Philosophisches Fragen in verschiedenen Disziplinen
Keine ursprüngliche Unterteilung:
Die Philosophie war ursprünglich nicht in verschiedene Disziplinen unterteilt.
Diese Unterteilung, insbesondere in theoretische und praktische Philosophie, ist eine spätere Entwicklung.
Philosophie als Totalitätswissenschaft:
Ursprünglich war das philosophische Fragen immer auf das Ganze gerichtet und nicht nur auf Teilaspekte.
Die Philosophie wurde als „Totalitätswissenschaft“ verstanden, die davon ausgeht, dass theoretische und praktische Fragen letztlich aus einem gemeinsamen Grund beantwortet werden müssen.
Platon als paradigmatischer Philosoph:
Bei Platon ist das „Gute“ der zentrale Einheitsgrund des philosophischen Fragens.
Das Gute ist sowohl das Prinzip der Ordnung des Seienden (Sein) als auch das Prinzip der Ordnung des Handelns.
Alles, was ist, existiert durch seine Wohlgeordnetheit, und wohlgeordnetes Handeln führt zu einem allgemeinen Zweck und hebt uns über uns selbst hinaus.
Philosophie als einheitliches Ganzes bei späteren Philosophen:
Auch nach der Aufteilung der Philosophie in Disziplinen gibt es Philosophen, die versuchen, diese Einheiten zu verbinden, wie Leibniz, Spinoza, Hegel und Heidegger.
Aristoteles' Beitrag zur Differenzierung:
Aristoteles führte eine wichtige Unterscheidung ein, die auf methodologischen Überlegungen basierte.
Verschiedene Wissenschaften und philosophische Disziplinen folgen unterschiedlichen Methoden und haben unterschiedliche Genauigkeitsansprüche.
Zum Beispiel unterscheiden sich die Methoden und Ansprüche der Naturphilosophie und der Ethik.
Klassisches Dreierschema der Stoa:
Die Stoiker führten ein Schema ein, das die Philosophie in Logik (Dialektik), Ethik und Naturphilosophie unterteilte.
Dieses Schema beeinflusst bis heute die Differenzierung in formale Philosophie (Logik) und die materialen Teile theoretische und praktische Philosophie.
Die Perspektive der Praktischen Philosophie
Vorurteile gegen die Philosophie:
Es gibt die weitverbreitete Meinung, dass Philosophie unpraktisch ist.
Philosophen werden oft als Grübler und Bewohner des „Elfenbeinturms“ betrachtet, die nicht für praktische, alltägliche Fragen geeignet sind.
Ein bekanntes Beispiel ist die Anekdote von Thales von Milet, der in eine Zisterne fiel, weil er beim Betrachten des Himmels den Boden nicht beachtete.
Ziel der praktischen Philosophie:
Praktische Philosophie soll nicht den Alltagsverstand ersetzen oder konkurrieren, sondern bietet eine eigene Perspektive auf menschliches Handeln.
Diese Perspektive hilft, die Zwecke und Ordnungen des Handelns sowie die inneren und äußeren Voraussetzungen des Handelns zu erkennen.
Freiheit als zentrale Voraussetzung:
Eine elementare Voraussetzung für Handeln ist die Freiheit.
Freiheit ist ein zentrales Thema der praktischen Philosophie, da ihre Existenz und ihre verschiedenen Dimensionen oft diskutiert werden.
Unterscheidung von Handlungssphären:
Es gibt verschiedene Sphären des Handelns wie Recht, Politik und Moral.
Diese Sphären führen zu den verschiedenen Unterdisziplinen der praktischen Philosophie, die jeweils grundlegend behandelt werden.
Zwecke des Handelns und philosophische Perspektiven:
Die Untersuchung der Zwecke des Handelns führt zu verschiedenen Motivationshorizonten und konkurrierenden philosophischen Ansätzen.
Die philosophische Perspektive soll helfen, menschliches Handeln zu verstehen und uns als Subjekte unseres Handelns zu erkennen.
Normative und deskriptive Aspekte:
Philosophische Prinzipien wie das antike Eudämonieprinzip oder das kantische Autonomieprinzip sind nicht nur Beschreibungen, sondern auch normative Eckpunkte.
Diese Prinzipien sollen helfen, eine philosophische Theorie der Praxis praktisch zu bewähren.
