Ontologie (Seinslehre)
Was ist die Wirklichkeit?
Beispiel:
Das Leib-Seele-Problem ist eine ontologische Frage: Wie ist die Beschaffenheit des Menschens in Wirklichkeit?
Epistemologie (Erkenntnistheorie)
Wie kann man diese Wirklichkeit erkennen?
Die Frage nach der Vorgehensweise, um etwas über die Welt zu erfahren (Induktions vs. Deduktion) ist eine epistemologische Frage
Theorien, Hypothesen und Daten
Induktion vs. Deduktion:
Induktives Vorgehen
(Induktion): Du betreibst deine eigene Forschung und leitest aus den Beobachtungen deiner Forschung selbst eine allgemeine Theorie ab.
Deduktives Vorgehen
(Deduktion): Du prüfst eine bereits bestehende Theorie, indem du deine eigene Forschung bzw. Untersuchung dazu durchführst.
Warum brauchen wir Theorien?
Warum Theorien?
um Informationen und „Fakten“ zu ordnen
Werkzeuge, um die Welt zu verstehen und zu deuten
Probleme definieren
Vorhersagen für neue Phänomene generieren
Den Radius des Mach- und Denkbaren, des Sag- und Wissbaren erweitern
theoriebeeinflusste Fragestellung
theoriegeleitete Forschung
6. Theorien beeinflussen die Wahl des Untersuchungsgegenstandes und die Interpretation der Ergebnisse
Was ist die philosophy of science?
Teilgebiet der Philosophie, das sich mit den Voraussetzungen, grundsätzlichen Methoden und Zielen der Wissenschaft beschäftigt. ➝ Meta-Ebene
Was sind die grundfragen mit denen sich die philosophy of science beschäftigt?
1. Wie kommt Wissenschaft zu rational und intersubjektiv begründetem Wissen?
2. Was zeichnet wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse aus?
3. Was ist wissenschaftlicher Fortschritt und wie können wir ihn erreichen?
4. Welchen Status haben Theorien und Daten, und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander?
Normative Frage: Wie sollte Wissenschaft betrieben werden? Deskriptive Frage: Wie wird Wissenschaft betrieben?
Wissenschaftstheoretische Ansätze
Methatheorie:
Theorien über Theorien z.B Logischer Empirismus
Methodologie:
Meta-Methodenlehre z.B kritischer Rationalismus
(Popper)
-> apriotisch: allgemein gültige Standards, Regeln, etc., wie die a priori gültig sind; Bsp.: Wie sehen Theorien aus? Wie überprüft man diese?
Historisch-soziologische Analyse
(Kuhn)
Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme
(Lakatos)
-> quasi-empirisch: wie funktioniert Wissenschaft tatsächlich?
Positivismus
1. Geht von der Möglichkeit eines direkten Zugriffs auf „Wirklichkeit“ aus, die entlangvon Regelmäßigkeiten und kausalen Zusammenhängen organisiert ist
2. Beobachtung, Messung, Experiment – lässt nur gelten, was demonstrierbar und empirisch belegbar ist
3. kausale Zusammenhänge feststellen
4. empirische Fragestellung (was ist) trennen von normativen (was soll sein) – Wertfreiheit, Objektivität
5. Forscher = getrennt vom Gegenstand, objektiv
6. Beobachtung, Messung, Experiment – lässt nur gelten, was demonstrierbar und empirisch belegbar ist
7. quantitative Methoden
Logischer Empirismus / Logischer Positivismus
Entstand aus dem “Wiener Kreis” (1924-1936), u.a. als Gegenbewegung zur Psychoanalyse
Hans Schlick
Otto Neurath
Rudolf Carnap
Richard von Mises
Kurt Gödel
Hans Reichenbach •...
Zentrale Annahmen
Wissenschaftliche Aussagen müssen auf Beobachtungen (=Empirie) zurückzuführen sein.
