutische Beziehung kann schwierig sein, weil BehandlerInnen auch Entscheidungsträger sein können (Rollenkonflikt), auch 12% haben großen Effekt (weniger Opfer, monetäre Einsparung)
Ortmann; Ziehten; Bussmann und Richter
Ortman: Nullbefund, da Effektgröße nicht signifikant (max. .08)
Bussmann Richter: Rückfall bei abgeschlossener Sozialtherapie kam später
Herausforderungen der Forschung mit der Sozialtherapie
Änderung Strafvollzugsgesetz 2003 --> SexualstraftäterInnen müssen unter bestimmten Bedingungen immer in Sozialtherapie verlegt werden --> Problem: Geeignete Kontrollgruppe durch gesetzliche Zuweisung
SexualstraftäterInnen sind überwiegend in Sozialtherapie --> haben generell niedrige Rückfallraten --> erschwert Wirkungsnachweis, wenn Rückfallrate eh niedrig
Behandlungsmaßnahmen zw. sozialtherapeutischen Einrichtungen generell nur mangelhaft vergleichbar
Ergebnisse aus Deutschland zu anderen Behandlungsmaßnahmen
- Anti-Aggressivitäts-Training, Anti-Gewalt Training, Soziales Training in sensu (alles Nullbefunde)
- Wohngruppe vs. Normalvollzug (Schweikhart und Thomas)
38% Rückfallwahrscheinlichkeit Wohnheim vs. 58% Rückfallwahrscheinlichkeit Normalvollzug.
Problem: Bedingungen des Wohngruppenvollzugs wurden nicht genannt --> keine Aussage über Wirkmechanismen
- Keine deutschen Studien zur Wirkung schulischer und beruflicher Qualifikation --> Dabei hohe Bedeutung der Maßnahmen im deutschen Übergangsmanagement
Internationaler Forschungsstand Behandlungsmaßnahmen (Ambulant vs. Strafvollzug) + Einschränkung der Ergebnisse
--> Sehr heterogen (positive, iatrogene Effekte & Nullbefunde)
Meta Analyse (Beaudry): Effekt psychologische Interventionen bei Jugendlichen & Erwachsenen Inhaftierten
k= 29 RCT; Kriterium= Rückfall
Alle 29: OR 0.72 --> Wirksamkeit der Behandlungen
Nur Studien mit n >50 (k=14): OR=.87 mit KI das 1 einschließt --> Wirksamkeit kann nicht bestätigt werden
Also wenn die Studien mehr Personen einschließen, ist der Effekt geringer (denn OR von 1 bedeutet kein Effekt) Wenn sie eine OR von 2 hätten, würden die behandelten doppelt so oft rückfällig werden. Aber die OR liegt ja unter 1 daher werden sie weniger rückfällig. Wenn die Anzahl der Personen in den Studien jedoch steigt, nähert sich die OR aber 1 an, was bedeutet, dass mehr Personen rückfällig werden. -> Wir brauchen bessere Studien.
Weitere Analysen der Meta-Analyse:
2 Studien zeigen Wirksamkeit der Teilnahme an "Therapeutic-community-programm" = Therapeutisches Wohngruppenprogramm im Rahmen einer Haftstrafe
Fazit Studie: Psychologische Behandlungsmaßnahmen in Haft nicht effektiv, solange sie nicht an ambulante Maßnahmen anknüpfen (Übergangsmanagement) --> Wenn in Haft vorbereitend auf die ambulante Therapie hingearbeitet wird, können sich Effekte finden
Deckt sich mit vielen Befunden: Ambulante Behandlungen effektiver als Behandlung im stationären Setting
-> Weil sie sich besser in den Alltag integrieren können. Sie können es direkt im Alltag anwenden, bei Haft ist der Cut einfach sehr stark.
