Haftung nach § 7 StVG
Was sind die Voraussetzungen für eine Haftung?
I. Rechtsgutverletzung i. S. v. § 7 StVG
II. Halter eines Kfz (Gefährdungstatbestand)
III. Zurechnung/Haftungsbegründende Kausalität
Äquivalente Kausalität zwischen Gefährdung und Erfolg
Schutzzweck der Norm
IV. Kausaler, ersatzfähiger Schaden
Wer ist Kfz-Halter?
Kfz-Halter ist, wer das Kfz nicht nur vorübergehend für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Kfz besitzt
Eintragungen in den Kfz-Papieren oder die Eigenschaft als Versicherungsnehmer der jeweiligen Haftpflichtversicherung und insbesondere die Eigentümerstellung hinsichtlich des Kfz sind allenfalls Indizien für die Frage nach der Haltereigenschaft
Welche Besonderheit ist im “Schutzzweck der Norm” anzusprechen.
Allgemein muss sich eine tatbestandspezifische Gefahr verwirklicht haben. Bei § 7 Abs. 1 StVG liegt diese in der Realisierung der sog. “Betriebsgefahr”.
Wie ist die Betriebsgefahr zu prüfen?
1. Örtlicher Zusammenhang zum öffentlichen Straßenverkehr
(+) bei allen Verkehrsflächen, die für einen nicht näher bestimmten Personenkreis zur Benutzung zugelassen sind
→ Gedanke: strenge Gefährdungshaftung nur gerechtfertigt, wenn auch andere Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt sind
2. Zeitlich naher Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Unfall
Auch (+), sofern eine einmal geschaffene Gefahrenlage später noch fortwirkt
z. B. Autoteile auf Autobahn verloren, die zu einem Unfall führen
3. Sachlicher Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Unfall
Weitere Beispiele für einen Betriebszusammenhang: Herausgeforderte Ausweichreaktionen, Zusammenstoß mit parkenden Autos, übergreifendes Feuer bei Selbstzündung eines Kfz.
Kein Betriebszusammenhang, wenn Fortbewegungsfunktion keine Rolle spielt (z. B. Kfz auf Förderband in Waschstraße)
Schlagwörter: “Innerer Zusammenhang mit Fortbewegungs- oder Transportfunktion”, “verkehrstypische Gefährlichkeit”, “kein eigenständiger Gefahrenkreis”
Betriebsgefahr: Besteht der sachliche Zusammenhang auch beim “ruhenden Verkehr”?
(1) Maschinentechnische Auffassung
→ der Betrieb des Kfz beginnt erst mit dem Anlassen des Motors, vgl. § 1 Abs. 2 StVG
(2) Verkehrstechnische Auffassung (hM)
→ der Betrieb des Kfz besteht bei jedem Zusammenhang zu einer Betriebseinrichtung. Dazu gehört auch das Parken; dies wird insbesondere daran deutlich, dass es hierfür eigene Regelungen in der StVO gibt. Denn diese zeigen, dass der Gesetzgeber auch das abgestellte Fahrzeug als Gefahrenpotential einordnet
→ immer höher werdende Parkdichte, wodurch Fußgänger auf Bürgersteig immer mehr gefährdet werden. Daher weite Auslegung geboten
Welche Besonderheiten sind beim kausalen, ersatzfähigen Schaden zu beachten?
Heilungskosten (§ 11 S. 1 StVG)
Schmerzensgeld (§ 11 S. 2 StVG): Aber auch hier ist ein etwaiges Mitverschulden des Verletzten nach § 254 I BGB in die Berechnung mit einzubeziehen
Sachschäden: Keine direkte Regelung im StVG, daher § 16 StVG iVm § 249 II 1 BGB
Beachte hier, dass Geldbetrag nicht verwendet werden muss; dann aber keine Umsatzsteuer, § 249 II 2 BGB
„Haushaltstätigkeit“: Vermögensnachteil? Grundsätzlich (–) nach Differenzhypothese, sofern nicht eine Ersatzkraft eingestellt wird. Aber sog. normativer Schaden. Die normative Wertung des § 1360 S. 2 BGB stellt die Haushaltstätigkeit einer Erwerbstätigkeit gleich.
In welchen Fällen ist die Haftung nach dem StVG ausgeschlossen?
§ 7 Abs. 2 StVG: Höhere Gewalt
§ 7 Abs. 3 StGV (Nutzung ohne Wissen Halter)
§ 17 Abs. 3 StVG (vollständiger Ausschluss)
§ 17 Abs. 2 StVG (teilweiser Ausschluss)
Vorrang des Amtshaftungsanspruches bei hoheitlicher Fahrt (z. B. Polizei)
§ 8 Nr. 1 StVG (langsame Fahrer, z. B. Mähdrescher, E-Scooter)
§ 8 Nr. 2 StVG (anschiebende Hilfsperson)
Welche Situation ist in § 17 Abs. 1 StVG geregelt?
