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Institutionen

MG
by Maya G.

Eigenart der Institutionen


Die EU unterscheidet sich durch ihre Institutionen von allen anderen internationalen und europäischen Organisationen und auch von den politischen Systemen der Mitgliedstaaten. Nach Kohler-Koch liegt die Besonderheit der europäischen Zusammenarbeit gerade in ihren Institutionen. Sie verleihen ihr Dauer und sollen ein reibungsloses Funktionieren verbürgen . Die EU-Institutionen sind durch ihren Mehrebenencharakter geprägt, d.h. die europäischen und nationalen politischen Institutionen sind in hohem Maße miteinander verflochten, ohne dass sich eine Ebene einseitig aus diesen Bindungen lösen kann.


-Im Prinzip lebt die EU stets in einem Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Rücksichtnahme auf die Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten und dem Wunsch zur Kooperation, um auf diesem Wege gemeinsame Interessen verfolgen zu können. Folglich müssen institutionell zwei sich widersprechende Handlungsprinzipien mit einander versöhnt werden: Politische Entscheidungen sollten sowohl autonomieschonend als auch gemeinschaftsförderlich sein:

-Folglich ist es unter dem Gesichtspunkt der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten (Art. 6 EU-V) und dem der Effizienz politischen Handelns häufig geboten, dass eine Gemeinschaftspolitik Spielräume für autonome Gestaltung offen lässt. Beharren aber die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf ihrer Autonomie, kommt eine Gemeinschaftspolitik erst gar nicht zustande. Daher müssen institutionelle Vorkehrungen getroffen werden, damit gleichzeitig auch gemeinschaftsförderlich gehandelt wird.

—>Mit gemeinschaftsförderlich ist gemeint, dass jeder bei der Verfolgung seiner eigenen Interessen mit bedenkt, welche Rückwirkungen dies auf die Partner hat, wo die Grenzen des Zumutbaren für die anderen Partner liegen und ob das eigene Verhalten die Zukunft der Integration gefährden könnte. Auch wenn die Akteure beide Prinzipien als grundsätzlich gleichberechtigt und vernünftig betrachten, so genügt es nicht, sie in die Formulierung der Verträge aufzunehmen. Man muss ihnen Geltung dadurch verschaffen, dass die Entscheidungsfindung entsprechend organisiert ist. Die Umsetzung wird unter dem Stichwort der ‚institutionellen Balance‘ diskutiert“


-Die institutionelle Balance wird dadurch aufrechterhalten, dass alle wesentlichen politischen Entscheidungen nur durch das Zusammenspiel der Europäischen Kommission (als Verkörperung des Gemeinschaftsinteresses) und des Rates, der sich aus den Vertretern der Mitgliedsregierungen zusammensetzt und an der Wahrung einzelstaatlicher Autonomie interessiert ist, zustande kommen. Beide Organe sind im Entscheidungsprozess so untrennbar miteinander verbunden, dass man von ihnen als „Tandem“ sprach. Mittlerweile muss jedoch durch den Bedeutungszuwachs des Europäischen Parlamentes von einem „legislativen Dreieck“ oder wenn man den europäischen Rat mit einbezieht von einer Raute gesprochen werden (Wessels/Wolters 2018, S. 684, vgl. weiter unten). Insgesamt stellt die EU eine institutionelle Struktur dar, in der Organe der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit in einer gewaltenteiligen Struktur zusammenwirken. Sie zeichnet sich insbesondere durch vielfältige Verhandlungssysteme aus (Benz 2008, S. 278), so dass ihre Entscheidungsstrukturen eher einer Konkordanzdemokratie ähneln.


-Im Einzelnen können nach dem Vertrag von Lissabon sieben Institutionen bzw. Organe unterschieden werden. Die oberste Entscheidungsinstanz ist der Europäische Rat. Er legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für die Entwicklung der Union fest. An der Gemeinschaftspolitik beteiligt sind vor allem die Kommission, der Rat der EU (Ministerrat) und das Europäische Parlament (EP). Zuständig für die Auslegung des Gemeinschaftsrechtes ist der Gerichtshof der Europäischen Union (GEU, vormals als Europäischer Gerichtshof bezeichnet), die Kontrolle des EU-Haushaltes obliegt dem Europäischen Rechnungshof. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Verantwortung für die Geldpolitik in den Eurostaaten. Wichtige beratende Ausschüsse der EU sind der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen.

