Buffl

Zwangsvollstreckung

SP
by Sebastian P.

Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO): Statthaftigkeit


Klagehäufung mehrerer Zwangsvollstreckungsrechtsbehelfe (§ 260 ZPO) (“Kuddel-Muddel-Klausur”)


Beispiel: Kläger macht neben materiellen Einwendungen auch angebliche Verfahrensfehler vor oder Einwände im Sinne einer Klauselerinnerung geltend

  1. Können mehrere Zwangsvollstreckungsrechtsbehelfe miteinander kombiniert werden?

  2. Wie ist mit der Situation umzugehen, dass auch Einwände, die das Verfahren betreffen, erhoben werden?

  3. Was passiert letztlich mit rechtsbehelfsfremden Einwendungen?


  1. Grundsätzlich kein Problem (einfach Voraussetzungen von § 260 ZPO ansprechen), aber keine Kombination mit der Erinnerung, weil hier durch das Vollstreckungsgericht (Amtsgericht) durch Beschluss entschieden wird (§ 764 Abs. 3 ZPO → andere Verfahrensart i. S. v. § 260 ZPO).

  2. Rechtschutzbegehren muss ausgelegt werden, es kann nicht beides gemeinsam geltend gemacht werden. Antrag (z. B. auf „Unzulässigkeitserklärung der ZV“) + Schwerpunkt der Einwendungen (wozu mehr vorgetragen) + Rechtsschutzintensität nennen. In der Regel wird es dem Kläger um die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels schlechthin gehen, die Vollstreckungsabwehrklage ist also rechtsschutzintensiver. Klausurtaktik: Hinweise auch etwa, wenn von „Kläger“ und „Prozessbevollmächtigter“ und nicht von „Gläubiger“ und „Verfahrensbevollmächtigter“ (Erinnerung) gesprochen wird, oder mündliche Verhandlung (Klageverfahren). Klage beim Landgericht (dann muss es VAK sein, weil Erinnerung beim AG), Az. (Erinnerung könnte nie unter „O“ stehen, sondern unter „M“). Beachte, dass jegliche materiellen Einwendungen (z. B. mangelhafte Ware, Rücktritt, Anfechtung, Zurückbehaltungsrecht) dürfen nicht in das Erinnerungsverfahren hineingetragen werden und sind somit über die VAK geltend zu machen.

  3. Rechtsbehelfsfremde Einwände werden rausgeschmissen (z. B. ob Pferd pfändbar ist, Pfändung zur Unzeit, Verstoß gegen § 811 ZPO); wird nicht Verfahrensgegenstand, wird insoweit auch nicht für unzulässig erklärt.


Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO): Rechtsschutzbedürfnis


Problem: Vollstreckung aus Vergleich (§ 795 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)


  1. Besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn anfängliche Einwendungen (materielle und prozessrechtliche Ebene, z. B. unwirksame Vertretung, Anfechtung, § 779 BGB, Widerruf bei Widerrufsvorbehalt) gegen den Vergleich geltend gemacht werden?

  2. Besteht ein Rechtsschutzbedürfnis bei nachträglichen Einwendungen (nur auf materieller Ebene, z. B. Erfüllung, Aufrechnung, Aufhebung des Vergleichs, Erlass, § 313 BGB, Widerruf oder Einwand der Unmöglichkeit gegen Vergleichgegen den Vergleich?

  3. Wie ist der Fall zu behandeln, dass anfängliche und nachträgliche EInwendunen geltend gemacht werden?


  1. Keine Prozessbeendigung; Rechtsschutzbedürfnis für VAK (–), weil mangels Prozessbeendigung das alte Verfahren fortzuführen ist; Der Angriff ist gegen die prozessbeendende Wirkung im alten Prozess zu erklären. Dogmatisch richtet sich Angriff gegen materiellen Prozessvergleich, der wegen Einheit (BGH: beide Seiten bilden eine untrennbare Einheit, die miteinander stehen und fallen) auf Prozessebene durchschlägt.Ferner: Verfahrensfehler: § 162 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO: Insbesondere wenn der „v.u.g.-Vermerk“ (vorgelesen und genehmigt) im Protokoll fehlt (Klausurklassiker). Dogmatisch richtet sich Angriff gegen Prozessebene, der wegen Einheit auf materielle Rechtslage durchschlägt. Es besteht die Möglichkeit, einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung zu beantragen (grundsätzlich ohnehin von Amts wegen durch Terminsbestimmung [§ 216 ZPO]).

