Welche Möglichkeiten gibt es den Streit der ethischen Theorien zu lösen?
Was für spezifische bioethische Argumentationstypen gibt es?
Stützung moralischer Urteile innerhalb des biomedizinischen Bereichs auf „Prinzipien mittlerer Reichweite“ – unabhängig von ethischen Ansätzen:
Autonomie (autonomy)
Wohltun (benevolence, beneficence – Benevolenz, Benefizienz)
Nicht-Schädigen (nonmaleficence - Nonmalefizienz)
Gerechtigkeit (justice)
Was ist der Unterschied zwischen Wohltun und Nicht Schädigen?
Was beinhaltet das Prinzip des des (gesundheitlichen) Wohltuns?
Prinzip des (gesundheitlichen) Wohltuns: Heilen, Leiden lindern
Definition von „Gesundheit“ der WHO:
Gesundheit ist
„ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen.“
"a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease and infirmity.”
Prinzip des Genfer Gelöbnisses der WMA:
„Die Gesundheit und das Wohlbefinden meiner Patientin oder meines Patienten wird mein oberstes Anliegen sein.“
“The health and well-being of my patient be my first consideration.”
Was beinhaltet das Prinzip des Nicht-Schädigens?
Prinzip des Nicht-Schädigens (enge gefasst):
Jeder Eingriff in die physische und psychische Integrität eines Menschen ist – zunächst – eine potenzielle Schädigung/Körperverletzung dieses Menschen.
Sie kann moralisch legitim oder moralisch illegitim sein.
Zwei Typen der Schädigung
Welche Typen des Schädigens gibt es?
Schädigung, die im Zuge des Wohltuns …
für die Heilung und/oder Leidenslinderung eines Menschen erforderlich ist
verhältnismäßig ist, d.h. in einem angemessenen Verhältnis zum gesundheitlichen Nutzen steht, der durch die Schädigung erzielt werden kann.
auf Wunsch und mit Einverständnis des Patienten/der Patientin erfolgt.
=> Sind alle drei Bedingungen erfüllt: moralisch legitim
Beispiel: Spritze geben
Schädigung, die nicht im Zuge des Wohltuns erfolgt (nicht legitim):
aus Fahrlässigkeit, Unachtsamkeit
aufgrund der Verfolgung nicht-patientenzentrierter Interessen
Unverhältnismäßig
=> Ist eine der Bedingungen erfüllt: moralisch illegitim
Was beinhaltet das Prinzip der Achtung der Autonomie?
Autonomie – im biomedizinischen Bereich
Autonomie = Selbstbestimmung im Sinne von:
ich selbst bestimme über mich selbst
Bedingungen dafür, dass ich selbst bestimme:
ich bin „einwilligungsfähig“ / „selbstbestimmungsfähig“ / „urteilsfähig“
Ich kann „freiwillig“ entscheiden
Ich bin ausreichend gut informiert durch neutrale „Aufklärung“
Berücksichtigung des Rechts auf Autonomie im PsychKG 2016 (Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten):
Eine sog. Zwangsbehandlung darf zunächst nur vorgenommen werden, um die Einwilligungsfähigkeit der Patientin/des Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen.
Die Behandlung muss sich also auf die psychische Anlasserkrankung beziehen und zum Ziel haben, die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine freie Willensentscheidung der Patientin/des Patienten zu schaffen.
Zur Erreichung dieses Ziels muss die konkrete (schädigende, J.P.B.) Behandlungsmaßnahme das mildeste Mittel sein und ihr Nutzen muss die Belastung (Schaden, Schadensrisiko, J.P.B.) für die Betroffene/den Betroffenen erheblich überwiegen.
Was beinhaltet das Prinzip der Beachtung der Gerechtigkeit?
Anwendung der 4 mittleren Prinzipien der biomedizinischen Bereichsethik auf einen konkreten Fall:
Alle 4 Prinzipien sind hier relevant
Was versteht man unter Status Argumenten?
