Warum gute wissenschaftliche Praxis?
Wissenschaftliche Integrität bildet die Grundlage einer vertrauenswürdigen Wissenschaft.
Sie ist eine Ausprägung wissenschaftlicher Selbstverpflichtung, die den respektvollen Umgang miteinander, mit Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern, Tieren, Kulturgütern und der Umwelt umfasst und das unerlässliche Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft stärkt und fördert.
Mit der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Wissenschaft ist untrennbar eine entsprechende Verantwortung verbunden.
-> Dieser Verantwortung umfassend Rechnung zu tragen und sie als Richtschnur des eigenen Handelns zu verankern, ist zuvorderst Aufgabe jeder Wissenschaftlerin und jedes Wissenschaftlers sowie derjenigen Einrichtungen, in denen Wissenschaft verfasst ist.
Wie viel Budget hatte die DFG 2021?
3,6 Mrd. €
Was ist die DFG?
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist die Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft in Deutschland.
Sie dient der Wissenschaft und fördert Forschung höchster Qualität in allen ihren Formen und Disziplinen an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf aus der Wissenschaft selbst entwickelten Vorhaben im Bereich der erkenntnisgeleiteten Forschung.
Aufgaben:
finanziert Forschungsvorhaben
entwirft Wettbewerbsräume
führt Verfahren zur Begutachtung, Bewertung, Auswahl und Entscheidung von Forschungsanträgen durch.
Sie gestaltet Rahmenbedingungen und Standards des wissenschaftlichen Arbeitens mit. D
ie DFG pflegt den Dialog mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und unterstützt den Transfer von Erkenntnissen.
berät staatliche und im öffentlichen Interesse tätige Einrichtungen in wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Fragen.
Wie wird die DFG finanziert?
2/3 finanziert vom Bund, 1/3 durch Länder
Wie viele Projekte hat die DFG gefördert? (und welche unter anderem)
> 30.000 geförderte Projekte
1. Einzelprojekte
2. Schwerpunktprogramme
3. Sonderforschungsbereiche
4. Forschungsgruppen
5. ...
Was steht zu Berufsethos im DFG?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tragen Verantwortung dafür, die grundlegenden Werte und Normen wissenschaftlichen Arbeitens in ihrem Handeln zu verwirklichen und für sie einzustehen.
Die Vermittlung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis Grundlagen guten wissenschaftlichen Arbeitens beginnt zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt in der akademischen Lehre und wissenschaftlichen Ausbildung.
–(DFG, 2019, S.9)
Was umfasst die Wissenschaftsethik?
alle ethischen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis („codes of scholarly conduct“, „codes of academic conduct“), an denen sich Forschende bei ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit jenseits des Umgangs mit Untersuchungspersonen (dieser ist Gegenstand der Forschungsethik) orientieren sollen.
-> soll wissenschaftliches Fehlverhalten („scientific misconduct“) verhindern.
Definition der Wissenschaftsethik ( nach Döring & Bortz )
Im Mittelpunkt steht der verantwortungsvolle Umgang mit wissenschaftlichen Ergebnissen, ihrer Generierung, Interpretation, Bewertung und Veröffentlichung.
Die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (nach DFG):
lege artis arbeiten (Einhaltung von Gütekriterien; angemessene Methoden; keine fragwürdigen Theorien)
Einhaltung ethischer Standards bei der Durchführung von Erhebungen
Sicherung und Aufbewahrung von Primärdaten unter Berücksichtigung des Datenschutzes
(mind. 10 Jahre)
Dokumentation der Daten und der Resultate
Selbstkritische Reflektion (konsequentes Anzweifeln der eigenen Ergebnisse; kollektiv im Peer-Review von Konferenzbeiträgen und Journalartikeln; Peer-Review muss neutral, ohne Eigennutz, und ordentlich durchgeführt werden; (formales) Eingestehen von Fehlern)
Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen (gegenseitige Kontrolle, Verantwortung)
strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und Vorgängern (faire Vergabe von Autorenschaften und Zitate)
wissenschaftliche Veröffentlichungen als Medium der Rechenschaft von Wissenschaftlern über ihre Arbeit
Achtung fremden geistigen Eigentums
Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Gute wissenschaftliche Praxis an der MSB
a) nach den anerkannten Regeln (lege artis) zu arbeiten,
b) Forschungsergebnisse in angemessenem Umfang zu
dokumentieren,
c) Konsequent eigene Forschungsergebnisse selbstkritisch zu prüfen und gegebenenfalls regelmäßig mit den beteiligten wissenschaftlich Tätigen zu diskutieren,
d) Forschungsprozesse und deren Resultate nachvollziehbar und vollständig zu dokumentieren; Primärdaten, die als Grundlage für Veröffentlichungen dienen, sind zehn Jahre auf haltbaren und gesicherten Datenträgern aufzubewahren, soweit dies zum Zweck der Nachprüfbarkeit notwendig ist,
e) sich im Hinblick auf die Beiträge von anderen Personen, z.B. von Partnern, Promovenden, Wissenschaftlern der eigenen und anderen Einrichtungen, Konkurrenten und Vorgängern strikt redlich zu verhalten und Interessenskonflikte im Zusammenhang mit Forschungsprojekten offenzulegen
[...]
