Handelsrechtliche Buchführungspflicht
Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grunsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen (§238 Abs. 1 S. 1 HGB)
Wer ist Kaufmann?
Kaufmann ist derjenige, der ein Handelsgewerbe betreibt (§1 HGB) -> Istkaufmann
Kleingewerbetreibende, die kein Handelsgewerbe betreiben, sowie Land- und Forstwirte, wenn sie sich freiwillig in das Handelsregister eintragen lassen (§§2-3 HGB) -> Kannkaufmann
Handelsgesellschaften, die aufgrund ihrer Rechtsform Kaufmann sind (§6 HGB). Zu den Handelsgeselschaften zählen beispielsweise die Personengesellschaften (OHG, KG) und die Kapitalgesellschaften -> Formkaufmann
Was ist ein Handelsgewerbe? (Voraussetzung für den Istkaufmann)
Jeder Gewerbebetrieb, der nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforder (§1 Abs. 2 HGB)
Wie wird ein Gewerbebetrieb definiert?
Gewerbebetrieb ist hierbei gem. §15 Abs. EstG eine
selbstständige,
nachhaltige Betätigung, die
mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird,
sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und
nicht als Ausübung von Land- und Fortswirtschaft noch als Ausübung eines
freien Berufs bzw. als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist
Ob ein Unternehmen nach Art oder Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, bedarf immer einer individuellen Beurteilung …
… unterliegt weiten Ermessensspielräumen
… Rechtsunsicherheit sehr hoch
Wesentliche Kriterien
Art der Geschäftstätigekeit (z.B. Vielfalt der Erzeugnisse, Dienstleistungen, Geschäftsbeziehungen)
Umfang der Geschäftstätigkeit (z.B. Umsatzvolumen, Anzahl Beschäftigte, Anzahl Betriebsstätten)
Letzlich das Gesamtbild der Verhältnisse des Unternehmens maßgeblich
Befreiung von handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflicht für bestimmte Einzelkaufleute (§241a und §242 Abs. 4 HGB)
Keine Anwendung der §§238-241 HGB, wenn bei den Einzelkaufleuten an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen:
Umsatzerlöse < 600.000€
Jahresüberschuss < 60.000€
Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen ein, sobald die Werte am ersten Stichtag nach Neugründung nicht überschritten werden.
§241a HGB stellt ein Wahlrecht dar: Einzelkaufleute, die unter diese Regelung fallen können auch freiwillig Bücher führen -> so reicht eine Einnahmenüberschussrechnung zur Gewinnermittlung (einfach & kostengünstig)
Pficht zur Jahresabschlussaufstellung
Jeder Kaufmann hat zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen Jahresabschluss aufzustellen, der aus Bilanz und GuV besteht (§242 HGB)
Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften (§264 HGB) und diesen gleichgestellten Personengesellschaften (§264a HGB)
Kleine Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personengesellschaften haben den Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern (§264 Abs.1 S.1 HGB)
Für Kleinstkapitalgesellschaften gelten die gleichen Regeln wie für kleine Kapitalgesellschaften, außer es ist explizit etwas abweichendes geregelt (§267a Abs.2 HGB)
Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften haben den Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern sowie einen Lagebericht (§289 HGB) aufzustellen
Aufstellung Jahresabschluss
Der Jahresabschluss
ist innerhalb bestimmter Fristen (Aufstellungsfristen) aufzustellen
gilt als aufgestellt, wenn sämtliche Abschlussarbeiten beendet sind und alle handelsrechtlichen Vorschriften eingehalten wurden
Adressaten des Jahresabschlusses
Interne Adressaten
Geschäftsführung (z.B. Inhaber, je nach Rechtsform)
Mitarbeitende
Externe Adressaten
Lieferanten, Kunden
Gläubiger, Investoren, Kreditgeber (Banken)
Aktionäre
Steuerbehörde
Öffentlichkeit
Gewerkschaften
Finanzpresse (z.B. Handelsblatt)
potentielle Lieferanten
Problemfelder aufgrund unterschiedlicher Intressenlagen
Beispiele s. Skript
Die Adressaten des Jahresabschlusses haben widersprechende Interessen und Informationsbedürfnisse bzgl. des Jahresabschlusses
Die unterschiedlichen Interessen und die dahinter stehende Kräfteverhältnisse der EIgentümer beeinflussen den Einsatz des bilanzpolitischen Instrumentariums
Funktionen des Jahresabschluss
Informationen über
die Vermögenslage: Höhe. Art und Zusammensetzung des Vermögens, Sicherheiten, Reinvermögen als Saldo abzgl. Schulden
die Finanzlage: Finanzierungs- und Liquiditätssituation des Unternehmens, Kapitalstruktur, Sicherheiten
die Ertragslage: Periodenergebnis und dessen Komponenten, Struktur der Aufwendungen und Erträge
Dokumentationsfunktion
Ergebnisermittlungs- bzw. Ausschüttungsbemessungsfunktion
Gläubigerschutz, Gesellschafterschutz
Bemessung von Zahlungen -> an den Fiskus (Steuerbilanz), an den Eigner (Handelsbilanz)
Maßgeblichkeitsfunktion der Handelsbilanz für die Steuerbilanz
Steuerbilanz dient zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Einkommen-/Körperschafts-/Gewerbesteuer
Handelsbilanz somit maßgeblich für die Steuerbilanz
Zielsetzung der GoBs
die Grundsätze sollen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung gewährleisten und dadurch die Anteilseigner, Gläubiger und Fiskus vor Vermögensverlusten durch Fehlinformationen schützen (Gläubigerschutz!)
