Was bedeutet Geschlechtsdysphorie?
Geschlechtsdysphorie...
...beschreibt die als belastend erlebte Nichtidentifikation mit dem eigenen Zuweisungsgeschlecht, verbunden mit dem Wunsch, die Rolle des anderen Geschlechts teilweise oder vollständig anzunehmen.
Unterscheide bitte zwischen “Geschlecht und Gender”.
Geschlecht
• Biologische Merkmale werden zur Unterscheidung von männlich und weiblich herangezogen
• Innere und äußere Genitalien, Geschlechtschromosomen, Sexualhormone
Gender
• Psychosoziales Geschlecht, Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle
• Individuelle Identifikation einer Person, unabhängig des Zuweisungsgeschlechtes
Ursprünglich zur Benennung bei Personen mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen (z.B. bei Intersexualität)
Die Identität einer Person kann im Widerspruch zu ihren Geschlechtsmerkmalen stehen
Gender kann Geschlechtsidentitäten beschreiben, die über die stereotype Dichotomisierung männlich/weiblich hinausgehen
Ordne diese Begriffe bitte ein: Intersexualität, Zuweisungsgeschlecht, Transgender, Transsexuell.
Intersexualität (auch: Variation der Geschlechtsentwicklung)
− Geschlechtsdifferenzierende Merkmale des Körpers wie äußere Geschlechtsorgane, Chromosomen oder Hormone entsprechen nicht eindeutig demselben Geschlecht
(Richter-Appelt, 2007)
Zuweisungsgeschlecht
− Nach der Geburt bestimmtes Geschlecht (männlich/weiblich) aufgrund der primären Geschlechtsmerkmale (APA, 2018, S. 619-620)
Transgender
− Vorübergehende oder dauerhafte Identifikation mit einem Gender, das nicht dem Zuweisungsgeschlecht entspricht (APA, 2018, S. 619-620)
Transsexuell
− Anstreben oder Vollziehen einer Geschlechtsangleichung (APA, 2018, S. 620)
Seit 2018 in Deutschland „divers“ als Eintrag im Geburtenregister möglich.
Ordne diese Begriffe bitte ein: Geschlechtsangleichung, Geschlechtsidentität, nichtbinäre Geschlechtsidentität.
Geschlechtsangleichung
− Medizinische und sozialrechtliche Maßnahmen zur Angleichung an die Geschlechtsidentität (APA, 2018, S. 620)
Geschlechtsidentität
− Individuelle Identifikation einer Person als männlich, weiblich oder eine andere Kategorie (APA, 2018, S. 620)
− cis Gender: Übereinstimmung von Geschlechtsidentität mit Zuweisungsgeschlecht
Nichtbinäre Geschlechtsidentität
− Sammelbezeichnung von Geschlechtsidentitäten, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich identifizieren
In was wird der Begriff “Nichtbinäre Geschlechtsidentität” eingeteilt?
− genderfluid: flexible Geschlechtsidentität
− bigender: Identifikation mit männlichem und weiblichem Geschlecht
− pangender: Identifikation mit allen Geschlechtern ohne Festlegung
− agender: Identifikation mit keinem Geschlecht, bzw. Ablehnung einer Geschlechtsidentität
Klassifikation, Diagnostik und Differentialdiagnostik: Gebe einen kurzen Überblick: Klassifikation nach ICD-10, ICD-11 und DSM-5!
Nenne und beschreibe die Diagnosekriterien nach ICD-10 für Transsexualismus (F64.0).
Diagnosekriterien nach ICD-10 Transsexualismus (F64.0)
A Die Betroffenen haben den Wunsch, als Angehörige des anderen Geschlechts zu leben und als solche akzeptiert zu werden, in der Regel verbunden mit dem Wunsch, den eigenen Körper durch chirurgische und hormonelle Behandlungen dem bevorzugten Geschlecht soweit als möglich anzugleichen.
B Die transsexuelle Identität besteht andauernd seit mindestens zwei Jahren.
