-Wirtschaftssystem ist ein gesellschaftliches Teilsystem
-Dominanz des Wirtschaftssystems, d.h. Deutschland ist eine „kapitalistische Gesellschaft“
o Nur Unternehmen verdienen die Kosten ihrer Leistungsproduktion durch den Verkauf ihrer Güter und Dienstleistungen selbst – im Gegensatz zu den nicht kostendeckenden Gebühren nicht-wirtschaftlicher Leistungsproduzenten (ihre Produktion ist nicht kostendeckend – Bsp. Polizei, Forschung&Bildung, Gesundheitswesen Infrastruktur, etc.)
o Unternehmen zahlen aus Überschüssen Steuern an den Staat – zusammen mit Lohnsteuern der Arbeitnehmer werden die Kosten der Leistungsproduktionen der anderen Teilsystem größtenteils finanziert
o Leistungsproduzenten der anderen Teilsysteme sind hochgradig abhängig von staatlichen Finanzzuschüssen (Transfer oder Haushaltsmittel)
-Ökonomisierung der nicht-wirtschaftlichen Teilsysteme
o Indem Unternehmen mehr oder weniger Geld verdienen, wird ein Ökonomisierungsdruck auf andere Teilsysteme sowie individuelle Gesellschaftsmitglieder ausgelöst
o Ökonomisierungsdruck manifestiert sich in Sparzwängen bei den staatlichen Finanzzuschüssen (auch diese werden wiederum durch Steuern finanziert)
o Wohlfahrtsgesellschaft soll ökonomische und gesellschaftliche Krisen verhindern
-Nichterwerbspersonen stehen dem Arbeitsmarkt aus verschiedenen Gründen nicht zur Verfügung
-Besetzte und offene Stellen bestimmen die Nachfrage an Arbeitskräften
==> Akteure des Wirtschaftssystems
==> Erwerbslosenquote wiederum schwankt von Jahr zu Jahr – dementsprechend auch der zugehörige Prozentsatz
-Selbstständige (darin enthalten Solo-Selbstständige) vs. abhängig Beschäftigte
-Normalarbeitsverhältnis
o Über 20 Stunden, unbefristet, Person arbeitet in dem Unternehmen, mit dem der Arbeitsvertrag besteht
-Atypische Beschäftigung (prekäre Beschäftigungsverhältnisse)
o Teilzeitbeschäftigte bis zu 20 Stunden, befristet Beschäftigte, geringfügig Beschäftigte, Leiharbeit
-Kernerwerbstätige
o Nur Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren, nicht in Bildung, Ausbildung oder einem Wehr-/Zivil- sowie Freiwilligendienst
-Zahl der Erwerbstätigen ist insgesamt gewachsen
-30 Mio. Menschen (2000) 325.000 mehr als 1991; 3,7 Mio. mehr als 1960
-Erwerbstätigenquote aber leicht von 47% (1960) auf 45% (2000) gesunken
o Zu erklären durch starken Zuwachs der Bevölkerung
-Stagnation der Erwerbstätigenquote aufgrund von
o Immer mehr Menschen in Rente & früherer Beginn des Ruhestandes
o Mehr Menschen wandern zu (wodurch die Bevölkerung ebenfalls wächst) – haben aber schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt
-Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland
o Seit der „Wende“ ist ein Abbau der Arbeitsplätze v.a. im landwirtschaftlichen Sektor zu verzeichnen
o Erwerbstätigenquote sank von 56% (1988) vor der Wende, über 49% (1991) im Nachwende-Jahr auf 42% im Jahr 2000
-Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland
o Vgl. mit Europa sind in Dt. nur mittermäßig viele Menschen erwerbstätig (zw. 15 und 64 Jahren)
o Schaffung von Arbeitsplätzen und Beschäftigungsentwicklung (1985 bis 2001): Dt. 14,4%, Irland 62,1%, Niederlanden 57,2%, Spanien 39,8%
o Frauenerwerbstätigkeit vergleichsweise gering
Zunehmende Heterogenität des Arbeitsmarktes im Vergleich 1991-2019
-Arbeitsverträge werden weniger auf Basis von Flächentarifverträgen abgeschlossen (weniger politische Durchschlagskraft der Gewerkschaften und Arbeitnehmer)
-Mehr Teilzeitbeschäftigte
-Geringfügige Beschäftigungen (Minijobs) haben zugenommen
-Befristete Beschäftigungen und Leiharbeit haben zugenommen