Theorie und Praxis in der praktischen Philosophie:
In der praktischen Philosophie sind die begriffliche Vergewisserung und die Anwendung dieser Begriffe eng miteinander verbunden.
Es ist nicht notwendig, zwischen theoretischen und angewandten Ethiken zu trennen, da beide Aspekte ursprünglich zusammenhängen.
Ausdifferenzierung der praktischen Philosophie:
Der Text erwähnt, dass es heutzutage üblich ist, die praktische Philosophie in angewandte Ethik und Meta-Disziplinen zu unterteilen.
Diese Unterscheidungen werden im Text kurz nachgezeichnet, bevor auf die wichtigsten Themenfelder der praktischen Philosophie eingegangen wird.
Orientierung über die Themenfelder:
Die Themenfelder der praktischen Philosophie korrespondieren den Ordnungen menschlichen Handelns (Recht, Politik, Moral).
Der Text gibt eine Einführung in diese Themenfelder, um ein besseres Verständnis der praktischen Philosophie zu vermitteln.
Perspektive der Philo auf menschliche Praxis
Reflexion über:
Zwecke und Ordnungen des Handelns
-> Sinnordnungen: Sohären des Rechts, der Politik, der Moral
aus diesen Ordnungen ergeben sich Unterdisziplinen der prakt. Philosophie
-> Zwecken: Morivationshorizonte des Handelns
elementare innere und äußere Voraussetzungen
-> Freiheit ist eine solche VSS
Ziel:
uns als Subjekte unseres Handelns verstehen
auch normative Punkte (Eudämonieprinzip in Antike oder Autonomieprinzip bei Kant)
keine Teilung von begrifflicher Vergewisserung und Gewissheit von Begriffen in Handlung zu gehen
Kerndisziplinen in Prakt Philo
Freiheit als Fundament der Philo
Freiheit = Grundbegriff der praktischen Philosophie + Grundwort der Philosophie insgesamt
ohne Rekurs auf Freiheit ist Ethik nicht sinnvoll entfaltbar
ohne Freiheit -> kein Möglichkeitsgrund + Wegfall eines entscheidenden normativen Maßstabs fürs Handeln
Gibt es Freiheit? in Feuilletondebatten
“gibt” es nicht einfach, sondern etwas das “sich geben” muss bzw. das sich uns in reflexiver Selbsthabe gibt
Freiheit-> philosophisches Grundwort -> Philosophie ist Auslegung -> Hermeneutik dieses Grundwortes
im Kurs: Philo als Freiheitswissenschaft und Selbstverwirklichung der Freiheit
Freiheit als Grundbegriff der Philosophie überhaupt
Grundlegendes Konzept:
Freiheit ist eines der zentralen und bedeutenden Konzepte in der Philosophie, das immer wieder diskutiert und hervorgehoben wird.
Fichtes Perspektive:
Fichte, ein bedeutender Denker des Deutschen Idealismus, sieht die gesamte Philosophie als eine Analyse des Begriffs der Freiheit.
Er betont, dass Philosophie, richtig verstanden, im Wesentlichen nichts anderes als eine Analyse der Freiheit ist.
Kants Perspektive:
Kant, ein einflussreicher Philosoph und Lehrer von Fichte, sieht Freiheit als das einzige angeborene Recht jedes Menschen.
Aus diesem Recht folgen andere Rechte, aber sie sind der Freiheit nicht gleichgestellt.
Für Kant ist Freiheit nicht nur eine Idee, sondern hat eine objektive Realität, die erfahrbar ist, auch wenn sie nie vollständig verwirklicht wird.
Heideggers Perspektive:
Heidegger widmete eine Vorlesung im Sommer 1930 dem Wesen der menschlichen Freiheit.
Er argumentiert, dass die Frage nach der Freiheit keine spezielle Frage ist, sondern eine, die ins Ganze der Philosophie führt.
Die Frage nach der Freiheit hält das umfassende Fragen der Philosophie lebendig.
Selbst wenn sich die Philosophie mit theoretischen Einzelproblemen oder praktischen Spezialfragen beschäftigt, tut sie dies immer im Horizont der Freiheitsfrage.