C Der Transsexualismus ist nicht Symptom einer anderen psychischen Erkrankung, wie z.B.
einer Schizophrenie und geht nicht mit einer Chromosomenaberration einher.
Beschreibe die Diagnosekriterien nach ICD-10 Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechterrollen (F64.1).
A Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts (cross-dressing), um sich vorübergehend dem anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen.
B Fehlen einer sexuellen Motivation für das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechtes.
C Kein Wunsch nach Geschlechtsumwandlung.
Nenne und beschreibe die Diagnosekriterien nach ICD-10 Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters (F64.2). (Bei Mädchen)
Diagnosekriterien bei Mädchen
A Andauerndes intensives Leiden daran, ein Mädchen zu sein, und unerklärter Wunsch, ein Junge zu sein (nicht begründet mit kulturellen Vorteilen für Jungen).
Oder das Mädchen besteht darauf, bereits ein Junge zu sein. B Entweder 1 oder 2:
Anhaltende deutliche Aversion gegen üblicherweise weibliche Kleidung und Bestehen auf typisch männliche Kleidung, z.B. männlicher Unterwäsche und anderer Accessoires
Anhaltende Ablehnung weiblicher anatomischer Strukturen, die sich in mindestens einem der folgenden Merkmale äußert:
a) Behauptung, einen Penis zu besitzen, oder dass ein Penis wachsen wird
b) Ablehnung, im Sitzen zu urinieren
c) Versicherung, keine Brüste bekommen oder nicht menstruieren zu wollen
C Das Mädchen hat bis jetzt nicht die Pubertät erreicht.
D Die Störung muss mindestens sechs Monate vorliegen.
Nenne und beschreibe die Diagnosekriterien nach ICD-10 Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters (F64.2). (Bei Jungen)
Diagnosekriterien bei Jungen
A Anhaltendes intensives Leiden darunter, ein Junge zu sein sowie intensiver Wunsch oder – seltener – Behauptung, bereits ein Mädchen zu sein.
B Entweder 1 oder 2:
Beschäftigung mit typisch weiblichen Aktivitäten, z.B. Tragen weiblicher Kleidungsstücke oder Nachahmung der weiblichen Erscheinung und Ablehnung von typisch männlichem Spielzeug, Spielen und Aktivitäten
Anhaltende Ablehnung männlicher anatomischer Strukturen, die sich durch mindestens eine der folgenden wiederholten Behauptungen äußert:
a) Dass er zu einer Frau heranwachsen wird (nicht nur in eine weibliche Rolle)
b) Dass sein Penis und seine Hoden ekelhaft sind oder verschwinden werden
c) Dass es besser wäre, keinen Penis oder Hoden zu haben
C Der Junge hat bis jetzt nicht die Pubertät erreicht.
Diagnose im DSM-5: Was ist bedeutsam in der Diagnosestellung?