==> Mehr prekäre Beschäftigte – weniger finanzielle Entlohnung
==> Zunehmende Heterogenität ist u.a. ein Produkt politischer Entscheidungen
-Von den 1960er Jahren bis zum Ölpreisschock 1973 mehr oder minder Vollbeschäftigung in Westdeutschland
-Ab 1974 steigt die Arbeitslosigkeit wegen zunehmender Frage nach Erwerbsarbeit (geburtenstarke Jahrgänge, Frauenerwerbstätigkeit steigt, mehr Zuwanderung)
-Risikogruppen sind dabei
o Jüngere, (die versuchen in den Arbeitsmarkt einzusteigen) selten langzeitarbeitslos
o Ältere
o Ausländer, Einwanderer
o Personen ohne Ausbildung
-Produktion lässt sich in drei Sektoren einteilen
o Primärer Sektor: Gewinnung unmittelbarer lebensnotwendiger Güter
§ Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei
o Sekundärer Sektor: Produktverarbeitung; Güter, die weniger lebensnotwendig sind
§ Industrie, Handwerk
o Tertiärer Sektor: Dienstleistungen, Güter zur Befriedigung von Bequemlichkeiten und Luxusbedürfnissen
§ Handel, Verkehr, Kommunikation, Verwaltung, Bildung, Wissenschaft, Beratung, Sozial- und Gesundheitswesen
-Drei-Sektoren-These
o In allen Gesellschaften verlagert sich die Produktion im Laufe der historischen Entwicklung vom primären über den sekundären auf den tertiären Sektor
o Die Drei-Sektoren-These behauptet einen Übergang von der Agrargesellschaft über die Industriegesellschaft bis hin zur Dienstleistungsgesellschaft („postindustrielle Gesellschaft“)
-Erklärung durch Nachfrageänderungen, technischen Fortschritt und Produktivitätssteigerungen: Wenn Wohlstand wächst, verschieben sich Bedürfnisse zu weniger lebensnotwendigen Gütern - In allen Gesellschaften verlagert sich die Produktion im Laufe der historischen Entwicklung vom primären über den sekundären auf den tertiären Sektor.
-Übergang vom ersten zum zweiten Sektor
o Technischer Fortschritt hat Nahrungsmittelproduktion gesteigert, Arbeitskräfte freigesetzt
o Nachfrage verschiebt sich auf industrielle Güter, landwirtschaftliche Arbeitskräfte wandern in die Fabriken und Städte
-Zweiter Sektor: Große Produktivitätsfortschritte durch Rationalisierung (alle Maßnahmen die zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität und Verringerung der Gesamtkosten und zur Gewinnmaximierung beitragen sollen) und Mechanisierung
-Übergang vom zweiten zum dritten Sektor
o Nachfrage wird übererfüllt, neue Bedürfnisse nach Dienstleistungen entstehen, Arbeitskräfte wechseln in den dritten Sektor, „Hunger nach Tertiärem“ ist unstillbar
-Dritter Sektor: kann immer mehr Beschäftigte aufnehmen – und benötigt diese auch (Kritik – da Rationalisierung auch im tertiären Sektor möglich
-Gründe für das Anwachsen der Dienstleistungsgesellschaft
o Menschen fragen immer mehr Dienstleistungen nach
o Es werden viele Arbeitskräfte zur Ausführung von Dienstleistungen benötigt
o Arbeitskräfte, die im primären und sekundären Sektor (verlieren Relevanz) nicht mehr benötigt werden, müssen in den Dienstleistungssektor wechseln
o Tätigkeiten im Dienstleistungssektor entsprechen den Neigungen der meisten Menschen mehr als Tätigkeiten in der Landwirtschaft oder im Produktionssektor
o Wachsende Komplexität moderner Gesellschaft erfordert immer mehr Dienstleistungen wie Planung, Koordination, Steuerung und Kontrolle (systemisch-sozialer Ursachenkomplex)
-Agrargesellschaft = mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitet im primären Sektor
o Landbesitz welcher mit tierischer und menschlicher Muskelkraft bewirtschaftet wird
-Industriegesellschaft = mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitet im sekundären Sektor
o Dominanz der Maschinen, Mensch ist in Funktionszusammenhänge eingespannt