Philosophie als Freiheit
Freiheit = philosophisches Grundwort; Philosophie = Auslegung; Philosophie = Hermeneutik der Freiheit
Freiheit selbst Verwirklichungsweise der Freiheit
Selbstbesitz und Selbstsein-Können:
Freiheit bedeutet grundlegend, sich selbst zu besitzen und in der Lage zu sein, sich selbst zu verwirklichen, besonders im Verhältnis zu anderen, Fremden oder unkontrollierbaren Einflüssen.
Platonismus:
Im Platonismus wird Freiheit als „die Herrschaft über sich selbst“ (tò e¬leúqeron) und als „selbständige Lebensführung“ (e¬leuqería) verstanden.
Der freie Mensch (e¬leúqerov) ist jemand, der zu seiner Gemeinschaft gehört und sich frei bewegen kann.
Politischer Bezug:
Freiheit hatte einen starken politischen Bezug: Frei war, wer zur Polis, dem Stadtstaat, gehörte und sich frei bewegen konnte.
Nicht alle Menschen in der griechischen Antike wurden als politisch-rechtlich frei angesehen.
Hegel und Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit:
Laut Hegel bedurfte eines großen Fortschritts im Bewusstsein der Freiheit, um zur Kantischen These zu gelangen, dass die Freiheit ein angeborenes Recht eines jeden Menschen ist.
Heute wird die Menschenwürde und damit ein materieller Freiheitsbegriff weltweit staatlich anerkannt.
Zusammenhang von Freiheit und Gesetz:
Geht auf Griechen zurück: Freiheit lies sich nicht losgelöst vom Gesetz der Polis denken. Ohne das Gesetz gab es keine Autonomie, also keine “freien” Menschen, die bspw. das Recht hatten hinzugehen, wohin sie wollten.
Spielt auf einen politischen Freiheitsbegriff an.
Die Frage ist, woher diese Gesetze kommen: von Gott (wie Dichtung von Pindar), von zufälligen menschlichen Satzungen (wie Sophistik denkt) oder aus philosophischer Einsicht (Platos These).
Übergang zur inneren Freiheit bei Platon:
Bei Platon findet sich der Übergang von politisch-rechtlicher zu innerer Freiheit.
Ein guter Staat benötigt innerlich freie Bürger. Innere Freiheit wurde zunehmend wichtiger und unabhängig von äußerer Freiheit gesehen.
bspw. bei Diogenes: von ihm heißt es, dass er die Freiheit allem vorzog. Er verstand seine Freiheit von Gott aus, nicht vom Staat. Erst diese Unmittelbarkeit zu Gott ermöglichte es ihm zum Fundamentalkritiker zu werden.
Stoiker und innere Freiheit:
Die Stoiker betonten ebenfalls die innere Freiheit, die auch unter äußeren Einschränkungen ein sinnvolles Leben ermöglicht. Sie sprechen vom vernünftigen Selbstbesitz, der unabhängig von äußerer Freiheit macht.
Nach der stoischen Philosophie ist somit auch ein sinnvolles Leben unter unfreien Bedingungen möglich.
Der Stoiker bleibt frei, indem er sich nicht von Leidenschaften oder äußeren Versuchungen beherrschen lässt und sich kosmopolitisch versteht.
Hiermit schafften Stoiker die erste universalistische Ethik.
Determinismus und innere Freiheit:
Die Stoiker vertreten einen Determinismus, den Zusammenhang aller Naturphänomene, und die Notwendigkeit im Lauf der Welt anerkennt.
Innere Freiheit bedeutet hier, sich mit der Ordnung der Dinge, dem Logos, abzufinden, diesem aus eigener Vernunft zustimmen und keine Veränderungen anzustreben.
Fragen an den stoischen Freiheitsbegriff:
Die antike Kritik und spätere Denker wie Spinoza und Nietzsche hinterfragen, ob diese zurücknehmende Form der Freiheit tatsächlich als Freiheit gelten kann.
Kant betont, dass Freiheit auch die Fähigkeit einschließt, als Ursache zu handeln und Veränderungen herbeizuführen.
Frage nach der Willensfreiheit:
Genau dieser These Kants widmet sich auch die Frage nach der Willensfreiheit.
Die Frage der Willensfreiheit (liberum arbitrium) untersucht, ob unser Bewusstsein, Dinge ändern zu können, eine reale Grundlage hat oder eine Illusion ist.