Bedeutsam in der Diagnosestellung: Diskrepanz zwischen Zuweisungsgeschlecht und Gender muss ein klinisch bedeutsames Leiden aufseiten der betroffenen Person auslösen
Nenne und beschreibe Diagnosekriterien nach DSM-5 für die Geschlechtsdysphorie bei Kindern. (A)
A Eine seit mindestens 6 Monaten bestehende ausgeprägte Diskrepanz zwischen Gender und Zuweisungsgeschlecht Mindestens sechs der folgenden (von denen eines Kriterium A1 sein muss):
Ausgeprägtes Verlangen oder Insistieren, dem anderen Geschlecht (oder einem alternativen Gender, das sich vom Zuweisungsgeschlecht unterscheidet) anzugehören
Bei Kindern mit männlichem Zuweisungsgeschlecht: ausgeprägte Vorliebe, sich weiblich zu kleiden und zu schminken; bei Kindern mit weiblichem Zuweisungsgeschlecht: ausgeprägte Vorliebe für ausschließlich typisch maskuline Kleidung und großer Widerstand, typisch feminine Kleidung zu tragen
Ausgeprägte Vorliebe dafür, in Rollen- und Fantasiespielen gegengeschlechtliche Rollen einzunehmen
Ausgeprägte Vorliebe für Spielzeug, Spiele oder Aktivitäten, mit denen sich Kinder des anderen Geschlechts typischerweise beschäftigen
Ausgeprägte Vorliebe für Spielgefährten des anderen Geschlechts
Bei Kindern mit männlichem Zuweisungsgeschlecht: ausgeprägte Ablehnung typisch jungenhafter Spiele, Spielzeug und Aktivitäten und ausgeprägte Vermeidung von Raufen und Balgen; bei Kindern mit weiblichem Zuweisungsgeschlecht: ausgeprägte Ablehnung typisch mädchenhafter Spiele, Spielzeug und Freizeitaktivitäten
Ausgeprägte Ablehnung der eigenen primären Geschlechtsmerkmale
Ausgeprägtes Verlangen nach den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen im
Einklang mit dem erlebten Gender
Beschreibe und nenne die Diagnosekriterien nach DSM-5 Geschlechtsdysphorie bei Kindern (B)
B Klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Bestimme, ob: Mit einer Variation bzw. Störung der Geschlechtsentwicklung (z.B. ein adrenogenitales Syndrom)
Codierhinweis: Wenn zutreffend, sowohl die Variation bzw. Störung der Geschlechtsentwicklung als auch die Geschlechtsdysphorie zu codieren
Beschreibe und nenne Diagnosekriterien nach DSM-5 für die Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen u.
Erwachsenen. (A)
A Eine seit mindestens 6 Monaten bestehende ausgeprägte Diskrepanz zwischen Gender und Zuweisungsgeschlecht Mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt:
Ausgeprägte Diskrepanz zwischen Gender und den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen
Verlangen, primäre und/oder sekundäre Geschlechtsmerkmale loszuwerden (J: zu verhindern)
Verlangen nach den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen des anderen Geschlechts
Ausgeprägtes Verlangen oder Insistieren, dem anderen Geschlecht* anzugehören
Ausgeprägtes Verlangen danach, wie das andere Geschlecht* behandelt zu werden
Ausgeprägte Überzeugung, die typischen Gefühle und Reaktionsweisen des anderen Geschlechts* aufzuweisen
*oder einem alternativen Gender, das sich vom Zuweisungsgeschlecht unterscheidet
Erwachsenen. (B)
Bestimme, ob:
Mit einer Variation bzw. Störung der Geschlechtsentwicklung (z.B. ein adrenogenitales Syndrom)
Nach der Geschlechtsangleichung:
Person lebt vollständig in der gewünschten Geschlechtsrolle (mit oder ohne gesetzliche Anerkennung) und
Hat sich mind. 1 geschlechtsangleichenden Behandlungsmaßnahme unterzogen (oder bereitet diese vor):
Hormonbehandlung und/oder OP
Was sind Neuerung im ICD-11?
Diagnose Geschlechtsdysphorie im Kapitel „Conditions related to sexual health“ und nicht im Kapitel Verhaltensstörungen
• Entpathologisierung der Transidentität
Dennoch: keine Streichung der Geschlechtsdysphorie als Diagnose, um Kostenübernahme bei geschlechtsangleichenden Maßnahmen rechtfertigen zu können
Nenne die Differenzialdiagnostik bei Geschlechtsdysphorie.
• Geschlechtsrollen-Nichtkonformität
Transvestitische Störung
Körperdysmorphe Störung
Schizophrenie und andere psychotische Störungen
Nenne Komorbiditäten bei Geschlechtsdysphorie.
Bei Kindern, die sich in der Klinik vorstellen:
Erhöhtes Maß an emotionalen und Verhaltensprobleme (nehmen im Laufe der Kindheit zu)
Störung des Sozialverhaltens
Störung der Impulskontrolle
Autismus-Spektrum-Störung
Sowohl bei Kindern, aber auch bei Jugendlichen oder Erwachsenen
Angststörungen
Depressive Störungen
Sozialer Rückzug
Essstörungen
Suizidalität
Was sind mögliche Folgen der Geschlechtsdysphorie bei Kindern?