  2. RSB für VAK (+), weil in diesen Fällen die ursprüngliche Wirksamkeit des Vergleichs nicht infrage gestellt wird, denn die prozessbeendigte Handlung (der Vergleich) wird nicht in Frage gestellt.

  3. RSB für VAK (+). Hintergrund → rechtliches Gehör: Würde man das in das alte Verfahren gehen und käme Richterin dort zu Ergebnis, dass Vergleich nicht widerrufen wurde, würde die Aufrechnung gar nicht mehr gehört werden; es fehlte am rechtlichen Gehör. In VAK können indes auf jeden Fall alle Einwendungen geprüft werden.


Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO): Begründetheit


Erfüllung

  1. Was ist zu beachten, wenn Erfüllung durch einen anderen Gesamtschuldner erfolgt?

  2. Kann der Vollstreckungsgläubiger mit Nichtwissen bestreiten, wenn Kläger Kontoauszüge vorlegt?

  3. Was ist zu beachten, wenn Beklagter vorträgt, die Zahlung habe nicht zur Erfüllung geführt, weil sie mit anderen offenen Forderungen verrechnet wurde

  4. Welche Einwand kann der Kläger erheben, wenn er abredewidrig auf ein falsches Konto gezahlt hat?

  5. Tritt durch die Wegnahme von Geld durch den Gerichtsvollzieher Erfüllung ein?

  6. Tritt Erfüllung bei einem Vorbehalt der Zahlung ein?


  1. Bei Erfüllung durch Gesamtschuldner kann Zahlung durch einen Dritten oder an einen Dritten erfolgen (§ 422 BGB)

  2. Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) des Vollstreckungsgläubigers unzulässig, wenn Kläger der VAK Kontoauszüge vorlegt. Vorbringen des Klägers gilt als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

  3. Hier sind die §§ 366, 367 BGB abzuarbeiten.

  4. Zahlung auf ein falsches Konto, Aufrechnung mit bereicherungsrechtlichem Anspruch (dazu wohl OLG Hamburg, NJW 2011, 3524: „Gegen den Anspruch des Gläubigers auf erneute Zahlung kann der Schuldner, dessen abredewidrige Überweisung auf ein nicht vereinbartes Konto nicht zur Erfüllung des Zahlungsanspruchs des Gläubigers geführt hat, grundsätzlich mit einem Bereicherungsanspruch aufrechnen, ohne dass dem ein Aufrechnungsverbot entgegen stünde. (Ls.)“

  5. Wegnahme von Geld durch Gerichtsvollzieher ist trotz § 815 Abs. 3 ZPO vor Weiterleitung an den Gläubiger nach hM keine Erfüllung, weil § 815 Abs. 3 ZPO als Gefahrtragungsregel verstanden wird. Bei „Abhandenkommen“ des Geldes aber Zahlungsfiktion, so dass Schuldner nicht nochmal zahlen muss.

  6. „Vorbehalte“ bei der Zahlung (dazu Kaiser, MatZivR, Rn. 14), z. B. Zahlung des Schuldners allein zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel hat keine Erfüllungswirkung, weil unter dem Vorbehalt, dass das Bestehen der titulierten Schuld noch rechtskräftig wird


Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO): Begründetheit


Einzelfälle zum Aufrechnungseinwand


  1. Kann mit einer rechtswegfremden Forderung aufgerechnet werden?

  2. Tritt die Wirkung einer Aufrechnung bei Gläubigermehrheit ein?

  3. Was ist zu entgegen, wenn der Beklagte einwendet, dass er seinerseits aufrechne?

  4. Kann mit einem prozessualen Kostenerstattunganspruch aus einem anderen Verfahren aufgerechnet werden, wenn das “Verfahren noch läuft” und die für die Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung noch nicht erbracht worden ist?


  1. Bei rechtswegfremder Forderung ist das Gericht zur Entscheidung befugt, wenn die Forderung unbestritten ist oder bereits rechtskräftig festgestellt wurde (anderenfalls müsste das Gericht den Rechtsstreit aussetzen)

  2. Bei Aufrechnung gegen eine Gläubigermehrheit hängt die Erfüllungswirkung davon ab, ob Gesamtgläubigerschaft nach den §§ 428 ff. BGB oder Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB vorliegt.

