Bildungstheorien
Definitonsproblematik und Grundbegriffe
Definitionsproblematik
keine allgemeingültige Definition von Bildung (selbes Problem mit Erziehung)
“Bildung” exklusiv deutsches Wort, ohne Äquivalent in anderen Sprachen
Ältere Interpretation: Bildung als Kultivierung des Menschen
jüngere Interpretation: Förderung der Eigenständigkeit
in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Bedeutungsauffassungen von Bildung (Zirfas 2011)
Definitionen:
Humboldt 1792/1960:
Bildung als “die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneigung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen.”
Klafki, 1991:
Zum Anspruch von Bildung gehört auch “die einzelnen Subjekte zu befähigen, sich Zumutungen und Ansprüche der Gesellschaft in der individuellen Entfaltung entgegenstehen zu widersetzen. Kritikfähigkeit und Rollendistanz stellen insoweit ein zentrales Element von Bildung dar.”
Wechselverhältnis zwischen “Ich” und “Welt”
Subjektivierung objektiver Sachverhalte und Objektivierung subjektiver Sachverhalte (Zirfas, 2011)
Übersetzt könnte hier objektiv “aus Sicht der Allgemeinheit” und subjektiv “aus Sichter des Einzelnen” bedeuten. Demnach werden sowohl allgemeine Begebenheiten aus SIcht des Einzelnen betrachtet als auch die Sichtweise des Einzelnen mit Hinblick auf die Allgemeinheit.
Abgrenzung zum Erziehungsbegriff (Marotzki 2012)
Im Gegensatz zur Erziehung ist Bildung…
Gedankengut das Persönlichkeit formt, die Person in den Mittelpunkt zu stellt
ein autonomer selbstgesteuerter Prozess des Individuums
Lebenslange Entfaltung, Bestimmung des Menschen, Lebenskunst
Historische Entwicklung (Zirfas 2009 und Marotzki 2012)
Bildungsbegriff der Antike
Griechische Antike: Bildung als pädagogische Dreifaltigkeit aus den Anlagen des Zöglings, Übung und Belehrung (vgl. Platon)
Römische Antike: Bildung als Kultivierung des Geistes, mit dem Ziel der bestmöglichen Vefassung des Menschen (Übereinstimmung von Schönheit und Güte)
Christliche Pädagogik:
Mensch als Ebenbild Gottes (“imago dei”)
Zielvorstellung: Vom Menschlichen lossagen, um eine gottesähnliche, als unschuldig geltende, menschliche Natur zu erreichen, Sündenfreiheit
Bildungsbegriffe der Aufklärung
Renaissance:
Bildungsideal Gentleman (kulturell gebildet)
Gedanke des Individualismus
Vgl. Comenius (Forderung allgemeiner Schulbildung), Leibniz (Monadenlehre)
Aufklärung
Bildung des Kompetenzbegriffs
Mündigkeitsaspekt (Kant)
Emanzipationsversprechen durch neues Bildungsbürgertum
Neuhumanismus
Wechselverhältnis von “Ich und Welt”
Bildung als sprachliche, kulturelle, ästhetische und philosophische Bildung
Vgl. Herder, Humboldt
Romantik
Fokus auf organischer Entfaltung natürlicher Anlagen, künstlerischer Betätigung
Vgl. Rousseau (“Zurück zur Natur!”), Fröbel
Zusammenfassend:
Im 20. Jahrhundert: Das Bildungsideal entspricht einem eigenständigen, in Kunst, Kultur und Wissenschaft gebildetem Menschen. Starke Anlehnung an aufklärerische und romantische Tradition. Bildung als…
…Entfaltung (Reformpädagogik)
…Mündigkeit, bzw. Wechselwirkung von “Ich und Welt” (geisteswissenschafltiche Pädagogik)
…Handlungskompetenz (empirische Erziehungswissenschaft)
Bedeutungsverschiebung
Antike Bildungstheorien sind größtenteils affirmative (festlegende) Theorien: Der Mensch soll zu einem vorgegeben Bild geformt werden, d.h. Kultivierung der Facetten der Menschlichkeit. Aktuellere Bildungstheorien seit der Aufklärung zählen meist zu den nicht-affirmativen Theorien: Mensch wird zu eigenem Bild geformt, d.h. Förderung der Eigenständigkeit und Selbstbestimmung des Menschen.
Struktuierung des Bildungsbegriffs
Bildung als Prozess (Zirfas 2011)
Bildungsvoraussetzung: Kulturelle, ökonomische, soziale Voraussetzungen
Bildungsstoff: Bildungsinhalte, etwa Curricula
Bildungsprozess: Strukturelle Differenz in zeitlicher oder institutioneller Hinsicht
Bildungsresultat: Spezifisch soziale, bzw. individuelle habituelle Erfahrungen
Bildungsbereiche (Zirfas 2011)
Theoretische Bildung: Wissenschaftliche Betrachtung, Klassifizierung, gesetzmäßige Erfahrung
Praktische Bildung: Zweck und Mittel des praktischen Zweck
Ästhetische Bildung: Reflektierte Geschmacksurteile, Umgang mit kunstförmigen Gegenständen
Bestimmungsdimensionen
Alfred Langewand definierte 5 Bestimmungsdimensionen des Bildungsbegriffes (Lenzen 1994):
Sachliche Dimension: Betracht den Unterschied zwischen Inhalt und dem bildenden Gehalt. Betrachtet bestimmte Klassen von Bildungsinhalten, etwa Konzepte der materialen und formalen Bildung. Nicht jeder Inhalt bildet.