-Postindustrielle Gesellschaft = mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitet im tertiären Sektor
o Wissen ist wichtigste Produktivkraft (gibt hier aber auch zahlreiche Berufe, die kein hohes Bildungsniveau erfordern)
o Länder wie bspw. Deutschland befinden sich zwar in der dritten Phase, haben aber immer noch einen sehr starken sekundären Sektor
-Angestellte weisen innerhalb ihrer Gruppe eine enorme Heterogenität auf, weswegen ihre politische Durchschlagskraft eher gering ist
o Je höher ihre Position ist, desto weniger sind sie gewerkschafts- und umso mehr unternehmerorientiert
-Crouch entwickelte 1999 ein Modell mit sechs Sektoren
o Die beiden ersten Sektoren gleichen denen im Drei-Sektoren-Modell
o Sektor III (third sector): Bewegung und Transport von Gütern
o Sektor IV (quaternary sector): Dienstleistungen, die mit der Produktion von Gütern zu tun haben, diese aber nicht direkt behandeln: business services; Finanzsektor: Banken, Versicherungen, Buchführung u.a.
o Sektor V (quinary sector): Dienstleistungen, die sich direkt auf Personen beziehen: Social and community services, öffentliche Verwaltung, wohlfahrtsstaatliche Dienstleistungen (Kollektivgüter)
o Sektor VI (sixth sector): Personelle Dienstleistungen ohne ein direktes kollektives oder soziales Gut: Häusliche Dienstleistungen, Hotels, Restaurants, Freizeit, Kultur, Künste
-Außerdem gibt es noch ein Modell mit vier Sektoren – wobei hier die drei klassischen Sektoren um den quartären Sektor (Informationssektor – Informationsgesellschaft) erweitert werden
-Den drei Sektoren können zugeordnet werden
o Tätigkeiten
o Arbeitsplätze und Berufe
o Erwerbstätige
o Betriebe und Unternehmen
-Häufig werden Unternehmen nach dem Produktionszweck den Sektoren zugeordnet
o Da Betriebe im sekundären Sektor jedoch auch Dienstleistungstätigkeiten leisten, wird die Tertiärisierung der Gesellschaft unterschätzt
-Ausdifferenzierung des tertiären Sektors
o Produktionsbezogene Dienstleistungen (bezogen auf Güterproduktion und Verteilung von Gütern)
o Verbraucherbezogene Dienstleistungen (werden unmittelbar vom Letztverbraucher in Anspruch genommen, z.B. Bildung, Information, Unterhaltung, etc.)
-Berücksichtigt man nur die verbraucherbezogenen Dienstleistungen wäre Deutschland noch eine Industriegesellschaft (da es nicht so viele Erwerbstätige im tertiären wie im sekundären Sektor gibt) – eigentlich wäre der Begriff industrielle Dienstleistungsgesellschaft angemessen
-Die zahlenmäßig bedeutendste Gruppe in der Mitte unserer Gesellschaft sind die Angestellten
-Angestellte in drei klassischen Dienstleistungsbereichen tätig:
o Kaufmännische Angestellte: Handel, Warenhäuser, Banken, Versicherungen, Ein- und Verkaufsabteilungen der Industriebetriebe, etc.
o Technische Angestellte: Werkmeister, Techniker, Ingenieure, Laboranten, Wissenschaftler u.a. – in Betrieben, die mit zunehmender Technisierung immer mehr Spezialisten benötigen
o Büro- und Verwaltungsangestellte: „bürokratische Aufgaben“ in der Verwaltung von Großorganisationen
o Andere Bereiche mit vielen Angestellten: Verkehr, Kommunikation, Information, Massenkommunikation, Erziehungs-, Sozial-, Rechts-, Beratungs- und Gesundheitswesen
-2011 waren 78% aller Angestellten im tertiären Sektor tätig
-Angestelltenanteil in Industrie und Handwerk im Jahr 1950 12%, im Jahr 2011 43% (Tertiärisierung des sekundären Sektors)
-Zunahme der Angestellten im öffentlichen Dienst (1950: 27%, 2011 mehr als 50%)
-Sind Angestellte angesichts der Vielfalt ihrer Funktionen, Qualifikationen und Arbeitssituationen als eine Schicht zu begreifen?
