Welche Fragen stehen in der Persönlichkeitsdiagnostik im Vordergrund?
• Wie sind individuelle Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen, verglichen mit einer Referenzgruppe, ausgeprägt und klassifizierbar? (z.B. durchschnittlich, unterdurchschnittlich...)
• Wie verändern sich Persönlichkeitsausprägungen einer Person zwischen zwei Messzeitpunkten?
Drei Informationsquellen zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen nach Raymond Cattell
• L-Daten (Life-record data)
• Q-Daten (Questionnaire data)
• T-Daten (Test data)
Was versteht man unter Q- Daten?
„Questionnaire data“
• Selbstberichte & -einschätzungen
• z.B. Standardisierte Persönlichkeitsfragebögen, Interviews
• Sehr oft in psych. Diagnostik verwendet
Was versteht man unter T- Daten?
„Test data“
• Daten aus objektiven Tests bzw. basierend auf Verhaltensleistung
• z.B. Objektive Persönlichkeitstests
Was versteht man unter L- Daten?
„Life-record data“
• Daten zur Biografie oder zu alltäglichem Verhalten
• z.B. Verhaltensbeobachtung & -beurteilung
Was sind Persönlichkeitsfragebögen?
• Testperson soll vorgegebene Fragen über sich selbst wahrheitsgetreu beantworten
• Werden zu den Selbstbewertungsverfahren gezählt
Mögliche Untersuchungsgegenstände von Selbstberichten
Merkmale, Gedanken, Erinnerungen, Einstellungen, Erwartungen, Gefühle, Ziele oder Verhaltensweisen
Vorteile von Selbstberichtsverfahren
• Für Vielzahl von Persönlichkeitseigenschaften verfügbar, äußerlich nicht Sichtbares (z.B. Einstellungen, Persönlichkeitseigenschaften) kann erhoben werden
• Gute Vergleichbarkeit mit anderen Personen durch Normwerte
• Ökonomische Anwendbarkeit (z.B. wenig Zeit & Kosten bei Computertestung)
Nachteile von Selbstberichtsverfahren
• Befragte Person benötigt Selbsteinsicht
• Anfälligkeit für Selbsttäuschung (bewusst & unbewusst)
• Leicht verfälschbar (z.B. wegen sozialer Erwünschtheit)
Welches Ziel verfolgt man mit mehrdimensionalen Persönlichkeitstestsystemen?
• Die einzigartige Persönlichkeitsstruktur einer Person durch die Erhebung aller bzw. vieler bedeutsamer Faktoren möglichst akkurat abbilden
Was versteht man unter dem Geltungsbereich eines Fragebogens/Tests?
• Personen, Gruppen, Ausprägungsgrade eines Merkmals, für die der Fragebogen anwendbar ist
• z.B. Ist Test nur für klinische oder auch subklinische („gesunde“) Ausprägungen eines Merkmals geeignet?
Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI-2)
• Gehört zu den am öftesten eingesetzten Persönlichkeitssystemen im klinisch-psychologischen Bereich (neueste Version auch für Eignungsdiagnostik)
• Ziel: Sowohl wichtige Persönlichkeitsmerkmale als auch psychische Störungen erfassen
• Einzel- oder Gruppentestung möglich
• Dichotomes Antwortformat (richtig vs. falsch)
Was sind Validitätsskalen?
Erheben die Tendenz, sich im Test falsch darzustellen
NEO-Persönlichkeitsinventar nach Costa und McCrae (NEO- PI-R)
• Erfasst die Merkmale des Big-Five-Modell
• Fünf Hauptskalen (= Big Five), mit jeweils 6 untergeordneten Facetten (= 30 Persönlichkeitsfacetten insgesamt)
• Items mit 5-stufiger Antwortskala
• Als Selbstbericht (Form S) oder Fremdbeurteilung (Form F) möglich
Was sind Facetten?
• Subskalen, die einer übergeordneten Skala zugeordnet werden können
• Erfassen Teilaspekte der Hauptskala
Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R)
• 10 Standardskalen (z.B. Leistungsorientierung, Aggressivität...)
