Schuld allgemein
Geht um die individuelle Vorwerfbarkeit der Tat ggü. dem jeweiligen Täter
Das StGB unterscheidet scharf zwischen Unrecht und Schuld
Schuld ist ein höchstpersönliches Merkmal
Eine Zurechnung kann nicht erfolgen
Anknüpfungspunkt: einzelne konkrete Tat
Es gibt Schuldausschließungsgründe und Entschuldigungsgründe
Bei Schuldausschließungsgründen fehlt von vornherein eine Schuldvoraussetzung
Bei Entschuldigungsgründen liegt eine Minderung von Unrecht und Schuld vor
Grund für das Schulderfordernis?
Grund: dt. Strafrecht beruht auf dem Schuld- und Verantwortungsprinzip ➔ Strafe darf nur dann verhängt werden, wenn Schuld vorhanden ist (nulla poena sine culpa)
Zeigt sich z.B. an § 46 I 1 StGB: Schuld als Grundlage der Strafzumessung
Maßregelungen zur Besserung und Sicherung gem. § 61 StGB setzen hingegen nur voraus, dass eine rechtswidrige Tat i.S.d. § 11 I Nr. 5 StGB vorliegt
Zweck: Gefährliche Täter zu bessern und Allgemeinheit vor ihnen zu schützen
Anknüpfungspunkt: Sozialgefährlichkeit eines Täters
Schuldfähigkeit von Kindern
§ 19 StGB: Kinder:
§ 19 StGB: Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist
Berechnung nach § 187 II 2 BGB
= unwiderlegbare Vermutung ➔ auf den individuellen Entwicklungsstand kommt es nicht an
Für Beteiligte an rechtswidrigen Taten eines Kindes gilt § 29 StGB
Limitierte Akzessorität i.R.d. Teilnahme
Strafausschließungsgründe wirken nur bei dem Teilnehmer, bei dem sie vorliegen, § 28 II StGB
Absolute Schuldunfähigkeit nach § 19 StGB = Verfahrenshindernis
Folge ist eine Einstellung nach §§ 206a, 260 III StGB
Somit: Strafrechtliche Ahndung nicht möglich
In gewissem Umfang zivilrechtliche Maßnahmen möglich: §§ 1631 III, 1666 BGB
Schuldfähigkeit von Jugendlichen und Heranwachsenden
Jugendliche: Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist (Legaldefinition § 1 II JGG)
Gem. § 3 S. 1 JGG positive Feststellung der Verantwortlichkeit erforderlich
= sog. Bedingte Strafbarkeit
Der Jugendliche ist nur schuldfähig, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, § 3 S. 1 JGG
Heranwachsende: Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig ist. (Legaldef. § 1 II JGG)
Keine Besonderheiten hinsichtlich der Schuldfähigkeit ➔ § 3 S. 1 JGG nicht mehr anwendbar
Besonderheiten hinsichtlich der strafrechtlichen Sanktionen
§ 105 JGG: Es ist zu ermitteln, ob auf den Heranwachsenden noch die vom Erziehungsgedanken beherrschten Sanktionen des Jugendstrafrechts nach dem JGG anzuwenden sind oder die Rechtsfolgen des Erwachsenenstrafrechts nach dem StGB
Maßgeblich gem. § 105 JGG: Persönlichkeit des Täters oder Art, Umständen und Beweggründen der Tat
Bei Erwachsenen wird die Schuldfähigkeit grds. vermutet, solange nicht Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen
Seelische Störungen
Seelische Störungen, § 20 StGB
Nach § 20 StGB handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
h.M.: Wortlaut setzt eine Verbindung von Ursache und Wirkung voraus ➔ Unfähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln muss gerade auf einem der in § 20 StGB aufgezählten Krankheits- oder Bewusstseinsstörungstatbeständen beruhen
Beurteilung der Schuldfähigkeit ist als Rechtsfrage dem Tatrichter vorbehalten
Bestimmung der Schuldfähigkeit nach der gemischt biologisch-psychologischen Methode
=> Vss.