k) Aufgaben der Leitung, Aufsicht, Qualitätssicherung und Konfliktregelung eindeutig zuzuweisen und tatsächlich wahrzunehmen,
l) die Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe von einem Klima des Austauschs und der wechselseitigen konstruktiven Kritik unabhängig von hierarchiebedingter Rücksichtnahme zu prägen,
m) die angemessene Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchs dem jeweiligen Forschungsstand entsprechend zu gewährleisten.
Welche Regelung gilt für Publiktionen?
Die Ergebnisse psychologischer Forschung sind der Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Durch korrekte, vollständige und eindeutige Darstellung sind Fehlinterpretationen zu verhindern.
Wie ist die Vorgehensweise, wenn es einen Fehler bei Publikationen gibt?
Psychologinnen und Psychologen, die in ihren veröffentlichten Daten nachträglich bedeutsame Fehler entdecken, sind verpflichtet, sinnvolle Schritte zu deren öffentlicher Korrektur, etwa durch ein Erratum/Corrigendum oder durch andere angemessene Publikationsmaßnahmen zu ergreifen.
Welche zwei Fehler gibt es?
Erratum: „Druckfehler“, typischerweise im Produktionsprozess entstanden, durch den Verlag zu verantworten
Beispiel: Name des Autors falsch geschrieben
Corrigendum: „Korrektur“, nicht wesentliche Korrektur des Artikels, durch die Autor:innen zu verantworten
Beispiel: Fehlerhafte Werte wurden in eine Tabelle geschrieben, eine Abbildung enthält einen Fehler
Was kann der Autor bei einem unterlaufenen Fehler machen?
Author correction / Corrigendum
Retraction (Zurückziehen eines Artikels)
Was erfordert es, um als Autor:in bei einer Publikation genannt zu werden?
Mind 1 von den 4:
Einleitende Initiative zur Inangriffnahme einer wissenschaftlichen Arbeit mit substantiellem Beitrag zu Konzeption und Studiendesign.
Erhebung, Verarbeitung, Interpretation und Formalisierung der Daten, wenn dies über die routinemäßige Anwendung wohlbekannter und etablierter Methoden hinausgeht.
Konzeption und/oder kritische Revision des Manuskriptes.
Anleitung und Überwachung jüngerer akademischer sowie nicht akademischer Mitarbeiter bei der Erstellung der Daten.
Regeln für Autorenbeiträge (3)
Welche Arten von Wissenschaftlichem Fehlverhalten gibt es?
Falschangaben durch Erfinden von Daten oder Verfälschung von Daten und Quellen
Verletzung geistigen Eigentums in Bezug auf ein - von einem anderen geschaffenes - urheberrechtliches Werk, wissenschaftliche Erkenntnisse oder Forschungsansätze
Beeinträchtigungen der Forschungstätigkeit anderer durch Sabotage von Forschungstätigkeit anderer wie
Nenne Beispiele für: Falschangaben durch Erfinden von Daten oder Verfälschung von Daten und Quellen
Unterdrücken von relevanten Quellen, Belegen oder Texten,
Manipulation von Quellen, Darstellungen oder Abbildungen,
Auswählen und Zurückweisen unerwünschter Ergebnisse ohne Offenlegung
unrichtige Angaben in einem Bewerbungsschreiben oder einem Förderantrag (einschließlich Falschangaben zum Publikationsorgan und zu in Druck befindlichen Veröffentlichungen)
unrichtige Angaben zur wissenschaftlichen Leistung von Bewerbern in Auswahl- oder Gutachterkommissionen
Nenne Beispiele für: Verletzung geistigen Eigentums in Bezug auf ein - von einem anderen geschaffenes - urheberrechtliches Werk, wissenschaftliche Erkenntnisse oder Forschungsansätze
unbefugte Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft (Plagiat)
Ausbeutung von Forschungsansätzen und Ideen, insbesondere als Gutachter (Ideendiebstahl)
Anmaßung wissenschaftlicher Autor- oder Mitautorschaft ohne eigenen wissenschaftlichen Beitrag
unbefugte Veröffentlichung
Inanspruchnahme der (Mit-)Autorschaft einer anderen Person ohne deren Einverständnis
willkürliche Verzögerung der Publikation einer wissenschaftlichen Arbeit
Nenne Beispiele für: Beeinträchtigungen der Forschungstätigkeit anderer durch Sabotage von Forschungstätigkeit anderer
Beschädigen, Zerstören oder Manipulieren von Versuchsanordnungen, Geräten, Unterlagen, Hardware, Software, Chemikalien oder sonstiger Sachen, die ein anderer zur Durchführung eines Experiments benötigt,
arglistiges Verstellen oder Entwenden von Büchern, Archivalien, Handschriften, Datensätzen sowie vorsätzliche Unbrauchbarmachung von wissenschaftlich relevanten Informationsträgern
Unerlaubtes Vernichten oder unerlaubte Weitergabe von Forschungsmaterial.