Temporäre Dimension: Betracht den Unterschied zwischen Ereignisverlauf und Ereignisbedeutung. Der tatsächliche Verlauf der Geschichte erfährt unterschiedliche Auffassungen. So hat etwa jeder Krieg einen Gewinner und einen Verlierer.
Soziale Dimension: Betrachtet den Unterschied zwischen Lernen und der Anerkennung pädagogischer Standards. Selbst wenn sachlicher und temporärer Konsens herrscht, bedingt Bildung doch immer auch die Akzeptanz des bildenden Inhalts.
Wissenschaftliche Dimension: Betrachtet den Unterschied zwischen praktischer Bildungsreflexion und theoretischer Analyse der Bildungsmöglichkeiten. Über die Praxisrelevanz, etwa die Pädagogik, welche die Methodik hinterfragt, und die Erziehungswissenschaften, welche nach den Möglichkeiten der Pädagogik fragt.
Autobiographische Dimension: Betrachtet den Unterschied zwischen der Bildung als kulturelles Muster und als eigenes Lebensverhältnis. Definition des Bildungsbegriffes sind Interpretationen. Diese können, müssen aber nicht mit dem individuellen Bildungsbegriff übereinstimmen.
Bildung: Kompetenz oder Qualifikation? (Raithel 2009)
Kompetenz (aktueller Bildungsgedanke)
Qualifikation
Betrachtet den Lernerfolg in Hinblick auf die Person des Lernenden
Personale Befähigung
Individuum steht im Fokus
Allgemeine Fähigkeiten, Fertigkeiten
Betrachtet den Lernerfolg im Hinblick auf Verwertbarkeit und Effizienz
Konkrete Befähigung, Fremdbestimmt, deskriptiv
Personenunabhängig
Schlüsselqualifikationen
Qualifikationen sind von großer Universalität hinsichtlich Situation und Funktion
Basis-Qualifikationen: Kognitive Denkstile
Horziontal-Qualifikationen: Informationsverarbeitung
Breitenelemente: Vielseitig verwendbare Quellen
Vintage-Faktoren: Nachholendes Wissen, etwa Erwachsenenbildung
Handlungskompetenz
“Handlungskompetenz… wird hier verstanden als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.”
Sach- und Fachkompetenz: Umsetzung des Sach- und Fachwissens
Sozial-Kompetenz: Sozialverträgliches Handeln
Methoden-Kompetenz: Gebrauch allgemeiner Verfahrensweisen
Selbst-Kompetenz: Selbstbestimmung, Entscheidungsvermögen
Wilhelm von Humboldt
Hintergrund
geboren 1767 in Postdam
Familie war ursprünglich bürgerlicher Herkunft
genoss umfassende humanistische Bildung, hörte Privatvorlesungen, besuchte nie öffentliche Schule
war mit Schriften Kants vertraut
1763 erließ Friedrich II (“Jeder soll nach seiner Facon selig werden”) in Preußen das Generallandschulregelment, welches aber keine umfassende Beschulung und Schulpflicht brachte.
Schule soll nützlich sein: Untertanen “verbessern”, Produktivität und Steuern erhöhen, Kriminalität verringern, Klerus zurückdrängen, Staatssouveränität durchsetzen.
Zusammenbruch des alten Preußischen Staats 1806. Infolgedessen kam es zu einer Staatsreform: Verwaltung durch nach Ressorts gegliederte Ministerien, Berufsbeamtentum, Liberalisierung der Wirtschaft im Sinne A. Smiths und Aufschwung des Bürgertums. Humboldt übernahm dabei “Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts”.
Humboldtsches Bildungsideal
2.1. Ideele Grundlagen
Neuhumanismus: als Grundlage. Abkehr von den trival gewordenen Idealen der Aufklärung, Verständlichkeit, Nützlichkeit und allgemeiner Wohlfahrt. Bildung ist ihm kein abzuschließender Prozess, keine Asbildung, kein knappes Gut und keine Entfaltung der ursprünglichen Natur.
-> Über die Aneignung fremder Werke (Medium Kultur) wird der eigene Geist erzogen und geweckt.
Hervorhebung der Sprache als eigentliche Form der “Weltaneignung”, durch sie fände der Mensch sich selbst. Sprache gilt als bildendes Organ der Gedanken” (HUmbold 1960-1981). Dabei Betonung des Griechischen, als Ideal vollendeter Humanität, als reiner Form von Sprache.
Nicht nur die Inhalte, sondern vor allem die Denkweise der Griechen - drei Begründer der abendländischen Kultur, war entscheidend. “Dem Tischler kann auch Griechisch gelernt ebenso wenig unnützlich seyn, als Tische zu machen dem Gelehrten” (Humboldt)
Der Mensch kann nur dann seine Menschlichkeit freisetzen, wenn er “über ein Bewusstsein seiner selbst im Modus von Vernunft, Sinnlichkeit und Einbildungskraft verfügt”. Humboldt plädiert für eine Bildung, welche alle drei Aspekte berücksichtigt. (Borst 2009).
-> Keine reine Individualisierung der Bildung, sondern “Einsicht in die Gesellschaftlichkeit des Individuellen”, welche erst Kritik am Allgemeinen ermöglicht.
2.2. Verhältnis von Welt und ich
“Die letzte Aufgabe unsres Daseyns: dem Begriff der Menschheit in unserer Person, sowohl während der Zeit unseres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst allein durch die Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freisten Wechselwirkung.” (Humboldt 1793/1980)
Für Humboldt geschieht Entwicklung des Menschen nicht durch Einwirkung, sondern durch Entfaltung von Innen. Hierbei geht es weniger um die Beziehung Erzieher-zu-Erziehde/r, sondern um “das pädagogisch relevante Geschehen als Wechselwirkung zwischen Ich und Welt, als Verhältnis des Subjekts zu allem, was außerhalb seiner selbst liegt” (KOL)
Bedingung dafür ist die Freiheit, ergo Bürgerrechte, Zugang zur Bildung, Abkehr von der Untertanenmentalität (Gudions)
Idee des Weltbürgertums (Borst), als Verantwortung und Streben aller gebildeten Menschen zur Verbesserung der Welt.