Entstand als Kritik an der Psychoanalyse (bei der Annahme 1 nicht der Fall war)
Theorien müssen formal beschrieben werden (z.B. mittels Logik) um die Ambivalenz der Alltagssprache zu vermeiden.
Zwei Arten von Begriffen in der Sprache der Positivisten: Alle theoretischen Begriffe müssen eindeutig und vollständig auf Beobachtungsbegriffe zurückzuführen sein.
Der logische Positivismus spielt in dieser Form heute keine Rolle mehr, dennoch hat er viele zukünftige Ansätze mit geprägt (z.B., die Verwendung von Logik als Ausdruckssprache)
Standardkonzeption wissenschaftlicher Theorien ( Logischer Positivismus )
Formale Axiomatisierung (Aufstellen von Aussagen, aus denen man Weiteres ableitet) Beobachtungs- und theoretische Begriffe Theoretische Begriffe (H) auf Beobachtungsbegriffe (Protokollsätze B) zurückführbar
(B1 ∧ B2 ∧ ... Bn) ➝ H ∧ = logisches UND; ➝ = impliziert
Alle Theorien sollten logisch auf Erfahrung zurückführbar sein und empirisch verifizierbar sein: Lässt sich eine theoretische Aussage H aus Protokollsätzen vollständig ableiten, ist sieverifiziert.
Kritik am logischen Positivismus
Induktiver Ansatz: Induktionsproblem (Schwäne)
Theoriefreie Beobachtung schwierig bis unmöglich
Induktion erzeugt kein sicheres Wissen.
Fallibilismus
Sicheres Wissen ist nicht möglich – alle Theorien sind und bleiben Vermutungen, die möglicherweise falsch sind.
Logische Asymmetrie: Wir können nicht induktiv beweisen, dass unsere Theorien wahr sind – aber deduktiv gibt es die Möglichkeit zu zeigen, dass Theorien falsch sind.
Durchgehende Axiomatisierung nicht/sehr selten möglich
Theoriefreie Beobachtung schwierig bis unmöglich (dadurch sind Beobachtungen letztlich doch subjektiv geprägt und nicht objektiv und interpersonell)
Kritischer Rationalismus
bezeichnet eine philosophisch-wissenschaftstheoretische Lehre, die von der Notwendigkeit der empirischen Überprüfung wissenschaftlicher Theorien und deren grundsätzlicher Widerlegbarkeit (Falsifikation) ausgeht.
Maßgeblich von K. Popper auf der Basis empirisch-analytischer Wissenschaft entwickelt, behauptet der K. R., aus fehlerhaften Theorien und Aussagen lernen zu können.
Wann ist eine Theorie 𝑇2 besser als eine Theorie 𝑇1 laut Popper?
𝑇2 erklärt alles was 𝑇2 erklärt
𝑇2 erklärt einiges was 𝑇1 nicht erklärt
𝑇2 erlaubt weitgehende Prüfung
𝑇2 bewährt sich in diesen Prüfungen
Bewährungsgrad einer Theorie
Der Bewährungsgrad („corroboration“) einer erfahrungswissenschaftlichen Theorie zu einem bestimmten Sachverhalt ist im Verständnis des kritischen Rationalismus von der Anzahl und Strenge der überstandenen Replikations-, bzw. Falsifikationsversuche abhängig
Operationalisierung
Operationalisierung, Erfassung der empirischen Merkmalsausprägungen. Eine Operationalisierung ist notwendig, um aus einer zu prüfenden Hypothese oder Theorie Aussagen über beobachtbare Sachverhalte abzuleiten. Ausschlaggebend sind die Wahl des Erhebungsverfahrens (z.B. Experiment, Test, Interview) und die Festlegung der Meßoperationen mit Festlegung des Skaleniveaus (Skalierung, Messung)
probabilistische oder stochastische Hypothesen
Psychologische (und andere) Hypothesen üblicherweise nicht deterministisch, sondern Wahrscheinlichkeitsaussagen (probabilistische oder stochastische Hypothesen): Frustration erzeugt nicht immer Aggression, sondern erhöht (im Mittel) die Wahrscheinlichkeit für Aggression
probabilistische Falsifizierung
eine Hypothese ist praktisch falsifizierbar durch wiederholt stark abweichende Beobachtung
Signifikanztest
Bei einem Signifikanztest (auch: Hypothesentest ) soll eine Entscheidung getroffen werden, ob sich ein beobachteter Wert überzufällig stark von einem vorgegebenen Wert unterscheidet.