Biologische Voraussetzungen
Psychologische Voraussetzungen
Krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Intelligenzminderung, andere seelische Störung
=> Krankhafte seelische Störung
Endogene Psychosen
z.B. Schizophrenie
z.B. manisch-depressives Verhalten
Exogene Psychosen ➔ haben hirnorganische Ursachen
Chronisch degenerative Erkrankungen wie z.B. Alzheimer
Hirnabbau infolge chronischen Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenmissbrauchs
z.B. aggressives Verhalten infolge eines Hirntumors
=> Tiefgreifende Bewusstseinsstörung
Tiefgreifende Bewusstseinsstörung: Trübung oder Einengung des Bewusstseins
Abgrenzung zur krankhaften seelischen Störung str.
Hat den unmittelbaren Verlust von Entscheidungsfreiheit im Zeitpunkt der Tathandlung zur Folge
Bsp.: Hypnose, schweres Fieber, Schlaf
=> Intelligenzminderung
Intelligenzminderung: Wichtigster Anhaltspunkt ist der IQ
Andere seelische Störung: z.B. Psychopathien, Neurosen oder Triebstörungen in jeweils schwerer Form
=> P.: Alkohol- und Drogenrausch
h.M.: Akute Intoxikationspsychosen (= akute Rauschzustäne infolge Alkohol- oder Drogenkonsum) sind Fälle der exogenen Psychosen i.R.d. der krankhaften seelischen Störungen
grds. Orientierung am BAK ➔ aber für §§ 20, 21 StGB ist nicht allein der BAK maßgeblich, sondern auch konkrete Tat, Persönlichkeit und Verhalten des Täters in einer Gesamtschau
Keine schematische Bewertung
BGH: Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände vor, während und nach der Tat
Rspr. hat bestimmte Richtwerte entwickelt
BAK-Wert unter 2 Promille: i.d.R. volle Schuldfähigkeit
Aber: gerade bei Werten nahe der Grenze erhöhte Prüfpflicht!
BAK-Wert zwischen 2 – 3 Promille: Intoxikationspsychose möglich
i.d.R. verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ➔ § 21 StGB hier stets prüfen
Je mehr sich der Wert den 3 Promillen nähert, desto eher ist von verminderter Schuldfähigkeit auszugehen
Rspr.: Bei Tötungsdelikten wegen erhöhter Hemmschwelle erst ab 2,2 Promille
BAK-Wert von 3 Promille: i.d.R. Schuldunfähigkeit
§ 20 StGB muss geprüft werden
Rspr.: Bei Tötungsdelikten wegen erhöhter Hemmschwelle erst ab 3,3 Promille
Gerade bei trinkfesten Personen aufpassen ➔ hier kann der Erfahrungssatz häufig nicht zutreffen
z.B. trotz über 3 Promille nur verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB
Berechnung des BAK-Wertes
Es ist der Tatzeits-BAK festzustellen
Wenn der BAK-Wert einer Blutprobe vorliegt, die nach der Tat entnommen wurde, muss rückgerechnet werden
Beachte hinsichtlich der Blutprobe § 81a StPO
Rspr.: stündlicher Abbauwert von 0,2 Promille + einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille
Sind also auf den hinterher festgestellten BAK draufzurechnen
Berechnung des BAK-Wertes beim Tatbestand der §§ 315c, 316 StGB
Andere Berechnung beim Tatbestand der §§ 315c, 316 StGB
Hier zwar auch Rückrechnung
Aber: Wegen dem Grundsatz in dubio pro reo maximaler Abbauwert von 0,1 Promille
Sind auf den hinterher festgestellten BAK draufzurechnen
Ebenso sind die ersten zwei Stunden nach Trinkende von der Rechnung ausgeschlossen
Grund: Hier wirkt sich höherer BAK negativ für den Täter aus; bei Feststellung der Schuldfähigkeit wirkt sich ein höherer BAK positiv aus
Wegen dem Grundsatz in dubio pro reo deshalb andere Berechnung
Kann dazu führen, dass auf Tatbestands- und auf Schuldebene jeweils von unterschiedlichen BAK-Werten auszugehen ist
Täter muss infolge des biologischen Zustands unfähig gewesen sein, das Unrecht seiner Tat einzusehen (Fehlen des Einsichtsvermögens) oder nach dieser Einsicht zu handeln (Fehlen des Hemmungsvermögens)
Fehlen des Hemmungsvermögens: War der Täter fähig, eine mögliche Unrechtseinsicht als Motivationsfaktor wirken zu lassen?