• 2 Sekundärskalen nach Eysenck (Extraversion und Emotionalität) • Dichotomes Antwortformat (stimmt vs. stimmt nicht)
Was unterscheidet ein psychologisch-diagnostisches Interview von einer alltäglichen Unterhaltung?
• Feste Rollenverteilung: Befragende vs. befragte Person
• Zielgerichtet: Soll Auskunft über vorher definierte Eigenschaften des Befragten geben
• Dient als Entscheidungskriterium (z.B. Personalauswahl, klinisch-therapeutische Behandlungsschritte)
Wo werden psychologisch- diagnostische Interviews eingesetzt?
• Meistens in der Eignungsdiagnostik (z.B. Personalauswahl) oder im klinischen Bereich
Unstrukturiertes (freies) Interview
• Interviews ohne feste Struktur oder Fragen
• Vorteil: Lässt freies, flüssiges Gespräch zu
• Nachteil: Gerechte und objektive Einschätzung von Bewerbern kaum möglich, da jedem unterschiedliche Fragen gestellt werden
Teilstrukturiertes Interview
• Festgelegte Fragen, Reihenfolge jedoch flexibel
• Befragte Person kann Antworten frei formulieren
Vollstrukturiertes Interview
• Festgelegte Fragen mit fester Reihenfolge
• Antworten können nur in Form von vorgegebenen Antwortkategorien gegeben werden
Vor- und Nachteile eines hohen Strukturierungsgrades eines Interviews
Vorteil:
• Ergebnisse sind nicht so stark von Rahmenbedingungen beeinflusst, verschiedene Interviewer kommen zu ähnlichen Ergebnissen (= objektiver)
Nachteile:
• künstliche Situation durch zu starke Strukturierung (eigentlich kein Gespräch, sondern reine Erhebung)
• Zentrale Aspekte können übersehen werden
Welche wichtige Frage für die Auswahl eines geeigneten Strukturierungsgrades sollte man sich stellen?
• Wie objektiv soll das Resultat des Gespräches sein?
Wie kann man die Qualität einer Interviewsituation sichern?
• Interviewer sollte geschult sein
• Gleichbehandlung durch Interviewleitfäden & Gesprächsstrukturierung
• Eignungsmerkmale vorab konkret definieren
• Interviewprotokoll führen
• Regelgeleitete Auswertung
Wozu dient eine Verhaltensbeobachtung?
Verhalten wird systematisch beobachtet und beschrieben, um durch Indikatoren (Verhalten) auf nicht sichtbare Eigenschaften schließen zu können
Was versteht man unter einer Verhaltensbeurteilung?
Auf Basis der vorher gemachten Beobachtungen werden die Persönlichkeitsausprägungen diagnostiziert
Was ist der Unterschied zwischen unsystematischer und systematischer Beobachtung?
• Systematische Beobachtung läuft unter zuvor definierten Kriterien ab (z.B. bzgl. Ort, Auswertung)
• Unsystematische Beobachtungen haben keine festen Kriterien (= Alltagsbeobachtungen)
Was ist der Unterschied zwischen Labor- und Feldbeobachtung?
• Laborbeobachtung: Unter abgeschirmten, kontrollierten Bedingungen
• Feldbeobachtung: Unter natürlichen Umständen
Was ist der Unterschied zwischen teilnehmender vs. nicht teilnehmender Beobachtung?
• Bei teilnehmender Beobachtung interagiert Beobachter mit Beobachteten (z.B. Rollenspiel)
• Bei nicht teilnehmender Beobachtung: keine Interaktion
Was ist der Unterschied zwischen direkter vs. indirekter Beobachtung?
• Direkte Beobachtung passiert in realer Anwesenheit, während des Geschehens
• Indirekte Beobachtung passiert asynchron, z.B. Videoübertragung
Was ist der Unterschied zwischen Selbst- und Fremdbeobachtung?
• Selbstbeobachtung: Man beobachtet sich selbst durch Selbstreflexion
• Fremdbeobachtung: Beobachtung durch eine diagnostizierende Person
Was versteht man unter objektiven Persönlichkeitstests (OPT)?