2.3. Bildungspolitik
Das Einheitsschulwesen wurde in drei Stufen gegliedert: Elementarunterricht, Schulterricht, Universitätsunterricht -> lediglich die Idee Humboldts, die tatsächlich Umsetzung dauerte bis ins 19. Jhd.
Im Kern seiner Reform stand das Gymnasium mit Schwerpunkt auf Griechisch, Latein, Mathematik und Deutsch zur Vorbereitung auf das Studium
Einführung des Abiturs als Bedingung für die Hochschulreife
Der Zugang zum Gynasium wurde nun nicht mehr je nach Finanzen/Stand gewährt sondern je nach Intelligenz
Der Zugang zur Universität war nicht über sog. Realgymnasien, die wirtschaftliche oder technische Fächer unterrichten, möglich.
Einführung des Lehramtexams 1810
1809 Gründung der Berliner Universität. Dabei Fokus auf Philosophie und Altertumswissenschaften - zunächst keine Anwendungswissenschaften. Einheit von Lehre und Forschung.
Das Stuidum war nicht nach Studienjahren oder Curriculum schulmäßig organisiert, Einbindung der Studenten in die Forschung, es gab eine Betreuungssituation von 1:15, Wissenschaft sollte Selbstzweck sein (Nipperdey, Ellwein 1985)
2.4. Bildungsbegriff
“Der wahre Zweck des Menschen - nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welche die ewig unverändliche Vernunft ihm vorschreibt - ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen.” (Humboldt 1972/1980)
-> Bildung soll nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten umfassen, sondern den ganzen Menschen.
Menschliche Bildung sollte bestimmt sein durch (Gudjons):
Individualität: Innerlichkeit der eigenen Subjektivität. (vgl. Bild des Tischlers und des Gelehrten)
Totalität: Bildung des Menschen zu einem Ganzen
Universalität
Egalität: Bildung sollte nach unten offen sein, nicht von Geburt abhängen und auf eine Elite des Verdienstes abzielen."
2.5. Heutige Relvanz
Die heutige vorherrschende neoklassische Wirtschaftstheorie bringt Fokussierung der Bildung auf Humankapital und wirtschaftliche Verwertbarkeit.
-> Nach Humboldt führt dies zur Unfähigkeit des Mneschen, sich mit der eigenen Funktionalisierung auseinanderzusetzen, die schadet letztendlich der Gesellschaft.
-> EInheit von Lehre und Forschung, Autonomie der Themenwahl im Studium durch das Bologna-System gefährdet.
Ist durch Humboldt ein weltfremes-elitäres Bildungsideal entstanden welches sich nur an der Antike orientiert?
2.6. Folgen und Kritik
Folgen der Ideen von Humboldt
Bildung entgegen Geld-und Adelprivilegien
Schulpflicht
Abitur, Staatsexamen
Einheit von Lehre und Forschung an den Universitäten
Freiheit von Bildungsinstitutionen (Staat nimmt sich zurück)
Weltbürgertum, humanistisches Gymnasium als Ideal (Griechisch)
Interaktionsgedanke (Welt <-> Ich)
Kritik
Weltfremdes, praxisfernes, elitäres Bildungsideal
Sehr viele exkludierende Mechanismen
(Bezug auf W.v. Humboldt Biographie: Bruder war Naturwissenschaftler) -> Automatische Abkehr / Vernachlässigung vom naturwissenschaftlichen Bereich)
Aktuelle Bildungstheorien
Das Bildungsverständnis von Klafki
Allgemeines
Wolfgang Klafki
1927 Angerburg, Ostpreußen
Schulzeit im Nationalsozialismus
Volksschullehrerausbildung Hannover
Erst Volksschullehrer dann Universitätsprofessor
Bildungstheorie ist eng mit der geisteswissenschaftlichen Pädagogik verbunden. Klassische BIldungstheorie in Tradition der Aufklärung.
Beeinflusst von “kritischen Theorie” der Frankfurter Schule (Horkheimer 1937) und deren Hauptwerk die “Dialektik der Aufklärung” (Theodor W Adorno, Max Horkheimer, 1947)
1962 Öffnung der fachdidaktischen / pädagogischen Forschung für sozialwissenschaftliche / empirische Forschung (nicht nur rein geisteswissenschaftliche Forschung) eingeleitet von Heinrich Roth.
Klafki hatte großen Einfluss auf Bildungsreformdebatte 60/70er Jahre. (nach 1945 studierten nur ca. 8% eines Altersjahrgangs).
Maßgeblich beteiligt an Einführung der Arbeitslehre und der Sachunterrrichtsdidaktik, arbeitet seit 70er Jahren an der Entwicklung von Gesamtschulen, seit 1990 im Wissenschaftlichen Beirat der Bielefelder Laborschule (verstorben 2016).
Mit dem Text “Abschied von der Aufklärung?” macht Klafki deutlich, dass in der “freiheitlichen, sozialen Demokratie” die “reflexive Rationalität” (Klafki 1990) bewahrt werden muss. Diese steht für ein kritisches Bewusstsein (Anschluss an Kant) und die universalistische Grundidee der Menschenrechte (vgl. Borst 2009).
