Lautorientierte Alphabetschrift
Deutsche basiert auf phonologischem System -> verschiedene Schriftzeichen beziehen sich auf Aspekte der Lautung von Wörtern
Aber: Buchstaben entsprechen nicht einer 1:1 Zuordnung den Lauten der gesprochenen Sprache
Phoneme & Grapheme
Konsonanten
Übung:
Kinder können bei vorgehaltener Hand die unterschiedliche Stärke des Luftstroms bei der Artikulation von b und p/ d und t/ k und g gefühlt werden und die Kinder sensibilisieren für die Differenz dieser Laute, die häufig verwechselt werden.
Vokale
Gespannte (meist lang, wenn sie in offener Silbe stehen, z.B. Reh, Ameise)
vs.
Ungespannte (meist kurz, wenn sie vor mindestens zwei Vokalen stehen z.B. Kind, Stern)
Reduktionsvokale (Schwa-a und Schwa-e) werden von Kindern in Verschriftlichungen häufig vergessen, da sie ihn nicht hören können
langsam und deutlich einzelne Laute sprechen und sich dabei einen Spiegel vorhalten, oder Plakate und Bilder einsetzen, auf denen Mundstellungen gezeigt werden
Grapheme
besser als “Buchstaben”
= Buchstaben oder Buchstabengruppen, die mit einem Phonem korrespondieren
Anlauttabellen
= Hilfsmittel, in denen Buchstaben oder Buchstabenkombinationen durch Bilder veranschaulicht werden, die jew. im ersten Laut mit dem jew. zugeordneten Graphem korrespondieren sollen
z.B. A wie Ananas
Anlauttabellen können durch die Wahl ihrer Bilder eine PGK suggerieren, die nicht den sprachstatistischen Gegebenheiten entspricht und damit Kinder in die Irre führen. Genau dies passiert, wenn Kindern Bilder geboten werden, die nicht die allgemein übliche Verschriftungsform repräsentieren.
Schwierigkeiten:
Igel-Fehler: “Wenn ich ein langes i höre, schreibe ich i” -> Dehnung wird vergessen
für manche Vokale zwei Varianten der lautlichen Realisierung (z.B. E wie Ente und Esel)
Lauttabellen
= Hilfsmittel für das erste Schreiben und zum Lesen; keine reine Anlauttabelle, sondern enthalten auch Phonem-Graphem-Korrespondenzen, die nicht am Wortanfang vorkommen (z.B. am Ende wie das ng in Gong)
Phonem-Graphem-Korrespondenz
Das Faktum der Lautorientierung der Deutschen Schriftsprache wird als Phonem-Graphem-Korrespondenz (PKG) beschrieben. Ein Laut kann durch verschiedene Buchstaben bzw. Buchstabenkombinationen orthographisch korrekt geschrieben werden. z.B. i in Igel und ie in Biene
Graphem-Phonem-Korrespondenz
Als Graphem-Phonem-Korrespondenz (GPK) wird die Tatsache bezeichnet, dass ein Buchstabe bzw. eine Buchstabenkombination je nach Wortkontext ganz unterschiedlich ausgesprochen wird
Grapheme können bis zu 6 Phoneme repräsentieren
Man spricht Vogel und spricht /f/ - Vase und spricht /w/
Man spricht Ball und spricht /b/ - lieb und spricht /p/
Die hohe Varianz der Graphem-Phonem-Korrespondenz macht klar, dass Anlauttabellen für Leselernprozesse allenfalls begrenzt einsetzbar sind. Besonders bei Fremdwörtern! (Myrre – Psyche – Sibylle – Yards – Nylon)
Prinzipien der deutschen Rechtschreibung
Das Phonologische Prinzip
orientiert sich an den Regeln der PGK: Repräsentation von Lautklassen (Phoneme) durch Buchstaben/-gruppen (Grapheme)
trotz aller Mehrdeutigkeiten der PGK wird das Deutsche vielfach lautgetreu verschriftet (Neumann, 1989: 73% der Laute werden durch den häufigsten Buchstaben repräsentiert)
-> Lautorientiertes Schreiben ist für den Beginn sinnvoll
Aber: Probleme mit Schwa-Lauten (z.B. Birne)