Diese Frage wird sowohl in der Philosophie als auch in der Theologie und modernen Wissenschaften wie der Neurobiologie diskutiert.
Freiheit als vernünftiger Selbstbesitz
und Freiheit vs. Determinismus
bei Stoikern:
Abrückung von äußerer bzw. politischer Freiheit
fragen nach vernünftigen Selbstbesitz der Freiheit
dieser ermöglicht auch unter unfreien Bedingungen ein sinnvolles Leben
kein Nachgehen der eigenen Leidenschaften und äußeren Versuchungen -> Freiheit
hieraus schaffte Stoa erste universalistische Ethik
Stoiker vertreten auch Determinismus:
= Zusammenhang aller Naturphänomene und deren Notwendigkeit
-> in Stoa heißt es, dass sich der Weise die Vernunft der Welt ansehen soll und dieser aus eigener Vernünftigkeit zustimmen soll
frei = Beiseitenehmen des eigenen Willens und Akzeptanz des Unabänderlichen
führt zu Problem: mögliche Redundanz des Freiheitsbegriffs
Kritik: verdient eine Freiheit die sich durch Beiseitelegen des Willens auszeichnet, diesen Namen?
Unterscheidungen beim Freiheitsbegriff in praktischer Hinsicht
Einschränkung des Freiheitsproblems:
Die Frage nach der Willensfreiheit betrifft nur einen Teil des gesamten Freiheitsproblems. Es ist wichtig, das Freiheitsproblem nicht auf diesen Aspekt zu verkürzen.
Freiheit als theoretisches Thema:
Eine zu starke Fokussierung auf die Willensfreiheit könnte dazu führen, dass Freiheit als theoretisches, objektiv fixierbares Thema angesehen wird. Freiheit ist jedoch kein festes Objekt, das in der Welt gefunden werden kann.
Freiheit als Selbstseinkönnen:
Freiheit wird verstanden als die Fähigkeit, sich selbst in Beziehung zu anderen zu verwirklichen. Dies kann nicht auf eine objektive Größe reduziert werden.
Ein praktisches Bewusstsein ermöglicht uns, verschiedene Möglichkeiten zu denken, was theoretisches Denken nicht kann.
aktuelle Debatten: Neurobiologie und Strafrecht:
Es wurde diskutiert, ob das Strafrecht geändert werden muss, da Hirnforscher wie Wolf Singer die Möglichkeit von Freiheit, Schuld und Verantwortlichkeit bestreiten.
Singer argumentiert, dass das Strafrecht soziale Ziele verfolgen sollte, anstatt auf die Eigenverantwortlichkeit des Täters zu setzen. Er sieht dies als humaner an, als Menschen aufgrund ihrer Handlungen zu bestrafen.
Hassemer’s Einwand:
Winfried Hassemer, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, kritisiert Singer. Er argumentiert, dass das Verständnis der Freiheit in der Biologie nicht auf soziale Interaktionen angewendet werden kann.
Der soziale Umgang basiert auf der Anerkennung von Personen und nicht auf der Konfrontation von biologischen Systemen.
Der freie Wille ist eine zentrale Komponente des menschlichen Selbstbewusstseins. Er besteht nicht darin, spontane Handlungen auszuführen, sondern in der Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungsoptionen zu wählen.
Anerkennung des Anderen als einen frei Handelnden bedeutet, dass Verantwortungsbeziehungen bestehen bleiben. Der freie Wille zeigt sich darin, dass eine Person auch anders handeln könnte.
bspw. bei Entschuldigungen zeigt sich, dass die Person Handlungsoptionen hatte
——
Allgemeinbegriffe setzen Könnensbewusstsein frei
Argument, dass er 1798 in seiner Sittenlehre veröffentlicht.
Ein Wesen, das denken kann und damit fähig ist, Allgemeinbegriffe zu bilden, kann niemals nur auf eine einzige Handlungsoption festgelegt sein. Denn der Allgemeinbegriff umfasst sowohl das Besondere, das Gegebene, als auch dessen Negation, das Nichtgegebene.
Bsp.: Der Begriff des Menschen umfasst nicht nur die aktuell existierenden Menschen, sondern auch die früheren und zukünftigen Menschen.
Das bedeutet, dass der Allgemeinbegriff ein Möglichkeitsbewusstsein frei setzt, das in praktischer Anwendung ein Könnensbewusstsein ist, das für die Selbstwahrnehmung des Menschen konstitutiv ist.