Theorie der kategorialen Bildung
Formale Bildung + Materiale Bildung -> Kategoriale Bildung
Formal: subjektive Eigenschaften, Kompetenzen, Fähigkeiten, extrem: Anti-Intellektualismus
Material: Wissensinhalte, extrem: Funktionalismus
Die Extreme führen zu: Fragmentierung des Subjekt; intellektuelle, kreative, sinnliche Fähigkeiten werden in Frage gestellt.
Zentrales Problem laut Klafki ist der einseitige Umgang bisheriger Bildungstheorien mit fomaler und materialer Bildung. Denn Selbsterschließung und Welterschließung passieren im wechselseitigen Prozess, wenn formale und materiale Bildung verbunden sind. Er nennt diesen Prozess rationale Erschließung.
“Bildung als Vorgang wechselseitiger Anreicherung von Bildungsstoff und Bildungssubjekt” (Bernhardt 1997)
“Bildung ist immer ein Ganzes” (Klafki 1964)
Dialektik (= Argumentation, die sich immer wieder widerlegt) von formaler und materialer Bildung
Objektivität gewinnen und individuelle Kompetenzen entwickeln durch exemplarisches Lernen objektiver Sachverhalt -> kategoriale Einsichten
Totalität des Individuums durch strukturierende Inhalte mit Intelllektualität, Sinnlichkeit, Kreativität -> Fähigkeiten kennen lernen -> sich entfalten, in Verhältnis setzen (vgl. Borst 2009)
-> Inhalte
Wissen ist nicht Bildung
Wissensinhalte: quantitativ abfragbar
Wissensinhalte werden zu Bildungsinhalte durch Assimilation an bestehende Bildungsinhalte. (statt additiver Aneignung und Reproduktion).
Bildung: an der Schnittstelle von objektiven WIssen und subjektiver Verarbeitung dessen.
Aufnahme und subjektive Verarbeitung von Wissensinhalten -> Herausbildung des Individuums -> Individuum wirkt auf die Welt in der ihm eigenen Weise (Konform mit Humboldt)
Unterschiedliche Sozialisations- und Erziehungsprozesse (unterschiedliche Ausgangsbedingungen der Individuen) beeinflussen den Bildungsprozess -> unterschiedliche Fähigkeiten -> u. Umgang mit Stoff -> Herausbildung individueller Eigenheiten
Bildungsprozess verweist auf Individualität, Selbstbestimmung, Eigensinn.
-> Bildungsgehalt
Bildungsgehalt im Bildungsinhalt (nicht miteinander verwechselbar)
-> das Allgemeine im Besonderen erkennen
-> Kategorien der Erkenntnis schaffen
Besonderes Merkmal der Bildungsinhalte, sie sind stellvertretend für Kulturinhalte
Abhängig von der Situation und im Kontext historischer Bedingungen zu sehen (vgl. Vorst 2009)
-> Die “didaktische Analyse” (Klafki 1971)
Basiert auf dem Exemplarischen und dem Fundamentalen. Das exemplarische und das Fundamentalen. Das exemplarische und das Fundamentale sind Kategorien im Bildungsgeschehen.
Das Exemplarische bezeichnet die bildende Aneignung geistiger Inhalte
Das Fundamentale bezeichnet das besondere Interesse für eine Sache
Bsp. SuS lernt die französische Revolution (=exemplarisch) und lernen, diesen Inhalt auf sich und andere Revolutionen anzuwenden (=fundamental)
Die “didaktische Analyse” soll der systematischen Ermittlung des Bildungsgehalts für eine Unterrichtseinheit dienen.
Sachverhalte anhand exemplarischer Fälle aneignen. Das “Überzeugend-Einfache” das “Vorbildlich-Charakteristische” (Klafki 1964).
Voraussetzung für Verständnis von Inhalten:
a) werden selbst erschlossen und bekommen Bedeutung im Leben, d.h. Ausgang- und Bezugspunkt ist der / die Heranwachsende
b) Verbindung schaffen zu eigenen Erfahrungen und reflexive Verarbeitung
c) können in Form des Exemplarischen exemplarisch einen Bildungsprozes anregen.
Ziel: Selbstständigkeit
Aus der Beschäftigung mit den Bildungsinhalten kann das Fundamentale entstehen. Es kann aber nicht automatisch abgeleitet werden. (Hoffnung und Pädagogische Optimismus) vgl. Borst 2009)
Die kritisch-konstruktive Erziehungswissenschaft (Klafki 1976)
Grundvoraussetzungen
Eine ideologiekritische Sicht auf die politischen, ökonomischen und sozialen Interessen einer Gesellschaft, da diese das Erziehungs- und Bildungsgeschehen beeinflussen.
Prüfen, ob und wie Macht- und Herrschaftsverhältnisse die Erziehung zur mündigen Persönlichkeit verhindern.
Konstruktive Vorschläge erarbeiten zur Umsetzung der Kritik.
Ort des Lernens und der Auseinandersetzung mit der Welt (Borst 2009).
