Was ist das physiologische Korrelat des Schmerzes?
Das physiologische Korrelat des Schmerzes ist die Nozizeption
Diese beschreibt das sinnesphysiologische und psychische Erleben im Zusammenhang mit potenziell gewebeschädigenden Reizen
Was umfasst die Nozizeption?
Die Nozizeption umfasst …
… die Aktivität des schmerzleitenden Systems mit seinen Rezeptoren (Nozizeptoren),
die Weiterleitung des Schmerzes durch die Nervenfasern mit Umschaltung auf Rückenmarksebene sowie
die zentrale Verarbeitung des Reizes in den subkortikalen und kortikalen Projektionsgebieten
Was sind Nozizeptoren und wo findet man diese?
Eine freie Nervenendigung, die als Schmerzfaser der Schmerzvermittlung dient, wird als Nozizeptor bezeichnet
Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen und wirken als Sinneszellen für die Empfindung Schmerz
Sie finden sich in allen Körpergeweben außer der Leber und dem Gehirn
Die Aktivierung erfüllt somit die Schutzfunktion des Schmerzes
Welche versch Nozizeptoren gibt es?
Es gibt mechanosensible, thermosensible und chemosensible Nozizeptoren
Mechanosensible Rezeptoren werden durch extrem hohe Deformation und Druck extremer Intensität angeregt
Thermosensible Nozizeptoren reagieren auf extreme Temperaturen (> 45°C, < 5°C), die die Schmerzschwelle über- oder unterschreiten
Chemosensible Nozizeptoren werden durch chemische Substanzen angeregt, die gewebeschädigend sein können (Noxen) oder bei Verletzung aus Zellen austreten
Wie werden Nozizeptoren aktiviert?
Die Nozizeptoren tragen Bindungsstellen auf ihrer Oberfläche, über die sie aktiviert werden
Zu diesen zählen Ionenkanäle (wie TRP-Kanäle, „transient receptor potential channels“) und G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR)
Je nach Rezeptortyp werden diese durch schädigende Substanzen (Chemikalien), schädigende Temperaturen, übermäßigen mechanischen Druck oder Immunmodulatoren (Bradykinin, Histamin, Zytokine) stimuliert
Was bindet an thermosensiblen Nozizeptoren und was wird dadurch verursacht?
Wie misst man die Empfindung?
An thermosensible Nozizeptoren binden auch Reizstoffe, die ein brennendes Gefühl vermitteln
So aktiviert Capsaicin aus der Chilischote und scharfem Pfeffer den Kationenkanal TRPV1 („transient receptor potential vanilloid 1“), der an der Hitzeempfindung beteiligt ist
Es verursacht ein brennendes Gefühl auf der Schleimhaut
Die Stärke der Empfindung kann anhand der Scoville-Skala bestimmt werden
Auch bei mangelnder Durchblutung und verminderter Sauerstoffversorgung im Muskel kommt es zu Schmerz, der durch Reizung von chemosensiblen Nozizeptoren durch die Ansäuerung im Muskelgewebe verursacht wird
Welche physiologischen Transmitter und Mediatoren sind an der Vermittlung der Schmerzsignale beteiligt?
Verschiedenste physiologische Transmitter und Mediatoren sind an der Vermittlung der Schmerzsignale beteiligt
Nozizeptiv wirken u. a.
ATP
Bradykinin
Glutamat/Aspartat
Prostaglandin
Substanz P.
Antinozizeptiv wirken u. a.
β-Endorphin
Enkephalin
GABA
Serotonin
Somatostatin
Vasopressin
Diese können die Reaktion auf die eigentliche Noxe beeinflussen
Wie nennt man die verstärkende und hemmende Modulation der Nozizeptoren?
Die verstärkende Modulation der Nozizeptoren nennt man Sensibilisierung (manchmal auch Sensitivierung genannt)
die hemmende Modulation Desensibilisierung (Desensitivierung)
Inwiefern stehen Immunsystem und Schmerz im Zusammenhang?