Prinzip des freien Willens:
Das Prinzip des freien Willens lautet „Du kannst, denn du denkst“, was bedeutet, dass das Denken in Allgemeinbegriffen bereits die Möglichkeit enthält, anders zu handeln als das, was ist.
Veränderung der Welt durch den Menschen:
Wegen dieses Könnensbewusstseins, und damit der Fähigkeit alternative Perspektiven und neue Gegebenheitsen zu schaffen, hat sich das Gesicht der Erde, seitdem der Mensch auf ihr weilt, massiv verändert.
Kritik der gegebenen Welt:
Das theoretische Allgemeinheitsbewusstsein ist somit nicht harmlos, sondern enthält bereits die Kritik der besonderen Welt. In der Reflexion über das Allgemeine liegt das Potenzial, die bestehende Wirklichkeit durch mögliche Handlungen zu verändern.
Nikolaus von Kues und das Schöpferische:
Nikolaus von Kues beschreibt den Menschen als Ebenbild seines Schöpfers, indem er in der Welt schaffend auftritt, das Wirkliche ins Licht des Möglichen stellt und sich selbst im Umschaffen des Wirklichen besitzt.
Bewusstsein des Nichtkönnens:
Neben dem Könnensbewusstsein existiert auch ein Bewusstsein des realen Nichtkönnens und der Unfreiheit. Diese Unfreiheit kann unterschiedlich interpretiert werden, zum Beispiel als Hinweis darauf, dass Freiheitsambitionen illusionär sind.
Determinismus und Naturalismus:
Der Determinismus kann das Bewusstsein der Unfreiheit als Beweis dafür sehen, dass Freiheitsambitionen illusionär sind. Diese Ansicht hat seit der Neuzeit durch die forcierten Bestrebungen zur Naturalisierung des Selbstbewusstseins immer wieder an Bedeutung gewonnen.
Probleme der Naturalisierung des Selbstbewusstseins:
Die Naturalisierung des Selbstbewusstseins betrachtet das Denken nicht als das Allgemeine, sondern als etwas, das „von einer Art“ ist. Dies führt zu einem Widerspruch, denn Gesetze, die unser Denken beschreiben sollen, müssen wieder allgemein sein, was die Naturalisierung problematisch macht.
Luthers Argumentation:
Luther argumentiert in "De servo arbitrio" (1525), dass nur Gott einen wirklich freien Willen besitzt. Der Mensch hingegen ist immer unfrei und von äußeren Einflüssen getrieben.
Für Gott gibt es keinen Unterschied zwischen Wollen und Vollbringen, während beim Menschen eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem, was er will, und dem, was er tatsächlich tut, existiert.
Selbstentfremdung des Menschen:
Luther untermauert diese These mit einem Alltagsbeispiel. Er beschreibt, dass der Mensch oft Dinge will, aber sie nicht tut, und Dinge tut, die er nicht will. Dies führt zu einer Entfremdung des eigenen Willens und der eigenen Taten.
Diese Situation wird metaphorisch als ein Clown beschrieben, der auf der Bühne des Lebens unter unserem Namen auftritt und unsere inneren Beschlüsse parodiert.
Theologische Unfreiheit:
Luther betont die unendliche Differenz zwischen der Subjektivität Gottes und der Nichtsubjektivität des Menschen. Der Mensch ist materiell und immer äußeren Einflüssen unterworfen.
Übergang zur Neuzeit:
An der Schwelle zur Neuzeit, vor der Etablierung des cartesischen (Descartes'schen) Subjekts als denkendes Selbstbewusstsein, erscheint bei Luther ein reales, unglückliches Bewusstsein, das sich selbst als unfrei definiert.
Dialektik der Unfreiheit:
Obwohl Luther den Menschen als unfrei beschreibt, geht es ihm nicht darum, den Menschen in dieser Unfreiheit zu belassen. Luther selbst leitete seinen Namen von „Eleutherios“ ab, was „der Freie“ oder „der Freiheit Verpflichtete“ bedeutet.
Die Rede von der Unfreiheit des Menschen soll letztlich das Bewusstsein der Freiheit stimulieren.