Was ist ein Plagiat
Ein Plagiat liegt dann vor, wenn fremde Gedanken in die eigene wissenschaftliche Arbeit übernommen werden, ohne dass sie als fremde Gedanken gekennzeichnet werden.
Welche Arten von Plagiaten gibt es?
Vollplagiat: wissenschaftliche Arbeit wird unverändert übernommen und unter eigenem Namen eingereicht
Teilplagiat: Textteile aus anderen Werken werden übernommen/ umformuliert ohne kenntlich gemacht zu werden
Übersetzungsplagiat: Fremdsprachige Texte, Textteile oder Sätze werden übersetzt und ohne Angabe der Quelle in den eigenen Text übernommen
Bildplagiate: Abbildungen oder Teile von Abbildungen werden ohne Quelle übernommen
Strukturplagiat: ein kompletter Gedankengang, eine Argumentation oder eine Struktur eines Textes vollständig übernommen ohne dies kenntlich zu machen
Welche Motive gibt es für Plagiate?
Mechanismen im Wissenschaftssystem fördern leider oft die gute wissenschaftliche Praxis nicht:
Beispiel: Nachhaltige Dokumentation und Ablage der Primärdaten wird nicht belohnt
Beispiel: Auf dem hart umkämpften Job-Markt zählen oft Metriken, wie die Anzahl der Publikationen -> Publikations- und Vermarktungsdruck -> p-Hacking -> viele Falsch-Positiv- Befunde -> Glaubwürdigkeitskrise in der Psychologie (replication crisis)
Beispiel: Ein ähnlicher Druck herrscht bei der Gewinnung von Forschungsgeldern
Weiterhin nennt das Gremium „DFG Ombudsman“:
Persönliche Gründe
Fehlendes Wissen / schlechte Betreuung
Steile Hierarchie, Druck, unangemessene Kommunikation, schlechtes Klima
Unterfinanzierung der Wissenschaft
Wettbewerb und Konkurrenz
Was tun bei entdecktem Fehlverhalten?
Empfehlung des deutschen Hochschulverbands (2011):
„Jeder Wissenschaftler ist verpflichtet, den Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens zunächst selbst und so umfassend wie möglich zu prüfen. Es ist mit seiner beruflichen Pflicht und Verantwortung weder vereinbar, bei vorliegenden Anhaltspunkten für ein wissenschaftliches Fehlverhalten aus Bequemlichkeit oder missverstandener Kollegialität zu schweigen oder wegzuschauen noch angesichts der schwerwiegenden Folgen für den Beschuldigten leichtfertig und vorschnell einen Verdacht zu äußern. Die Kollegialität kann es im Einzelfall gebieten, vor Einschaltung Dritter zunächst den Betroffenen um Aufklärung und Stellungnahme zu bitten. Wissenschaftliches Fehlverhalten ist auch die fahrlässige falsche öffentliche Anschuldigung wissenschaftlichen Fehlverhaltens.“
Weiterhin Bildung von weisungsunabhängigen Kommissionen und Verfahrensordnungen, die bei einem konkreten Fall die Anschuldigungen prüfen. Ergebnisse sollen veröffentlicht werden
Was tun bei Fehlverhalten an der MSB?
