Rechtfertigende Pflichtenkollision
Mit dem Notstand verwandter Rechtfertigungsgrund
Teilw.: Wird unter § 34 StGB subsumiert
m.M.: Zumindest in Fällen von gleichwertigen Gründen nur Entschuldigungsgrund
Arg.: Von der Handlungspflicht Geschützte müssen sich gegen die benachteiligende Ausübung des Wahlrechts ggfs. durch Notwehr/Nothilfe wehren können
(-): Dadurch würden u.U. jegliche Rettungschancen blockiert
Ausprägung durch Rspr. und Schrifttum ➔ keine gesetzliche Regelung
Eine Pflichtenkollision liegt vor, wenn den Handelnden mehrere sich ausschließende verschiedenwertige Handlungspflichten treffen und er die objektiv höherwertige zum Nachteil der geringerwertigen erfüllt. (Bei Verschiedenwertigkeit der Pflichten)
Bei zwei gleichwertigen Pflichten: Täter handelt dann nicht rechtswidrig, wenn er eine der beiden ihn treffenden Pflichten erfüllt
Wahlrecht des Täters
=> Voraussetzungen
Konfliktlage
Kollision zweier rechtlicher Handlungspflichten
Gleichwertigkeit oder Verschiedenwertigkeit der Handlungspflichten
Erfüllung der einen Pflicht auf Kosten der anderen Pflicht (bei Gleichwertigkeit) / Erfüllung der höheren Pflicht auf Kosten der niedrigeren (bei Verschiedenwertigkeit)
Subjektive Rechtfertigungselemente
Rechtfertigende Pflichtenkollision:
=> Kollision einer Handlungspflicht mit einer Unterlassungspflicht
z.B.: Arzt bricht Schweigepflicht (Unterlassungspflicht), um seine anderen Patienten vor einer Ansteckung zu bewahren (Handlungspflicht)
h.M.: Kann nur über § 34 StGB gerechtfertigt werden
§ 34 StGB muss aber nicht zwingend zu einer Rechtfertigung führen
Arg.: Wenn die verbotene Handlung gerechtfertigt ist, erledigt sich damit auch die Unterlassungspflicht; wenn die verbotene Handlung nicht gerechtfertigt ist, entfällt jedoch die Handlungspflicht, da diese nicht auf rechtswidriges Tun gerichtet sein kann ➔ eine eigentliche Pflichtenkollision liegt nicht vor
Fall: A benötigt dringend Blut, seine seltene Blutgruppe ist aber nicht vorrätig. Patient B hat die seltene Blutgruppe, verweigert aber eine Spende. Der Arzt entnimmt dem B das Blut zwangsweise und rettet dem A dadurch das Leben.
Einwilligung (-)
Rechtfertigung nach § 34 StGB:
Notstandslage (+)
Erforderlichkeit (+) ➔ kein milderes Mittel ersichtlich
Rettungswille (+)
Interessenabwägung:
Rechtsgut Leben überwiegt grds.
Aber: Abwägung bei § 34 StGB ist insb. mit Hinsicht auf die Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2 StGB keine reine Güterabwägung
Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht (Autonomieprinzip) des B
=> Kollision zweier Unterlassungspflichten
z.B. Geisterfahrer auf der Autobahn darf weder anhalten noch weiterfahren noch wenden
h.M.: Kollision zweier Unterlassungspflichten denkbar ➔ Aber: höchst selten!
e.A.: Anwendung von § 34 StGB
a.A.: Bei Gleichwertigkeit der Rechtsgüter gelten die Grundsätze der rechtfertigenden Pflichtenkollision
=> Kollision zweier Handlungspflichten
z.B. in ein Krankenhaus werden gleichzeitig zwei Schwerverletzte eingeliefert, aber nur ein Intensivbett steht zur Verfügung
Hier hat die rechtfertigende Pflichtenkollision eigentlich nur Relevanz
Somit: Primär Unterlassungsdelikte sind betroffen
=> Faktoren
Wert der gefährdeten Güter in der Rechtsordnung
Rechtliche Stellung des Normadressaten zum geschützten Objekt
Garantenstellung vs. allg. Handlungspflicht
Garantenstellung ist nicht stets höherwertig als eine allg. Handlungspflicht ➔ das gilt dann nicht, wenn das durch die allg. Handlungspflicht geschützte Rechtsgut höherrangig ist
Wenn die geschützten Rechtsgüter gleichwertig sind: Garantenpflicht geht vor
Nähe der Gefahr
Schadenswahrscheinlichkeit
Bei Verschiedenwertigkeit der Pflichten: Nur Scheinkollision, da nur eine echte Handlungspflicht
Bsp.: T befindet sich mit Großmutter und Tochter in einem brennenden Haus und kann nur eine von beiden retten. Er rettet die Tochter.
Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 13 I StGB?
Garantenpflicht bzgl. Großmutter aus enger familiärer Verbundenheit gem. § 13 I StGB (+)
§ 32 StGB (-) ➔ kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff
§ 34 StGB (-) ➔ Grundsatz des absoluten Lebensschutzes: keine Abwägung Leben gegen Leben möglich
Rechtfertigende Pflichtenkollision?
Sowohl hinsichtlich Tochter als auch Großmutter Garantenstellung aus enger familiärer Verbundenheit gem. § 13 I StGB
Garantenstellungen sind gleichwertig ➔ keine Abstufung zwischen jungem und altem Leben
Rechtfertigung (+)
Handeln in Kenntnis der rechtfertigenden Umstände
Handeln zur Gefahrenabwehr
Einwilligung
= Gewohnheitsrecht; als Ausfluss von Art. 2 I GG
= Einwilligung des Betroffenen in Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter
= durch das Selbstbestimmungsrecht legitimierter Verzicht auf Rechtsschutz ➔ dadurch tritt die Verbotsnorm zurück
Gesetzlich nicht geregelt: Ungeschriebener Rechtfertigungsgrund
Aber: § 228 StGB ➔ bestätigt, dass es die Einwilligung gibt
Leitet sich aus Art. 2 I GG ab
Kein Verstoß gegen Art. 103 II GG, da Einwilligung nur zugunsten des Täters
=> Abgrenzung vom Einverständnis
Abgrenzung zum Einverständnis: Einverständnis greift auf Ebene des Tatbestands
Beim Einverständnis bereits kein typisiertes Unrecht
Einverständnis nur dann, wenn der obj. TB ein Handeln ohne oder gegen den den Willen des Rechtsgutsinhabers voraussetzt
Bsp.: § 123 StGB; § 177 StGB; § 239 StGB; § 240 StGB, § 242 StGB; § 248b StGB; § 249 StGB; § 253 StGB, § 255 StGB
Alltägliche Handlung wird erst dadurch strafbar, dass sie gegen den Willen des Rechtsinhabers erfolgt
Einverständnis hat rein tatsächlichen Charakter
Kommt nur auf die natürliche Willensfähigkeit an
Muss im Gegensatz zur Einwilligung weder ausdrücklich erklärt noch konkludent zum Ausdruck gebracht werden
Nicht ausreichend: Bloßes Geschehen lassen oder passives Erdulden
Aber: Wegen der rein tatsächlichen Natur sind Willensmängel unbeachtlich
z.B. unbeachtlich, wenn Einverständnis durch Täuschung erschlichen wurde
z.B. unbeachtlich, wenn das Einverständnis auf sittenwidrigen Erwägungen beruht
z.B. unbeachtlich, wenn das Einverständnis auf Unkenntnis beruht
Vorliegen von Einverständnis führt zwar zur Nichtstrafbarkeit
Aber: Versuchsstrafbarkeit bleibt unberührt
=> Warum sollte sie ein Rechtfertigungsgrund sein?