P.: Was überlegen, wenn der Täter nicht schuldfähig ist?
Wenn Schuldunfähigkeit (-): actio libera in causa überlegen
Actio libera in causa: Bei einem mehraktigen Geschehen setzt der schuldfähige Täter in der ersten Phase eine Ursache für seine Schuldunfähigkeit und die eigentliche Tatbegehung, die er dann in der zweiten Phase als inzwischen Schuldunfähiger ausführt
Vorsätzliche und fahrlässige a.l.i.c. möglich (hier zunächst nur Ausführungen zur vorsätzlichen)
Bsp.: A will B töten, hat aber nicht den Mut dazu. Er weiß, dass er im betrunkenen Zustand fähig ist, die Tat zu begehen. Deshalb betrinkt er sich bis in den Zustand der Schuldunfähigkeit und tötet dann den B. Strafbarkeit?
Zunächst: Prüfung des § 212 StGB (oder anderes vorsätzliches Erfolgsdelikt) mit Anknüpfung an der eigtl. Tötungshandlung/Körperverletzungshandlung/etc.
Bei § 20 StGB: grds. Schuldunfähigkeit
Aber: Kriminalpolitisches Bedürfnis wegen der eigtl. Tatbegehung zu bestrafen, wenn eine a.l.i.c. vorliegt
Prüfung der Voraussetzung der vorsätzlichen a.l.i.c.
Ausdehnungs- und Ausnahmemodell als dogmatische Grundlage diskutieren, aber ablehnen
Somit: Strafbarkeit hiernach (-)
Dann: Prüfung des § 212 StGB mit Anknüpfung an das Sichbetrinken als Tathandlung
Hier Tatbestandslösung und Modell der mittelbaren Täterschaft als dogmatische Grundlage ansprechen
Hält der BGH bei Erfolgsdelikten für tragbar
Anschließend ablehnende Ansicht besprechen
Strafbarkeit eher (+)
Anschließend § 323a I StGB prüfen
Wenn man § 212 I StGB zuvor bejaht hat, ist § 323a I StGB subsidiär und tritt auf Konkurrenzebene zurück
BGH zur a.l.i.c.
Hat a.l.i.c. jahrzehntelang herangezogen
Insb. über die Tatbestandslösung
1996 hat er sich zumindest im Bereich der Straßenverkehrsdelikte gegen die a.l.i.c. entschieden
Beim vorsätzlichen Tötungsdelikt hat der BGH jedoch an den vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen zur a.l.i.c. festgehalten
Zumindest bei Tätigkeitsdelikten und bei eigenhändigen Delikten hat der BGH die Rechtsfigur der a.l.i.c. aufgegeben, ganz gleich ob vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht
Welche verschiedenen Lösungsansätze gibt es bei der a.l.i.c.?
Tatbestandslösung
Modell der mittelbaren Töterschaft
Ausdehnungsmodell
Ausnahmemodell
a.A.: Gänzliche Ablehnung der a.l.i.c.
a.l.i.c.: Tatbestandslösung
= Vorverlagerungsmodell
Herbeiführung des Defektzustands ist demnach Beginn der Tatbestandsverwirklichung
z.B. das Sichbetrinken als die eigentliche Tathandlung, wenn der Alkoholkonsum zur Schuldunfähigkeit führt
Arg.: Dieses Verhalten zum Zeitpunkt, als der Täter noch schuldfähig ist, setzte eine Kausalkette in Gang, an deren Ende der tatbestandliche Erfolg steht
(-): Auch sonst wird nicht jeder kausale Vorbereitungsakt als tatbestandliche Handlung angesehen
Damit die Tatbestandslösung tragfähig wäre, müsste man das Trinken des Alkohols als unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB sehen können.
Unmittelbares Ansetzen liegt nur vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung das Rechtsgut in eine konkrete nahe Gefahr bringt.