Welcher moralische Status kommt einem Lebewesen zu?
Annahme:
Je „höher“ ein Lebewesen entwickelt ist (Empfindungsfähigkeit/Zentralnervensystem, Lernfähigkeit/kognitive Fähigkeiten, Sozialverhalten) desto höher ist sein moralischer Status.
Zur Erinnerung (1. Vorlesung): Biozentrismus, Pathozentrismus, Anthropozentrismus …
Welche Typen von Status Argumenten gibt es?
SKIP Argumente:
Spezies-Argument
Kontinuitäts-Argument
Identitäts-Argument
Potentialitäts-Argument
Was beinhaltet das Spezies-Argument?
Spezies-Argument:
Jedes Mitglied der Spezies Mensch ist als menschliches Lebewesen unbedingt schutzwürdig.
Was beinhaltet das Kontinuitäts-Argument?
Jeder Versuch, einen Zeitpunkt in der Entwicklung eines Menschen zu bestimmen, ab dem er schutzwürdig ist, ist willkürlich.
Wer also dem postnatalen Kind einen moralischen Status zusprechen will, kann ihn auch dem pränatalen Kind nicht verwehren.
Was beinhaltet das Identitäts-Argument?
Der menschliche Embryo ist mit dem erwachsenen Menschen bzw. der Person, die aus ihm hervorgehen wird, in moralisch relevanter Weise identisch.
Für ihn gilt das Gebot der Achtung der Menschenwürde daher in gleicher Weise.
Was beinhaltet das Potentialitäts-Argument?
Dem menschlichen Embryo kommt ein besonderer moralischer Status zu, weil er zwar nicht aktuell, aber potenziell über jene Eigenschaften verfügt, die für die Zuschreibung eines solchen Status ausschlaggebend sind.
KLAUSURBEISPIEL SKIP-Argumente:
Antwort:
Kontinuitätsargument
Was für eine Gegenposition gibt es zum Speziesismus?
Gegenposition zum Speziesismus, nach dem nur Angehörige der Spezies Mensch Menschenwürde haben:
Gradualismus
Zwischen Mensch und Tier bestehen nur graduelle, keine strikten Unterschiede in Bezug auf ihren moralischen Status.
zum Beispiel hinsichtlich kognitiver Fähigkeiten (Selbstbewusstsein)
zum Beispiel hinsichtlich Leidensfähigkeit
→ Je höher die kognitiven Fähigkeiten, je stärker die Leidensfähigkeit, um so mehr Würde, um so mehr Rechte!
Was sind die Implikationen der SKIP-Argumente für die medizinische Diagnostik und Therapie am Lebensanfang?
Bereich: Stammzellforschung
Wer ist von den medizinischen Maßnahmen betroffen?
die hergestellten totipotenten Stammzellen (Embryos), aus denen weitere – nicht totipotente (pluripotente) Stammzellen gewonnen werden;
die gegenwärtigen und zukünftigen Kranken, denen durch diese Forschung möglicherweise geholfen werden könnte;
die biotechnologischen Forscher/innen, denen diese Forschung (nicht) ermöglicht wird.
Was versteht man unter einem Dammbruchargument?
Dammbruchargument / Argument der schiefen Ebene / Slippery Slope
häufig verwendet (Wehret den Anfängen! …), aber logisch nicht zwingend, sondern erfahrungsbasiert
Logische Form:
Die Zulassung der Maßnahme X1 ist an sich moralisch nicht verwerflich.
Maßnahmen vom Typ X ziehen in der Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgen nach sich, die moralisch verwerflich sind.
Maßnahmen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft moralisch verwerfliche Folgen nach sich ziehen, sind zu unterlassen.
→ Die (an sich moralisch nicht verwerfliche) Maßnahme X1 ist zu unterlassen.
Was ist der Unterschied zwischen SKIP-Argumenten und Dammbruch-Argument?
Argumente, die darauf abzielen, eine spezifische Schwachstelle oder einen kritischen Punkt in der Argumentation des Gegners zu identifizieren und zu nutzen.