  3. Hat der Kläger der VAK bereits erfolgreich aufgerechnet, kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg damit wehren, dass er unter Verweis auf eine andere Forderung (nicht die titulierte Forderung) seinerseits aufrechne. Denn durch die vorangegangene erfolgreiche Aufrechnung des Klägers ist die Forderung des Klägers erloschen, so dass eine Gegenaufrechnung durch den Beklagten (Vollstreckungsgläubiger) ins „Leere“ geht. Sofern der Beklagte aber vor der Aufrechnung des Klägers die Aufrechnung erklärt und damit die Forderung zum Erlöschen bringt, mit der nun der Kläger im Rahmen der VAK aufrechnen will, geht der Einwand des Klägers im Rahmen der VAK ins „Leere“, denn nun ist seine Gegenforderung erloschen.

  4. Ja.  Mit Erlass der Kostengrundentscheidung nach §§ 91 ff. ZPO im Urteil ist der Kostenerstattungsanspruch als auflösend bedingter Anspruch fällig und aufrechenbar. Auch Sicherheitsleistung muss nicht gezahlt werden, weil das Aufrechnungsverbot von § 390 BGB derartige prozessuale Einreden nicht erfasst


Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO): Präklusion


Was besagt der Grundsatz der „objektiven Möglichkeit der Geltendmachung“?


Beispiel: Gläubiger G1 tritt Klageforderung am 02.09. an G2 ab; gleichwohl erhebt er Klage gegen B. Beklagter (jetzt Kläger in der VAK) erlangt erst am 31.12., mithin nach mündlicher Verhandlung, Kenntnis

Nicht maßgeblich ist die Kenntnis des Klägers von der Möglichkeit der Einwendung. Argument: Rechtssicherheit, Schutz der Rechtskraft des Vollstreckungstitels, Wortlaut von § 767 Abs. 2 ZPO. Wichtiger wird diese Frage immer wieder bei der Ausübung von Gestaltungsrecht


BGH: Kenntnis unerheblich → Präklusion (+)

(+), weil § 407 BGB nur Einwand gegenüber dem neuen Gläubiger (G2) (Zessionar). Auf die Rechtsbeziehung zum Abtretenden (Zedenten), der aus dem Titel vollsteckt (G1). § 407 BGB kann kein zulässiger Einwand sein, weil der Schuldner (B) ab Kenntniserlangung nur weitere Verteidigungsmöglichkeit gegen den Zessionar verliert, aber keine Veränderung im Rechtsverhältnis zum Zedenten (G1).

(+), weil Schuldner nicht in die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme kommt: Verlangt der Titelgläubiger Zahlung, obwohl er den geltend gemachten Anspruch abgetreten hat (wie hier), verdient Schuldner lediglich Schutz vor der Gefahr, dass seine Zahlung keine Erfüllung der Verbindlichkeit bewirkt: Ein einfacherer Weg für den Schuldner ist hier die Hinterlegung (§ 372 S. 2, § 378 BGB). Bei Abtretungsanzeige ferner Leistung an neuen Gläubige möglich (§ 409 BGB)

Titelgegenklage analog § 767 ZPO


  1. Was sind materielle Unwirksamkeitsgründe des Titels?

  2. Was sind formelle Unwirksamkeitsgründe des Titels?


  1. Materiell

    • Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB): Beliebter Fall, dass sich der Angriff gegen eine formularmäßige Unterwerfungserklärung in einem notariellen Bauträgervertrag richtet, wenn der Besteller auf den besonderen Nachweis der Fälligkeit des Werklohns für die Klauselerteilug zugunsten des Bauträgers verzichtet hat. Auf den Bauträgervertrag (§ 650u BGB) ist § 311b Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar. Dabei ist zu beachten, dass Bauträger nicht den gesamten Zahlungsbetrag per Vorkasse erhalten darf, sondern dich diesen schrittweise durch verschiedene Fälligkeitsstufen verdienen muss (§ 3 Abs. 2, § 12 MaBV). In der Klausur besteht dann eine vorformulierte Unterwertungserklärung i. S. v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, nach der der Kundes sich hinsichtlich eines bestimmten Betrages der sofortigen Vollstreckung unterwirft. Sobald der Bauträger sich eine vollstreckbare Ausfertigung ohne den besonderen Fälligkeitsnachweis erteilen lässt, liegt ein gesetzlicher Verstoß vor. Dagegen kann sich der Schuldner mit der Titelgegenklage wehren, weil nicht der schuldrechtliche Bauträgervertrag (Anspruch), sondern die Unterwerfungserklärung materiell unwirksam ist. Sofern MaBV nicht anwendbar ist (Bauträger handelt nicht gewerblich oder es liegt ein einfacher Werkvertrag vor), kann ein Verstoß auch aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgen, weil die Fälligkeitsregeln des Werkvertragsrechts als gesetzliches Leitbild unterlaufen würden.