Bei Kindern:
Einschränkung der täglichen Aktivitäten durch vermehrte Gedanken an gegen- geschlechtliche Wünsche
Erfolglose Versuche, Beziehung zu Gleichaltrigen mit dem gleichen Zuweisungs-geschlecht aufzubauen: Isolation von Peergroups und resultierender Leidensdruck
Schulabsentismus aus Angst vor Mobbing und dem Druck, sich dem Zuweisungs-geschlecht entsprechend zu kleiden
Was sind mögliche Folgen der Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen und Erwachsenen?
Bei Jugendlichen und Erwachsenen
Beeinträchtigte Leistungsfähigkeit in Schule oder Arbeit
Schwierigkeiten in (sexuellen) Beziehungen
Negatives Selbstbild durch Stigmatisierung, Diskriminierung und Opfererfahrungen
Erhöhte Wahrscheinlichkeit für Komorbiditäten, Schulabbruch, Arbeitslosigkeit
Wie sieht die Epidemiologie-Lage bei Geschlechtsdysphorie aus?
Epidemiologie
Wenig konsistente Studienlage
Prävalenzraten laut DSM-5:
Erwachsene mit männlichem Zuweisungsgeschlecht: zwischen 0,005% und 0,014%
Erwachsene mit weiblichem Zuweisungsgeschlecht: zwischen 0,002% und 0,003%
Vermutung, dass Prävalenzraten deutlich höher sind (Zucker & Lawrence, 2009)
Steigende Anzahl an Individuen, die sich mit Geschlechtsdysphorie in Kliniken vorstellen (Zucker, 2017, 2019)
• Warum ist das so?
▪ Geschlechterverteilung: mehr Personen mit männlichem Zuweisungsgeschlecht
Unterschiede zwischen zwei Verlaufstypen!
▪ Geschlechtsdysphorie mit frühem Beginn
− Beginn in der Kindheit, setzt sich bis ins Jugend- und Erwachsenenalter fort
− Remission im Jugendalter möglich
▪ Geschlechtsdysphorie mit spätem Beginn
− Beginn mit ersten Veränderungen in der Pubertät oder später
− Erinnerungen an den Wunsch in der Kindheit, einem anderen Geschlecht anzugehören, möglich (wurden aber nicht geäußert)
Beschreibe die Grafik “Anzahl an Kindern/Jugendlichen, die aufgrund von Geschlechtsdysphorie Hilfe suchen (UK)”:
Zahlen von 2009-2016
Gelb weibliche mit Zuweisungsgeschlecht
grau männliches Zuweisungsgeschlecht
orange female children
blau male children
Die Vorstellung in Behandlungszentren korreliert mit … des Themas Geschlechtsdysphorie? Mit was ?
Vorstellung in Behandlungszentren korreliert mit Medienpräsenz des Themas Geschlechtsdysphorie
Rechtliche Aspekte: Gesetze zum Ausdruck der Geschlechtsidentität: Wo gibt es zum Beispiel “No legal identity change”?
Abbildung F. 36: Rechtliche Aspekte: Anerkennung nicht-binärer Geschlechtsidentität (weiss nicht was ich gerade fragen soll)
Rechtliche Aspekte: Kriminalisierung von TG/GD Personen: Wo findet Kriminalisierung statt?
Wie ist in Deutschland die Aktuelle rechtliche Lage?
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
• Ziel: „Benachteiligung aus Gründen [...] des Geschlechts [...] oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“
„Transsexuellengesetz“ (1980)
Gesetz über die Änderung von Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit
Voraussetzungen für Änderung von Name oder Geschlecht
Mind. 3 Jahre bestehender Drang nach Verwirklichung des erlebten Geschlechts
Gutachten von 2 unabhängigen Sachverständigen erforderlich
Wahrscheinlichkeit, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden nicht erneut ändert, muss gegeben sein
Nenne Grundlagen zum “Selbstbestimmungsgesetz”.
Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll für transgeschlechtliche sowie nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen einheitlich geregelt werden (vorher 2 Gesetze)
Änderung von Geschlechtseintrag und Namen für Volljährige durch Erklärung möglich
Minderjährige ab 14 Jahren können Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten
abgeben
Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben.
Nach Änderung Sperrfrist für 1 Jahr
Stand: 05/2023: Referent:innen-Entwurf veröffentlicht
Ätiologie: Wie sieht es aus mit ätiologischen Modellen zur Geschlechtsdysphorie?
Nenne ätiologische Aspekte (Drei Ebenen des Geschlechtsbegriffs).
Drei Ebenen des Geschlechterbegriffs:
Somatische Ebene (umfasst auch neben den Genitalien auch anatomische,
chromosomale, gonadologische, morphologische und endokrinologische Faktoren)
Psychische Ebene
Soziale Ebene
Auf allen Ebenen können männliche und weibliche Anteile gemischt sein, beeinflussen sich gegenseitig im lebenslangen Prozess der Identitätsbildung
Geschlechtliche Vielfalt als Variante einer normalen und gesunden Entwicklung
(Drittes) Geschlecht in verschiedenen kulturellen Kontexten: Wie sieht die kulturelle Verbreitung aus?
•Dritte (und ggf. zusätzliche) Geschlechter sind weltweit in vielen Kulturen verbreitet
Großteil der weltweiten Transphobie und binärgeschlechtlichen Auffassung lässt sich möglicherweise über Kolonialisierung durch abrahamitische Religionen und daraus folgende Verdrängung bestehender Kulturen erklären
• z.B. durch Britische Kolonialisierung und Ausbreitung der Sharia in Afrika und Südasien (Chiam et al., 2020) sowie Evangelisierung Südamerikas durch Spanisches Königreich (Stephen, 2002)
Was ist “Hijra”?
Üblicherweise AMAB (assigned male at birth) oder intersexuelle Personen, die sich als transgender oder mit einem dritten Geschlecht identifizieren (Arvind et al. 2021)
Anhänger:innen der Hindu-Göttin Bachura Mata
Wichtige religiöse Funktion: ihnen wird Fähigkeit nachgesagt, sich selbst und andere mit Glück und Fruchtbarkeit zu segnen
Leben oft gemeinsam in Hijra-Gemeinden
werden oft von der Gesellschaft ausgeschlossen bzw.
Verlassen Gemeinschaft, um sich und Familie zu schützen
• Haupteinnahmequellen: Betteln, Makeup-Kunst und Sexarbeit
Was ist mit “Two-Spirit” gemeint?
Sammelbegriff für Native Americans, die sowohl traditionell männliche als auch weibliche Charakteristika zeigen (Indian Health Services, o.D.)
Meistens nicht als (Trans-) Männer oder Frauen angesehen, sondern als zusätzliches Geschlecht
Nicht lediglich eine sexuelle, spirituelle oder Geschlechtsidentität oder soziale Rolle, sondern eine umfassende intersektionale Identität (them., 2018)
Erfüllen traditionelle Rollen aller Geschlechter sowie eigene Funktionen
• z.B. als Heiler*innen, Schaman*innen oder Zeremonienleiter*innen
• Ihnen wird besonderes Glück in der Liebe nachgesagt, mit dem sie andere ebenfalls segnen können
Interventionen: Was sind Grundhaltungen der Behandlung?
Behandlung - Grundhaltungen
Zwei unterschiedliche Positionen zu Geschlechtsdysphorie:
Frühzeitige Behandlung
-> ab 12. Lj. Gabe von Luteinisierendes-Hormon-Releasing-Hormon(LHRH)-Analoga
->hemmen Pubertätsentwicklung
Späte Behandlung
Behandlungsphasen nach den Standards of Care der World Professional Association for
Transgender Health:
1. Diagnostische Phase
2. Phase der Rollenauslebung im Alltag und hormonelle Behandlung
3. Optional: chirurgische Phase
Was ist zu “medizinischen Interventionen” zu nennen? In was wird aufgeteilt?
