Welche lateinischen Bezeichnungen gibt es für die Zweckverfehlungskondiktion (ZVK)?
„condictio ob rem" und „condictio causa data, causa non secuta"
Können fehlgeschlagene einseitige Erwartungen, welche eine Partei mit dem Vertragsschluss verbindet, eine ZVK auslösen?
Nein, da die ZVK eine Zweckvereinbarung zwischen den Beteiligten voraussetzt.
Welches Rechtsinstitut könnte in Frage Nr. 2 einschlägig sein?
In Betracht kommt, unter gewissen Voraussetzungen, eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313
Nennen Sie die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts: Störung der Geschäftsgrundlage
(1) Es dürfen keine spezielleren Regeln (z.B. § 779 BGB etc.) einschlägig sein.
(2) Es muss sich um einen Umstand handeln, von welchem mindestens eine Partei bei Vornahme des Rechtsgeschäfts ausgegangen ist, vgl. § 313 I, II BGB.
(3) Die belastete Partei hätte das Geschäft bei Kenntnis des Umstands nicht oder zumindest nicht
so abgeschlossen.
(4) Die begünstigte Partei muss sich auf die nachträgliche Berücksichtigung nach Treu und Glauben einlassen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Umstand in den Risikobereich der belasteten Partei fallt
Welche Rechtsfolgen sind bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (WGG) möglich?
Grundsätzlich sind die Rechte und Pflichten aus dem Rechtsgeschäft den veränderten oder nicht berücksichtigten Umständen anzupassen, § 313 I BGB. Ein zu hoch oder zu niedrig angesetzter Kaufpreis kann sich danach etwa ermäßigen oder erhöhen. Ist die Anpassung des Rechtsgeschäfts nicht möglich oder nicht zumutbar, so ist es rückabzuwickeln.
Nach § 313 III BGB hat die Rückabwicklung nach den Regeln der §§ 346 ff. BGB zu erfolgen
Wie wird die ZVK vom Leistungsstörungsrecht abgegrenzt?
Bei der ZVK liegt eine reine Zweckstörung vor. Der vereinbarte Zweck darf aber weder Gegenstand einer Leistungs- noch einer Nebenpflicht sein
Worin liegt der Unterschied zwischen einer Zweckvereinbarung und einer
Bedingung i.S.v. § 158 BGB?
Eine Bedingung ist ein zukünftiges ungewisses Ereignis. Der vereinbarte Zweck kann also nur dann Bedingung sein, wenn die Parteien Zweifel über seine Erreichung hatten.
Muss bei einer Zweckvereinbarung die gleiche Form beachtet werden, wie bei dem Vertrag, auf den sie sich bezieht?
Nein, weil die gesetzlichen Formvorschriften in erster Linie vor übereilter Eingehung von Verpflichtungen schützen sollen. Dies ist bei einer Zweckvereinbarung nicht zu befürchten, da aus ihr keine unmittelbaren Pflichten entstehen.
Wann entsteht der Anspruch aus der ZVK?
Der Anspruch entsteht, wenn die Zweckverfehlung endgültig feststeht.
Wie kann sich derjenige, dessen Vertragserwartungen enttäuscht wurden, Gewissheit über das endgültige Fehlschlagen des Zwecks verschaffen?
Indem er dem Vertragspartner analog & 323 BGB eine Frist mit Rückforderungsandrohung setzt, mit der Aufforderung, sich dazu zu erklären, ob er den vereinbarten Zweck herbeiführen wird oder nicht.
Mit fruchtlosem Ablauf der Frist entsteht der Anspruch aus der ZVK.
Kann die ZVK auch eingreifen, wenn der einzige Zweck der Leistung darin bestand, eine Verbindlichkeit zu erfüllen?
Nein, da hierfür die condictio indebiti nach § 812 I 1, 1.Alt BGB einschlägig ist.
Greift die ZVK nur ein, wenn ausschließlich ein sonstiger Leistungszweck verfolgt wurde?