Darüber hinaus, sollte es einem sachverständigen Dritten ermöglicht werden sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsfälle und die Lage des Unternehmens zu verschaffen (z.B. Wirtschaftsprüfer)
Rahmengrundsätze - Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit §239 (2), §238 (1) S. 2 HGB
Grundsätze der Richtigkeit und WIllkürfreiheit §239 Abs. 2, §238 Abs. 1 S. 2 HGB
-> Jahresabschluss ist nach den gültigen Regeln zu erstellen
-> die ausgewiesenen Positionen müssen den Tatsachen entsprechen
-> Ansätze und Werte im JA sind nachprüfbar (Beleg oder Buch)
GoB - Wertaufhellungsprinzip
Es sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen Stichtag und Tag der Aufstellung bekannt geworden sind
Die wertbegründende Tatsache muss dabei allerdings vor Stichtag liegen, die wertaufhellende Tatsache in der Zeit bis zur Aufstellung liegen
GoB - Grundsatz der Einzelbewertung (§232 Abs. 1 Nr. 3 HGB)
Alle Vermögensgegenstände und Schulden sind unabhängig und einzeln voneinander zu bewerten.
Im Rahmen des Einzelbewertungsgrundsatzes ist eine wirtschaftluche Betrachtungsweise, bei der die Funktionseinheit im Vordergrund steht, maßgeblich.
Ausnahmen: Gruppenbewertung beim Vorratsvermögen, Bildung von Festwerten, Bildung von Bewertungseinheiten (Wechselkurssicherungsgeschäfte)
Abgrenzungsgrundsätze - Realisationsprinzip §252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
Gewinne bzw. Wertsteigerungen sind erst anzusetzen, wenn diese entstanden sind
Ertrag entsteht i.d.R. erst, wenn ein Unternehmen alle vertraglichen Pflichten zur Durchführung eines Geschäftes erfüllt hat
Abgrenzungsgrundsätze - Imparitätsprinzip §252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
Verluste bzw. Wertminderungen sind bereits anzusetzen, wenn diese sich mit genügend Sicherheit abzeichnen
somit kommt es zu einer Ungleichbehandlung von Gewinnen (Ansatz mit Realisation) und Verlust (Ansatz bereits wenn Verlust sich abzeichnet -> hierdurch insbesondere GLÄUBIGERSCHUTZ
Unter dem Imparitätsprinzip sind folgende Prinzipien zu subsumieren:
Niederstwertprinzip
Höchstwertprinzip
Bildung von Rückstellungen bei drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften
Niederstwertprinzip §§253 Abs. 3 S.3-4, Abs. 4
Anwendung für Vermögensgegenstände
Erfolgswirksame Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von VG, sofern tatsächlicher Wert niedriger ist
im Umlaufvermögen besteht bei einer am Bilanzstichtag vorliegenden Wertminderung Abwertungsverpflichtung (strenges Niederstwertrprinzip) §253 Abs. 4 HGB
im Anlagevermögen gilt bei einer vsl. dauernden Wertminderung eine Abwertungspflicht, bei nur vorübergehender Wertminderung besteht Abwertungsverbot - man spricht hier auch vom gemilderten Niederstwertprinzip §253 Abs. 3 S. 3 und 4 HGB
Anwendung bei Verbindlichkeiten
ein höherer Wert als die “Anschaffungskosten” von Verbindlichkeiten muss berücksichtigt werden
Bildung von Rückstellungen bei drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften §249 Abs. 1 S. 1 HGB
ein schwebendes Geschäft liegt solange vor, bis bei einem schuldrechtlichen Vertrag, der zwei Parteien verpflichtet, die Hauptleistung erfüllt ist
schwebender Zustand somti: von Vertragsabschluss bis Hauptleistungserfüllung
grundsätzlich keine Bilanzierung von schwebenden Geschäften, i.d.R. von einer Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden kann - ist diese Ausgeglichenheit nicht gegeben und es droht ein Verlust -> zwingend eine Rückstellung zu bilden
Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit §243 Abs. 2 HGB
-> sachgerechte und überschaubare Organisation der Buchführung
-> Anwendung Gliederungsschema (Bilanz, GuV), Anwendung Kontenrahmen
-> Saldierungsverbot zwischen Vermögenswerten und Schulden, Aufwendungen und Erträgen §246 II HGB
Grundsatz der Vollständigkeit §239 Abs. 2 & §246 Abs. 1 HGB
Erfassung sämtlicher buchführungspflichtiger Geschäftsvorfälle
Erfassung aller Vermögens- und Kapitalpositionen des Unternehmens
Berücksichtigung bestehender Risiken, die sich noch nicht auf die Bilanz und die GuV ausgewirkt haben
= Daraus lässt sich das Wertaufhellungsprinzip §252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ableiten
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