Wiederholte Beobachtungen, dass Ergebnis unwahrscheinlich ist, wenn Nullhypothese H0 zutrifft (Inferenz mittels p-Wert -> Statistik II)
-> Ähnlichkeiten zur Falsifikationsstrategie, aber: Signifikanztests testen üblicherweise die Nullhypothese H0 (=Abwesenheit eines Effekts) nicht die eigentlich interessierende Theorie oder Forschungshypothese!
Wissenschaftliche Gemeinschaft
Wissenschaft findet in Spezialistengruppen (scientific community) statt.
Paradigma
Von der wissenschaftlichen Gemeinschaft akzeptierte theoretische Annahmen und Begriffe, empirische Generalisierungen, Methoden und Hilfsmittel.
Wissenschaftliche Revolution durch Paradigmenwechel
Fortschritt ist nicht inkrementell durch die kumulative Schaffung neuen Wissens, sondern basiert auf wissenschaftlichen Revolutionen.
-> In sogenannten normalwissenschaftlichen Forschungsperioden werden vorhandene Paradigmen modifiziert und erweitert, um Anomalien zu erklären. Treten zu viele Anomalien auf oder lassen sich Anomalien nicht durch Erweiterungen des Paradigmas auflösen, kommt es zu einer Krise und dann zu einer wissenschaftlichen Revolution.
Geozentrisches Weltbild (Ptolemäus) -> Heliozentrisches Weltbild (Kopernikus) -> Heliozentrisches Weltbild (Kepler)
Was passiert, wenn WissenschaftlerInnen empirische Befunde erhalten, die nicht zu Theorie oder Paradigma passen (“Anomalien”)?
Typischerweise werden Theorien nicht sofort verworfen (falsifiziert), sondern es werden Zusatzannahmen oder Zusatzerklärungen herangezogen, so dass die Theorie die Daten erklären kann (Epizykel/Merkur).
Struktur von Theorien nach Lakatos
Theorien bestehen aus zwei Komponenten: Einem “harten Kern” (hard core) und“Hilfshypothesen” (auxiliary hypotheses), die quasi einen “Schutzgürtel” (protective belt) bilden. Der harte Kern kann Teil verschiedener Theorien sein, die Hilfshypothesen variieren.
„Lakatosian defense“
Der harte Kern von Theorien wird i.A. nicht falsifiziert, auch wenn Anomalien auftreten, sondern nur die Hilfshypothesen, die falsifiziert oder angepasst werden.
Methodologischer Anarchismus
Kernthesen:
- Forschung verläuft chaotisch
- Wissenschaft ist zu komplex als dass es ein einziges universell gültiges Regelsystem geben könnte
- Unfälle und Versehen führen zu neuen Entdeckungen
- Methodische Eingrenzungen (insbesondere der kritische Rationalismus) schränken das Individuum ein
- Objektivität ist eine Illusion
- Wissenschaft sollte demokratisch sein (nicht nur den Wissenschaftlern vorbehalten)
- Die Wissenschaft nimmt nicht automatisch eine vorherrschende Stellung ein (man sollte in der Schule neben Religion auch zwischen Wissenschaft und Magie wählen können; frei nach P.F.)