Diese Argumente konzentrieren sich auf einen präzisen Aspekt und zielen darauf ab, diesen Aspekt gezielt zu widerlegen oder in Frage zu stellen.
sind präzise und konzentrieren sich auf einen spezifischen Punkt oder eine spezifische Schwachstelle.
Dammbruch-Argument:
warnen vor einer Kette von Ereignissen, die durch eine bestimmte Handlung ausgelöst werden könnten und zu extrem negativen Konsequenzen führen.
Die Argumentation basiert auf der Annahme, dass eine kleine Änderung oder ein kleiner Schritt unkontrollierbare und unerwünschte Folgen nach sich ziehen kann.
sind allgemein und skizzieren eine Reihe von Ereignissen, die zu extremen Ergebnissen führen könnten.
Was für Einwände gibt es bezüglich des Spezies-Argument?
Jedes Mitglied der Spezies Mensch ist als menschliches Lebewesen unbedingt schutzwürdig (Menschenwürde?).
Das Argument scheint zu sein:
P1: Jedes Mitglied der (biologischen) Spezies/Art homo sapiens sapiens ist unbedingt schutzwürdig.
P2: Dieses (individuelle) Wesen ist ein Mitglied der (biologischen) Spezies/Art homo sapiens sapiens.
→ Also ist es unbedingt schutzwürdig.
Einwand: P1 und P2 sind keine normativen, sondern empirische Prämissen. Daher kann aus P1 und P2 gar kein normativer Schluss folgen.
Haupteinwand: naturalistischer Fehlschluss
Wer einem Wesen nur deshalb einen Anspruch auf moralischen Schutz zuspricht, weil es einer bestimmten biologischen Spezies angehört, begeht einen naturalistischen Fehlschluss bzw. Sein-Sollen-Fehlschluss:
Die Ableitung einer Norm aus einem Faktum (rein empirische Prämissen) ist unzulässig.
Was für Einwände gibt es bezüglich des Kontinuitäts-Argument?
Einwand:
Gewiss ist die (pränatale) Entwicklung des Menschen ein kontinuierlicher Prozess. Doch ist das Argument nicht zwingend, weil wir sehr wohl in der Lage sind, gut begründete „Einschnitte“ (z.B. Geburt) in dieser Entwicklung zu machen.
Analogie: Wir sind beispielsweise in der Lage, einem Sandkorn und einem Sandhaufen zu unterscheiden – auch wenn niemand sagen kann, ab welchem Sandkorn es sich um einen Haufen handelt, wenn sie einzeln aufgeschichtet werden.
Was für Einwände gibt es bezüglich des Identitäts-Argument?
Der menschliche Embryo ist mit dem erwachsenen Menschen bzw. der Person, die aus ihm hervorgehen wird, in moralisch relevanter Weise identisch. Für ihn gilt das Gebot der Achtung der Menschenwürde daher in gleicher Weise.
Möglichkeit der Zwillingsbildung: Aus frühen Embryonen können bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Entwicklung (vor der Nidation, d.h. der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut) eineiige Zwillinge hervorgehen. Dann hat man es nicht mehr mit einem, sondern mit zwei verschiedenen Lebewesen zu tun. Es besteht dann nicht einmal „numerische Identität“
.
Was für Einwände gibt es bezüglich des Potentialitäts-Argument?
Einwände:
Prinzessinneneinwand: Eine Prinzessin ist eine potentielle Königin, doch kommen ihr deshalb (noch) nicht die Rechte der Königin zu.
Abgrenzungseinwand: Mit welchem Argument lassen sich diese moralischen Schutzansprüche, gesetzt den Fall, man akzeptiert sie im Falle menschlicher Embryonen, auf diese beschränken?Besitzen nicht auch Ei- und Samenzellen das Potenzial, sich unter geeigneten Umständen zu einem Kind bzw. zu einem erwachsenen Menschen zu entwickeln?
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