Erziehungswissenschaft als Gesellschaftskritik
-> Selbstbestimmungsmöglichkeiten des einzelnen und für alle durch entsprechende Gesellschaftsstruktur (vgl. Klafki 1976)
Prinzipien:
Erziehungs- und Bildungsprozesse -> Selbstbestimmung, Mündigkeit, Emanzipation
Gesellschaftlich -> Freiheit, Gerechtigkeit, Humanität
In Anlehnung an Kant “regulative Ideen” (klafki 1976) (normativ; im Kontext sehen)
Ideen der Emanzipation, Selbstbestimmung, Mündigkeit als Messlatte für pädagogisches Handeln (Würde des Menschen)
Analyse der der gesellschaftlichen Realität mit Hilfe der Ideologiekritik
Ideologiekritik
Klafki schließt sich an den Ideologiebegriff der Frankfurter Schule an, besonders an Theodor W. Adorno (vgl. Borst 2009). DIeser spricht vom “falschen Bewusstsein”, wenn so getan wird als ob die Ideen von Freiheit, Menschlichkeit, Gerechtigkeit schon umgesetzt wären. Das “falsche Bewusstsein” fürt zur Identifikation der Massen mit Normen und Verhältnissen die z.B. durch die Kulturindustrie oder Propaganda vermittelt werden (vgl Adorno 1998)
Zur Ideologie
kann helfen die schlechte Wirklichkeit mit Ideen zu überdecken
enthält auch Wahrheitsmomente
typisch für die Ideologie ist wenn sich nichts verändert bzw. Zustände als naturgemäß angenommen werden
Führt zu:
Stabilisierung von Macht und Herrschaftsverältnissen
Durchsetzung partikularer Interessen
scheinbar freiwilliger Akzeptanz der Unterdrückten ihrer eigenen Unterdrückung (das Bestende ist das Wahre).
Ideologiekritik im Bildungsprozess
Selbstaufklärung über die vom Menschen erzeugten politischen, sozialen, ökonomischen Verhältnisse
“Erziehungs- und Bildungsintentionen pädagogisches Handeln selbst auf immanente Strukturen politischer Herrschaft zu untersuchen” (Bosse)
Raum zu Entwicklung des Eigensinns
Der Pädagogik immanenter WIderspruch:
Kritik am Bestehenden (ohne Perspektive)
Konstruktive Pädagogik btw. Bildungstheorie die das Formale und das Materiale einbezieht
Klafki entwickelt ein Bezugssystem:
Im Kontext der allgemeinen Bildung
gebunden an gesellschaftstheoretische Problemstellung
Bildungstheorie: Bildung im Medium des Allgemeinen
Bildung für alle, allseitig, durch das Allgemeine
In der Theorie der allgemeinen Bildung behält Klafki das Strukturmodell der kategorialen Bildung bei, er ergänzt es durch festgelegte inhaltliche Ziele und die “epochaltypischen Schlüsselprobleme”. Die Bildungsziele sind das Fundament der Bildung. Sie haben uneingeschränkte Gültigkeit in der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Schlüsselprobleme haben einen unviversalistischen, internationalen Anspruch. Sie sind Probleme der gesamten Menschheit, da sie weltweit zu beobachten sind (vgl. Borst 2009).
Bildungsziele
die drei Fähigkeiten:
Voraussetzung: alle Menschen erhalten Bildung um sich kognitiv- intellektuell, emotional- sinnlich und kreativ zu entfalten (Subjektwerdung bedarf der Kritik).
Beim Subjekt soll die Fähigkeit zu Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität ausgebildet werden.
Die Kritik prägt die Argumentationsfähigkeit und das Einfühlsvermögen aus. Und führt so zur Auseinandersetzung mit der Welt und sich selbst. Angestrebt wird ein selbstbestimmtes Leben das der Kritikfähigkeit und der Selbstkritik bedarf.
Und gesellschaftliche Mitbestimmung wozu der Mensch Argumentationsfähigkeit, Soldarität, Empathie benötigt (vgl. Klafki)
Fähigkeiten werden über einen Lern- und Bildungsprozess strukturiert, sie entwickeln sich.
Kräfte sind Wirkungen von Inhalten. (Klafki wendet sich ab von der Idee das schlummernde Kräfte im Individuum die durch äußere Anstöße geweckt werden).
Werte bei Klafki: (nicht Moral oder Ethik)
Möglichkeit Fälle ähnlicher Art verstehen, einordnen, darüber nachdenken zu können -> Selbstständiges Erschließen
Die “epochaltypischen Schlüsselprobleme” (Klafki 1993) werden wie folgt beschrieben:
Kern menschlicher Probleme typisch für eine Epoche
bedürfen der allgemeinen Anerkennung zur Aufnahme in die ideologiekritische Bildungstheorie
Gesellschaft wird auf demokratische Legitimation refektiert
Freie Entfaltung des einzelnen wird respektiert
Laut Klafki gibt es 7 Schlüsselprobleme (vgl. Klafki 1993) die nicht beliebig erweitbar sind (Für das Staatsexamen reichen 2-3 Beispiele):
Krieg, Frieden, Gewalt
Kulturspezifik, Interkulturalität, Nationalstaatlichkeit
Ökologie
Wachstum der Weltbevölkerung
Gesellschaftlich produzierte Ungleichheit in internationaler Perspektive
Technische Steuerungs-, Informations-, Kommunikationsmedien
Subjektivität, Ich-Du Beziehung
Das Konzept der Allgemeinbildung ist nur in Konturen skizziert. Es gibt keine detallierten Ausführungen der Schlüsselprobleme, sowie geschlechts- und schichtspizifischer Fragen.
Ziele:
Es geht darum…
Ein Problembewusstsein zu entwickeln
Sich mit Frage- und Problemstellungen der Gegenwart und Zukunft, Aufgaben, Problemen und Gefahren auseinander zu setzen
Geschlechterfrage - allgemeine Fragen nach Differenz und Gleichheit, unter “Ungleichheit”, “Ich-Du-Beziehung”, Männer und Frauen unter Sexualität, Gleichgeschlechtliche Liebe unter Liebe. bgl. Klafki 1990
Bedeutung der Allgemeinbildung heute
Konkurrenz und Eigenverantwortung im Neoliberalismus
Dregulierung der Sozialsysteme, Privatisierung des Staatsvermögens
Gefährdung freiheitlich-demokratische Ordnung
Würde und Menschenwürde braucht gesellschaftlich und individuelle Solidarität.
