Kriterien zur Systematisierung
Kriterien Bildung (Beispiele):
Normgeber
a) Verschiedene Staaten, Europäische Union, …
b) Parlament, Selbstverwaltungskörperschaft (Gemeinde, Universität), Gericht
Ebenen
a) Verschiedene staatliche Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden)
b) Staatliches Recht und „überstaatliches Recht (Europarecht, Völkerrecht)
Hierarchien, z.B. Verfassungsrechht und einfaches Recht
Sachgebiete, z.B. Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht
Einzelne Unterscheidungen: Arten von Gesetzen
Gesetz im materiellen (=inhaltlichen) Sinn: jede abstrakt – generelle Regelung eines Trägers öffentlicher Gewalt mit Außenwirkungen
Gesetz im formellen Sinn: jede Rechtsnorm, die nach den Regeln der Verfassung für die Gesetzgebung (Zuständigkeit, Verfahren, Form) zustande gekommen ist = „Parlamentsgesetz“
Die meisten Rechtsnormen sind sowohl im materiellen als auch im formellen Sinn Gesetz – aber nicht alle:
Nur formelles Gesetz: Parlamentsgesetz ohne Außenwirkungen (z.B. Haushaltsgesetz)
Nur materielles Gesetz: abstrakt – generelle Regeln mit Außenwirkung, die nicht durch Parlament gemacht werden – z.B. ?
a) Rechtsverordnung: materielle Rechtsnorm der Exekutive
b) Satzung: materielle Rechtsnorm zur Regelung eigener Angelegenheiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (verliehene Satzungsautonomie)
c) (in beiden Fällen: Ermächtigung durch Parlamentsgesetz erforderlich)
Normebenen
=> Ebenen beim Recht systematisieren
Traditionelle Unterteilung:
Staatliches Recht
Völkerrecht – Status?
a) Art. 25 GG: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
b) In anderen Staaten vielfach anders geregelt
Seit längerer Zeit: Europarecht als besondere Form des Völkerrechts
Entstehung einer „supranationalen“ Rechtsordnung
a) Primärrecht: EUV, AEUV, Grundrechtecharta
b) Sekundärrecht: Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen, …
o Status?
a) Grds. anerkannt: „(Anwendungs-) Vorrang des Europarechts“
b) Vorrang ist in Grenzbereichen umstritten – BverfG reklamiert (bisher: verbal) Letztprüfungsrecht
Normenpyramide
Grundunterteilung
Öffentliches Recht und Privatrecht
Öffentliches Recht:
Beziehung der Bürger zum Staat (Über-/Unterordnung)
Unterteilung in:
a) Staatsrecht (Staatsorganisationsrecht, GR)
b) Verwaltungsrecht (z.B. Baurecht, Polizeirecht, Kommunalrecht,…)
Privatrecht:
Beziehungen der Bürger untereinander (Gleichordnung)
Unterteilung z.B. in:
a) Bürgerliches Recht (5 Bücher des BGB: Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht)
b) Handelsrecht (Sonderprivatrecht der Kaufleute)
c) …
Abgrenzungsprobleme, +möglichkeiten, Folgen
A hat Angst vor einem wichtigen Gerichtstermin, nimmt deshalb seinen Freund B mit und genehmigt sich mit ihm als Vorbereitung diverse legale Drogen. In der Eingangshalle des Gerichts werden beide so verhaltensauffällig, dass der Gerichtspräsident beide des Hauses verweist.
Rechtlicher Hinweis: ein Hausverbot kann nach h.M. auf zwei Rechtsgrundlagen gestützt werden
entweder - zivilrechtlich - auf §§ 859 ff., § 903, § 1004 BGB (das kann auch der Staat als zivilrechtlicher Eigentümer)
oder - öffentlich-rechtlich - auf eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Befugnis, einen störungsfreien Dienstbetrieb einer Behörde zu gewährleisten.
Fragen:
Welche Rechtsgrundlage ist für A und B einschlägig?
Vor welchem Gericht müssen A und B klagen, wenn sie sich gegen das Verbot wehren wollen
Abgrenzungsmöglichkeiten:
(v.a. frühere Rspr.): nach Zweck des Besuchs
H.M.: nach Zweck des Verbots
Folgen:
Nach früherer Rspr.:
a) Verbot gegen A öffentlich-rechtlich (hat Gerichtstermin) + Klage vor dem VG
b) Verbot gegen B zivilrechtlich (private Begleitung) + Klage vor dem AG
Nach h.M.
a) Zweck ist konkret zu bestimmen
b) Zweck ist aber praktisch immer Aufrechterhaltung des Behördenbetriebs
c) Folge: Verbot gegen beide ist öffentlich-rechtlich + Klage vor dem VG
Weitere Unterscheidungen
-> Materielles Recht und Verfahrensrecht
-> Geschriebenes und ungeschriebenes Recht
Materielles Recht und Verfahrensrecht (formelles Recht)
Materiell = sachlicher Inhalt von Rechtsverhältnissen und Rechtsbeziehungen
Verfahrensrecht = Struktur und Ablauf von Verfahren, v.a.