Europäischer Rat


-Der Europäische Rat ist das Gremium der Staats- und Regierungschefs und seit dem Vertrag von Lissabon ein Organ der EU. Der Europäische Rat ist die oberste Instanz der EU und für die allgemeinen Zielvorstellungen und die Grundsatzentscheidungen zuständig. Als Vorsitzender wird auf jeweils zweieinhalb Jahre ein hauptamtlicher Präsident gewählt, der ansonsten kein nationales politisches Amt innehaben darf. Er soll die Kontinuität in der Arbeit des Europäischen Rates gewährleisten, bei Konflikten vermitteln und Kompromissvorschläge ausarbeiten, hat jedoch kein eigenes Stimmrecht. Zudem vertritt er die Union gemeinsam mit der Kommissionspräsidentin nach außen. Amtsinhaber ist seit dem 1. Dezember 2019 der Belgier Charles Michel, vorher hatte der Pole Donald Tusk diese Funktion inne. Auf den Gipfeltreffen nehmen neben den Staats- und Regierungschefs der Präsident des europäischen Rates, die Kommissionspräsidentin und der Hohe Vertreter der EU für Außen und Sicherheitspolitik beratend teil. Zu Beginn der Gipfel legt in der Regel der Präsident des EP die Position des Parlaments zu den anstehenden Fragen dar. In den Römischen Verträgen war der Europäische Rat noch nicht vorgesehen, aber seit 1974 ist er zu einer ständigen Einrichtung geworden, die durch die EEA und die EU-Verträge zudem in das Institutionengefüge der EU eingepasst wurde. Insbesondere im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kam ihm dann zunehmend eine Schlüsselstellung zu. Seine Bedeutung als Entscheidungsproduzent wuchs dann in Krisenzeiten.

Rat der EU (Minsterrat)


-Das Gremium für die Vertreter der einzelnen Regierungen war nach den Gründungsverträgen der Ministerrat oder, wie er heute bezeichnet wird, der Rat der EU. Jeder Mitgliedstaat hat hier einen Sitz. Er setzt sich – je nach Politikfeld – aus den jeweiligen Fachministern der nationalen Regierungen zusammen. Der Rat war lange Zeit das alleinige Gesetzgebungsorgan der EU, in dem die Ressortminister der Mitgliedstaaten die zentralen Entscheidungen fällten, ein wichtiger Unterschied zu den einzelnen Nationalstaaten, in denen das jeweilige Parlament über die Gesetzgebungsfunktion verfügt.

.Wurden früher alle Entscheidungen einstimmig gefällt, ist seit der EEA auch die Abstimmung mit einfachen oder qualifizierenden Mehrheiten möglich. „Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, beschließt der Rat mit der Mehrheit seiner Mitglieder“ (Art. 205 EG-V). Diese Abstimmung mit einfacher Mehrheit, bei der jeder Staat eine Stimme hat, ist allerdings die Ausnahme. Nach den Vertragsrevisionen von Amsterdam, Nizza und Lissabon ist für Entscheidungen die doppelte qualifizierte Mehrheit notwendig. Doppelt qualifizierte Mehrheit heißt, dass mindestens 55% der Mitglieder des Rates und zugleich 65% der EU-Bevölkerung für eine Mehrheitsentscheidung notwendig sind. Das Mehrheitsprinzip gilt für viele zentrale Politikfelder wie die Gemeinsame Handels- und Agrarpolitik und mit einigen Ausnahmen auch im Bereich der Justiz- und Innenpolitik. Nach Möglichkeit wird im Rat aber versucht Mehrheitsentscheidungen zu vermeiden.

-Der Rat der EU ist damit Teil der Legislative und repräsentiert darin die Mitgliedstaaten. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament beschließt er die entscheidenden Rechtsakte. Mittlerweile hat das Europäische Parlament (EP) in vielen Fällen ein Mitentscheidungsrecht, so dass neben dem Ministerrat hier nun auch das EP zu den Gesetzgebungsorganen zu zählen ist.

Europäische Kommission


-Die Europäische Kommission ist die Exekutive im Institutionengefüge der EU. Sie besteht in der EU-27 aus 27 unabhängigen Kommissaren und ihr sind ca. 32.000 europäische Beamte in 33 Generaldirektionen unterstellt. Generaldirektionen sind als Verwaltungseinheiten der EU zuständig für bestimmte Politikfelder und im Prinzip vergleichbar mit Ministerien auf nationaler Ebene. Die Kommission ist ein von den Mitgliedstaaten unabhängiges und somit supranationales Organ der EU.

-Ihr Auftrag besteht darin „(...) das ordnungsgemäße Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten“ (Art. 211 EG-V), d.h. die allgemeinen Vertragsziele mit Leben zu füllen. Zu diesem Zweck wurde ihr

(1) eine aktive Rolle im Entscheidungsprozess durch die Übertragung des Initiativrechtes,

(2) die Sorge für die Anwendung und Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und

(3) gewisse Verwaltungsvollmachten zugesprochen. Insbesondere das Initiativrecht verleiht der Kommission die Macht, die notwendigen Gesetzgebungsmaßnahmen in Gang zu setzen. Weil in der Mehrzahl der Fälle der Rat nur auf Vorschlag der Kommission entscheiden kann, das Initiativrecht hier also ein Initiativmonopol ist, kann die Kommission den Zeitpunkt, den Inhalt, die Form und Reichweite einer europäischen Politikinitiative vorgeben. Dies gilt jedoch nur für die erste Säule. Im Bereich der zweiten und dritten Säule haben auch die Mitgliedsländer ein Initiativrecht.