Dies ist umstritten. Nach wohl h.M. kann die ZVK auch dann eingreifen, wenn mit der Leistung sowohl eine Verbindlichkeit erfüllt, als auch ein sonstiger darüber hinausgehender Zweck erreicht werden sollte
Kann die ZVK durch § 814 BGB ausgeschlossen werden?
Nein, da der dort genannte Leistungszweck bei der ZVK nicht einschlägig ist.
Welcher spezielle Ausschlusstatbestand gilt für die ZVK? Nennen Sie bitte seine Voraussetzungen!
Einschlägig ist § 815 BGB. Der Leistende muss von Anfang an gewusst haben, dass der vereinbarte Zweck nicht erreicht werden konnte oder den Erfolg treuwidrig vereitelt haben.
Ist § 817 Satz 2 BGB auf die ZVK anwendbar?
Ja, da diese Vorschrift einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält.
Kann bei einer ZVK die verschärfte Haftung nach § 819 BGB eingreifen?
Ja, da § 819 BGB für alle Bereicherungsansprüche gilt.
Welche sonstige Haftungsverschärfung ist bei der ZVK möglich?
Nennen Sie bitte deren Voraussetzungen!
Nach § 820 I 1 BGB haftet der Empfänger dann verschärft, wenn mit der Leistung ein Erfolg bezweckt war, dessen Eintritt nach dem Inhalt der Zweckvereinbarung von vornherein ungewiss war.
Beispiel: Vorschusszahlung auf Maklerprovision in der Erwartung, dass dieser ein Geschäft vermittelt, was sich später zerschlägt.
Wie ist die condictio indebiti (§ 812 I 1. Alt. BGB) zu der condictio ob rem
(§ 812 I 2 2. Alt. BGB) abzugrenzen?
Der Leistungszweck bei der condictio indebiti (§ 812 I 1, 1. Alt. BGB) besteht in der Erfüllung einer Verbindlichkeit, bei der condictio ob rem hingegen in der Herbeiführung eines sonstigen Erfolges
Welche §§ begründen die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners?
Die §§ 818 IV, 819 I und II, 820 I BGB.
Was versteht man unter „verschärfter" Haftung d. Bereicherungsschuldners?
Der Bereicherungsschuldner haffet über den im § 818 I-III BGB bestimmten Umfang hinaus nach den allgemeinen Vorschriften
Welche sind die allgemeinen Vorschriften i.S.d. § 818 IV BGB?
Unstreitig §§ 291, 292 BGB, so dass bzgl. Schadensersatz, Nutzungen, und Verwendungen das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§987 ff. BGB gilt. Str. ist, ob mit den allgemeinen Vorschriften auch die §§275 ff. BGB gemeint sind.
Inwieweit begründen nun die allgemeinen Vorschriften eine schärfere Haftung als § 818 I-III BGB?
Der verschärft Haftende kann sich nach Canaris (Quasivertragskondiktion) nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, Str. Er muss des Weiteren für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen Ersatz leisten, vgl. § 987 II BGB. Abzugsfähig sind nur notwendige Verwendungen im Rahmen der GoA, vgl. §994 II BGB. Schließlich besteht eine Schadensersatzpflicht nach § 989 BGB
Warum ist es problematisch zu schreiben: ,,Der bösgläubige Bereicherungs-schuldner kann sich nicht auf Entreicherung berufen*?
Der bösgläubige Bereicherungsschuldner haftet gem. §§ 819 1, 818 IV, 292 i.V.m. 987 ff. BGB, d.h. es müssen die Voraussetzungen dieser Normen vorliegen. Somit kann auch der Bösgläubige von der Haftung frei werden, wenn die Bereicherung verloren geht, ohne dass er dies zu vertreten hat, da insbesondere § 989 BGB Verschulden verlangt. Im Übrigen gilt nach Canaris die „Quasivertragskondiktion" gem. § 818 II BGB. Insoweit trifft die Aussage der Fragestellung zu - allerdings sollte eine derartige bereicherungs- und schadensunabhängige Haftung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners in der Klausur gut begründet werden.
Hat es der verschärft Haftende immer nach §§292, 989 BGB zu vertreten, wenn die Bereicherung verloren geht (also i.F.d. § 818 III BGB)?