Arg. Für Rechtfertigungsgrund: Verzicht auf Güterschutz durch Strafordnung
Arg.: Respektieren der autonomen Entscheidung des Rechtsinhabers
Disponabilität des Rechtsguts
Einwilligender ist Träger des Rechtsguts
Einwilligungserklärung
Einwilligungsfähigkeit
Fehlen beachtlicher Willensmängel
Grenze des § 228 StGB
Subjektives Rechtfertigungselement
Disponabilität
Individualrechtsgüter: Körperliche Integrität; Privatsphäre; Ehre, Eigentum, Vermögen
Dispositionsbefugter ist, wer alleiniger Inhaber des Rechtsguts ist oder als Vertreter des Inhabers zur Disposition befugt ist
Bei juristischen Personen: zivilrechtliche Befugnis der natürlich Person, für die juristische Person zu handeln, wird vorausgesetzt
Rechtfertigende Einwilligung
=> Einschränkungen
Aber: Einschränkungen
Eigentum: § 304 StGB, §§ 306a – 306d StGB
Eigentum und Vermögen sind grds. verzichtbar
§§ 304, 306a – 306d StGB dienen dem Schutz der Allgemeinheit ➔ dürfen nicht berührt werden
Körperliche Unversehrtheit: § 228 StGB
Leben: § 216 StGB
Vorschriften, die den Schutz des zustimmenden Verletzten bezwecken
z.B. § 174 StGB
Einwilligung wirkt hier nicht rechtfertigend
Kollektivrechtsgüter (-)
Einwilligung ist nur rechtlich zulässig, wenn das bedrohte Rechtsgut in vollem Umfang der Disposition des Einwilligenden unterliegt ➔ bei Rechtsgütern der Allgemeinheit (-)
Keine Einwilligungsmöglichkeit in die Sicherheit des Straßenverkehrs
Aber: Einwilligung in die körperliche Integrität ➔ § 315c StGB scheidet jedenfalls aus
§§ 153 ff. StGB: Richter kann nicht in eine Falschaussage einwilligen, weil er über das geschützte Rechtsgut der Rechtspflege nicht dispositionsbefugt ist
=> P.: Abgrenzung Tötung auf Verlangen vom assistisierten Suizid ➔ Fremdtötung und Selbsttötung
Suizid ist straflos
Abgrenzung nach Tatherrschaft über das Geschehen ➔ Abgrenzung nach normativen Gesichtspunkten
Einwilligende Person muss alleinige Herrschaftsbefugnis haben
=> P.: Sterbehilfe
Sterbehilfe durch Unterlassen (Behandlungsabbruch) ist laut BGH gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.
Str.: Setzt die Rechtfertigung die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1827 ff. BGB voraus?
Einwilligung durch Rechtsgutinhaber
tatsächliches Vorhandensein der Einwilligung
Rechtsgutsverzicht und Sich-Abfinden mit dem Handlungsunwert
Inhalt der Einwilligung je nach Deliktscharakter unterschiedlich:
Gegenstand der Einwilligung bei Vorsatzdelikten: Handlung + Erfolg
Gegenstand der Einwilligung bei konkreten Gefährdungsdelikten: Gefahrerfolg
Zwischen Gefährdung und Erfolg unterscheiden
z.B. Einwilligung in eigene Tötung führt nicht zur Rechtfertigung (§ 216 StGB), aber Einwilligung in lebensgefährdende Handlungen sind zulässig
Mindestens billigendes in Kauf nehmen des Erfolges erforderlich
Fahrlässiges Vertrauen auf Nichteintritt nicht ausreichend
=> Form?
Form:
Jede beliebige Manifestation
Willenserklärung nicht erforderlich
Manifestation nach außen nötig
P.: Rein innerliche Einwilligung
h.M.: (-) ➔ Einwilligung muss ausdrücklich (ausgesprochen) oder stillschweigend (konkludent) vorliegen ➔ sonst: mutmaßliche Einwilligung
Arg.: Subj. TB erfordert, dass der Täter in Kenntnis der Einwilligung handelt
m.M.: (+) ➔ rein innerliche Einwilligung ausreichend
Geht nicht davon aus, dass die Kenntnis Teil des subj. TB ist ➔ deshalb
=> Zeitpunkt
Zeitpunkt: Einwilligung muss vor der Tat erteilt werden und auch noch während der Tat vorliegen
Rechtfertigende Einwilligung ist bis zur Tatbegehung jederzeit frei widerruflich
Nachträgliche Genehmigung nicht möglich ➔ Grund: Handelnder muss gerade aufgrund der Einwilligung handeln
h.M.: = nach geistiger und sittlicher Reife imstande, Bedeutung und Tragweite des Rechtsgutsverzichts mit Blick auf die konkret in Rede stehende Straftat zu erkennen und zu beurteilen
Maßgeblich: Natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit
Keine Geschäftsfähigkeit erforderlich
P.: Relevanz des Alters?
