In welche drei Gruppen können die (wichtigsten) Klagearten im Verwaltungsprozessrecht eingeteilt werden und was charakterisiert diese?
Gruppe 1: Gestaltungsklagen
—> Ziel: durch Urteil dieRechtslage zu eigenen Gunsten verändern
Anfechtungsklage, § 42 I Alt. 1 VwGO
Gruppe 2: Leistungsklagen
—> Ziel: zur Vornahme einer bestimmtenLeistung verurteilen lassen
Verpflichtungsklage, § 42 I Alt. 2 VwGO
Allgemeine Leistungsklage
Gruppe 3: Feststellungsklagen
—> Ziel:Feststellung der Rechtslage
Feststellungsklage, § 43 I VwGO
Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 I 4 VwGO
Worin unterscheiden sich Leistungsurteile (Urteil bei Leistungsklagen) und Gestaltungsurteile (Urteil bei Gestaltungsklagen)?
Leistungsurteil:
Behörde wird von Gericht zu Änderung der Rechtslage verurteilt (z.B. Erlass eines VA)
vs.
Gestaltungsurteil:
Gericht nimmt durch Urteil Änderung der Rechtslage selbst vor (indem es angefochtenen VA aufhebt —> § 113 I 1 VwGO)
-> vorrangig, weil rechtschutzintensiver
(Hintergrund: Es wäre mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung unvereinbar, wenn Gericht verwaltungstypische Handlung (etwa Erlass VA) selbst vornehmen würde; Aufhebung einer fehlerhaften Verwaltungsentscheidung (angefochtener VA) fällt hingegen in den Kernbereich der Judikative)
Welche allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen haben alle Klagearten (neben ihren jeweiligen eigenen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen) gemeinsam?
Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen (Sachentscheidungsvoraussetzungen):
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
II. Statthafte Klageart
III. Klagegegner
IV. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
V. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
VI. Zuständigkeit des Gerichts
Wie prüft man die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs?
1) Aufdrängende Sonderzuweisung hier einschlägig?
= spezielle Vorschrift, die anordnet, dass Verwaltungsrechtsweg für diese bestimmte Rechtsstreitigkeit unabhängig von § 40 I VwGO eröffnet ist
—> z.B.: §§ 126 I, II BRRG,54 I BeamtStG, 126 I BBG; § 82 I SG; § 46 DRiG; § 68 IfSG; § 54 BAföG; § 32 WPflG; § 72b TierSG; §§ 8 IV, 12 HwO
—> nur wenn (-):
2) Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach Generalklausel des § 40 I VwGO?
= Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO eröffntet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassunsgrechtlicher Art vorliegt
-> Öffentlich-rechtliche Streitigkeit:
Modifizierte Subjektstheorie (Vorrangig, erst wenn (-) andere Theorien ansprechen!)
= öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn sreitentscheidende Norm solche des öffentlichen Rechts ist; Dies ist der Fall, wenn sie ausschließlich einen Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet
Zwei-Stufen-Theorie
=
Subordinationstheorie
= öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn zwischen Streitbeteiligten ein Über- bzw. Unterodnungsverhältnis besteht
Interessentheorie
= öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn streitentscheidende Norm überwiegend dem öffentlichen Interesse/Allgemeininteresse dient
-> Nichtverfassungsrechtlicher Art:
Es streiten keine Verfassungsorgane um unmittelbares Verfassungsrecht (= doppelte Verfassungsumittelbarkeit)
3) Abdrängende Sonderzuweisung hier einschlägig?
= Zuweisung an anderes Gericht (das nicht Verwaltungsgerichtsbarkeit angehört) durch Bundes- oder Landesgesetz
—> z.B.: Art. 93 GG i.V.m. § 13 BVerfGG; § 33 FGO; § 51 SGG; Art. 14 III 4; Art. 34 3 GG; § 40 II 1 HS 1 VwGO; § 49 VI 3 VwVfG; § 74 POG; § 36 I PUAG; § 23 EGGVG; § 21 VI BImSchG; § 217 I 4 BauGB; § 68 OWIG
Formuliere den Prüfungspunkt I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs aus (Regelfall)!
Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt. Eine Streitigkeit ist nach der sog. modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidende Norm eine solche des öffentlichen Rechts ist. Dies ist der Fall, wenn sie ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner jeweiligen Funktion berechtigt oder verpflichtet. (…) Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt mithin vor. Bei (…) handelt es sich nicht um Verfassungsorgane und es wird auch nicht um unmittelbares Verfassungsrecht gestritten. Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist die Streitigkeit somit auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Auch das Vorliegen einer abdrängenden Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
Wie prüft man die Statthafte Klageart?
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Antragstellers, § 88 VwGO
Was begehrt der Antragsteller hier?
Aufhebung eines nicht erledigten belastenden VA
—>Anfechtungsklage
Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten VA
—>Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage)
Verurteilung zum Erlass eines unterlassenen VA
—>Verpflichtungsklage (Untätigkeitsklage)
Vornahme einer öffentlich-rechtlichen Handlung, die nicht im Erlass eines VA besteht (idR Realakt)
—>Allgemeine Leistungsklage (Leistungsvornahmeklage)
Unterlassen einer zukünftigen öffentlich-rechtlichen Handlung, die nicht im Erlass eines VA besteht (idR Realakt)
—>Allgemeine Leistungsklage (vorbeugende Unterlassungsklage)
Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses
—>Feststellungsklage (positive Feststellungsklage)
Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
—>Feststellungsklage (negative Feststellungsklage)
Feststellung der Nichtigkeit eines VA
—>Feststellungsklage (Nichtigkeitsfeststellungsklage)
Feststellung der Rechtswidrigkeit eines VA, der sich nach Klageerhebung erledigt hat
—>Fortsetzungsfeststellungsklage
Feststellung der Rechtswidrigkeit eines VA, der sich vor Klageerhebung erledigt hat
Wie prüft man die Klagebefugnis?
Wann ist die Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt. 1 VwGO einschlägig?
=> Kläger begehrt die Aufhebung eines (belastenden, nicht erledigten) Verwaltungsakts durch Gericht
Wann ist die Verpflichtungsklage gem. § 42 I Alt. 2 VwGO einschlägig?
=> Kläger begehrt, dass Gericht Behörde/Rechtsträger zum Erlass eines Verwaltungsakts verurteilt
Wann ist die Allgemeine Leistungsklage einschlägig?
=> Kläger begehrt, dass Gericht Behörde/Rechtsträger zur Vornahme oder Unterlassen einer sonst. Handlung verurteilt, die kein Verwaltungsakt ist
Wann ist die Feststellungsklage gem. § 43 I VwGO einschlägig?
=> Kläger begehrt, dass Gericht
das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses feststellt
oder
die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts feststellt
Wann ist die Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 I 4 VwGO einschlägig?
=> Kläger begehrt, dass Gericht die Rechtswidrigkeit eines bereits erleigten (= also nach Klageerhebung) Verwaltungsakts feststellt
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