Metaanalyse von Schmucker & Lösel --> statistisch signifikanter Effekt von ambulanten Behandlungen aber kein Effekt für Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug
Metaanalyse (Bonta & Andrews)
größerer Effekt von ambulanten Maßnahmen, aber auch Effekt von .17 von Maßnahmen im Strafvollzug
Einschränkung:
Studien vergleichen nie dieselben Behandlungen in unterschiedlichen Kontexten, sondern oft unterschiedliche Behandlungen versch. Kontexten --> Studien über den Einfluss des Kontext auf Behandlungen fehlen
Daher nur Spekulation über besseres Abschneiden der ambulanten Maßnahmen möglich
Anderes Setting im JVA-Umfeld: Weniger Freiwilligkeit, weniger Therapiemotivation, Stressoren (Freiheitsentzug, Deprivation, Subkulturen, Viktimisierung, weniger prosoziale Kontakten) --> könnte Behandlungseffekte in Haft deckeln
Personen in Haft unterscheiden sich von ambulanten Personen (z.B. mehr antisoziale Merkmale, weniger Veränderungsmotivation, oft schwerer zu behandeln)
Internationaler Forschungsstand zu schulischen und beruflichen Qualifikationsmaßnahmen
Moderate Effekte (Metaanylse Wilson)
Moderate Effekte zu erwarten, da nur an einem Risikofaktor angesetzte wird und idealerweise mehrere Risiken zu berücksichtigen sind
Vermittlung einer kompatiblen Arbeitsstelle nach Entlassung besonders wichtig
Behandlungsmaßnahmen Fazit (zur Studienlage)
Uneinheitliche Befundlage v.a. auch in Abhängigkeit der Studienqualität
Verbüßung der Haftstrafe allein nicht abschreckend & nicht rückfallreduzierend (Netto-Wirkung Haftstrafe= 0 o. negativ)
Strafvollzugsbehandlungsmaßnahmen weniger wirksam als ambulante Maßnahmen, Wohngruppenprogramme, Qualifizierungsmaßnahmen
Wirksamkeit von Behandlungsmaßnahmen im Vollzug wahrscheinlich v.a. bei RNR-Prinzip
Differenzierte Forschung nötig, nicht nur Haupteffektuntersuchungen (auch Personenmerkmale, Situationsmerkmale, Behandlungsprogramme miteinbeziehen)
Ebf. fraglich Übertragbarkeit angloamerikanischer Ergebnisse auf deutschsprachigen Raum
RNR-Prinzipien (Bonta & Andrews)
Was ist es? Kritik/ Einschränkung
Wirksamkeitskatalog
RNR --> Bei welchem Täter (Risk), sollen welche Behandlungsziele (Need) mit welchen Methoden (Responsitivity) verfolgt werden
Risk (Risikoprinzip)
Behandlung kann bei Personen mit niedrigem Risiko schädlich sein (durch Durchmischung mit rückfallgefährdeten Tätern)
Unklare Befundlage bzgl. Täter mir höherem Rückfallrisiko = mehr Behandlung --> Frage nach Dosierung der Behandlung in Abhängigkeit von Rückfallrisiko nicht ausreichend geklärt
Need (Bedürfnisprinzip)
Behandlung soll individuelle kriminogene Risiko- und Schutzfaktoren berücksichtigen, also Bedingungen innerhalb der Person und ihrer Situation
Responsitivity (Ansprechbarkeitsprinzip)
Die ausgewählten Methoden sollen sich nach dem Lernstil, der Therapiemotivation, der Intelligenz usw. der Person richten (--> kognitiv-behavioraler Therapiehintergund)
Personen da abholen wo sie stehen (z.B. bei geringer Therapiemotivation erstmal Motivation aufbauen; weniger Intelligenz = weniger anspruchsvolle Behandlung)
RNR-Ansatz ist keine konkrete Interventionsmethode, sondern ein Modellrahmen für Behandlungen --> sollte bei empirischen Fragen berücksichtigt werden
Fazit: Wirksamkeit ist komplex, v.a. weil RNR keine konkrete Intervention mit spezifischem Manual --> Forschung muss differenzierter ablaufen
Empirische Bewährung:
Es zeigt sich, dass Behandlungsmaßnahmen nach RNR-Prinzip größere Effekte aufweisen
v.a. Need und Responsitivity empirisch belegt, Risk ist uneinheitlich
Aber auch Metaanalysen, die keinen Effekt für kognitiv-behaviorale Therapie finden (Responsitivity)
Wirkfaktorkatalog effektiver Behandlungen aus Studienergebnisse zum RNR-Modell. Maßnahmen sind dann besonders wirksam wenn:
Sie eine Grundlage zu sozialen Lerntheorien haben, strukturierte & detaillierte Konzepte sind
Hohe Implementationsqualität (angemessene Konzeptumsetzung)
Gut ausgebildetes Personal + Supervision
Positives, unterstützendes intentionelles Klima
Regelmäßige Risikodiagnostik + Behandlungsverlaufserhebung
Nicht nur Gruppen-, auch Einzeltherapie
Angemessene Entlassvorbereitung und Maßnahmen der Nachsorge (Übergangsmanagement)
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