Gegenwartsgesellschaft
Was ist Moderne?
Etablierung von Dualismus —> “Wir sind nie modern gewesen“
Wie entsteht die moderne Gesellschaft?
Die Moderne entsteht in der Renaissance durch die Einführung von Differenzen und die Trennung von Subjekt und Objekt, Natur und Kultur
->Seit der Aufklärung in Differenzen gedacht—>Etablierung von Dualismus
Diese Differenzen lassen sich nicht trennscharf analysieren/realisieren
Ausgangspunkt
Kritik an einer dualistisch verfassten Welt und der Absehung des gemeinsamen Werdens
Entwurf einer Akteur-Network-Theory
—>sind keine Individuen, sondern eingebetet in Netzwerken auch mit Objekten, Bakterien, Handys…
Ziel: Auflösung der Vorstellung der Asymmetrie von Menschen und Dingen
Menschen beherrschen nicht einfach
z.B. Smartphones beherrschen uns, Maschinen üben Einfluss auf uns aus und sind Teil unseres Lebens
Dinge sind nicht einfach neutral
Dinge machen etwas mit uns und machen ein Unterschied
Typisch für die Moderne: Dichotomien (Leib/Seele; Natur/Kultur; Subjekt/Objekt). Diese Dichotomien werden in den Alltagspraktiken aber nur unzulänglich realisiert; die Leitdifferenz der Moderne lässt sich nicht aufrecht erhalten („Wir sind nie modern gewesen“)
—>Begründung der Actor-Network-Theory: Alles und alle sind Teil von Netzwerken, ohne die sie nicht existieren; dabei sind Dinge und Ideen genau so wichtig für die Herstellung der Situation wie menschloche Akteure
—>Menschliche Akteure existieren nicht aus sich selbst heraus, soziale Aktivitäten müssen daher eher beschrieben als erklärt werden (Außerkraftsetzung des Kausal-Prinzips)
Actor-Networks
Die ANT nimmt an, dass das Soziale aus einem Netzwerk besteht, an dem nicht nur Menschen beteiligt sind —> Assoziation zwischen heterogenen Entitäten
Viele Phänomene fügen sich nicht der modernen Trennung von Natur & Kultur
Dabei geht es nicht darum, dass und ob etwas existiert, sondern darum, wie es existiert —> Phänomene entstehen in Beziehungsgeflechten
ANT analysiert material-semiotisch: Verbindungen sind ebenso materiell (—> zwischen Dingen) als auch semiotisch (—> zwischen Konzepten)
Wie etwas wird, hängt von den daran beteiligten heterogenen Einheiten ab
Forschungsfrage: Wie entsteht ein Ganzes? Wie wird es stabilisiert? Wie erscheint es als Einheit?
These: Akteure und Gegenstände tragen SYMMETRISCH zu Phänomenen bei
Der Hotelschlüssel: Der Beitrag der Dinge —>Beispiel
Welchen Beitrag leisten Gegenstände dazu, dass etwas so passiert, wie es passiert?
Beispiel Hotelschlüssel:
Oft vergessen Hotelgäste, bei der Abfahrt ihren Hotelschlüssel abzugeben.
Dieses Problem kann auf unterschiedliche Weise behoben werden:
Systematisches Nachfrage des Hotelpersonals (geht ebenfalls oft vergessen)
Schild aufstellen (wird oft übersehen)
Unförmiges Objekt an den Schlüssel hängen, damit dieser schwer wird und auf sich aufmerksam macht (bevorzugte Lösung)
—>Bevorzugte Lösung scheint effizienter zu sein, weil Hotelschlüssel macht auf sich aufmerksam und bringt sich durch schweres Objekt am Anhänger in das Bewusstsein des Menschen->unförmiges Objekt macht einen Unterschied
—>Dinge sind nicht nur neutral—>Schlüssel will abgebenen werden—>wir passen unser Verhalten an das Gegenstand an
—>Gegenstände machen uns aus: Kein Fahrradfaher ohne Fahrrad; keine Laborassistentin ohne Labor
Aktanten und Netzwerke
Unterschiedliche Beiträge unterschiedlicher Aktanten stabilisieren relative und situative Formen von Assemblagen
Assemblagen = Assoziationen von Handlungsketten
Die Elemente einer Assemblage sind symmetrisch
Assemblagen enden und können zu anderen Netzwerken werden („Zimmer reinigen“)
Beteiligt:
Aktanten —> MACHEN einen Unterschied im Fortlauf der Dinge; Aktanten sind diejenigen
Aktanten sind gleichermaßen Produkt und Produzent der Stabilisierungen einer Assemblage
Aktanten wirken auf einander ein —> Übersetzung im Sinne von Veränderungen, Ersetzungen, Verschiebungen
„was einen Unterschied macht“ —> Erweiterter Handlungsbegriff
Subjektiv gemeinter Sinn nicht das was Handlung ausmacht, sondern alles was ein Unterschied macht
Verschiebungen
Assemblagen eröffnen neue Ziele, Wege, Intentionen. Durch die Assemblage werden Ziele, Wege, Intentionen möglich, die den einzelnen Elementen nicht offen stünden
Unterbrechung —> Gegenstand eröffnet neue Möglichkeiten
Zusammensetzung —> Manipulation ermöglicht erst die schlussendliche Verfolgung des ursprünglichen Ziels
Zusammenfaltung von Zeit und Raum —> Blackboxing
Überspringen von Zeichen und Dingen —> Schaffung neuer Identitäten
Assemblagen übersetzen, indem sie verschieben:
Verschiebung —> Objekte verschieben Bedeutungen und Praktiken von einem Kontext in den anderen
Delokation —> dadurch werden Bedeutungen und Praktiken örtlich und zeitlich deloziert
Vereinseitung —> Dinge werden zu den Trägern der Bedeutungen und Praktiken
Delegation —> damit kann selektiv vergessen werden
Effekte
Dingen kommt eine besondere Rolle zu:
Sie stabilisieren, sie machen Historie sichtbar, sie „blackboxen“ auch
(lassen uns vergessen wie sich entstanden sind)
Stabilisierung: Während Praxen des Sozialen immer wieder vollzogen werden müssen, sind Materialitäten stabil und da verweisen auf ihre Bedeutung
Rahmung: Materialitäten schließen die Kluft zwischen „Gestern“ und „Heute“, zwischen der Entstehungsgeschichte und der aktuellen Nutzung
Blackboxing: Stabilen Netzwerken sieht man den Prozess der Stabilisierung nicht mehr an – sie werden in „schwarzen Kisten“ versteckt —> Aktanten sind von Netzwerken /Assemblagen nicht mehr zu trennen (Blackboxing verschiebt Aufmerksamkeit)
Was ist neu?