Pragmatischer Sinn der Diskussion über die Unfreiheit:
Der Sinn der Diskussion über die Unfreiheit des Menschen ist es, das Freiheitsbewusstsein zu fördern. Für jemanden, der vollkommen unfrei ist, wäre die Feststellung der Unfreiheit bedeutungslos.
Deterministische Perspektive:
Ein Determinist könnte argumentieren, dass die Feststellung der Unfreiheit den Menschen dazu zwingt, sich anders zu denken. Aber das menschliche Bewusstsein vollzieht bereits die Alternative zwischen Freiheit und Unfreiheit durch seine Fähigkeit, in Allgemeinbegriffen zu denken.
Menschliches und tierisches Bewusstsein:
Tiere werden nicht über ihre Unfreiheit belehrt, weil sie kein Bewusstsein von Möglichkeiten besitzen. Menschen hingegen haben ein Könnensbewusstsein, das auf der Fähigkeit beruht, in Allgemeinbegriffen zu denken.
Freiheitsrechte und innere Freiheit:
Menschen werden immer auf ihr Könnensbewusstsein angesprochen, selbst wenn sie über reale Unfreiheiten aufgeklärt werden sollen. Freiheitsrechte für unfreie Wesen zu fordern, kann ihre innere Freiheit stärken und sie dazu motivieren, sich Freiheitsrechte zu erkämpfen.
Luthers theologische Perspektive:
Luther betont die Unfreiheit des menschlichen Willens stark, weil er als Theologe zugleich an eine Bestimmung des Menschen zur Freiheit glaubt. Er möchte den unfreien Menschen auf das freie Geschenk einer göttlichen Freiheit vorbereiten, die nicht durch menschliche Tatherrschaft, sondern durch Versöhnung mit Gott (absolutes Anerkanntsein) erreicht wird.
Strafrecht und Unfreiheit:
Im Strafrecht gibt es anerkannte Zustände der Unfreiheit, wie krankhafte seelische oder Bewusstseinsstörungen, die eine Schuldfeststellung ausschließen können. Trotzdem bleibt die betroffene Person ein Rechtsgenosse, geschützt durch die Menschenwürde und ihre Rechte.
Auch Unzurechnungsfähige werden im Sinne ihrer potentiellen Wiederherstellung zur Freiheit behandelt, was zeigt, dass Freiheitsdefekte im Kontext von Freiheit thematisiert und korrigiert werden können.
Kontrast zu Singers Position:
Wolf Singer, ein Neurowissenschaftler, argumentiert, dass Rechtssanktionen dazu dienen sollten, gesellschaftliche Werte durchzusetzen. Dabei sieht er die Person des Delinquenten nicht als Selbstzweck oder normative Schranke an.
Im Gegensatz dazu betont Hegel, dass der Mensch durch die Zumutung von Verantwortung und Strafe als Mensch geehrt wird. Das bedeutet, dass er nicht nur als gefährliches Tier behandelt wird, sondern seine menschliche Würde und Freiheit anerkannt werden.
Aristoteles und der Freiheitsbegriff:
Aristoteles erklärt, dass Begriffe sich selbst und ihr Fehlen offenbaren können, was auch für den Freiheitsbegriff gilt. Der Freiheitsbegriff ermöglicht es uns, sowohl Freiheit als auch Unfreiheit zu erkennen und zu denken.
Das Verhältnis von Freiheit und Unfreiheit ist asymmetrisch. Unfreiheit (Privation) kann nicht der Ausgangspunkt des Denkens sein, sondern nur im Kontext von Freiheit verstanden werden.
Die Selbstverwirklichung des Freiheitsbewusstseins
Verbindung von Selbstbewusstsein und Freiheitsbewusstsein:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es kein ursprüngliches menschliches Selbstbewusstsein geben kann, ohne dass darin ein ursprüngliches Freiheitsbewusstsein enthalten ist. Das bedeutet, dass unser Bewusstsein, uns als Individuen wahrzunehmen, immer auch das Bewusstsein unserer Freiheit beinhaltet.
Existenz von Unfreiheiten:
Obwohl das Freiheitsbewusstsein essentiell ist, bedeutet das nicht, dass es keine Unfreiheiten gibt. Unser konkretes Bewusstsein von Können (Fähigkeiten) enthält immer auch das Bewusstsein von Nicht-Können (Einschränkungen).