Solidarität muss gelernt und geübt werden.
Konkurrenzverhältnisse -> Unsicherheit, Ängste -> antisolidarisches Verhalten -> instrumentelle zwischenmenschliche Verhältnisse
Solidarität.demokratische Gesellschaft
Recht auf Entfaltung bzgl. Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrecht
Konträr zu: Mensch als HUmankapital
De-theatisierung aufklärerischer Gedanken
Evolutionstheorie: Schicksal - Versuch und Irrtum (vgl. Borst 2009)
Möglicher Vergleich der Bildungstheorien von Humboldt und Klafki
Wilhelm von Humboldt (1767-1835)
Wolfgang Klafki (1927-2016)
Zitat
“Der wahre Zweck des Menschen […] ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen”
“Abschied von der Aufklärung”
-> falsch: Ideen müssen “weitergedacht und weiterverfolgt”
Rolle des Allgemeinen
Bildung als allgemeinste Wechselwirkung des Ichs und der Welt
Bildung für alle (Schulpflicht, Leistung statt Adelsprivileg)
Mannigfaltigkeit der Situation / Lerngelegenheiten
ganzheitliche BIldung des Menschen
-> Individualität, Totalität, Universalität
Allgemeinbildungskonzept:
Bildung für alle (Gleichberechtigung, demokratisches Bürgerrecht)
Bildung im Medium des Allgemeinen (epochatypische Schlüsselprobleme)
Bildung in allen Grunddimensionen menschlicher Fähigkeiten (kognitiv, handwerklich, sozial, …)
Medium
Vor allem die Sprache (Antike): Jede Sprache mit eigener Denkweise
Also: Erlernen neuer Sprachen = Weltaneignung
Das Allgemeine: epochaltypische Schlüsselprobleme: Friedensproblematik, Interkulturalität, Ökologie, Wachstum der Weltbevölkerung, gesell. Ungleichheit, Medien, Subjektivität und Ich-Du-Beziehung
Prozess
“Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regsten und freisten Wechselwirkung”
Theorie der kategorialen Bildung:
ausgewogenes Verhältnis von formaler und materialer Bildung
Allgemeines im Besonderen erkennen
Also: Kategoriender Erkenntnis schaffen
Selbstständigkeit am Exemplarischen
-> Aufgeschlossenheit für das Fundamentale
Beziehung von Praxis und Theorie
Keine Vermischung von allgemeiner und beruflicher (speziellen) Bildung, sonst wird die Bildung “unrein”
Handlungsorientierter Unterricht und Lernen
Bildungstheorie
Formale Bildungstheorie
Kategoriale Bildungstheorie
Ziel
Mensch, der ein Bewusstsein im Modus von Vernunft, Sinnlickeit und Einbildungskraft hat
-> Weltbürgertum
Mensch mit Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit
-> Emanzipation, Selbstbestimmung, Mündigkeit
Wissnschaftliche Verortung
Geisteswissenschaftler
Humanismus
Erst: Geisteswissenschaftlicher
Später: Sozialwissenschaftler
Bildungsziele und -standards
Bayerische Verfassung, Art. 131
(2) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.
(3) Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayrischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen. (Abb. 1: ISB 2005)
1.1. Definition des pädagogischen Wörterbuchs (Schaub, Zenke 2007)
Nehmen Bezug auf
die im GG verfasste politische Ordnung (und die darin enthaltenen Menschen- und Bürgerrechte)
den Grundsatz, allen jungen Menschen ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage eine ihren Möglichkeiten entsprechende Bildung und Erziehung zuzukommen lassen
Begriffe des normativen Orientierungsrahmen:
Solidarität, Nächstenliebe, Ehrfurcht vor dem Leben, Toleranz, Friedensliebe, Sozialverantwortung, Sittlichkeit, Liebe zu Volk und Heimat (vereinzelt auch Ehrfurcht vor Gott)
Bildungsziele dienen als Grundlage für Bildungsstandards!
