• Stufenmodell von Piaget
• Theorie des Entwicklungsprozesses von Piaget
• Kritik an Piaget
• Entwicklungstheorie von Vygotsky
• Implikationen kognitiver Entwicklung für den Unterricht
• Exekutive Funktionen und Schule
Lernziele
• Den Entwicklungsprozess nach Piaget erklären können
• Piaget: vier Hauptstufen erklären und voneinander abgrenzen können
• Kernbegriffe von Piaget definieren können (z.B. Objektpermanenz, Äquilibration,…)
• Kritik an Piaget kennen & anwenden können
• Vygotskys Theorie: Kernbegriffe kennen und definieren können (z.B. proximale Entwicklungszone)
• Implikationen für den Unterricht nennen können
-> Kinder die die Perspektivübernahme schon beherrschen, sagen dass Sally im Korb guckt
-> Kinder die das noch nicht können sagen dass Sally in der Box guckt
Wer ist Piaget? Was hat er grundlegend entwickelt?
Piaget unterscheidet in der intellektuellen Entwicklung generell vier Hauptstufen/ -phasen:
• die sensomotorische Phase
• die präoperationale Phase
• die konkret-operationale Phase
• die formal-operationale Phase
• Zuordnung eines bestimmten Lebensalters zu jeder einzelnen Stufe = Annäherung
• Die Übergänge zwischen den Stufen sind nicht abrupt, sondern fließend
• Ein Kind kann z. B. in einigen Bereichen noch präoperational denken, während es in anderen bereits logisch denken kann
• Irreversible Sequenz
-> schemata
Schemata
• Das Wissen über Objekte ist in einem Objekt-Schema gespeichert
• Durch Auseinandersetzung mit der Umwelt verändern, erweitern und differenzieren sich die Schemata
-> Durch Erfahrungen werden Anpassungsprozesse angeregt -> welche sind das? wie gelingen diese?
Durch Erfahrungen werden Anpassungsprozesse angeregt:
• Adaptation: Aktive Anpassung an die Umwelt (physisch, psychisch); z.B. Lernen von Begriffen, Differenzierung der Verhaltensweisen Anderer
• Organisation: Physische und psychische Prozesse werden in Zusammenhänge höherer Ordnung gebracht; z.B. Koordination von Sehen und Motorik zum zielgerichteten Greifen
• Wie gelingt Adaptation und Organisation? Welche kognitiven Prozesse finden statt?
○ Äquilibration
○ Assimilation und Akkomodation
-> Assimilation
Assimilation
• Neue Erfahrungen werden in ein vorhandenes Schema eingefügt
• Anpassung der Umwelt an das eigene Denken
• Dabei kann auch falsche Assimilation erfolgen (Übergeneralisierung)
• Beispiel für eine zu weitläufige Assimilation
-> Akkomodation
Akkomodation
• Neue Erfahrungen lassen sich oft nicht in ein vorhandenes Schema einfügen, da die neu gewonnene Information z.B. Teilen des Schemas widerspricht
• Anpassung des Denkens (Schemata) an die Umwelt
• Beispiel Wau-Wau-Schema: Kontakt mit neuem Hund, der deutlich anders aussieht als der erste Hund
-> Equilibrium
-> Äquilibration
Äquilibration
Beispiele für Ungleichgewicht (fehlgeschlagene Assimilationsversuche)
• Widersprüche zwischen verschiedenen Urteilen
• Empirische Widerlegung eines Urteils
• Unerwartete Fragen und Probleme
→ Herstellung eines neuen Gleichgewichtes zwischen Umweltstruktur und geistiger Struktur
-> Zusammenfassung
-> Objektpermanenz
Sensomotorische Phase
• Umfasst die ersten beiden Lebensjahre
• Das Kind lernt
○ sich selbst als von den Objekten seiner Umwelt getrennt wahrzunehmen
○ Dinge durch Manipulation zu bestimmen
• Objektpermanenz (Objektkonstanz; Piaget 1975)
○ Verständnis dafür, dass Gegenstände weiter existieren, auch wenn sie sich außerhalb der Sichtweite befinden
○ Suchverhalten (ab 8 Monaten)
Beispiele für Objektpermanenz
• Säugling: versucht, die Milch aus seiner Flasche zu saugen, auch wenn diese ihm verkehrt herum angeboten wird
• Ca. 1 Monat später: Säugling lernt, die Flasche umzudrehen → 1 Objekt (unabhängig davon, wie sie ihm angeboten wird)
• 5 Monate: Kind sucht nicht nach Ball, wenn unter Decke versteckt
• 8 Monate: Suchverhalten → Objektpermanenz
-> Stufe 1
-> Stufe 2
Präoperationale Phase
• zweites bis siebtes Lebensjahr
• Entwicklung der Symbolfunktionen (Sprache, Spiel)
○ Kinder sind in der Lage, auf der Ebene der Vorstellung über Ereignisse nachzudenken
○ Symbolische Repräsentation
• Vorschulkinder können Objekte auf mehrere Arten repräsentieren -> sind in der Lage, Dinge auf verschiedene Arten zu betrachten
• Sprachliche Repräsentation („Auto“)
• Bildliche Repräsentation
• Motorische Repräsentation (Bewegung des Lenkrad Drehens)
• Akustische Repräsentation („brummbrumm“)
• Stellvertretende Repräsentation (Bobbycar)
• Symbolhafte Repräsentation
• Das Kind gebraucht seine Sprache; Sprache ist jedoch nicht unbedingt notwendig zum Denken
• Unangemessene oder fehlerhafte Assimilationen (Konzepte wie Wachstum, Eigenbewegung vorhanden, aber...)