Diese Spannung zwischen Freiheit als Idee und Freiheit als objektiver Realität ist die zentrale Aufgabe der praktischen Philosophie.
Transformation des Könnensbewusstseins:
Die Aufgabe der praktischen Philosophie besteht darin, zu zeigen, wie das Bewusstsein von möglichen Freiheiten (Könnensbewusstsein) in tatsächliche Freiheiten (Realbewusstsein) umgewandelt werden kann.
Diese Umwandlung geht über die bloße "negative Freiheit" (Freiheit von Zwängen) hinaus und schließt "positive Freiheit" (Freiheit zu bestimmten Handlungen) ein.
Beispiel der französischen Grammatik:
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht diesen Unterschied: Mit einer französischen Grammatik kann man vieles tun (verschenken, als Unterlage benutzen, verbrennen). Doch nur das Studieren und Erlernen der Sprache führt zu einer qualitativen Steigerung des Freiheitsbewusstseins, indem es neue Freiheitsmöglichkeiten (z.B. Bewegungsfreiheit in einem fremden Land) eröffnet.
Qualifizierte Freiheit und notwendige Unfreiheiten:
Qualifizierte Freiheit beinhaltet, bestimmte Unfreiheiten zu akzeptieren. Um die französische Sprache zu lernen, muss man sich den Regeln der Grammatik unterwerfen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie bestimmte Zwänge (Regeln) notwendig sind, um höhere Freiheiten zu erreichen.
Ähnlich verhält es sich mit rechtlichen Institutionen: Man muss sich den Gesetzen unterwerfen, um die konkreten Freiheiten, die durch das Rechtssystem ermöglicht werden, zu genießen.
Kritik der Institutionen und philosophische Reflexion:
Obwohl qualifizierte Freiheit Institutionen voraussetzt, bleibt immer Raum für die Kritik dieser Institutionen. Diese Kritik ist selbst ein Ausdruck der Freiheit.
Die Sprache der Philosophie spielt eine zentrale Rolle, da sie die Freiheit thematisiert und einen Raum schafft, in dem Freiheit artikuliert und weiterentwickelt werden kann.
Freiheit als Grundwort der Philosophie:
Freiheit drängt von sich aus zur Sprache und ist ein zentrales Thema der Philosophie. Die Auseinandersetzung mit Freiheit und ihrer Explikation ist eine fortwährende Aufgabe der philosophischen Reflexion.
Selbstverwirklichung des Freiheitsbewusstseins
kein Allgemeinbegriffs fähiges Selbstbewusstsein ohne Freiheitsbewusstsein
-> weil Allgemeinheitsbegriffe immer Vorhandensein und Negation beinhalten? so auch Freiheitsbegriff?
dies bedeutet nicht, dass es nicht auch innere und äußere Unfreiheit geben kann
-> da Könnensbewusstsein das Nichtkönnensbewusstsein mit einschließt
in Spannung zwischen diesen Polen liegt Aufgabe der prakt Philo
-> Nachvollziehen wie aus Könnensbewusstsein Realbewusstsein von Freiheit wird (mögliche Freiheit -> wirkliche Freiheit)
negative vs. qualifizierte Freiheit
Freiheit von … (neg) -> Freiheit zu … (quali)
Frage nach freiem Willen -> Könnensbewusstsein
aber nur ein Teil der Freiheitsfrage
= negative Freiheit
= Willkürfreiheit??
kein Zwang zu instinktgeleitetem Verhalten, aber noch keine Entscheidungsfreiheit über Handlungen
Beispiel der Französischen Grammatik! Verbrennen oder Lesen?