Bei Trinken von Alkohol eher (-)
(-): Rücktrittsmöglichkeiten würden auf unzulässige Weise beschränkt
BGH zur Tatbestandslösung
BGH: Modell ist grds. tragfähig, aber mit wichtigen Einschränkungen
Bei Tatbeständen, die primär an ein Verhalten anknüpfen (Handlungsdelikte) und einen eigenhändigen Charakter aufweisen Tatbestandlösung nicht möglich
Handlungsdelikte z.B. Straßenverkehrsdelikte ➔ setzen jeweils „Führen“ des Fahrzeugs voraus
Führen erst dann, wenn der Bewegungsvorgang mit dem Anfahren begonnen hat
Nicht ausreichend: Wenn der Motor angelassen und das Abblendlicht eingeschaltet wurde
Somit: Wesentlich vorgelagertes Geschehen wie das Sichbetrinken kann nicht unter „Führen“ gefasst werden
a.l.i.c.: Modell der mittelbaren Täterschaft
A.l.i.c. als Sonderfall der mittelbaren Täterschaft nach § 25 I Alt. 2 StGB
Täter bedient sich bei der Ausführung der Tat seiner eigenen Person als Werkzeug
Schuldvorwurf wird auf einen Zeitpunkt vorverlagert, in dem der Täter noch schuldfähig war
Wie bei der Tatbestandslösung
Tatbestandsmäßige Handlung somit auch hier das Sichbetrinken
(+): Im Gegensatz zu der Tatbestandslösung wird hier plausibel begründet, warum das Sichbetrinken das Stadium der straflosen Vorbereitungshandlung überschreitet
(-): Wortlaut des § 25 I Alt. 2 StGB „einen anderen“ ➔ Person des Täters bleibt identisch ➔ Anwendung wäre eine Analogie zulasten des Täters ➔ verstieße gegen Art. 103 II GG
BGH: Bei Straßenverkehrsdelikten (-)
Wenn der Täter sich betrinkt führt er eben gerade kein Auto
Eigenhändige Delikte können ohnehin nicht in mittelbarer Täterschaft verübt werden
a.l.i.c.: Ausdehnungsmodell
Knüpft bei der Tathandlung an der unmittelbaren Ausführungshandlung (z.B. Messerstich) an
Ansatzpunkt: Schuld ist normativ zu bestimmen
Deshalb könne dem Täter das Gesamtgeschehen zum Vorwurf gemacht werden
Die Rechtsgutsverletzung sei dem Täter deshalb vorwerfbar, weil er sich im Hinblick auf diese schuldhaft seiner Steuerungsfähigkeit beraubt hat
Deshalb: weite Auslegung des Begriffs „bei Begehung der Tat“ bei § 20 StGB ➔ auch das auf die Tatbestandsverwirklichung bezogene Vorverhalten erfassbar
(-): Gesetzessystematik ➔ nicht ersichtlich, warum der Begriff, der unterschiedslos bei §§ 16 I 1, II, 17 S. 1, 20 StGB verwendet wird, gerade bei § 20 StGB in einem weiteren Sinn verstanden werden soll
Eine andere Ausweitung des Begriffs würde deshalb gegen das in § 20 StGB verankerte Koinzidenzprinzip und gegen Art. 103 II StGB verstoßen
BGH: Wegen der Unvereinbarkeit mit § 20 StGB und Verstoß gegen das Analogieverbot nicht tragfähig
Gilt für alle Delikte ➔ nicht nur für Verkehrsdelikte
a.l.ic.: Ausnahmemodell
Koinzidenzprinzip nicht erfüllt, bei Fällen der a.l.i.c. kann aber eine Ausnahme davon gemacht werden
Arg.: Entstehungsgeschichte ➔ Gesetzgeber wollte durch Schaffung des § 20 StGB nicht die zuvor bekannte Rechtsfigur der a.l.i.c. ändern
Arg.: Systematik ➔ Auch in §§ 35 I S. 2, 17 S. 2 StGB sehen ebenfalls Ausnahmen für den Fall vor, in denen der Täter in vorwerfbarer Weise den Zustand herbeigeführt hat, der zum Ausschluss der Schuld führt
(-): Verstößt gegen das Analogieverbot des Art. 103 II StGB
a.A.: Gänzliche Ablehnung der Rechtsfigur der a.l.i.c.