Nein. Die §§987 ff. BGB begründen regelmäßig keine Garantiehaftung, vgl. §989 BGB. Freilich wird nach Rechtshängig-keit wegen § 286 I 2 BGB der Bereicherungsschuldner sich regelmäßig in Verzug befinden, denn Verschulden wird vermutet, vgl. §286 IV BGB, mit der Folge, dass eine Garantie- bzw. Zufallshaftung gem. §§ 292, 989, 287 S. 2 BGB entsteht.
Ist für eine Wertersatzpflicht nach § 818 II BGB Verschulden Vss.?
Nein Verschulden ist nicht erforderlich.
Sind die Erkenntnisse aus Frage 7 kein Wertungswiderspruch zu der SE-pflicht des bösgläubigen Bereicherungsschuldners, da §§ 989, 990 BGB Verschulden voraussetzen, somit der Gutgläubige strenger haftet?
Nein, denn die Schadensersatzpflicht geht weiter, als eine bloße Wertersatzpflicht. Im Übrigen gilt § 818 II BGB nach richtiger Auffassung auch für den Bösgläubigen, der nicht nur, sondern auch nach den allgemeinen Vorschriften haftet.
Fällt § 285 BGB unter die allgemeinen Vorschriften i.S.v. § 818 IV BGB?
§ 285 BGB findet keine Anwendung im Rahmen der Verweisung §§ 818 IV, 292, 987 ff. BGB, weil nach überwiegender Ansicht § 285 BGB im E-B-V nicht gilt. § 285 BGB unterfällt nach herrschender Meinung (vgl. BGHZ 75, 203) aber direkt den allgemeinen Vorschriften
Was ist der Hauptanwendungsfall des § 285 BGB gegen den Bereicherungsschuldner?
Der Bereicherungsschuldner ist zur Herausgabe außerstande, weil er die Sache an einen Dritten veräußert hat.
Der Bereicherungsgläubiger zielt nun mit § 285 BGB auf die Herausgabe des Veräußerungserlöses.
Welche weitere Anspruchsgrundlage ist denkbar, um den Veräußerungserlös vom Bereicherungsschuldner zu erlangen?
Teilweise wird vertreten (allerdings m.M.), das commodum ex negotiatione kann bereits nach § 818 I BGB herausverlangt werden, so dass Ersatz sogar vom redlichen Bereicherungsschuldner geschuldet wird. Gleiches muss dann erst recht für den Unredlichen gelten.
Was versteht man unter einer gemischten Schenkung?
Die gemischte Schenkung ist vom günstigen Kauf abzugrenzen. Der Unterschied liegt im subjektiven Bereich, d.h. bei der gemischten Schenkung (z.B. Freundschaftspreis) sind sich die Parteien darüber einig, dass die Leistung teilweise unentgeltlich erbracht wird.
Ist „Geld“ ein Gegenstand i.S.v. § 292 BGB?
Nur ausnahmsweise, z.B. wenn bestimmte Geldmünzen geschuldet werden. Die echte Geldschuld, d.h. ein bestimmter Geldbetrag ist kein Gegenstand. Beachte: Der einzelne Geldschein ist hingegen eine Sache i.S.v. § 90 BGB
Was ist unter Rechtshängigkeit zu verstehen?
Nach §§ 261, 253 I ZPO mit Zustellung der Klageschrift an den Bereicherungsschuldner. Damit ist § 818 IV BGB erfüllt.
Für den Mahnbescheid vgl. § 696 III ZPO.
Welche Klageart führt Rechtshängigkeit i.S.v. § 818 IV BGB herbei?
Nur die Leistungsklage (auf Herausgabe der Bereicherung) gegen den Bereicherungsschuldner nach BGHZ 118, 383, bzw. BGHZ 93, 183. Nach a.A. (vgl. OLG Hamm FamRZ 1984, 297 oder OLG München FamRZ 1983, 1043) kann auch die Abänderungsklage nach § 323 ZPO oder die Feststellungsklage nach § 256 ZPO die Rechtshängigkeit i.S.v. § 818 IV BGB begründen.
