** Frage 78
Peter Grauel erhält seinen Einkommensteuerbescheid, der am 12.02. als bekanntgegeben
gilt. Die Rechtsbehelfsfrist endet am 14.03. Dabei wurden die von ihm angegebenen
außergewöhnlichen Belastungen nicht berücksichtigt. Welche Möglichkeiten hat Herr
Grauel?
Lösung 78
Lösungshinweis
§ 172 Abs. 1 AO, § 347 Abs. 1 AO, §§ 40ff. FGO
Kurze Lösung
Antrag auf schlichte Änderung, Einspruch oder Klage
Ausführliche Lösung
y Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO oder
y Einspruch nach § 347 Abs. 1 AO und nach dessen sogenannter Nichtabhilfe,
y Klage nach §§ 40ff. FGO.
*** Frage 79
Erläutern Sie ausführlich den Unterschied zwischen dem „Antrag auf schlichte Änderung“ und dem Einspruch.
Der Antrag auf „schlichte Änderung“ berechtigt das Finanzamt lediglich, einen oder mehrere monierte Fehler zu beseitigen. Diese Beseitigung hat, auch wenn weitere Fehler festgestellt werden sollten, keine nachteiligen Auswirkungen für den Steuerpflichtigen.
Der Einspruch dagegen führt zu einer Gesamtaufrollung des Falls und damit unter Umständen auch zu einer Schlechterstellung des Steuerpflichtigen (§ 367 Abs. 2 AO). Dem außergerichtlichen Einspruchsverfahren nach §§ 347ff. AO kommt besondere praktische Bedeutung zu, nicht zuletzt weil es kostenfrei ist. Es wird auch als verlängertes Veranlagungsverfahren bezeichnet, weil in ihm der dem erlassenen Verwaltungsakt zugrunde liegende Sachverhalt in vollem Umfang neu geprüft wird (§ 367 Abs. 2 S. 1 AO).
* Frage 81
Der Baumaschinenführer Alex Weber überprüft seinen Einkommensteuerbescheid und stellt erst nach Ablauf der Einspruchsfrist fest, dass er bei der Steuererklärung vergessen hatte, seine Arbeitskleidung als Werbungskosten anzugeben. Kann Weber den Bescheid noch ändern lassen?
Die Würdigung bisher unbekannter Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen, nach § 173 AO setzt voraus, dass den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass diese bisher nicht bekannt waren. Vergisst der Steuerpflichtige einfach, solche Tatsachen anzugeben, so liegt grobes Verschulden vor, da in den entsprechenden Erklä- rungsformularen zur Einkommensteuer explizit nach dem Vorliegen von Werbungskosten gefragt wird.
** Frage 82
Der Angestellte Björn Wagner erhält einen Steuerbescheid, in dem er zu einer Einkommensteuer i. H. v. 86.000 € veranlagt wird. Dabei wäre Herr Wagner nur zu einer Einkommensteuer von 8.600 € verpflichtet. Wie ist der Fall zu bewerten?
Es liegt ein offenbarer unrichtiger Verwaltungsakt vor (§ 129 AO). Offenbar unrichtig ist ein Verwaltungsakt, wenn er bei Erlass aufgrund eines Versehens der Finanzbehörde Schreibfehler und Rechenfehler – keine Denkfehler – sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten wie beispielsweise Fehler beim Ablesen der Einkommensteuertabelle oder bei der Datenerfassungseingabe enthält.
Die Unrichtigkeit muss offenbar sein, d. h., ein verständiger Dritter muss in der Lage sein, diese Unrichtigkeit ohne Weiteres zu erkennen.
** Frage 83
Der Büroangestellte Thorsten Mayer hat ein Mehrfamilienhaus geerbt und vermietet dieses. Seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat Mayer in seiner Steuererklä- rung vorsätzlich nicht angegeben. Wie ist die Rechtslage, wenn das Finanzamt erst nach Unanfechtbarkeit des entsprechenden Einkommensbescheids, also nach Ablauf der Einspruchsfrist, diese „neuen“ Tatsachen erfährt?
Grundsätzlich kann die Finanzbehörde von sich aus nur einen Steuerbescheid ändern oder aufheben, wenn der Steuerpflichtige zustimmt. Der § 173 AO erlaubt jedoch auch einen unanfechtbaren Bescheid noch zu ändern, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden.
*** Frage 84
Die Adler-GmbH erhält einen Gewerbesteuerbescheid durch ihre zuständige Gemeinde.
Die Gemeinde hat einen Hebesatz von 300 %. Die Höhe der Gewerbesteuer im Gewerbesteuerbescheid der Adler-GmbH beträgt 60.000 €. Die Gemeinde bezog sich auf einen
Gewerbesteuermessbetrag von 20.000 €. Das Finanz- und Rechnungswesen der AdlerGmbH hat ermittelt, dass die tatsächliche Gewerbesteuer eigentlich viel niedriger ausfallen müsste.
Wie ist der Steuerbescheid der Gemeinde zu bewerten?
Folgebescheide werden auf der Grundlage sogenannter Grundlagenbescheide erstellt. Grundlagenbescheide sind nach § 171 Abs. 10 S. 1 AO Bescheide, die für die Steuerfestsetzung bindend sind.
Grundlagenbescheide sind z. B. auch Messbescheide nach § 184 AO, so die Gewerbesteuerund die Grundsteuermessbescheide. Die entsprechenden Folgebescheide sind der Gewerbesteuerbescheid und der Grundsteuerbescheid.
Wegen ihrer Bindungswirkung muss jede Änderung eines Grundlagenbescheids im Folgebescheid nachvollzogen werden. Korrekturvorschrift für den Folgebescheid ist § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO.
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