„de lege lata“ Strafbarkeit über die a.l.i.c. nicht begründbar
Somit: Nur Strafbarkeit nach § 323a I StGB
(-): Es bleiben Strafbarkeitslücken
(+): Aber allein Bedürfnis nach Bestrafung schafft keine tragfähige Begründung
(+): Andere Ansichten stehen im Widerspruch zum Analogieverbot aus Art. 103 II StGB
Voraussetzungen der a.l.i.c.
h.M.: Für eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Tatbegehung unter Annahme einer vorsätzlicher a.l.i.c. ist erforderlich, dass der Täter seinen Defektzustand vorsätzlich (= min. mit Eventualvorsatz) herbeigeführt hat und sein Vorsatz bereits zu diesem Zeitpunkt auf die Begehung einer (wenigstens ihrer Art nach) bestimmten Straftat gerichtet war, zu deren Verwirklichung es sodann im Zustand der Schuldunfähigkeit gekommen ist.
Doppelvorsatz
Bestimmtheit
Defektzustand
Doppelvorsatz hinsichtlich Defektzustand und späterer Tat
Nicht erforderlich: dass die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit gerade der Tatbegehung dient ➔ z.B. indem sich der Täter Mut antrinkt
Ausreichend, wenn er nach dem Tatentschluss Rauschmittel zu sich nimmt, obgleich er damit rechnet und billigt, dass er die Tat in schuldunfähigem Zustand begeht
➔ somit jeweils dolus eventualis
Tatvorsatz und Tatablauf müssen sich auch bei der a.l.i.c. in den wesentlichen Zügen decken
(-): Wenn der Täter zum „Zeitvertreib“ so viel Alkohol trinkt, während er auf sein Opfer wartet
Dann nur noch Strafbarkeit wegen § 323a I StGB und evtl. wegen § 222 / § 229 StGB
Wenn der Täter während der Tat im schuldunfähigen Zustand spontan auch noch eine Sache wegnimmt?
Hinsichtlich der Wegnahme im Zeitpunkt des Sichbetrinkens kein Vorsatz ➔ a.l.i.c. (-)
Nur Strafbarkeit gem. § 323a I StGB
Täter muss sich bei Herbeiführung des Defektzustands eine bestimmte Straftat vorgestellt haben
Straftat muss zumindest ihrer Art nach bestimmt sein
Defektzustand = die Schuld ausschließenden Gründe des § 20 StGB
a.l.i.c.: Wenn der Täter die beim Sichbetrinken geplante Straftat nicht verwirklicht/sie nicht klappt?
Versuch ist nach den allg. Regeln des unmittelbaren Ansetzens nach § 22 StGB zu bestimmen
Das Sichbetrinken stellt noch keinen Versuch der geplanten Straftat dar
Versuchsstadium wird durch die Rechtsfigur der a.l.i.c. nicht nach vorne verlagert
a.l.i.c.: Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten (§§ 222, 229 StGB)?
Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten kann an jedes sorgfaltswidriges Verhalten im Vorfeld der Rauschtat angeknüpft werden, wenn dieses für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs kausal war
Somit: Im Rahmen des Fahrlässigkeitsvorwurfs kann unmittelbar auf das Sichbetrinken abgestellt werden
Rückgriff auf die Rechtfigur der a.l.i.c. nicht erforderlich
Fahrlässige actio libera in causa:
Liegt vor, wenn sich der Täter fahrlässig in einen Rauschzustand versetzt und dann in diesem Zustand eine zuvor geplante Straftat begeht.
Liegt auch vor, wenn sich der Täter vorsätzlich oder fahrlässig in den Rauschzustand versetzt hat und dabei fahrlässig nicht bedacht hat, dass er in diesem Zustand eine bestimmte Tat begehen wird oder darauf vertraut hat, dass es zu einer solchen Tat nicht kommen wird.
Entscheidend: Dass der Täter beim Versetzen in den Rauschzustand fahrlässig nicht die Möglichkeit einer späteren Straftat bedacht hat
Somit hier entscheidende Vss.:
Herbeiführung des Defektzustands
Vorsatz od. Fahrlässigkeit bzgl. Herbeiführung des Defektzustands
Fahrlässiges Nichtbedenken der Möglichkeit der späteren Straftat
Tat muss hinreichend konkretisiert sein
Rechtsfolge: Bestraft werden kann wegen einer Fahrlässigkeitstat
Somit: Strafbarkeit nur (+), wenn die fahrlässige Begehungsweise auch unter Strafe gestellt ist, § 15 StGB
Bsp.: T kehrt auf dem Heimweg mit seinem Auto in einer Gaststätte und trinkt dort mehrere Biere und zahlreiche Schnäpse und fährt dann mit dem Auto weiter. Er gerät in eine Polizeikontrolle mit einem BAK von 3,5 Promille. Strafbarkeit?