• Beispiel: „Die Wolken gehen sehr langsam, weil sie keine Füße und Beine haben: Sie machen sich lang wie Würmer und die Raupen, daher gehen sie so langsam.“
• Egozentrismus: Unfähigkeit, sich in die Rolle eines anderen hineinzuversetzen, den Blickwinkel eines anderen einzunehmen oder die eigene aktuelle Sichtweise als eine unter mehreren Möglichkeiten zu begreifen
-> je nachdem wo ein Kind steht, ist die Perspektive anders
-> wenn man das Kind, was davor steht fragt, was das Kind, was dahinter steht, sieht, dann würde das Kind sagen, genau das was sie auch sieht
-> "Mein Wissen ist das Wissen aller anderen"
-> keine Perspektivübernahme
Anschauliches, prälogisches Denken
• Versuche zur Mengeninvarianz
• Ergänzung einer zweidimensionalen Matrix
• Einsicht in Klasseninklusionen
Drei Berge Versuch
-> Stufe 2, welche experimente gibt es?
-> Stufe 3
Konkret-operationale Phase
• ca. 6. bis 12. Lebensjahr
• Das Kind entwickelt die Fähigkeit, verschiedene logische Operationen durchzuführen, jedoch mit konkreten, d.h. anschaulichen Dingen
• Bevor diese Stufe erreicht ist, kann ein Kind z. B. nicht mit voller Überzeugung angeben, wie die Rückseite des Mondes aussieht
• Kombination
• Induktiv-logische Schlussfolgerungen
• Umgang mit Klassifikationssystemen
• Erkenntnis, dass konkrete Operationen umkehrbar sind
• Konzept der Vervielfachung und Teilung
• Objekte können gleichzeitig mehr als einer Kategorie angehören, Kategorien können in Beziehung zueinander stehen
• Invarianz des Mengenbegriffs
-> Kinder vor der Phase sagen, dass B´ mehr ist, da es länger ist
-> Stufe 4
Formal-operationale Phase
• ab ca. 12 Lebensjahr
• erwirbt die Fähigkeit, logisches Denken mit Abstraktionen durchzuführen (= wissenschaftliches Denken)
• Schlüsse ziehen, Interpretationen vorschlagen und Hypothesen entwickeln
• Kind kann das, was „möglich“ ist, ebenso gut durchdenken wie das, was „hier und jetzt“ gegeben ist
• Verständnis von Proportionen
Bewertung von Piagets Theorie
-> was ist gut, was nicht?