e.A.: Zumindest bei Eigentums- und Vermögensdelikten Anlehnung an Geschäftsfähigkeit gem. §§ 105 ff. BGB
Arg.: Einheit der Rechtsordnung
(-): In bestimmten Punkten verfolgen Zivil- und Strafrecht unterschiedliche Zielsetzungen
Beim StrafR geht es darum zu entscheiden, ob ein Verhalten trotz Zustimmung des Rechtsgutsinhabers strafwürdig erscheint
Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsgutsinhaber das Recht zivilrechtlich auch wirksam übertragen kann
Sondern: Tatsächliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit ausreichend
Teilw. haben Gerichte von Unvernünftigkeit der Handlung auf Unfähigkeit geschlossen
Achtung! ➔ in Klausur eher nicht so machen
Darf kein obj. Maßstab angewandt werden ➔ aber diskutieren
Bei fehlender Einwilligungsfähigkeit des Rechtsgutsinhabers: Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters erforderlich
Einwilligung muss ernstlich und freiwillig erfolgen
(-) bei beachtlichen Willensmängeln
Durch Nötigung erzwungene Einwilligung ist unwirksam
Willensentschließungsfreiheit wird beeinträchtigt
Rspr. (alt): Irrtum (insb. infolge Täuschung) i.d.R. wesentlich
Aber ggfs. Unwesentlich, wenn nicht Gegenstand der Aufklärungspflicht
h.M.:
Rechtsgutsbezogene Irrtümer (insb. infolge Täuschung) = beachtlich
Risiken oder Tragweite eines Eingriffs
Insb. Ärztliche Aufklärungspflicht: Nichtaufklärung über Risiken und Folgeschäden
Nichtrechtsgutsbezogene und nicht einwilligungserhebliche Irrtümer = unbeachtlich
Irrtum im Motiv (z.B. Höhe der Gegenleistung, Honorar des Arztes)
(+): Rechtfertigung ist immer im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut zu betrachten
P.: Willensmangel bei fehlerhafter/mangelnder ärztlicher Aufklärung?
hilft nicht weiter
Rspr.: Geht auch bei einer gelungenen ärztlichen Heilbehandlung von einer tatbestandsmäßigen Körperverletzung aus
h.Lit.: eher (-)
Einwilligung ist nur dann wirksam, wenn der Patient vom Arzt über alle Folgen und die Tragweite des Eingriffs umfassend aufgeklärt worden ist
Inhaltlich muss die Aufklärung Art, Chancen und Risiken verständlich enthalten
Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass dem Patienten Gelegenheit zu eigener Überlegung und Willensbildung bleibt
P.: Täuschung über die Notwendigkeit einer Operation
Rspr.: Kein Rechtsgutsbezug; reiner Motivirrtum ➔ bei der Einwilligung nicht relevant
Lit.: Keine autonome Entscheidung kann mehr vorliegen, da über Sinnhaftigkeit der Op getäuscht wurde
Grenzen nach § 228 StGB: Wenn die Tat gegen die guten Sitten verstößt
Bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit
Geht um die Sittenwidrigkeit der Tat, nicht der Einwilligung
Tat bleibt trotz Einwilligung sittenwidrig
Einwilligung entfaltet keine Wirkung
Arg.: Sittenwidrigkeit als Beleg für die fehlende Autonomie
Aber: Man spricht der einwilligenden Person die Autonomie ab ➔ verfassungsrechtlich schwierig, Insb. auch wegen der Bestimmtheit, Art. 103 GG
=> Wann liegt Sittenwidrigkeit vor?