“Obschon sich daraus kein pädagogisches Konzept ableiten lässt, ist die Verbindlichkeit zweifelsfrei dadurch gegeben, dass alles Handeln der Lehrer und Schüler mit diesen Zeilen vereinbar sein sollte.” (Schaub, Zenke 2007)
1.2. Definition nach Giesecke (Giesecke 2004)
Mündigkeit:
“Der Mündige passt sich […] gesellschaftlichen Zwängen nicht nur einfach an, er prüft ihre Ansprüche auch vor seinem eigenen Bewusstsein (“Ohne Anleitung eines anderen”), durchschaut die Strukturen seiner Lebensbedingungen und läßt sich nichts vormachen.” [vgl. Giesecke 2004)
Partizipation:
“Die Vorstellung ist, dass jeder Bürger das Recht hat, nach seinem “Vermögen” (im materiellen wie ideellen Sinne!) und seine Interesen an den politischen, kulturellen und beruflichen Institutionen und Angeboten der Gesellschaft teilzunehmen und das dafür Nötige zu lernen.” [vgl. Giesecke 2004)
Emanzipation:
“In gewisser Weise versucht der Begriff Emanzipation beide Vorstellungen zu verbinden. Einerseits nimmer er die Leitvorstellungen der Mündigkeit zu seinem Maßstab, anderseits bringt er aber zum Ausdruck, dass sich Mündigkeit nur in der Teilhabe an politischen, kulturellen und beruflichen Aufgaben verwirklichen und überprüfen kann.” [vgl. Giesecke 2004]
1.3. Klassifikation nach Weinert (vgl. Weinert 2000)
Sechs fundamentale Bildungsziele
Intelligentes Wissen (erfordert: vertikalen Lerntransfer; enthält: Anschlussfähigkeiten für lebenlanges Lernen; wird begünstigt durch: lehrergesteuerten, aber schülerzentrierten Unterricht) [vgl. Weinert 2000)
Anwednungsfähiges Wissen (durch: situationsspezifische Erfahrungen; erfordert: horizontalen Lerntransfer; wird begünstigt durch: situationsspezifisches Lernen; wird erleichtert durch: Projektunterricht)
Schlüsselqualifikationen (erlaubt: vielfältige, flexible, variable Nutzung wichtiger Kompetenzen (konkrete und abstrakte Kompetenzen); erfordert: vertikalen und horizontalen Lerntransfer; wird begünstigt durch: Kombination von lehrergesteuertem und schülergesteuertem Unterricht) vgl. Weinert 2000
Lernen Lernen (Lernkompetenz) (erfordert: Expertise über das eigene Lernen; wird begünstigt durch: Lerntransfer; wird gefördert durch: angeleitetes selbstständiges Lernen und Reflexion über erfolgreiches Lernen; Beispiel: Arbei gegenseitig korrigieren) vgl. Weinert 2000
Soziale Kompetenzen (bedeutet: soziales Verstehen, soziale Geschicklichkeit, soziale Verantwortung, Konfliktlösungskompetenz, erfordert: reflektierte soziale Erfahrungen; wird begünstigt durch: regelgeleitete Zusammenarbeit, Gruppenunterricht, Teamarbeit, Konfliktlösungsaufgaben etc.) (vgl. Weinert 2000)
Wertorientierungen (soziale, demokratische und persönliche) durch: Erleben einer Wertgemeinschaft (Schulkultur, Klassengeist, Lehrervorbild, Gemeinschaftserfahrungen); wird begünstigt durch: motivationalen Lerntransfer; wird nicht gefördert durch spezielle Unterrichtsmethoden sondern durch: Lebendige Schulkultur (Weiner 2000)
1.4. Klassifikation nach Klafki (vgl. Griese, Marburger 2011)
Drei Bildungsziele der Persönlichkeitsentwicklung, die in einem (ausgewogenen) Verhältnis zur gesellschaftlichen Gesamtentwicklung steht:
Selbstbestimmungsfähigkeit (“Ich”)
das eigene Selbst als solches begreifen und bestimmen können
Mitbestimmungsfähigkeit (“Wir”)
am Gemeinsamen partizipieren
das Gemeinsame bestimmen können
Solidaritätsfähigkeit (“Ihr”)
Fähigkeit sich in den Anderen hineinversetzen zu können
emotional am Anderen teilhaben
Bildungsstandards
2.1. Definition (Prof. Dr. Ditton 2014)
“Bildungsstandards orientieren sich an Bildungszielen, denen schulisches Lernen folgen soll, und setzen diese in konkrete Anforderungen um.”
Formulieren Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule
Benennen Ziele für pädagogische Arbeit / erwünschte Lernergebnisse der Schüler
Greifen allgemeine Bildungsziele auf
Benennen zu vermittelnde Kompetenzen, die in Aufgabenstellungen umgesetzt und mit Testverfahren erfasst werden können
-> Prüfung bzw. Vergleich der Leistung einfacher
Zielen auf die Sicherung und Steigerung der Qualität schulischer Arbeit
Schulen erhalten Rückmeldung über die Ergebnisse ihrer Arbeit
2.2. Hintergründe (vgl. Artelt 2004)
Verabschiedung der “Vereinbarung über Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10)” und Bildungsstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss furch die KMK (4.12.2003)
Einhaltung der Standards soll sowohl landesweit als auch länderübergreifend überprüft werden -> Gründung eines wissenschaftlichen Instituts der Länder zur Qualitätssicherung
Beschluss über die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (4.12.2003): Konsequenz aus den Ergebnissen der länderübergreifenden Vergleichuntersuchung wie PISA und IGLU -> Beschreiben von Maßstäben für die Entwicklung und die Sicherung von Qualität an Schulen sowie für externe und interne Evaluation
Reaktion auf die Ergebnisse der Zusatzstudie PISA-E -> innerhalb Deutschlands erhebliche Unterschiede zwishcen den Ländern
2.3. Ziele (vgl. Artelt 2004)
Gleichwertigkeit der schulischen Ausbildung
Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse
Durchlässigkeit des Bildungssystems (zwischen den Bundesländern und den Schularten)
2.4. Zentrale Aufgaben (vgl. Artelt 2004)
Bildungsstandards…
sichern die Qualität schulischer Bildung, die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse und die Durchlässigkeit des Bildungssystems
sind Bestandteile eines umfassenden Systems der Qualitätssicherung, das auch Schulentwicklung, interne und externe Evulation umfasst