– Vernachlässigung sozialer Faktoren (Belehrung, Lernen durch Beobachtung)
– Stufenkonzeption (ist in der Realität eher fließend)
– Keine Entwicklungserklärungen, nur Entwicklungsbeschreibungen
– Vernachlässigung der Entwicklung nach der Adoleszenz
– Erkenntnisse z.T. inzwischen revidiert bzw. frühere Datierung
+ Wichtige Erkenntnisse über kognitive Entwicklung in der frühen Kindheit +
+ Entwicklung ausgeklügelter Methoden
• Komplexität der kognitiven Leistungen von Kindern eines bestimmten Alters unterschätzt
○ Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass Neugeborene zu komplexeren Verhaltensweisen fähig sind, als Piaget vermutet hatte
• egozentrischer Haltung des Kindes übergroße Bedeutung beigemessen
○ Kinder schon sehr früh bei entsprechender Instruktion fähig, sich verschiedener Wahrnehmungsperspektiven zu bedienen
• Rolle der motorischen Erfahrung in der kognitiven Entwicklung
○ Für Piaget sind frühe motorische Fähigkeiten Voraussetzung für kognitive Entwicklung
○ Demgegenüber weiß man heute, dass Kinder mit mehrfach körperlicher Beeinträchtigung und geringen motorischen Erfahrungen eine normale kognitive Entwicklung durchmachen können
• Definition von formalen Operationen
○ So wie Piaget sie formuliert hat, würde nur ein geringer Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung die Fähigkeit zu formalen Operationen besitzen
○ Wenn man bspw. zwei Aufgaben stellt, deren Lösung exakt dieselben logischen Prozesse voraussetzt, von denen jedoch die eine abstrakt und die andere konkret formuliert ist, dann steigt der Prozentsatz der Versuchspersonen, die formale operationale Fähigkeiten zeigen, von 19 % in der ersten Aufgabe auf 98 % in der zweiten Aufgabe (Boden, 1980)
• kleine Kinder und hochgebildete Erwachsene denken in der gleichen Weise – Erwachsene wissen nur einfach mehr als Kinder
• Domänen, in denen sich Kinder komplexes Wissen aneignen, sind der Beleg für hochentwickeltes komplexes wissenschaftliches Denken, aber eben nur in diesem Bereich (Carey, 1985)
• soziale Umgebung spielt eine wichtige Funktion bei der kognitiven Entwicklung des Kindes
• Kinder lernen als erstes von den sie umgebenden Menschen
• Die soziale Umwelt vermittelt Konzepte, Ideen, Fertigkeiten und Einstellungen
• Die eigene Kultur bestimmt, welche Stimuli auftreten und wie man auf sie eingeht
• Kognitive Entwicklung hat somit ihren Ursprung in kulturspezifischen zwischen-menschlichen Interaktionen
• Alle persönlichen psychologischen Prozesse beginnen als soziale zwischenmenschliche Prozesse, an denen Erwachsene und Kinder oft gleichermaßen teilhaben
Sprache
• Durch soziale Interaktion wird festgelegt, was uns traurig, lustig, ängstlich etc. macht
• Kognitive Entwicklung geht schrittweise voran:
○ vom fremdgesteuerten (sozial determinierten) Verhalten
○ zu eigenständigem (individuell gesteuertem) Verhalten
Effektives Lernen
• Beurteilung des momentanen Entwicklungsstands
• Identifikation des Entwicklungspotentials (was kann das Kind mit Hilfe erreichen)
• Unterschied zwischen beiden Niveaus ist die proximale Entwicklungszone
• Unterricht muss jene Funktionen wecken und fördern, die sich gerade im Reifungsprozess befinden, also jene Funktionen, die in der proximalen Entwicklungszone angesiedelt sind
• Die Schule lässt nach Vygotsky das Kind zu viel selbst machen, und diese Tendenz verlangsamt seine kognitive Entwicklung
• Der Wissensvorsprung des Erwachsenen ist für das Kind das intellektuelle Gerüst, am dem es sich hocharbeiten kann (-> Scaffolding)
• Verstehen, wie Kinder denken
○ Erwachsene und Lehrkräfte müssen sich bemühen, sich in die mentalen Operationen der Kinder hinein zu versetzen
• Konkretes Material verwenden
○ Kinder, vor allem in den Vorschul- und den ersten Grundschuljahren, lernen dann besonders gut, wenn sie mit konkreten Objekten, Materialien und Phänomenen umgehen
• Unterricht sequentiell gestalten
○ Proximale Erfahrungen müssen distalen vorausgehen
• Neue Erfahrungen einpassen
○ Eine neue Erfahrung muss zu einem gewissen Grad in das eingeordnet werden können, was das Kind bereits weiß
• Das Lerntempo selbst festlegen lassen
○ Den Kindern sollte gestattet werden, das Tempo, mit dem sie die Entwicklungsfolge durchlaufen, weitgehend selbst zu bestimmen
○ Individualisierter Unterricht
• Soziale Lernaspekte
○ Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen haben sowohl kognitive als auch affektive Konsequenzen
○ Kind erhält Information über sich selbst aus der sozialen Umwelt, verliert die Selbstbezogenheit, erhält Information darüber, wie andere etwas sehen usw.
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