Sittenwidrigkeit = Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden
Sehr restriktive Anwendung; Willen des Einwilligenden muss grds. Rechnung getragen werden
Bestimmtheitsprobleme („gute Sitten“)
Freiheitliches Strafrecht: Dient nicht dem Schutz von Moral und Sittlichkeit
Maßstab für Sittenwidrigkeit: Rechtsgutsbezogene Auslegung
Kriterien.: Nur bei hohem Grad der Gefährdung des Rechtsguts und ex ante drohendes Ausmaß der Verletzung = Ausgangspunkt ➔ Orientierung an § 226 StGB
BGH: Normative Bewertung des § 228 StGB ist grds. auf Art und Gewicht des Erfolgs der Körperverletzung zu beschränken
Grund: Nur bei gravierenden Verletzungen sind Eingriffe des Staates in das individuelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I GG) gerechtfertigt
Wenn die Körperverletzung den erforderlichen Schweregrad nicht aufweist: § 228 StGB scheidet unabhängig vom verfolgten Zweck aus
Kriterium: Zweck der Rechtsgutsverletzung (sekundär)
Allein auf Beweggründen und Zielen kann nicht abgestellt werden
Sind höchstens Anhaltspunkte
Auch wenn Art und Umfang der Körperverletzung die Sittenwidrigkeit grds. Überschreitet, greift § 228 StG ausnahmsweise nicht, sofern die einwilligende Person billigenswerte Zwecke verfolgt
z.B. lebensrettende Operationen
z.B. Bekämpfung extremer Schmerzen
Kriterium: Je näher man bei Körperverletzung einer Tötung kommt, desto eher sittenwidrig
Kriterium: Gesetzliche Wertungen: § 216, § 231 StGB
P.: A lässt sich von einer Domina auspeitschen und trägt sichtbare Striemen auf dem Rücken davon. § 228 StGB?
Beweggründe und Ziele des A können nicht ausreichen um einen Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu bejahen
Selbstbestimmungsrecht des A aus Art. 2 I GG ist zu beachten
Keine gravierende Leibes- oder Lebensefahr
§ 228 StGB somit (-)
P.: Massenprügeleien
hier kein wichtiger Zweck
Eskalationsgefahr
Wenn der TB des § 231 StGB verwirklicht ist, führt dies zur Annahme der Sittenwidrigkeit der Körperverletzungstat i.S.v. § 228 StGB
Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen die schwere Folge des § 231 StGB tatsächlich eingetreten ist
Grund: Bei der schweren Folge handelt es sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit
Bereits ohne die Folge liegt ein tatbestandsmäßiger, rechtswidriger und schuldhafter Verstoß gegen § 231 StGB vor
=> P.: Doping
führt i.d.R. nicht zu einer Lebensgefahr; hat einen „Zweck“, aber: Fairness des Sports; „allg. Ächtung“ des Dopings
Aber: Wenn die Körperverletzung den erforderlichen Schweregrad nicht aufweist: § 228 StGB scheidet unabhängig vom verfolgten Zweck aus
Grund: Rechtsgutsbezogene Auslegung erforderlich
Kenntnis der Einwilligung
Handeln aufgrund der Einwilligung
P.: Wenn man über das Vorliegen einer Einwilligung irrt? ➔ Erlaubnistatbestandsirrtum
Es können die gleichen Probleme auftauchen wie bei der Notwehr
P.: Mutmaßliche Einwilligungen
= besonderes Institut zwischen Einwilligung und rechtfertigender Notstand
h.M.: Eigenständiger, gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtfertigungsgrund
Kein Unterfall des § 34 StGB
Verstößt nicht gegen § 103 II GG, weil zugunsten des Täters
Kommt in Betracht, wenn eine Einwilligung rechtlich zulässig wäre, tatsächlich aber nicht erteilt wurde
Geht immer um den vermeintlichen Willen der konkret betroffenen Person ➔ kein objektivierter Maßstab
Mutmaßliche Einwilligung
Zulässigkeit der Einwilligung
Subsidiarität
Fehlen einer wirklichen Einwilligung
Rechtzeitige Einholung der Einwilligung ist unmöglich
Kein erkennbarer entgegenstehender Wille
Mutmaßlicher Wille des Rechtsgutsinhabers
Wille im Sinne des Rechtsgutsinhabers zu handeln
Mutmaßliche Einwilligung:
(aa) Dispositionsbefugnis
(bb) Einwilligungsfähigkeit
(cc) § 228 StGB bei Körperverletzungsdelikten
=> P.: Fünfjähige K wird mit einem drohenden Blinddarmbruch ins Krankenhaus eingeliefert. Mutter lehnt den operativen Eingriff ab. Wegen des Wochendendes kann der Arzt keine Entscheidung des VormG erlangen, sodass er den Eingriff durchführt und K dadurch das Leben rettet.