Zeitlichkeit:
Dinge schließen die Kluft zwischen ihrer Herstellung und ihrer Nutzung, sie halten den historischen Rahmen aktuell
Symmetrie:
Menschen und Dingen wird die gleiche Einflusskraft zugesprochen —> Dinge = „faire-faire“ (etwas machend machen)
Kausalität:
Assemblagen sind keine Kausalzusammenhänge, sie sind Assoziationen
(P) Sehr weiter, entkernter Handlungsbegriff, Kausalitäten lösen sich auf, es kann nicht mehr zwischen Zielorientierung und Zufall unterschieden wierden
ANT ist keine Soziologie der Objekte.
„Die scheinbar vernünftige Trennung zwischen dem Materiellen und dem Sozialen verdunkelt jede Untersuchung darüber, wie kollektives Handeln möglich ist“ (Latour 2007: 129)
Handlungen sind keine singulären Entitäten, sondern Effekte tendenziell instabiler und sich laufend transformierender Assemblagen
Strukturen sind keine Figurationen, sondern umkämpfte und unbeständige Stabilisierungen instabiler Handlungsnetze
Auch die Möglichkeit, ein handelnder Akteur zu sein, ist damit Effekt der Handlungsbeiträge heterogener Elemente
Technik und Dinge und das Soziale interagieren und weisen einander Eigenschaften und Handlungspotentiale zu
Unterscheidungen in menschlich/nicht-menschlich, Natur/Kultur, modern/vormodern, Subjekt/Objekt, Unveränderlichkeit/Geschichte müssen aufgehoben werden
Forschungsfragen: Was wie eine Struktur aussieht, muss dahingehend befragt werden, woher es kommt, was es strukturierend macht und mit welchen Mitteln es sichergestellt w
Vorgehen: In der Zeit zurückgehen, Aussagen, Maschinen, Artikel de-konstruieren —> dann sieht man den Punkt, an dem eine (wissenschaftliche) Entdeckung eine andere Richtung hätte nehmen können (Kontingenz)
Latour in der Badewanne
Bruno Latour *1947
Vorreiter für eine neue Theorie, neue Theorie noch nicht ganz abgehandelt und widersprüchlich
1947 geboren in Beaune
Studium der Philosophie und Anthropologie
1975 Promotion an der Universität Tours (Theologie)
Militärdienst in Abidjan, Algerien
1979 „Laboratory Life“ Feldforschung über die Arbeit der Biochemie
1982 Professur für Soziologie an der Ècole Nationale Supérieure des Mines Paris
1987 Habilitation
1987 ”Science in Action” Grundlegung der Actor-Network-Theory
2002 und 2005 Kurator-Tätigkeit im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie
2008 Siegfried-Unseld-Preis in Frankfurt
2013 Holberg-Preis in Norwegen
2015 Albertus-Magnus-Professur in Köln
Zusammenfassung Latour
Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT)
—>soz. Phänomene als komplexe Netzwerke von menschl und nicht-menschlichen Akteuren, die miteinander im Beziehung stehen
—>soz. Realtät durch die Interakion und Verbindung dieser Akteure entsteht
Schlüsselkonzept “Symmetrie“
—>menschliche Akteure und nicht-menschl. Entitäten wie z.B. Technologen oder Institution, gleichwertig betrachtet werden
—>symmetrische Analyse bei der menschl. und nicht-menschl. Akteure gleichermaßen berücksichtigt werden, um ein umfassenderes Verständnis soz. Phänomene zu erreichen
Begriff “soziale Konstruktion“ neu interpretiert
—>Anstatt soz. Konstruktionen als reine Produkte von Diskursen und Symbolen zu betrachten, betont er die materiellen und technischen Elemente, die an der Konstruktion sozialer Realität beteiligt sind
—>Latour argumentiert, dass soz. Konstruktionen nicht nur von menschl. Vorstellungen abhängigen sondern auch von nicht-menschlichen Faktoren wie Technologie, Infrastruktur und Materialität beeinflusst werden
Konzept “wissenschaftlichen Tatsachen“
—>kritisiert die Vorstellung, dass wiss. Fakten objektiv und neutral sind und betont stattdessen, dass Fakten durch komplexxe Netzwerke von Wissenschaftlern, Technologien
—>Latour argumentiert, dass wiss. Fakten nicht unabh. von soz. Prozessen und Interessen betrachtet werden können
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