a) Gerichtliches Verfahren: „Prozessrecht“
a. Gliederung nach Gerichtsbarkeiten: v.a. ZPO, StPO, VwGO, SGG, ArbGG, FGO, FamFG, BVerfGG
b) Verwaltungsverfahrensrecht: VwVfG (Bund, Länder)
Geschriebenes und ungeschriebenes Recht
Geschrieben: formelle Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, Verträge
Ungeschrieben: Gewohnheitsrecht und Richterrecht - Bedeutung in verschiedenen Rechtsordnungen
(Gewohnheitsrecht ist im Völkerrecht sehr relevant)
-> Objektives Recht und subjektive Rechte
-> Zwingendes Recht und dispositives Recht
Objektives Recht und subjektive Rechte
Objektives Recht = allgemeinverbindliche Norm
Subjektives Recht[1] = Berechtigung, etwas zu tun, zu unterlassen oder von anderen zu verlangen (Tun oder Unterlassen)
a) Z.B. im Zivilrecht: Ansprüche aus Kaufvertrag, § 433 BGB
b) Z.B. im öffentlichen Recht: Anspruch, nicht diskriminiert zu werden (Art 3 GG)
Zwingendes Recht und dispositives Recht[2]
Rechtsnormen können unabdingbar oder abdingbar sein
Möglichkeiten privatautonomer Gestaltung – v.a. im Privatrecht
[2] = nicht zwingend / individuell vereinbar, Privatautonomie
Normstruktur und Normkollisionen:
Normen
Normen = Aussagen darüber, was sein soll (Sollensätze)
Im Unterschied zu: Beschreibungen der Wirklichkeit
Folge:
Keine Ableitung von Normen aus der faktischen Wirklichkeit („naturalistischer Fehlschluss“)!
Normen gelten „kontrafaktisch“, d.h. auch – oder gerade – dann, wenn sie verletzt, werden
Diskreption = Tatsachen Behauptung
Normative Wertung => subjektive Empfindung
Immer ans positive, geschriebene Recht halten => Normen
Normstrukturen: Verhalten
Verhaltensnormen haben unterschiedliche Strukturen:
„Kommen Sie in die Vorlesung!“
„Kommen Sie nicht in die Vorlesung!“
„Ich erlaube Ihnen, meine Vorlesung zu besuchen.“
„Ich stelle es Ihnen frei, meine Vorlesung zu besuchen.“
Typisierung:
Gebote: „Tu dies!”
Verbote: „Lass jenes bleiben!”
Erlaubnisse: „Ich erlaube Ihnen, dies zu tun“
Freistellungen: „Ich stelle Ihnen frei, dies zu tun“
Logische Zusammenhänge:
Ge- und Verbote für dieselbe Handlung schließen sich aus
Verbot und Erlaubnis für dieselbe Handlung schließen sich aus
Gebot und Freistellung für dieselbe Handlung schließen sich aus
Aber: Gebote und Verbote sind logisch austauschbar
Ich befehle Ihnen, in meine Vorlesung zu kommen
a) = ich verbiete Ihnen, sich während meiner Vorlesung anderswo aufzuhalten
b) = ich verbiete Ihnen, nicht in meine Vorlesung zu kommen
§ Ich verbiete Ihnen, in geschlossenen Ortschaften schneller als 50 km/h fahren
a) = Ich befehle Ihnen, in geschlossenen Ortschaften langsamer als 50 km/h zu fahren
Regeln und Prinzipien
Regeln = definitive Sollensgebote – fordern strikte Beachtung
„wenn A vorliegt, dann soll B sein“
Sehr viele Beispiele – ist Regelfall „normaler“ Gesetze
a) § 1922 I BGB: „„Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über."
b) § 223 | StGB: „Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Prinzipien = Gebote, bestimmte Ziele oder Werte in bezug auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten – in möglichst hohem Maße zu realisieren („Optimierungsgebote“)[1]
Grundrechte (so Alexy)
Z.B.: Freiheit vs. Sicherheit
[1] Z.B. das Demokratieprinzip
Unterschied im Konfliktfall (Konflikt zwischen Regeln/Prinzipien)
Konflikt zwischen Regeln:
Regeln fordern strikte Beachtung - es können nicht zwei sich widersprechende Regeln gelten
Folge: erforderlich ist
a) Entweder muss eine Regel eine Ausnahme erhalten
b) Oder eine Regel wird insgesamt für ungültig erklärt
Konflikt zwischen Prinzipien
Ein Prinzip kann - im Einzelfall - zurücktreten, ohne verletzt zu werden
Folge: erforderlich ist eine Präferenzregel - z.B. das Verhältnismäßigkeitsgebot („das Grundrecht auf Berufsfreiheit wird bei gefährlichen Berufen durch das Erfordernis einer entsprechenden Ausbildung eingeschränkt, die jedermann offensteht und tatsächlich absolviert werden kann")
Kollisionsregeln
Lex superiori derogat legi inferiori
=> Das höherrangige Gesetz verdrängt das niedrigere
Bsp.: Bundesrecht verdrängt Landesrecht, Art. 31 GG
Lex specialis derogat legi generali
=> Das speziellere Gesetz verdrängt das allgemeinere
Bsp.: Das Alterserfordernis nach Art. 54 I 2 GG verdrängt die Gleichbehandlung nach Art. 33 II GG
Lex posterior derogat legi priori
=> Das spätere Gesetz verdrängt das frühere
Bsp.: Neufassung von Gesetzen verdrängen alte Fassungen
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