beschreiben die erwarteten Lernergebnisse
bieten Hinweise für notwendige Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen
greifen allgemeine Bildungsziele auf udn benennen Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe an zentralen Inhalten erworben haben sollen
konzentrieren sich auf Kernbreiche eines Faches
formulieren fachliche und fachübergreifende Basisqualifikationen, die für die weitere schulische und berufliche Ausbildung von Bedeutung sind und die anschlussfähiges Lernen ermöglichen
zielt auf Persönlichkeitsentwicklung und Weltorientierung, die sich aus der Begegnung mit zentralen Gegenständen unserer Kultur ergeben
2.5. “Wozu brauchen wir Bildungsstandards/ -reformen?” (Klieme 2004)
Verbesserung von Niveau und Profil der Lernergebnisse
Kein Zurückstellen, Abschieben und Aufgeben von schwächeren Schülern, sondern optimale Förderung
Differenzierter Blick von Lehrern auf die Stärken, Schwächen und Lernfortschritte ihrer Schüler
Verständigung von Schulkollegien und Fachteams über die Kompetenzen, die sie vermitteln wollen -> Entwicklung einer klaren Vorstellung davon, wie diese systematisch über die Jahre hinweg aufgebaut werden
Chancengleichheit -> Zugang zu weiterführenden Bildungsgängen unabhängig von sozialer Herkunft, Migrationshintergrund, Geschlecht und Wohnort
2.6. Vorteile nach Klieme (Klieme 2004)
Konzentrieren sich auf zentrale Ziele
Arbeiten fundamentale Kompetenzen und Grundideen der Fächer aus
Dienen ähnlichen Zwecken wie herkömmliche Lehrpläne. Neu ist:
a) die Fokussierung auf zentrale Dimensionen und Stufen des Lernprozesses
b) die Orientierung auf das Gesamtergebnis am ENde einer Bildungsstufe
c) die Konkretisierung von Leistungserwartung
d) die explizite Unterschiedung mehrerer Leistungs- und Lernstufen
Lehrkräfte erhalten durch Kompetenzmodelle einen Referenzrahmen für die pädagogische Weiterentwicklung des Unterrichts
für die innerschulische Lehrplanung entsteht dabei mehr Freiraum
Bildungsmonitoring
es kann überprüft weden, ob die angestrebten Kompetenzen tatsächlich erworben wurden
Schulevaluation: Schulen erhalten eine Rückmeldung über die Ergebnisse ihrer Arbeit
Im Interesse der Schüler müssen Vergleiche erfolgen
hin und wieder, nicht als ständiges Testprogramm
und schon gar nicht zum Zweck der individuellen Notengebung
“Ein solcher Blick auf die Ergebnisse der Bildungsanstrengungen ist weltweit selbstverständlich, nur in den deutschsprachigen Ländern hält sich bis heute die Ansicht, pädagogische Verantwortung stehe im Widerspruch zu Messung und Vergleich der Ergebnisse” (vgl. Klieme 2004)
2.7. Nachteile / Kritik nach Bürgelmann (Bürgelmann 2004)
“Spätestens seit PISA wirdi n Deutschland ernsthaft an “Bildungsstandards” gearbeitet. Der politische Druck, die Leistungen unseres Schulsystems zu verbessern, ist enorm. Können verbindliche Standards bei Schülern zu besseren Lernergebnissen und mehr Chancengleichheit führen? Oder besteht die Gefahr, dass das, worauf es bei schulischer Bildung eigentlich ankommt, verfehlt wird?” (vgl. Brügelmann 2004)
Fokussierung auf (Basis-)Kompetenzen
Vernachlässigung der übrigen Bereiche
Vernachlässigung der (Lern-)Prozesse, in denen diese Kompetenzen erworben wurden
Beurteilung von Fachleistungen
keine “Bildungs-” sondern Leistungsstandards
keine Erfassung wesentlicher Dimensionen der Allgemeinbildung (-> Humboldt, Klafki, Gisecke)
Kontrolle über landesweite punktuelle Tests
als zentrales Maß für die Beurteilung des Lernstandes von Kindern oder der Qualität von Unterricht gefährlich (SuS üben auch Einfluss auf Leistung aus)
Verknüpfung mit Sanktionen
Abfalls der Leistungen in unabhängigen Tests (mehrfach durch die Entwicklung in den USA belegt) (vgl. “Teaching to the rest”, “No child left behind”)
Bezahlung der Lehrer nach Leistung ihrer Schüler ist in verschiedenen angelsächsischen Ländern wiederholt erprobt und wieder aufgegeben worden (versuchte Fälschung etc.)
Definition in Form von gleichen Anforderungen für alle zu demselben Zeitpunkt
Mindeststandards: unterfordern die meisten Schüler (können deshalb kein Maßstab für guten Unterricht sein)
Durchschnittstandards: überfordern und frustrieren gerade diejenigen Schüler, die in ihren Anstrengungen ermutigt werden müssen
2.8. Empirische Ergebnisse (vgl. Prof. Dr. Ditton 2014)
Repräsentative Stichproben in den Ländern
Überprüfung der Erreichung der Bildungsstandards
dienen in erster Linie dem System-Monitoring (vergleichbar mit internationalen Schulleistungsstudien)
Vergleichsarbeiten, an denen alle Schulen in den Ländern teilnehmen, in der 3. und 8. Jahrgangsstufe (VERA3/VERA8)
sollten dazu dienen, jeder einzelnen Schule wichtige Informationen bezüglich der Erreichung der “Bildungsstandards” zu geben
Beispiele differenzieren nach “Kontextgruppen” (Schulen, bei denen unterschiedliche Bedingungen vorliegen)
2.8.1. Beispiel: Unterschiedliche Hauptschultypen in NRW
Einteilung von Hauptschulen in drei Kategorien in Bezug auf den prozentualen Anteil von Schülern
mit Mitgrationshintergrund
mit offensichtlichen Schwierigkeiten sich in der Unterrichtssprache Deutsch zu verständigen
aus einkommensschwachen Familien usw.
Hauptschultypen:
„Typ 1“ (36,4% der Hauptschulen in NRW) -> v.a. Großstädte
„Typ 2“ (44,6% der Hauptschulen in NRW) -> v.a. Kleinstädte
“Typ 3“ (19,0% der Hauptschulen in NRW) -> v.a. ländliche Regionen
Schülerzusammensetzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsergebnisse
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