Ausdrückliche Verweigerung der Einwilligung ist wegen § 1666 BGB ohne Bedeutung
Warten bis eine Entscheidung des VormG erreicht werden kann ist wegen akuter Lebensgefahr nicht erforderlich
Mutmaßliche Einwilligung (+)
Handlung darf auch nicht später vorgenommen werden können (= Subsidiarität)
Wenn eine Einwilligung ohne größere Gefahr für den Verletzten abgewartet werden kann, darf durch vorschnelle Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung nicht in das Selbstbestimmungsrecht des Verletzten eingegriffen werden
Rechtsgutsinhaber müsste bei Kenntnis der Sachlage vernünftigerweise einwilligen
Einwilligung wäre bei Würdigung der Einzelumstände zu erwarten
Vermeintlicher Wille des Betroffenen ist zu ermitteln
Abstellen auf dem mutmaßlichen Willen des Einwilligungsfähigen
Bei Kleinkindern also die Eltern
Ex-ante-Beurteilung aus der Sicht des Rechtsgutsinhabers
Keine an objektiven Maßstäben orientierte Güter- und Interessenabwägung
Sondern: Wahrscheinlichkeitsurteil über den wahren Willen des Rechtsgutsinhabers
Berücksichtigung von individuellen Interessen, Wünschen und Einstellungen
Indizwirkung objektiver Kriterien
=> Fallgruppen
Handeln im (überwiegenden) materiellen Interesse des Betroffenen
Fälle des mangelnden Interesses des Betroffenen
Lebenserhaltende Maßnahmen eines Patienten
=> Fälle des mangelnden Interesses des Betroffenen
Eher selten
Schutzwürdiges Erhaltungsinteresse des Verletzten fehlt
Einwilligung des Betroffenen ist bei hinreichend verlässlichen Indizien bei verständiger objektiver Beurteilung zu vermuten
z.B. Weggabe alter Kleidungsstücke durch WG-Mitbewohner, wenn der schon längere Zeit abwesende Mitbewohner das früher auch immer so gemacht hat
=> Bei lebenserhaltenden Maßnahmen für einen Patienten:
Frage des Behandlungsabbruchs
§ 1827 BGB
Abs. 1: Vorgehen bei Vorliegen einer Patientenverfügung
Abs. 2 Vorgehen bei Nichtvorliegen einer Patientenverfügung
Täter muss in Kenntnis und aufgrund der mutmaßlichen Einwilligung gehandelt haben
Str.: Ob der Täter sorgfältig geprüft haben muss, dass sein Verhalten dem mutmaßlichen Willen des Rechtsgutsträgers entspricht
Ist nur erheblich, wenn sich im Nachhinein ein entgegenstehender Wille des Verletzten herausstellt
Es gelten die üblichen Irrtumsregeln
Differenzierung zwischen Erlaubnistatbestandsirrtum und Erlaubnisirrtum:
Ein Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter einen Sachverhalt irrig annimmt, dessen wirkliches Vorliegen das Wahrscheinlichkeitsurteil getragen und die Tat auch im Übrigen gerechtfertigt hätte.
Ein Erlaubnisirrtum liegt vor, wenn der Täter aus dem zutreffend erkannten Sachverhalt rechtlich fehlerhafte Schlüsse gezogen hat.
P.: Hypothetische Einwilligung
Bei der Strafbarkeit von Ärzten
Wegen Willensmängeln keine Einwilligung
Mutmaßliche Einwilligung? ➔ (-); keine Unmöglichkeit der Einholung der Einwilligung
Deshalb: Hypothetische Einwilligung
Bsp.: Keine wirksame Einwilligung, weil Willensmängel vorliegen
Bsp.: Keine mutmaßliche Einwilligung, weil der Patient für eine Einwilligung erreichbar war
M1/Rspr.: Keine Strafbarkeit
Arg.: Gleichlauf mit Zivilrecht: § 630h BGB
Arg.: Kiminalpolitisches Bedürfnis
Arg.: Ultima ratio
Str.: Dogamtische Einordnung
M1: Rechtfertigungsgrund
M2: Gedanke der objektiven Zurechnung
M2: Strafbarkeit
Arg.: Selbstbestimmungsrecht des Patienten
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