    • Grundstücks-Treuhandfälle (Kaiserverweis, S. 48)

    • Wirkungslosigkeit eines Urteils infolge eines Prozessvergleichs (Fall 16 Alpmann, Kaiser S. 49): Kläger wendet sich gegen Vollstreckungsversuche, die der Beklagte aus einem VU betreibt, obwohl sich Parteien im Einspruchsverfahren auf einen Prozessvergleich geeinigt haben, in dem die Vollstreckung aus dem VU untersagt wird. Der Vergleich nimmt dem VU analog § 269 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 ZPO die Wirkung und damit die Vollstreckungsfähigkeit.

  2. Formell

    • Insbesondere bei „Unbestimmtheit“ des Titels, sofern der Tenor unbestimmt ist. Sofern nur Gläubiger oder Schuldner unbestimmt sind, greift § 732 ZPO bzw. § 766 ZPO.

    • Bei notariellen Unterwerfungserklärungen fordert der BGH eine zweistufige Bestimmtheit: Allgemeine Bestimmtheitsanforderungen aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (1. Stufe) und eine Konkretisierung des titulierten Anspruchs in der Unterwerfungserklärung selbst (siehe § 764 Abs. 1 Nr. 5 ZPO: „zu bezeichnenden Anspruchs“)

    • Beurkundungsfehler nach dem BeurkG, Unwirksamkeit eines Versäumnisurteils wegen fehlerhafter Zustellung (beachte § 310 Abs. 3 ZPO), Nichtberücksichtigung einer abgegebenen Erklärung als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid mit der Folge der unzulässigen Erteilung eines Rechtskraftvermerks.


Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO)


Ist das “Sicherungseigentum” ein Interventionsrecht?

(1) TvA: nur Recht auf vorzugsweise Befriedigung analog § 805 ZPO

(+), weil Rechtsnatur des Sicherungseigentums: Kein vollwertiges Eigentum, sondern entspreche mangels Übergabe der Sache einem „besitzlosem“  Pfandrecht

(+), weil Gesetzgeber in der Gesamtzwangsvollstreckung auch erkannt hat, dass das Sicherungseigentum eher einem Pfandrecht entspricht: Sicherungseigentum begründet nach § 51 Nr. 1, §§ 47, 50 InsO nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung, nicht aber ein Recht zur Aussonderung. Demnach tritt eine freihändige Verwertung des Gegenstandes mit einer Vorabbefriedigung ein (§ 166 ZPO), eine Veräußerung kann mit dem Sicherungseigentum aber gerade nicht verhindert werden

(2) h. M.: Sicherungseigentum ist Interventionsrecht i. S. v. § 771 Abs. 1 ZPO (h. M.)

(+), weil „formell und materiell vollwertiges Eigentum“, dass zum Schutz des vertraglichen Verwertungsanspruchs aus der Sicherungsabrede interventionstauglich sein sollte (kein „Eigentum zweiter Klasse“)

(+), weil § 51 Nr. 1 InsO eine Ausnahmevorschrift in der Gesamtvollstreckung ist, die keiner analogen Anwendung in der Einzelvollstreckung zugänglich ist

(+), weil effektiver Schutz des vertraglichen Verwertungsanspruchs: Wenn Gegenstand in Versteigerung geht, wird möglicherweise nur ein geringes Mindestgebot (§ 817a ZPO) erzielt, anders im freihändigen Verkauf, das nicht zur Befriedigung reicht → der Verweis auf § 805 ZPO ist insofern in Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Verwertung


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Sebastian P.

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