Wann kann sich der Bereicherungsschuldner, der von dem empfangenen Geld Schulden getilgt hat, auf den Wegfall der Bereicherung berufen?
Wenn der Empfänger auch ohne die Überzahlung seine Schulden getilgt hätte und somit den überzahlten Betrag ausschließlich für eine aufwendige Lebensführung verbraucht hat.
Wie wird das Problem der aufgedrängten Bereicherung überwiegend gelöst?
Der Wertersatzanspruch nach § 818 II BGB wird mit Rücksicht auf die Wertung des 818 III BGB nach dem subjektiven Wert für den Empfänger bestimmt, wobei aber nach Treu und Glauben berücksichtigt wird, ob sich der Empfänger eine Wertsteigerung durch die Bereicherung objektiv zunutze machen kann.
Auf wessen Kenntnis i.S.v. § 819 I BGB ist abzustellen, wenn der Bereiche-rungsschuldner minderjährig ist?
Überwiegend wird differenziert:
Für die deliktsähnliche Eingriffskondiktion gelten die §§ 827 ff. BGB.
Für die Leistungskondiktion gilt §166 I BGB analog (also Kenntnis des Eltern), es sei denn, der Minderjährige hat die Leistung durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung (insbesondere Betrug) erlangt.
ISt §812 I 2 Alt. 2 BGB auch dann anwendbar, wenn neben dem Leistungszweck “Erfüllung einer Verbindlicheit” von den Parteien noch ein weiterer Leistungszweck vereinbart und dieser verfehlt wurde
Gegen die Anwendung der Vorschrift könnte sprechen, dass durch sie die mit sich aus dem Vertragsrecht ergebenden Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage §313 BGB nicht erreichbaren Rechtsfolgen erzielt werden und damit das Vertragsrecht unterlaufen werden könnte
Lit & Rspr: wenn der Leistungszweck in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht und dieser Zweck erreicht ist, andere Zwecke nur nach dem Vertragsrecht (v.a. nach Grundsätzen über Störung der Geschäftsgrundlage §313 BGB) berücksichtigt werden
Gegenansicht: können mit einer Zuwendung weitere “angestaffelte” Zwecke verfolgt werden, die nach §812 I 2 Alt. 2 BGB relevant sind
Erforderlich ist aber, dass diese Zwecke zu dem Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden sind, sie müssen als Grundlage des Geschäfts vereinbart worden sein. Zwischen Empfänger und Leistendem muss eine tatsächliche Willenseignung über den verfolgten Zweck erzielt worden sein.
Eine solche Zweckvereinbarung liegt
vor: wenn der Leistungszweck zwar vereinbart, aber nicht als einklagbare Verpflichtung ausgestaltet ist
nicht vor
wenn der vereinbarte Zweck als einklagbare Verpflichtung ausgestaltet ist (dann Vorrang Vertragsrecht)
wenn der Zweck nicht vereinbart wurde, sondern dem Vertrag unausgesprochen zugrunde liegt (dann SGG, §313 BGB)
wenn Zweck weder vereinbart noch Geschäftsgrundlage geworden, also nur ein unbeachtliches Motiv für den Vertragsabschluss vorliegt
(P) Rechtsfolge bei Verstoß gegen §138 I BGB
eA Teilnichtigkeit des Vertrages, da Sinn und Zweck des Wucherverbots nur die Teilnichtigkeit fordern und dort die Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäfts verlangen, wo der zulässige Preis normativ festgelegt oder zu ermitteln ist
hM gesamter Vertrag ist nichtig, auch eine Umdeutung ist nicht möglich
SN: Für hM spricht, dass der Wucher sonst unter Zugrundelegung der anderen Auffassung sanktionslos bliebe
Was ist unter “allgemeinen Vorschriften” iSd §818 IV BGB zu verstehen
Lit: allgemeine Vorschriften sind nur diejenigen Regeln, die Rechtshängigkeit voraussetzen dh nur §§291, 292 BGB
Rspr & Lit: können demgegenüber bestimmte Regeln des Schuldrechts entsprechend dem Sinn und Zweck des §818 IV BGB angewandt werden
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