o Hintergrund: Soziologie hat Probleme Angestellte als Berufsgruppe, Schicht oder Klasse zu bestimmen („gesellschaftliche und politische Unbestimmtheit“) - bilden Angestellte damit einen eigenständigen „neuen“ Mittelstand oder sind sie Teil der lohnabhängigen Arbeiter Klasse?
o Dahrendorf: Angestellte und Beamte können in zwei Schichten gegliedert werden: „falscher“ Mittelstand (Status wie Arbeiter) sowie die Dienstklasse der oberen Hälfte der Hierarchie
Geißler teilt die Angestellten dagegen in zwei, bzw. drei Schichten auf und bezeichnet diese alsausführende Dienstleistungsschichtund alsmittlere/obere Dienstleistungsschicht(Differenzierung und Polarisierung der Angestellten)
o Ausführende Tätigkeiten – statusmäßig untere Teil der Dienstleistungsberufe
o Deutschland: 13% der Bevölkerung gehören der Schicht der einfachen Angestellten und Beamten an (2011)
o Berufe der einfachen Angestellten/Beamten (welche enorm von Rationalisierung und Jobübernahme durch KI, etc. betroffen sind): ausführende Tätigkeiten wie Kellner, Briefträger, Tankwart, Verkäufer, Lagerist, Pförtner, Schreibkraft
o Quantitative kleine Gruppe von Rationalisierung betroffen, Selbstzuordnung zur Mittelschicht, Arbeits- und Lebensbedingungen in großer Nähe zur Arbeiterschaft
o Geringes soziales Ansehen und Prestige
o 1950/1960 sind Privilegien der Angestellten im Vergleich zu Arbeitern (längerer Urlaub und Kündigungsschutz, Monatsgehalt im Gegensatz zum Stunden oder Akkordlohn)
-Etwa zwei Drittel der Angestellten und fast alle Beamten lassen sich der mittleren/oberen Dienstleistungsschicht zuordnen
-Darunter fallen
o Mittlere und leitende Angestellte
o Mittlere und höhere Beamte
-Trotz arbeits- und sozialrechtlicher Einebnungen haben mittlere/obere Dienstleistungsschichten im Vergleich zu Arbeitern ihre privilegierte Soziallage erhalten
o Viele (neue) qualifizierte Arbeitsplätze mit relativ hohem Grad an Spezialisierung, Komplexität, Autonomie und Arbeitszufriedenheit
o Tätigkeiten im Erziehung- und Sozialwesen, in Planungs-, Entwicklungs- und Marketingabteilungen, Kreditinstitute, Versicherungen, technische Angestellte
o Entlastung von körperlichen Anstrengungen wird durch hohe psychische Belastung erkauft ( - wobei die psychische Belastung eines Berufs vor 100 Jahren heute kaum abzuschätzen ist)
o Höhere Status, höherer Lebensstandard als Arbeiter
o Selbstverständnis: Mitte der Gesellschaft, z.T. auch der Oberschicht
o „Mentalität“: geringere „Distanz“ zu Arbeitgebern als bei Arbeitern
o Eher individualistische als solidarische Form der Interessensdurchsetzung
-Beamte
o Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen (Statistisches Bundesamt)
o Beamtenschaft als sozialer Stand lange historische Tradition (älter als Angestelltenschicht oder Klasse der Industriearbeiter), setzen staatliche Herrschaft durch
o Besondere Gruppe innerhalb der Dienstleistungsschicht
§ Verfassungsrechtlich garantierter rechtlicher Sonderstatus
§ günstige Sozialversicherung, absolute Arbeitsplatzgarantie
§ überdurchschnittliche Qualifikationen (und dadurch auch Einkommen)
o Man unterscheidet je nach Qualifikation Laufbahnen: einfacher, mittlerer, gehobener und höherer Dienst
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