• Stark standardisierte Tests und Rahmenbedingungen Versuchspersonen haben keine sog. face validity: Für sie ist nicht ersichtlich, welche Eigenschaft durch die Aufgaben erhoben wird.
• Messung objektiver Parameter lässt Rückschlüsse auf Persönlichkeit zu
• Objektiv, weil: Keine Selbstbeurteilung und keine Einsicht, welche Eigenschaft gemessen wird (schwer verfälschbar)
Welche objektiven Parameter können in objektiven Persönlichkeitstests beispielsweise erhoben werden?
• z.B. Reaktionszeit, korrekte Lösungen, Herzfrequenz
Welche neueren Variationen des OPT gibt es?
Als Tests zur Leistungsfähigkeit getarnte OPTs
Simulation von echten Lebenssituationen
Implizite Messverfahren
= Beispiel für ein indirektes OPT-Testverfahren
Ziel: Automatische und unbewusste Prozesse erheben
z.B. Impliziter Assoziationstest (IAT)
Wie läuft der implizite Assoziationstest (IAT) ab?
1. Bildschirm zeigt verschiedene Reize (Objekte oder Begriffe)
• Reize beinhalten jeweils Objektdimension (z.B. Ich vs. Nicht- Ich) und Attributionsdimension (z.B. positiv vs. negativ)
2. Durch Tastendruck soll dieser Reiz schnellstmöglich und fehlerfrei einer Kategorie zugeordnet werden
Wie lautet die Grundidee des impliziten Assoziationstests (IAT)?
• Personen können Sortieraufgaben schneller lösen, wenn miteinander assoziierte Begriffe der gleichen, und nicht der entgegengesetzten Taste zugeordnet sind
• Anhand der Reaktionszeit wird auf die zugrunde liegenden Einstellungen geschlossen.
Was wird durch den impliziten Assoziationstest (IAT) untersucht?
• Unterschiede zwischen Personen (interindividuell) in Bezug auf deren Einstellungen
• Kann auf unterschiedliche Einstellungsbereiche (Stereotype, Vorurteile, Selbstwert) angepasst werden
• Für Versuchsteilnehmer ist meist nicht klar, was untersucht wird, dadurch weniger Verzerrungen
Was wird am impliziten Assoziationstest (IAT) kritisiert?
• Geringe Reliabilität und niedriger Zusammenhang mit anderen Tests (z.B. Fragebögen)
Was sind projektive Verfahren?
• Idee: Personen „projizieren“ beim Deuten von mehrdeutigen visuellen Inhalten ihre Einstellungen, Motive und Wünsche hinein
• Diese Projektionen erlauben Rückschlüsse auf Persönlichkeit
Arten projektiver Verfahren laut dem Brickenkamp- Testhandbuch (Brähler et al., 2002)
• Form-Deute-Verfahren
• Verbal-thematische Verfahren
• Zeichnerische und Gestaltungsverfahren
Form-Deute-Verfahren
• Willkürliche Formen werden je nach Persönlichkeit verschieden ausgelegt
• z.B. Rorschach Test (Tintenkleckstest)
• Wird heute jedoch kritisch gesehen und in Wissenschaft kaum benutzt
Thematischer Apperzeptionstest (TAT)
• = Beispiel für verbal-thematisches Verfahren
• Zu mehrdeutigen Bildern sozialer Situationen sollen „dramatische“ Erzählungen ausgedacht werden
• Ursprüngliches Ziel: Hilfsmittel zum Explorieren von Motiven und Zukunftsvorstellungen von Personen im klinischen Kontext
Welcher Stellenwert kommt projektiven Verfahren heutzutage in der psychologischen Diagnostik zu?
• Testgütekriterien meist nicht gegeben:
• Objektivität kaum möglich
• Reliabilität und Validität lassen sich kaum beurteilen
• Heute nicht angewendet für Diagnostik, sondern eher als Technik zur dialogischen Gesprächsführung
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