Grober Verfahrensablauf (§11 - 14):
Zunächst schriftliche Meldung an Ombudsperson, die eine Vorprüfung vornimmt
Beschuldigte haben Gelegenheit zur Stellungnahme
Dann ggf. Eröffnung einer Untersuchung mit Abschlussbericht an den akademischen Senat, sowie Meldung an die GF, die ggf. Maßnahmen einleitet
Das Milgram Experiment
Die Nachkriegszeit lässt viele Frage offen: Wie konnten sich so viele Personen am Holocaust beteiligen?
Stanley Milgram (1963): experimentelle Untersuchung des Autoritätsgehorsam an 40 männlichen Freiwilligen
Experiment angekündigt zum Thema: Wie beeinflussen Elektroschocks die Gedächtnisleistung von Probanden?
Versuchsaufbau:
VP erhält Rolle L vermeintlich zufällig
Dem Lehrer wird ein 45 V Stromschlag verabreicht zur Demonstration
Schüler (S) lernt Wortpaare, an elektrischen Stuhl gefesselt, gibt via Knopfdruck Antworten
Lehrer (L) ordnet elektrischen Schlag bei falscher Antwort an
Schockintensität erhöht sich bei jeder falschen Antwort
Ab 120V Schmerzensschreie, ab 150V Teilnahmeverweigerung, ab 330V Stille
Reaktionen des Versuchsleiters (V) standardisiert (z.B. Bitte fahren Sie fort / Es ist unbedingt erforderlich, dass Sie weitermachen.")
Die Studie berichtet folgende Ergebnisse:
1. 5 der 40 Probanden (12.5%) brechen Experiment nach Ablehnung des Schülers zu antworten
2. Insgesamt 14 VP (35%) brechen Experiment ab
3. Verbliebenen 26 VP (65%) erhöhen Dosis bis 450 V (Maximum)
Diana Baumrinds (1964) Kritik zum Milgram Experiment:
1. Täuschung der Probanden bezüglich des Ziels des Experiments
2. Langanhaltende Schädigungen der Probanden aufgrund traumatischer Erfahrungen
3. Keine Einverständniserklärung der Probanden
Nürnbergerprozesse
Anklage gegen 23 Ärzte und anderes Personal wegen Kriegsverbrechen im Rahmen von medizinischen Experimenten ( Beispiele: Freezing-Experiments, Malaria Experiments, Sterilization Experiments )
Nürnberger Kodex ( 10 )
1. Freiwillige Zustimmung (informed consent)
2. Fruchtbare Ergebnisse zum Wohl der Gesellschaft sind erwartbar
3. Hinreichender Kenntnisstand der Forschenden
4. Unnötiges physisches und psychisches Leid vermeiden
5. Keine Experimente, bei denen Tod oder schwere Verletzungen erwartbar sind
6. Potentieller Gewinn muss größer als das Risiko sein
7. Sicherheitsmaßnahmen für eventuelle Notfälle
8. Qualifiziertes Personal
9. Probanden können den Versuch jederzeit abbrechen
10.Das Experiment muss abgebrochen werden, wenn Tod oder Verletzung absehbar sind
Deklaration von Helsinki (1964)
Die Wurzeln der Declaration of Helsinki liegen in dem Nürnberger Kodex
1. Eine Erklärung für Humanexperimente durch die WMA (World Medical Association)
2. Weiterentwicklung/Anpassung der „Zehn Gebote“
3. Behält den „informed consent“ als wesentlichen Bestandteil
4. Wird auch als „soft law“ bezeichnet
Täuschung bei Verrsuchen
nur zulässig, wenn sie durch den zu erwartenden wissenschaftlichen Nutzen gerechtfertigt ist
der Forschungszweck keine alternativen Vorgehensweisen ohne Täuschung ermöglicht.
Verfahren mit Täuschung werden nicht eingesetzt, wenn die Forschungsintervention physischen Schmerz oder eine schwere emotionale Belastung erwarten lässt.
Danach:
Eine erfolgte Täuschung wird der Versuchsperson so bald als möglich, spätestens aber bei Abschluss der Datenerhebungsphase, erklärt und begründet.
Versuchspersonen haben das Recht, ihre Daten zurückzuziehen.