Das Morphematische/Etymologische Prinzip (“Stammprinzip”)
herkunftsverwandte Wörter entsprechen auch dann ihrer Schreibweise, wenn sie unterschiedlich artikuliert werden
-> durch die Wirksamkeit des morphematischen Prinzips kommt es damit zu Abweichungen von lautorientierten Schreibweisen
-> z.B. Auslautverhärtung; Umlaute
Hand - Hände
-> Morphemkonstanz
-> Aber: Wortverwandtschaften werden auch vergessen (Eltern kommt von alt) & Morphematische Gleichschreibung wird nur dann realisiert, wenn sie nicht gegen die Lautung verstößt, z.B: bei Flexion starker Verben (kommen - kamen; greifen - griffen)
Kenntnis von Morphemstrukturen ist große Rechtschreibhilfe -> Arbeit mit Wortfamilien -> Gleichschreibung herkunftsverwandter Wörter
Vielzahl grammatischer Morpheme
Achtung bei Zusammensetzung: Fugen-s (Arbeitszeit), Buchstabe wird vergessen wenn 2 gleiche Laute aufeinander treffen (Fahrrad)
wichtig für Leseprozess: wiederkehrende semantische Bausteine können optisch schnell identifiziert werden
Grammatikalische Stammmorpheme
Konjugationsmorphem (schreib-en, schreib-st…)
Deklinationsmorphem (Kind-es, Kind-e)
Pluralmorphem (Kind-er, Tafel-n, Heft-e)
Das grammatische/syntaktische Prinzip
Interpunktion (Satzzeichen)
Groß- und Kleinschreibung
Großschreibung der Nomen und des Satzanfangs
Grundlage für Identifikation von Nomen: Artikelprobe & Einfügung von Adjektiven
Das semantische Prinzip
gleichlautende Wörter, die unterschiedliche Bedeutung haben werden auch unterschiedlich geschrieben (Homophonie)
-> Lärche - Lerche
Das historische Prinzip
Es existieren viele Schreibungen, die dem Stand eines früheren Aussprachemodus entsprechen (z.B. Dehnungs-h, “ie”)
Das graphisch-formale Prinzip
Früher: Verdreifachung eines Buchstabens nicht möglich, heute: möglich (Wettturnen) -> Morphematisches Prinzip, aber nicht durchgängig (Mittag)
Vom Mündlichen zum Schriftlichen
Akzentmuster wichtig
typisch im Deutschen: Trochäus (in den meisten zweisilbigen Wörtern) Va-ter
seltener: Jambus (Ge-stell)
der natürliche Sprechfluss ist an der silbischen Struktur von Wörtern orientiert
Die Grundstruktur von Silben
Anfangsrand oder Onset (Mus-ter)
Silbenkern/-gipfel oder Nukleus (Mus-ter)
Endrand oder Koda (Mus-ter)
im Zentrum jeder Silbe: ein Vokal oder Diphthong (vokalischer Kern)
Umrahmt wird dieser Kern von Konsonanten
=> Konsonant-/Vokalstruktur (KV)
KV: Ba-na-ne
KVK: Mut-ter
Der Reim
umfasst den Silbengipfel und alle folgenden Elemente
der Wortbestandteil, der - wenn er gleich ist, bei ansonsten unterschiedlichen Anfangsrand - zum Reim führt (Strumpf - Trumpf)
Der Fuß
oberhalb der Silbenebene liegt die nächst höhere phonologische Einheit
abwechselnde Reihenfolge von betonten/starken und unbetonten/schwachen Silben
auch in Reduktionssilben (schwach) ist ein vokalischer Kern enthalten
zweisilbig: Trochäus, Jambus
-> Sprech- und Schreibsilbe sind nicht identisch; man spricht zwar <mantl>, weiß aber durch die Beachtung der zweigliedrigen Silbenstruktur, dass in der unbetonten Silbe auch ein Kern sein muss <man-tel> -> Schwa am Endrand kann nicht vergessen werden
=> Der didaktische Weg führt nicht über das Hören einzelner Laute zum Verschriften, sondern über die lingustisch basierte Analyse der Merkmale und Baumuster der Wortschreibung zur Entdeckung der Regularitäten der Rechtschreibung
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