Immunsystem und Schmerz stehen aufgrund eines Netzwerks verschiedener Mediatoren im Zusammenhang
So reichern sich in einer Entzündungsreaktion u. a. Bradykinin, Prostaglandin E2, Histamin und die Substanz P an, die zur Sensibilisierung und deutlich gesteigerten Empfindlichkeit von entzündetem Gewebe für Berührungsreize führen (Hyperalgesie)
Gleichzeitig werden auch schmerzhemmende Prozesse im Entzündungsumfeld in Gang gebracht, indem vermehrt Opioidrezeptoren auf den beteiligten Nervenfasern gebildet werden
An diese können endogene Opioide (z. B. Endorphine) oder
exogene Opioide (z. B. Morphium) binden und analgetisch wirken
Welche hemmenden Mechanismen werden in der Schmerztherapie genutzt?
Die hemmenden Mechanismen werden in der Schmerztherapie ausgenützt
So lässt sich die Sensibilisierung der Nozizeptoren verringern, etwa durch
Hemmung der Prostaglandinsynthese mittels Cyclooxigenaseinhibitoren (beispielsweise Acetylsalicylsäure in Aspirin)
durch Kälte (Kältespray) oder
durch Lokalanästhetika, die spannungsgesteuerte Natriumkanäle blockieren
Der Einsatz der Noxe Capsaicin zur lokalen Schmerzlinderung bei Neuralgien basiert auf dem Effekt, dass eine Dauerstimulation zur Unempfindlichkeit führt
Was für Sinneszellen sind Nozizeptoren?
Nozizeptoren sind primäre Sinneszellen, bei denen die Reizenergie direkt in ein Aktionspotenzial umgewandelt wird, das an das zentrale Nervensystem weitergeleitet wird
Wo befinden sich die meisten Nozizeptoren?
Die meisten Nozizeptoren an Gelenken, Muskeln und der Haut werden von polymodalen C-Fasern gebildet, die verschiedenste Rezeptoren besitzen und so auf mechanische, chemische und thermische Reize reagieren
Diese langsam leitenden C-Fasern vermitteln die Schmerzqualität „brennend, dumpf und von langer Dauer“
Welche Nozizeptoren treten seltener auf?
Seltener treten unimodale Nozizeptoren auf, die nur auf eine Reizart (z. B. mechanische Reize mit sehr hoher Intensität) reagieren und von Aδ-Fasern (A delta) gebildet werden
Diese mittelschnell leitenden Aδ-Fasern leiten Schmerz der Qualität „scharf, lokalisierbar und von kurzer Dauer“
Sie sind u. a. an Schutzreflexen beteiligt und befinden sich besonders dort, wo Schmerzen als besonders stark empfunden werden, wie in der Haut, an der Zahnwurzel und an der Hornhaut des Auges
Welche Arten von Schmerz lassen sich bei einem Nadelstich unterscheiden?
Bei einem Stich mit einer Nadel lassen sich ein erster und ein zweiter Schmerz unterscheiden:
Der erste kurze, stechende Schmerz (in der Abbildung rot) wird über die Aδ-Fasern vermittelt
der zweite, länger anhaltende, dumpfe Schmerz (grün) über die C-Fasern
Wie verlaufen die Nozizeptoren im Körper?
Nozizeptoren sind freie Endigungen peripherer Nervenaxone in den Organen, deren Nervenzellkörper in den Spinalganglien des Rückenmarks liegen (erstes Neuron der Schmerzbahn)
Von dort werden die Reize weiter ins Gehirn geleitet
Dabei verlaufen die nozizeptiven Fasern in vielen Bereichen parallel zu den Fasern des somatosensorischen Systems und werden mit diesen teils in den gleichen subkortikalen und kortikalen Projektionsgebieten verarbeitet
Wie werden die Projektionsgebiete der Nozizeptoren untersucht?