Man sollte sich in der Praxis folgende Fragen stellen:
1. Ist die Täuschung wirklich notwendig? Gibt es Alternativen?
2. Wieviel Täuschung ist notwendig? An welchen Stellen kann Täuschung vermieden werden?
3. Welche Schäden drohen durch die Täuschung?
4. Ist es im Rahmen des Versuchs möglich, sich eine Einwilligung zur Täuschung einzuholen?
5. Kann eine nachträgliche Aufklärung den entstehenden Schaden vermeiden?
6. Rechtfertigt der Erkenntnisgewinn die Täuschung?
Worüber sollten VP von Forscher:innen auf verständliche Weise vorher informiert werden?
den Zweck des Projekts, die erwartete Dauer und die Verfahren,
ihr Recht, die Teilnahme abzulehnen oder zu beenden,
die absehbaren Folgen einer Nichtteilnahme oder Beendigung,
absehbare Einflussfaktoren auf die Teilnahmebereitschaft wie Risiken und Unannehmlichkeiten,
den voraussichtlichen Nutzen der Forschung,
die Grenzen der Vertraulichkeit und Anonymität,
Anreize und Belohnung der Teilnahme, und
die Auskunftsperson über das Forschungsprojekt und die Rechte der Versuchspersonen.
Wann kann vom Einverständnis einer VP abgesehen werden?
eine persönliche Identifizierung ausgeschlossen werden kann oder das Forschungsdesign eine Täuschung erfordert und das Einverständnis nachträglich im Rahmen des Debriefings eingeholt wird.
In welchen Fällen ist ein Ethikvotum angebracht?
Im Rahmen empirischer, humanpsychologischer Studien und Forschungsprojekte entstehen ethische Probleme typischerweise in den folgenden Fällen:
die Freiwilligkeit der Teilnahme auf Basis vollständiger Informiertheit ist gefährdet (z.B. bei Studien mit Kindern oder wenn die vollständige Information vor der Studie die Studienziele gefährden [„Täuschungsabsicht“]),
es werden umfangreiche Daten erhoben, die die Anonymität der Teilnehmer gefährden (z.B. bei umfangreichen Online-Befragungen),
das Vorgehen oder die Dauer der Studie ist potentiell belastend (z.B. bei Induktion von negativen Emotionen oder bei besonderen Studienteilnehmern) oder
bei Interventionsstudien mit Kontrollgruppendesign (z.B. wenn einer Kontrollgruppe eine potentiell effektivere therapeutische Maßnahme vorenthalten werden muss).
Was muss beim Datenschutz beachtet werden?
Rohdaten oder Primärdaten sind die Daten, die aus der Datenerhebung/Messung resultieren und noch nicht weiterverarbeitet sind.
Liegen in dem “ursprünglichen” Format vor: Dateien, Bild-, Ton oder Videomaterial, ausgefüllte Fragebögen im Papierformat etc.
Müssen 10 Jahre aufbewahrt werden (W‘ethik!), sind aber vertraulich zu behandeln (F‘ethik!)
Anonymität
-> Daten dürfen keinen Rückschluss auf Person zulassen
->Kontaktdaten (personenbezogene Daten) und erhobene Forschungsdaten müssen getrennt werden (Link höchstens unidirektional; dann pseudonymisierte Daten; erst Zerstörung des Schlüssels macht Daten anonymisiert)
Vertraulichkeit
-> Keine Personen außerhalb des Forschungsprojekts haben Zugang zu personenbezogenen Daten
-> Rohdaten enthalten häufig personenbezogene Daten – für Weiterverarbeitung und Veröffentlichung werden die Rohdaten pseudonymisiert oder anonymisiert (kann auch schon bei Datenaufzeichung erfolgen).
Im deutschen und europäischen Datenschutz gilt im Umgang mit personenbezogenen Datengrundsätzlich das sogenannte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.
Das Erheben, Speichern und Verarbeiten solcher Angaben nicht zulässig ist, außer es liegt einer der folgenden Fälle vor:
1. Eine gesetzliche Regelung erlaubt diese konkrete Art der Datenverarbeitung.
2. Der Betroffene hat seine Einwilligung in die Verarbeitung seiner Daten gegeben.
Unterschied Pseudonymisierung und Anonymisierung
Es handelt sich bei pseudonymisierten Daten weiterhin um personenbezogene Daten, die in den Anwendungsbereich der DSGVO und des Datenschutzrechtes fallen. Bei der Anonymisierung wird der Personenbezug entfernt. Dadurch gelten Datenschutzanforderungen nicht mehr.
Welche Daten sind unter erhöhtem Datenschutz?
Gesundheitsdaten
Politische Ansichten
Religiöse Überzeugung
Sexuelle Orientierung
Mit solchen Informationen darf nur mit erhöhtem Datenschutz Forschung betrieben werden.
DSGVO sieht dazu eine Datenschutz-Folgenabschätzung vor (strukturierte Risikoanalyse; Beschreibung der geplanten Vorgänge; Notwendigkeit; Verhältnismäßigkeit; Risiken; Sicherheitsvorkehrungen)
Last changeda year ago