Strafbarkeit gem. § 315c StGB (-), da keine Anzeichen für eine Gefährdung des Straßenverkehrs
Evtl. Strafbarkeit gem. § 316 I, II StGB
Wegen BAK von 3,5 Promille Schuldfähigkeit gem. § 20 StGB (-)
Aber evtl. Strafbarkeit über die Grundsätze der fahrlässigen a.l.i.c.
T wusste, dass er noch nach Hause fahren muss
Tat nach § 316 StGB war für ihn somit vorhersehbar
Fahrlässige a.l.i.c. grds. (+)
BGH 4. Strafsenat: Erkennt für eigenhändige Delikte wie § 315c und § 316 StGB die Existenz der a.l.i.c. noch nicht an
Verminderte Schuldfähigkeit
Verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB
Verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB liegt vor, wenn die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB genannten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist.
Somit: Biologische Vss. entsprechen § 20 StGB; Unterschied zu § 20 StGB bei den psychologischen Vss.
Bei § 21 StGB ist die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur erheblich vermindert
P.: Wann erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit?
= unbestimmter Rechtsbegriff
Kann nicht allein empirisch bestimmt werden
Normative Gesamtwürdigung des Tatrichters erforderlich
Rechtsfolge der verminderten Schuldfähigkeit
Bei verminderter Schuldfähigkeit kann die Strafe nach § 49 I StGB abgemildert werden, ist aber nicht zwingend
= Strafminderung ist fakultativ
Verminderte Schuldfähigkeit hat somit nur Auswirkungen auf der Rechtsfolgenseite
h.M.: Strafmilderung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters
Rspr.: Bei selbstverschuldetem Alkoholrausch i.d.R. kein Anlass für die Strafmilderung
(+), wenn der Täter die Begehung von Straftaten vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen müssen
Spezielle Schuldmerkmale
Einige Strafvorschriften haben spezielle Schuldmerkmale
z.B. in §§ 90a I Nr. 1, 130 I Nr. 2, 225 I StGB: Böswilligkeit
z.B. in § 315c StGB: Rücksichtslosigkeit
Str.: Prüfungsort
e.A.: kein fester Standort
Jeweils in dem Teil verorten, dem sie nahestehen
Arg.: Sieht die Merkmale als besondere persönliche Merkmale i.S.d. § 28 StGB
z.B. Rücksichtslosigkeit wäre im subj. TB zu prüfen
a.A.: Prüfung auf Ebene der Schuld
Arg.: Sieht sie als spezielle Schuldmerkmale mit selbstständigem Charakter
Differenzierung zwischen verschiedenen Arten der speziellen Schuldmerkmalen:
Objektiv gefasste Schuldmerkmale: Greifen immer nur zu Gunsten des Täters ein, wenn sie ihm wenigstens bekannt waren
z.B. ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen bei der Bestimmung zur Tötung, § 216 StGB
Subjektiv gefasste Merkmale: Greifen nur dann ein, wenn sie motivierend auf die Willensbildung eingewirkt haben
z.B. Aussagenotstand nach § 157 I StGB
Gesinnungsmerkmale, die allein davon abhängen, ob der geforderte psychische Zustand im Zeitpunkt der Tat vorgelegen hat
z.B. Habgier bei § 211 StGB
In der Klausur ist beides vertretbar, aber die Klausur muss in sich schlüssig sein
Auswirkungen der speziellen Schuldmerkmale
Wenn einem Teilnehmer ein vom Haupttäter erfülltes Merkmal fehlt
Nach der 1. Ansicht: Zwingende Strafmilderung für den Teilnehmer nach § 28 I StGB
Nach der 2. Ansicht: Straflosigkeit des Teilnehmers nach § 29 StGB
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