§ 17 Abs. 1 StVG beschreibt die Situation, dass mehrere Halter aus § 7 Abs. 1 StVG gegenüber einem Dritten (Geschädigten) haften. Es liegt also eine Gesamtschuld vor. Hier stellt § 17 Abs. 1 StVG eine „andere Bestimmung“ i. S. v § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Für die Höhe der konkreten Haftungsquote i. S. v § 426 Abs. 1 S. 1 BGB stellt § 17 Abs. 1 StVG darauf ab, in welcher Höhe sich die Betriebsgefahr der einzelnen Fahrzeuge in dem Schadensereignis realisiert hat. Erforderlich ist eine umfassende Darstellung und Abwägung der Verursachungsbeiträge beider Parteien (Betriebsgefahr, Verschuldensgrad, Verkehrsverstöße gegen StVO, Alkohol).
Welche Situation ist in § 17 Abs. 2 StVG geregelt?
§ 17 Abs. 2 StVG regelt die Situation, dass die Halter einander nur wechselseitig aus § 7 Abs. 1 StVG haften. Es gibt also den Dritten, der nicht Kfz-Halter ist, nicht.
Wie ist die Haftungsquote bei § 17 Abs. 2 StVG zu ermitteln?
I. Abstrakte Ermittlung der Betriebsgefahr
→ wird z. B. bestimmt durch die Höhe, das Gewicht, die Breite des Kfz
→ wird z. B. bestimmt dadurch, ob das Kfz fährt, anhält oder auch abgestellt ist
II. Konkrete Ermittlung/Realisierung der Betriebsgefahr im jeweiligen Kausalverlauf
→ konkrete Beeinflussung der o. g. Betriebsgefahr durch Alkoholisierung, durch Verkehrsunsicherheit des Kfz (z. B. defekte Bremsen oder defekte Beleuchtungsanlage), durch überhöhte Geschwindigkeit
Welche Situation ist in § 17 Abs. 3 StVG geregelt? Wann liegt ein unabwendbares Ereignis vor?
§ 17 Abs. 3 StVG bezieht sich in seinem Wortlaut direkt auf die Fälle des § 17 Abs. 1 StVG und 2 StVG und ist damit nur anwendbar, wenn der Geschädigte selbst auch für die Realisierung der Betriebsgefahr seines PKW einzustehen hat, wenn er also auch selbst Halter ist. Folglich gilt dieser nur bei Haftung gegenüber anderen Haltern
Für ein unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 S. 2 StVG) ist auf den Idealfahrer im Straßenverkehr abzustellen. Wenn dieser bei äußerster Sorgfalt den Unfall nicht hätte vermeiden können, dann liegt ein unabwendbares Ereignis vor.
Haftung nach § 18 StVG
In welchen Fällen greift eine Haftung nach § 18 StVG (allgemein)? Um was für eine Art Haftung handelt es sich?
§ 18 Abs. 1 StVG ist eine Haftung für vermutetes Verschulnden des Kfz-Führers. Er statuiert in den Fällen einer Rechtsgutverletzung durch ein Kfz, welche die Halterhaftung nach § 7 I StVG auslöst, auch eine Haftung des Führers des unfallverursachenden Fahrzeugs.
Der Anspruch aus § 18 Abs. 1 StVG regelt jedoch nur die Haftung des vom Halter eines Fahrzeugs verschiedenen Fahrers! Bei Personenidentität reicht es aus, § 18 Abs. 1 StVG nur kurz anzusprechen.
Umfang: Verweis auf die §§ 8 bis 15 StVG; über § 18 Abs. 2 StVG i. V. m § 16 StVG auch Sachschäden nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB
Welche Situation regelt § 18 Abs. 3 StVG?
§ 18 Abs. 3 StVG ermöglicht die Bildung von Haftungsquoten i. S. v § 17 Abs. 1 StVG auch dann, wenn einer der Beteiligten Kfz-Führer und nicht Kfz-Halter ist! Der Kfz-Halter haftet für die Realisierung der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs, während der Fahrer für sein (vermutetes) Verschulden haftet. Eine Verrechnung dieser beiden ungleichen Haftungsgrundlagen ermöglicht § 18 Abs. 3 StVG iVm § 17 StVG
Wer ist Fahrzeugführer?
Fahrzeugführer ist, wer ein Kfz zur Fortbewegung bewusst lenkt oder steuert.
Die Eigenschaft als Kfz-Führer bleibt selbst nach dem Parken so lange weiter bestehen, bis eine andere Person die Führung des Kfz übernimmt.
Wie ist § 18 StVG zu prüfen?
I. Anwendungsfall von § 7 StVG
II. Führen eines Kfz
III. Keine Exkulpation nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG
Sonderproblem:
Kann die Haftung im Straßenverkehr auf eigenübliche Sorgfalt begrenzt werden (§ 277 StGB), etwa durch § 1664 Abs. 1, §§ 1359, 708 BGB?
