1. Einführung in das DSM-5
2. Neuerungen im DSM-5
3. Einführung in die Globale Beurteilung des Funktionsniveaus (GAF)
Lernziele
• Sie lernen das Klassifikationssystem DSM-5 kennen und können Neuerungen im Vergleich zum DSM-IV benennen
• Sie kennen die historische axiale Struktur des DSM-IV
• Sie kennen die GAF als Globale Beurteilung des Funktionsniveaus und können sie auf klinische Beispiele anwenden
-> Geschichte des DSMs
-> nach dem 2. WK
-> viele Veteranen
-> lohnt sich eine Zusammenfassung um die Behandlung zu vereinfachen
-> Auflistung von Diagnosen ohne Nennung von Kriterien
Ziel: hohe Beurteilerreliabilität durch:
• detaillierte, ausformulierte Kriterien auf der Symptom- und Syndromebene,
• den Versuch, sich vor allem auf zuverlässig (durch Fragen oder Beobachtung) erfassbare Symptome zu beschränken,
• eine breitere Mehrebenencharakteristik des Störungsverhaltens hinsichtlich körperlicher, kognitiver, affektiver und verhaltensbezogener Symptome einschließlich Zeit- und Schweregradkriterien
• operationalisierte, algorithmisch spezifizierte Ableitung der Diagnose (wenig Interpretationsspielraum)
• Grundlage für die Entwicklung strukturierter, standardisierter Interviews (z.B. SKID I und II bzw. neu SCID-5-CV und SCID-5-PD)
führt zur Revision von Klassifikationssystemen
• Nachfolgende Versionen beinhalten Überarbeitung auf Basis neuer Forschungsergebnisse und des gesellschaftlichen Konsens
• Veränderungen auf verschiedenen Ebene:
○ Formale Ebene (z.B. Abschaffung des multiaxialen Systems)
○ Zuordnung von Störungsbildern zu Oberkategorien (z.B. Zwanghaftes Horten)
○ Änderungen von Diagnosekriterien für bestehende Diagnosen (z.B. Trauerkriterium bei der Depression)
○ Einführung neues Störungsbilder (z.B. Binge Eating Disorder, Prämenstruelle Dysphorische Störung)
-> DSM 5
-> Vor- und Nachteile von der Einführung neuer Diagnosen
• Mai 2013 erschienen
• 14-jähriger Entstehungsprozess
• 400 Personen unterschiedlicher Fachgruppen aus 39 Ländern
-> Zentrale Unterschiede in dem Gesamtsystem
-> Wichtige Veränderungen auf Störungsebene
Zentrale Unterschiede in dem Gesamtsystem:
• Aufgabe des multiaxialen Systems (keine Achsen mehr)
• Neuanordnung der Störungen
• Alter, Geschlecht und Kultur werden stärker berücksichtigt
Wichtige Veränderungen auf Störungsebene:
• Einführung Schwerer und Leichter Neurokognitiver Störungen (NCD; Demenz als Subtyp)
• Aufnahme von Agoraphobie als eigenständige Diagnose
• Trauerreaktionen kein Ausschlusskriterium für Major Depression
-> Trauer
DSM-5: Keine Diagnose der anhaltenden Trauerstörung, aber Ausschlusskriterium von Trauer bei der Depressionsdiagnose aufgehoben
ICD-11: Störungen, die spezifisch stress-assoziiert sind: 6B42 Verlängerte Trauerstörung
-> Eine verlängerte Trauerstörung ist eine Störung, bei der nach dem Tod eines Partners, eines Elternteils, eines Kindes oder einer anderen Person, die den Hinterbliebenen nahe stand, eine anhaltende und tiefgreifende Trauerreaktion auftritt, die durch Sehnsucht nach dem Verstorbenen oder anhaltende Beschäftigung mit dem Verstorbenen gekennzeichnet ist, begleitet von intensivem emotionalem Schmerz. Die Trauerreaktion hat über einen atypisch langen Zeitraum nach dem Verlust angehalten (mindestens 6 Monate) und übersteigt eindeutig die erwarteten sozialen, kulturellen oder religiösen Normen für die Kultur und den Kontext der Person
-> Neue Störungskategorien
Neue Störungskategorien:
• «Binge-Eating»-Störung,
• Prämenstruelle Dysphorische Störung,
• Disruptive Stimmungsdysregulationsstörung,
• Zwanghaftes Horten,
• Dermatillomanie
• Koffeinentzug
Deutliche Änderungen bisheriger Diagnosen:
• somatoforme Störungen und Sucht
-> somatoforme Störungen
Neuerungen im DSM-5: Wegfall Somatoformer Störungen
-> somatoforme Störungen im ICD-10
• Abschaffung des diagnostischen Konzepts der somatoformen Störungen
• Gemäß der neuen Klassifikation wird nicht mehr zwischen körperlichen Beschwerden mit oder ohne organische Ursachen unterschieden
• Neu eingeführte Diagnose mit der Bezeichnung „somatic symptom disorder“ (SSD, somatische Belastungsstörung) umfasst Symptome jeglicher Genese
• Wichtiges Merkmal: übertriebenen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen in Bezug auf die somatischen Symptome
• „If you have a medical illness, you can get a diagnosis of DSM-5 SSD just by worrying about it a lot“ (Allen Frances, 2013)
-> Suchterkrankungen
• DSM-5: Keine scharfe Trennung zwischen Missbrauch und Abhängigkeit, sondern Gebrauchsstörung
• Mild: 2-3
• Moderat: 4-5
• Schwer: ≥ 6
• Neu: Störung durch Glücksspielen unter den Suchterkrankungen aufgeführt
• Achtung im ICD-10 subsummiert unter Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (F63.0)
• im ICD-11 dann ebenfalls als Suchterkrankung klassifiziert
-> weitere Neuerungen (in Bezug auf geistige Behinderung, Autismus und Trennungsangst/selektiver Mutismus)