Willkürfreiheit sieht keinen Unterschied zwischen den Möglichkeiten, qualifizierte Freiheit jedoch schon
qualifizierte Freiheit:
Handlungen die eine qualitative Steigerung des Freiheitsbewusstseins nach sich zieht
Freiheit
formale Freiheit : Könnensbewusstsein
materiale Freiheit: Selbstbestimmung zu einer Selbständigkeit
materiale Freiheit schließt Unfreiheit mit ein
= Kompetenz Unfreiheit zu bejahen und zu dieser ein freies Verhältnis einzunehmen
Bsp: kein Erfinden der Grammatik, da dadurch keine Verständnis möglich -> keine Freiheitserweiterung
es wird die Unfreiheit eine festgelegte Grammatik, also einen feste Zwang, zu erlernen eingegangen, um die Freiheit sich mit Französisch zu verständigen zu erlangen
Recht: Institutionalisierung einer qualifizierten äußeren Freiheit, die sich eine Gemeinschaft von Freiheitswesen teilen
negative Freiheit:
Ablehnung von jeglichen Zwängen, aber damit auch Verlust der konkreten Freiheiten (im Bezug auf Gesetze und Recht bspw. Eigentumstitel)
Kant: Freiheit ist die Unabhängigkeit von der willkürlichen Nötigung Anderer = keine Freiheit von Nötigung, aber von willkürlicher
eine Instituionalisierung von Freiheit ist in qauli Freiheit möglich, steht aber auch Institutionenkritik offen
weil Freiheit nicht das Gegenteil von Kritik, sondern Horizont der eigenen Institutionalisierung ist und sie somit an ihr gemessen werden kann (??)
Grenzen der Institutionenkritik
diese ja in qualifizierter Freiheit möglich, da diese den Hintergrund ihrer Institutionalisierung bildet und somit muss an dieser gemessen werden
ausgehend von Diogenes:
seine Kritik an institutionaliserter Freiheit ist ihm nur mgölich, da er über eine gottgegebene Freiheit verfügt
Grenzen:
abstrakte Freiheit der Selbstbehauptung des Einzelnen, dessen Lebensinhalt es wird der existierende Einspruch gegen die herrschende Unfreiheit zu sein (weil er damit Zwang unterliegt??)
Beispiel Spracherwerb:
Freiheit die Grammatik verweigert -> Verstummen -> Auslöschung der Freiheit
und das wollte sie verhindern
qualifizierte Freiheit holt die Diskrepanz die aus ihrer Institutionalisierung ausgeht mit ein und durchdringt Freiheit von dieser aus (?)
Sprachbeispiel:
Kritik an Sprache, dass diese Medium der Entfremdung ist, da häufig nur Wiederholung von Sprachschemata, herrschender Vorurteile, …
ist jedoch auch Sprachkritik nicht nur durch eigene Mittel fähig
primär in Sprache nicht die Selbstverdinglichung, sondern das Könnensbewusstsein der Menschen artikuliert
Sprache = Verschränkung von Freiheitshorizonzt und Freiheit samt Unfreiheit
Sprache umfasst: einfachste deskriptive Verwendung, Normartikulation von Recht und Moral, Sprachkunstwerk
auch philosophischer Text => existierende qualifizierte Freiheit
darin liegt Affinität zwischen Freiheitsbegriff und Philosophie
Freiheitshorizont setzt sich bei jedem Thema reflexiv ins Thema setzt und hierdurch gegenständlich wir
in Sprache der Philosophie drängt Freiheit zur Verwirklichung, die wiederrum auch befreiend wirken möchte
z. B. aus Vorstellungen ganzer Epochen, aus falschen Dogmatismen
Was haben praktische Philosophie und Freiheit gemein?
drängt durch Philo zur Verwirklichung und will durch diese befreien von: Vorstellungen ganzer Epochen, falschen Dogmatismen
Freiheit das Grundwort der Philo, drängt von sich aus zur Sprache
Systematische und historische Unterscheidungen beim Freiheitsbegriff
Historisch:
nicht immer hatte Begriff Zentralstellung wie jetzt
z. B. bei Aristoteles:
unterscheidet zw Freiwilligekeit und Zwang & richtig oder falsche Zielwahl (was keinen Sinn ohne den Horizont der Freiheit)
aber Motivation des Handelns nicht aus Freiheitsbewusstsein heraus
Systematisch:
stehen in Beziehung zu den Themenfeldern der Praktischen Philosophie
negative Freiheit / liberum arbitrium (Freiheit von …)
= Willkürfreiheit?
teilw. von Wirtschaftsphilosophie berühert
qualifizierte Freiheit (Freiheit zu …)
äußere Freiheit
politische Freiheit
rechtliche Freiheit
= Politische und Rechtsphilosophie
innere (moralische) Freiheit
als stoische Unabhängigkeit
als moralische Autonomie
= Ethik
absolute Freiheit
Zusammenfallen aller Freiheitsdimensionen
Determinismus
leugnen der Freiheit
damit auch kein Unterschied zwischen Handlungen und Verhalten
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