• Reversibel:
• (Fast) vollständig reversibel: Pubertätssuppression mit LHRH-Analoga
• Teilweise reversibel: Einsatz von gegengeschlechtlichen Hormonen
Frau-zu-Mann-Transgenderjugendliche: Gabe von Testosteron (->tiefere Stimme, zunehmende Muskelmasse und Wachstum; irreversibel: Stimmveränderungen, Klitoriswachstum und Fettumverteilung)
Mann-zu-Frau-Transgenderjugendliche: Gabe von Östrogen (-> Brust- und Hüftentwicklung) und Antiandrogen (>abnehmende Behaarung)
Irreversibel: Chirurgische Eingriffe
• Mastektomien oder Brustvergrößerungen
Wie sieht die Leitlinienempfehlung bei Geschlechtsdysphorie aus? (Ziele der Behandlung und Empfehlungen)
• Ziele der Behandlung: Reduktion der Geschlechtsinkongruenz und des mit der Geschlechtsinkongruenz einhergehenden Leidensdrucks, der Geschlechtsdysphorie
• Empfehlungen
Diagnostik: umfassende Anamneseerhebung (psychosexuelle Entwicklung, Dauer der Geschlechtsinkongruenz, Sozialanamnese, biographische und medizinische Anamnese, psychischer Befund)
Komorbiditäten:
• Psychotische Störungen zuerst behandeln, andere komorbide Störungen parallel behandeln
Psychotherapie
Einsatz zur Minderung der Geschlechtsdysphorie sinnvoll
Sollte keine Voraussetzung für körpermodifizierende Behandlungen zur Unterstützung einer
Transition sein
Alltagserfahrungen
Sinnvoll und empfehlenswert
Stellen keine notwendige Voraussetzung für den Beginn körpermodifizierender Behandlungen
Wie sieht die Behandlung im Rahmen der Sozialrechtlichen Aspekte aus?
▪ Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Maßnahmen nur nach sozialmedizinischer Begutachtung durch MDK (medizinischer Dienst der Krankenkassen) möglich
− Argumentation: irreversibler medizinischer Eingriff in den gesunden Körper als „ultima ratio“
▪ Voraussetzung für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung:
Valide Diagnosestellung eines „Transsexualismus“ gemäß ICD-10 (F64.0)
Feststellung eines krankheitswertigen Leidensdrucks (durch Psychiater:in oder Psychotherapeut:in)
Leidensdruck konnte durch psychiatrische und psychotherapeutische Mittel nicht ausreichend gelindert werden
▪ Resultierende Maßgaben:
1. Durchführung einer Psychotherapie (mind. 25 Sitzungen über 6 Monate)
2. Therapeutisch begleitete Alltagserfahrung der Betroffenen im empfundenen Geschlecht über ausreichend langen Zeitraum (i.d.R. mind. 1 Jahr)
Geben ein Überblick/ Fazit. Was hast du heute gelernt?
▪ Die Diagnose Geschlechtsdysphorie stellt den durch die erlebte Diskrepanz zwischen Zuweisungsgeschlecht und wahrgenommenem Geschlecht entstehenden Leidensdruck in den Vordergrund.
▪ In den letzten Jahren ist die Anzahl an Individuen, die sich mit Geschlechtsdysphorie in Kliniken vorstellen, rapide gestiegen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
▪ Es gibt kein einheitliches ätiologisches Modell der Geschlechtsdysphorie.
▪ Die Behandlung kann früh oder spät beginnen. Man unterscheidet drei Behandlungsphasen(diagnostische Phase, Phase der Alltagserfahrung und hormonelle Behandlung, optionale chirurgische Phase).
▪ Aktuell stehen die Empfehlungen der S3-Leitlinie in Diskrepanz zu den sozialrechtlichen Maßgaben der Begutachtung des Medizinischen Dienstes
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