Hinweis: Die Schadensersatznorm muss hier nicht eine aus dem StVG sein! Es kann sich um jede beliebige Handeln, z. B. auch § 823 Abs. 1 BGB. Wichtig ist nur, dass der Pflichtverstoß innerhalb des Straßenverkehrs passiert
Prozessuale Besonderheiten bei Verkehrsunfallsachen
Zuständigkeit
Neben allgemeinen Gerichtsständen ist Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) und der Unfallort (§ 20 StVG) wichtig.
Was ist im Rahmen der Haftung der Kfz-Haftpflichtversicherung zu beachten?
Anspruchsgrundlage: § 115 Abs. 1 VVG. Ein derartiger Direktanspruch ist eine Ausnahme, insbesondere keinerlei Haftung nach dem PflVG (Haftpflicht).
Halter/Fahrer und Versicherung sind Gesamtschuldner i. S. v. § 840 BGB.
Innenregress: §§ 116, 28 VVG.
Prozessual: Einfache Streitgenossenschaft (§§ 59, 60 ZPO), sofern Kläger neben dem Halter/Fahrer auch Versicherung verklagt.
Schadensumfang (§§ 249 ff. BGB) bei Verkehrsunfällen
Welche Schadenspositionen sind bei Verkehrsunfällen wie zu ersetzen?
Reperaturkosten oder Wertersatz auf Wiederbeschaffungskosten: (+) (§ 249 BGB). Das Nichtbestehen von Vorschäden ist vom Geschädigten zu beweisen.
Merkantiler Minderwert: (+) § 251 Abs. 1 Alt. 2 BGB
Mietwagenkosten für gleichwertiges Kfz: (+) über § 249 BGB bei Nutzungsbedarf für die Dauer der Reparatur abzüglich 10 % ersparter Aufwendungen. Beachte: Mietwagenkosten und Nutzungsausfall können nicht geltend gemacht werden, wenn Geschädigten ein gleichwertiges Kfz zur Verfügung steht (Schadensminderungspflicht). Bei erhöhten Mietwagenkosten muss Vermieter aufklären (sonst cic gegen Vermieter)
Nutzungsaufallentschädigung ohne Mietwagen: (+) über § 251 BGB für Dauer Reparatur/Wiederbeschaffung. (–), wenn Geschädigter wegen Verletzung Fahrzeug nicht hätte nutzung können oder bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten (wenn Fahrzeug nicht repariert wird und weiter genutzt wird). Zur Höhe: Schwackelist
Vorgerichtliche Gutachterkosten: (+) aber § 249 BGB, wenn kein offensichtlicher Bagatellschaden (untr 700 EUR); unter Bagatellgrenze nur Kosten für Kostenvoranschlag ersetzbar. Unerheblich, ob es günstigeres Gutachten gibt (keine Marktforschungspflicht)
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: (+) über § 249 BGB, wenn Einschaltung erforderlich war
Rückstufungsschaden durch Inanspruchnahme Kaskoversicherung: (+) über § 249 BGB; nicht aber Kfz-Haftpflichtversicherung (hinzunehmender Vermögensnachteil).
Kostenpauschale für Telefon, Porto, Fahrtkosten: 20 bis 30 EUR anerkannt aus § 249 BGB (gilt nicht außerhalb von Verkehrsunfällen, dort müssen Auslagen konkret dargelegt werden)
Abschleppkosten und Ab- und Ummeldekosten: (+) § 249 BGB
Besuchskosten naher Angehöriger des Lebensgefährten: (+) über § 249 BGB, weil aufgrund wertender Betrachtung Gleichstellung mit primären Heilungskosten des Verletzten geboten; könne als eigener Schaden des Verletzten geltend gemacht werden
Schmerzensgeld: §§ 249, 253 Abs. 2 BGB
Schockschäden: (+)
Entgangener Urlaubsgenuss: Nur als Bemessungsfaktor des Schmerzensgelds
Haushaltsführungsschaden: (+) +ber §§ 249, 842 f. als eigener Schaden bei Alleinstehenden und bei Ehegatten; allerdings Minderung, wenn anderer Ehegatte einspringt (unbillige Vorteilsanrechnung)
Nicht ersatzfähig: Zeitaufwand und Verlust Freizeit (keine Vermögensminderung, nicht im Schutzzweck der Norm, allgemeines Lebensrisiko
Was ist bei der Beschädigung eines Kfz und einem ersatzfähigen Schaden zu beachten?
I. Fiktive Abrechnung auf Gutachtenbasis
II. Konkrete Abrechnung auf Rechnungsbasis (nur hier Mehrwertsteuer ersatzfähig, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB)
III. Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis (Wiederbeschaffungswert abzüglich des vom Gutachter ermittelten Restwerts)
Bei wirtschaftlichem Totalschaden (Reparatur über 130 % der Wiederbeschaffungskosten) kann Geschädigter grundsätzlich nur Abrechnung nach Wiederbeschaffungswert machen.
Kombination unzulässig.
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