Bayesianismus
In der Psychologie spielt die Bayesianische Inferenz eine immer größere Rolle
Wesentliche Idee: Man benutzt die Axiomatik der Wahrscheinlichkeitsrechnung, um den Grad der Überzeugung für oder gegen eine Theorie numerisch zu erfassen (Etwa: „ich glaube zu 80%, dass diese Theorie wahr ist“)
Formale Regeln („Satz von Bayes“) bestimmen, wie man den Grad der Überzeugung ändert, wenn man bestimmte Beobachtungen macht
Statt „alles-oder-nichts“-Entscheidungen sammeln wir kontinuierlich und graduelle Überzeugungen für oder gegen Erklärungsmodelle
Bayesianische Wissenschaftstheori
Das Ziel von empirischen Studien ist für Bayesianer nicht die Falsifikation von Hypothesen, sondern Schätzung der Wahrscheinlichkeit einer Theorie gegeben die Daten.
Theorien sind nicht wahr oder falsch, wie aus logischer Sicht häufig angenommen, sondern werden durch Daten mehr oder weniger bestätigt.
WissenschaftlerInnnen können sich in ihrem subjektivem Glauben an Theorien unterscheiden (verschiedene Priors) und dementsprechend zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bzgl. Daten kommen.
Der Vorteil dieser Subjektivität ist volle Transparenz über den Entscheidungsprozess
Erklärt (deskriptiv) z.B. warum negative Befunde (“Anomalien”) nicht sofort dazu führen, dass eine Theorie verworfen wird – es senkt nur die Wahrscheinlichkeit, dass sie zutrifft.
Falsifikation kann als Sonderfall dargestellt werden, interessiert Bayesianer aber i.d.R. nicht -> Mathematische Grundlagen besprechen wir in Statistik II
Spezialprobleme der Psychologie
Latente Variablen
Psychologische Konstrukte wie “Intelligenz”, “Gedächtnis”, ”Aggression”, “Frustration” etc.sind nicht direkt beobachtbar, sondern müssen erst messbar gemacht werden. ➝ Operationalisierung
Kein einheitliches Theoriegebäude (“toothbrush problem”)
“Psychologists treat other peoples’ theories like toothbrushes — no self-respecting personwants to use anyone else’s.” –Mischel (2008)
Verhältnis zwischen Forscher:innen und “Erforschten”
Studienteilnehmer:innen haben Erwartungen und Hypothesen, was Psycholog:innen von ihnen wollen oder welchem Zweck die Studie dient, was ihr Verhalten beinflussen kann (Reaktivität).
Demand Characteristics (Anforderungsmerkmale; VP bilden Erwartungshaltung),
am Beispiel des Letterhead-Effekt: Studienteilnehmer lasen Zeitungsartikel über Massenmord und erhielten dann einen Fragebogen, in dem sie mögliche Gründe dafür aufschreiben sollten. Variiert wurde die Kopfzeile des Fragebogens und das dort erwähnte Institut:
Nomothetisch vs. idiographisch
Nomothetisch
(von griechisch nomos: Gesetz und thesis: aufbauen) bezeichnet eine Forschungsrichtung, bei der das Ziel wissenschaftlicher Arbeit allgemeingültige Gesetze sind. Ihre Methoden sind experimentell, oft reduktionistisch (vereinfachend), die erhobenen Daten quantitativ. Nomothetische Theorien abstrahieren von den Phänomenen. Diese Denkweise ist typisch für die Naturwissenschaften.
-> Bei nomothetischer Vorgehensweise müssen Gesetzmäßigkeiten auch auf Einzelfälle bezogen werden können
Idiographisch
(von griech. idios: eigen und graphein: beschreiben) ist eine Forschungsrichtung, bei der das Ziel wissenschaftlicher Arbeit die umfassende Analyse konkreter, zeitlich und räumlicheinzigartiger Gegenstände ist. Ihr Hauptanwendungsbereich sind dieGeisteswissenschaften.
-> Bei idiographischer Vorgehensweise muss abstrahiert und generalisiert werden können
Die Psychologie steht zwischen beiden Ansätzen, da quantitative und qualitative inter- und intraindividuelle Unterschiede erforscht werden, um objektive Gesetze zu finden, die auf Individuen angewendet werden können.
-> Psychologie untersucht geisteswissenschaftliche Inhalte mit naturwissenschaftlichen Methoden
Last changeda year ago