• „Geistige Behinderung“ wird zu „Intellektuelle Beeinträchtigung“: Schweregradbeurteilung stärker durch Funktionsniveau als durch IQ bestimmt
• Autismus-Spektrum-Störung: umfasst frühere autistische Störung, Asperger-Störung, desintegrative Störung im Kindesalter, Rett-Störung, nicht-näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung
• Störung mit Trennungsangst und selektiver Mutismus werden als Angststörungen klassifiziert
-> Persönlichkeitsstörungen
• Kritik an der bisherigen kategorialen Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen im DSM-IV und in der ICD-10
• fehlende empirische Unterstützung vieler Kategorien
• sehr hohen Komorbidität der PS untereinander
• große Heterogenität von Symptomen innerhalb einer Diagnose
• Wunsch nach dimensionaler statt kategorialer Diagnostik
• Hier werden Merkmale nicht dichotom als „vorhanden“ oder „nicht vorhanden“ betrachtet
• Stattdessen werden kontinuierliche Dimensionen (Traits) von leicht bis extrem identifiziert, die bei Patient*innen unterschiedlich stark ausgeprägt sind
• entspricht auch den dominierenden Modellen in der Normalpsychologie der Persönlichkeit
Persönlichkeitsstörungen im DSM-5:
• die alte DSM-IV-Klassifikation wurde unverändert übernommen
• Aber: im Anhang des DSM-5: ein dimensionales Modell
• dieses „Alternative Modell der Persönlichkeitsstörungen“ (AMPD) hat seit seiner Publikation erhebliches Forschungsinteresse erfahren
-> Persönlichkeitsstörungen im ICD 11
ABER: Neuerungen im ICD-11!!! -> Persönlichkeitsstörungen im ICD-11:
1. Schritt: Allgemeinen Anforderungen an die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung:
• überdauernde Störung, charakterisiert durch Probleme im Funktionsniveau von Aspekten 1) des Selbst (z.B. Identität, Selbstwert, Akkuratheit der Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung) und/oder 2) interpersonelle Dysfunktion (z.B. Fähigkeit, enge und wechselseitig befriedigende Beziehungen herzustellen, die Perspektive des anderen zu verstehen und Konflikte handzuhaben).
• diese Störung muss nicht mehr in der Jugend oder im jungen Erwachsenalter beginnen, sondern nur länger als 2 Jahre andauern.
• erstmals auch PS mit Beginn nach dem 50. LJ möglich
2. Schritt: Einschätzung des Schweregrades einer PS:
• „mild“ (6D10.0)
• „moderat“ (6D10.1)
• „schwer“ (6D10.2)
• „Schweregrad unspezifiziert“ (6D10.Z)
• subklinische Kategorie „Schwierigkeit“ (difficulty)
3. Schritt: Beschreibung des Persönlichkeitsstil einer Person:
• eine dimensionale Einschätzung der Persönlichkeit auf 5 Domänen:
○ „Negative Affektivität“
○ „Verschlossenheit“
○ „Dissozialität“
○ „Enthemmtheit“ und
○ „Zwanghaftigkeit (Anankastia)“
-> wird beginnend 2022 weltweit die Diagnosestellung verändern
• Kritiker*innen des Modells haben allerdings erreicht, dass Borderline-Persönlichkeitsstörung als einzige im ICD-11 als sog. „Borderline-Muster“ (borderline pattern) erhalten bleibt
• Beschreibung des Stils der Persönlichkeit ist für das Stellen einer Diagnose nicht notwendig!
• möglich, dass bei einer schweren PS nur eine oder keine Domäne markant im Vordergrund steht
• Domänen werden als kontinuierliche Dimensionen, nicht als Kategorien verstanden.
• Dennoch muss für den Zweck der Kodierung die Entscheidung „vorhanden“ vs. „nicht vorhanden“ getroffen werden
-> Was ist das GAF?
• Einfache momentane Statuserhebung
• Wiedergabe des höchsten Niveaus, das der Patient beispielsweise innerhalb des letzten Jahres erreicht hat
• Prä-post-Messung zur Erfassung des Therapieerfolges
• Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund von körperlichen oder umgebungsbedingten Faktoren sollen nicht mit einbezogen werden
-> die drei Bereiche
Psychologisches Funktionieren
• Symptomschweregrad (sehr schwer bis keine Symptome)
Soziales Funktionieren
• Beziehungen zu anderen
• Zufriedenheit mit diesen Beziehungen
• Gibt es wenigstens 1 gute stabile Beziehung? (>50)
• Beziehung zum Diagnostiker?
Berufliches Funktionieren
• Arbeitszufriedenheit
• Wiederholte Konflikte, Schwierigkeiten?
• Enthusiasmus vs. Langeweile
-> GAF –Anleitung nach Saß et al., 2003
Schritt 1: Beginnend mit dem höchsten Niveau ist bei jeder Abstufung zu fragen: "Ist entweder der Schweregrad der Symptome oder die Funktionsbeeinträchtigung niedriger als auf dieser Stufe beschrieben?"
Schritt 2: Die Skala ist nach unten weiter zu verfolgen, bis das Niveau erreicht wird, das am besten zum Schweregrad der Symptome passt.
Schritt 3: Zum Vergleich ist das nächstniedrige Niveau zu betrachten, um zu verhindern, dass zu früh entschieden wurde. Dieses Niveau sollte für sowohl den Schweregrad der Symptome als auch für die Funktionsbeeinträchtigung zu niedrig sein. Ist dies der Fall, so hat man das passende GAF-Niveau erreicht.
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