Diese Projektionsgebiete werden mithilfe bildgebender Verfahren untersucht, sind bisher aber nur in Teilen erforscht
Im Gehirn sollen der primäre und sekundäre somatosensorische Kortex (SI und SII) als hauptsächliche Zielregion fungieren und so am sensorischen Schmerzerleben (Lokalisation, Dauer und Intensität), aber auch an den affektiven Qualitäten beteiligt sein
Die schmerzverarbeitenden Areale des Kortex stehen untereinander und mit weiteren Bereichen des Gehirns, wie dem Kleinhirn, Hypothalamus und Amygdala, in Verbindung
Die Komponenten des Schmerzes lassen sich verschiedenen Netzwerken der sogenannten Schmerzmatrix zuordnen, deren Details noch erforscht werden
Was ist die Schmerzschwelle?
Die Schmerzschwelle ist die Intensität, ab der ein Schmerz in das Bewusstsein gerät
Was versteht man unter dem somatosensorischen System?
Mit dem somatosensorischen System sind Wahrnehmungen über den Körper selbst gemeint, an der Körperoberfläche und im Inneren detektiert, z. B. Tast-/Hautsinn, Temperatursinn, Tiefensinn/Propriozeption.
Welche verschiedenen Instrumente zur Messung der subjektiv erlebten Schmerzintensität stehen in der klinischen Praxis im Rahmen der klinischen Algesimetrie zur Verfügung?
In der klinischen Praxis stehen im Rahmen der klinischen Algesimetrie verschiedene Instrumente zur Messung der subjektiv erlebten Schmerzintensität zur Verfügung
Neben Fragebögen zählt hierzu die Visuelle Analogskala (VAS)
Hierbei stellt der Patient auf einem Messlineal einen Wert für seine Schmerzen zwischen keine Schmerzen (schmerzfrei) und maximal vorstellbarer Schmerz („unerträglicher“ Schmerz) ein (unterer Teil der Abbildung)
Auf der Rückseite der Skala wird im Anschluss der zugehörige Wert (VAS 0 bis VAS 100) abgelesen (oberer Teil der Abbildung)
Was ist die Algesimetrie?
Die Algesimetrie ist die Messung von Schmerz und Schmerzempfindlichkeit mittels subjektiver und objektiver Methoden.
Womit beschäftigt sich die experimentelle Schmerzforschung?
Die experimentelle Schmerzforschung beschäftigt sich mit den Grundprozessen der Schmerzverarbeitung und der Entwicklung von Schmerztherapieverfahren
Hierfür werden Schmerzen sowohl auf neurobiologischer Messebene als auch auf der Ebene des subjektiven Erlebens und des Verhaltens untersucht
Zur experimentellen Induktion von Schmerzen werden verschiedene Methoden angewendet
Welche Methoden werden zur experimentellen Induktion von Schmerzen angewendet?
mechanische Reizung durch Druck (über Stifte und Nadeln über definierte Kontaktflächen, insbesondere an Unterarm, Hand und Gesicht)
Erzeugung von Ischämie (Minderdurchblutung durch Anlegen einer Manschette am Ober- oder Unterarm);
elektrische Reizung über zwei Metallelektroden;
thermische Reizung durch Kälteschmerz (Cold-Pressure-Test mittels Eiswasser am Unterarm) oder Hitzeschmerz (mittels heißem Metallkörper oder Bestrahlung der Haut mit langwelliger elektromagnetischer Strahlung);
chemische Reizung der Hautoberfläche (z. B. durch Histamin)
Wie erfolgt die Messung der Schmerzinduktion?
Die Messung der Schmerzinduktion erfolgt durch
subjektive Methoden (Schmerzschwelle, Schmerzintensität und Schmerztoleranzschwelle)
sowie objektive Methoden
Hierfür werden im EEG (Elektroenzephalografie) bestimmt…
motorische Reaktionen (Muskelanspannung)
vegetative Reaktionen (Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck, Pupillenweitung, Verengung peripherer Blutgefäße, Anstieg der Leitfähigkeit der Haut aufgrund vermehrter Schweißproduktion) und
Hirnrindenpotenziale (ereigniskorrelierte, evozierte Potenziale)
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