-Die Europäische Kommission ist bei ihren Vorschlägen darauf angewiesen, eine Mehrheit im Rat – und bei Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens auch im EP – zu finden. Folglich sucht sie bereits in der Phase der Entscheidungsvorbereitung die Voraussetzung für eine breite Koalition zu schaffen. Dazu gehört die Lancierung der ersten Ideen in Grün- und Weißbüchern und die enge Abstimmung mit den Mitgliedstaaten auf der Arbeitsebene, die Einbindung relevanter Interessengruppen und regelmäßige Absprachen mit dem Parlament (Kohler-Koch u.a. 2002). Insgesamt ist die Kommission damit die zentrale Vermittlerin im Institutionengefüge der EU. Die Kommission wird geleitet von der Präsidentin, seit 2019 Ursula von der Leyen, die eine Art Richtlinienkompetenz ausfüllt und bei der Bestellung der Mitglieder ihrer Kommission durch die Mitgliedstaaten ein Mitspracherecht hat. Seit 2014 hat das EP ein Zustimmungsrecht zur Wahl der Kommissionspräsidentin.

-Die Amtszeit der Kommission ist an die Wahlperiode des EP angepasst. Seit 2004 ist es innerhalb der Kommission zu einer stärkeren Zentralisierung und Kontrolle, besonders zu einem Machtzugewinn des Generalsekretariats gegenüber den einzelnen Generaldirektionen, gekommen. Um die politische Rolle der Kommission zu stärken, führte Präsident Juncker überdies ein System von Vize-Präsidenten ein, welche die einzelnen Fachkommissare entlang größerer politischer Prioritäten politisch leiten. Die Europäische Kommission ist die Hüterin der Verträge, d.h. sie hat über die Einhaltung des Gemeinschaftsrechtes zu wachen. Hat sie den Verdacht, dass ein Mitgliedstaat das Gemeinschaftsrecht verletzt, kann sie eine Stellungnahme anfordern und Fristen setzen. Kommt der Mitgliedstaat dem nicht nach, kann sie vor dem GEU gegen ihn klagen. Der Vollzug des Gemeinschaftsrechtes findet dagegen in der Regel in den Mitgliedstaaten statt und wird von den jeweiligen nationalen Verwaltungen gewährleistet, da die Kommission keinen eigenen Verwaltungsunterbau hat

Europäisches Parlament


-Das EP ist der zweite Teil der Legislative der EU. Es wird seit 1979 alle fünf Jahre direkt von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählt und repräsentiert innerhalb der Legislative direkt die Bevölkerung. Insgesamt hat das EP erheblich an vertraglichen Beteiligungsrechten gewonnen zwischen 1979 bis 2014, so dass es heute mit der Kommission und dem Rat ein Dreieck für Gesetzgebung und EU-Budget bildet und auf vielen Politikfeldern mit dem Rat gleichberechtigt ist. Bei Uneinigkeit müssen sich Rat und Parlament in dritter Lesung in einem Vermittlungsausschuss einigen.

-Das EP wählt den Präsidenten der Kommission und seine Zustimmung ist für den Beitritt neuer Mitglieder, den Modalitäten der Europawahl und internationalen Abkommen des EP erforderlich. Mit 2/3-Mehrheit kann das EP der Kommission das Misstrauen aussprechen und sie zum Rücktritt zwingen. Allerdings fehlt dem EP nach wie vor das klassische Parlamentsrecht, Gesetzgebungsinitiativen einzubringen.

-Das Europäische Parlament hat zwei Tagungsstätten, eine in Brüssel und eine zweite in Straßburg. Im EP gilt nicht der Gleichheitsgrundsatz „ein Bürger, eine Stimme“, sondern auch hier wird den kleinen Staaten eine Überrepräsentation zugestanden, um „eine angemessene Vertretung“ (Art. 190, Abs. 2 EG-V) zu gewährleisten (Kohler-Koch u.a. 2002, S. 108). Jedes Land soll eine Mindestzahl an Abgeordneten ins EP entsenden können, damit die politischen Grundströmungen repräsentiert sind.

- In der EU-27 nach dem Austritt Großbritanniens besteht es aus 705 Abgeordneten (vorher 751), wobei Deutschland mit 96 Abgeordneten die meisten entsendet und Luxemburg, Zypern, Estland und Malta mit jeweils 6 Abgeordneten die wenigsten. Das EP ist im Kern ein Arbeitsparlament, d.h. es gibt ein ausdifferenziertes Ausschusswesen mit 20 ständigen Ausschüssen. Den Ausschussvorsitzenden und Berichterstattern kommt eine erhebliche Bedeutung im Willensbildungsprozess zu. Für den Verlauf der innerparlamentarischen Willensbildungsprozesse ist die Fraktionsbildung nach parteipolitischer Zugehörigkeit ausschlaggebend. Allerdings ist der Parteienwettbewerb im EP nicht so stark ausgeprägt, denn er wird durch nationale Interessen überlagert.

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Maya G.

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