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Diagnostik und Testverfahren

TG
by Tank G.

31. Diskutieren Sie, was bei der Testung auf Hochbegabung berücksichtigt werden muss.

Zur Intelligenzdiagnostik als Teilbereich der Leistungsdiagnostik werden eine Vielzahl heterogener

Tests für verschiedene Ziel- und Altersgruppen eingesetzt.

Da Intelligenz als theoretisches Konstrukt verschieden definiert und operationalisiert wird, unterschei-

den sich Intelligenztests in Abhängigkeit des jeweils zugrunde liegenden Intelligenzmodells in dem,

was sie messen teils erheblich voneinander.

Es gibt beispielsweise Testverfahren, die neben spezifischen Intelligenzbereichen wie sprachliches,

räumliches oder rechnerisches Denken eine übergeordnete allgemeine Intelligenz, den sogenannten

g-Faktor, erfassen.

Allerdings wird allgemeine Intelligenz hierbei oft unterschiedlich definiert.

Bei einigen Test quantifiziert der Durchschnittswert der einzelnen Subskalen für die spezifischen Intel-

ligenzteilbereiche die allgemeine Intelligenz, bei anderen Tests indiziert schlussfolgerndes Denken den

g-Faktor.

Unterschieden werden Tests auch dahingehend, ob sie fluide Intelligenz (intellektuelles Leistungsver-

mögen, z. B. Verarbeitungskapazität) und/oder kristalline Intelligenz (durch Erfahrung erworbenes

Wissen) messen.

Je nach Ziel und Zielgruppe der Testung können bei der Testauswahl spezifische Kriterien oder Charak-

teristika des Testmaterials relevant sein.

So kann es eine Rolle spielen, ob der Test etwa zur Feststellung einer Hochbegabung geeignet sein soll

(differenziert der Test gut im oberen Bereich und wurde er an einer ausreichend großen Normstich-

probe hochbegabter Personen geeicht?) oder das Itemmaterial numerisch, sprachlich oder bildhaft

dargeboten wird.

36. Diskutieren Sie den Stellenwert der bei Frau Schmidt festgestellten Depression.

Die wichtigsten Annahmen können der Anamnese entnommen werden. Die Patientin gibt an, dass ihr

Schlaf und Appetit sehr wechselhaft seien. Auch schränke sie das Auftreten epileptischer Anfälle sehr

bei der Wahrnehmung von Sozialkontakten ein. Wenn sie einen schweren Anfall habe, fühle sie sich

am nächsten Tag niedergeschlagen und betrübt. Es gebe ebenfalls häufige krankheitsbedingte Arbeits-

ausfälle. Demgegenüber stehen die Zukunftsperspektiven der Patientin. Sie hat eine abgeschlossene

Berufsbildung und ein Bachelorstudium. Sie plant darüber hinaus den Beginn eines Masterstudiums.

Die Patientin hat kürzlich geheiratet. Ihr Beruf als Logopädin füllt sie aus. Ihr Ehemann ist beruflich

häufig im Ausland unterwegs. Gerne würde sie ihn begleiten, doch das nicht planbare Auftreten der Anfälle erfordert eine ständige medizinische Überwachung. Nach ihrer Einschätzung sei ein Mitreisen

aufgrund der schwierigen medikamentösen Versorgung in anderen Ländern zu riskant. Werden diese

Erkenntnisse zusammengenommen, ergibt sich das Bild einer schwierigen, mitunter sogar „zerrisse-

nen“ Lebenssituation. Vieles ist möglich, doch schwebt über allem die ständige Angst vor neuen Anfäl-

len. Jede Lebensentscheidung kann durch eine Verschlechterung des Krankheitszustands zunichte ge-

macht werden. Es ist nachvollziehbar, dass dieser wahrgenommene Kontrollverlust die eigene Weiter-

entwicklung lähmt. Steht dem eigenen Lebensantrieb ein beständiges „Ich kann es nicht tun.“ gegen-

über, ist das Auftreten einer reaktiven Depression durchaus annehmbar. In jedem Fall ist bei Pati-

ent*innen mit hoher Depressionsausprägung die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Anbin-

dung und gegebenenfalls medikamentösen Therapie zu prüfen. Eine Nichtbeachtung vonseiten

des/der Diagnostiker*in ist ethisch nicht tragbar. Hilfreich wäre zum Beispiel eine Konsultation thera-

peutisch tätiger Kolleg*innen oder eine Vermittlung entsprechender Adressen von Therapieeinrich-

tungen.

38. Erklären Sie, warum bei der Patientin keine Gedächtnisprobleme bestehen, obwohl eine links-

seitige Hippocampussklerose vorliegt, die eben diese Störungen nahelegt. Formulieren Sie hierzu

eine Hypothese.

Der Bildungsanamnese von Frau Schmidt ist zu entnehmen, dass während der Schulzeit keine Lernbe-

einträchtigungen aufgetreten sind. Sie hat die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und studiert. In

der neuropsychologischen Diagnostik haben sich keine Hinweise auf Gedächtniseinbußen ergeben.

Dies ist überraschend, da in der bildgebenden Diagnostik als mutmaßlicher Auslöser der Epilepsie eine

linksseitige Hippocampussklerose offenkundig geworden ist. Ein massiver Verlust von Nervenzellen im

Hippocampus ist ein schwerwiegender Schaden, schließlich ist diese Struktur maßgeblich für das Ler-

nen neuer Inhalte zuständig. Wird im Rahmen eines evidenzbasierten Vorgehens wissenschaftliche

Literatur berücksichtigt, wird deutlich, dass Hirnschädigungen in der frühen Kindheit zu einer Neuor-

ganisation des Gehirns führen können. Je früher der Schaden auftritt, desto größer ist das Ausmaß der

funktionellen Umverteilung. Es kann sein, dass eine Funktion von der geschädigten Hemisphäre regel-

recht in die gesunde Hemisphäre „überspielt“ wird. Dies ist eine Art Notprogramm des jungen Gehirns,

um drohende Verluste zu kompensieren. Aus der Krankheitsanamnese von Frau Schmidt ist bekannt,

dass bei ihr im Kleinkindalter Fieberkrämpfe aufgetreten sind. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit

hat dies zu einer funktionellen Neuordnung geführt. Wegen der guten schulischen Leistungen kann

angenommen werden, dass die Gedächtnisfunktion teilweise oder möglicherweise komplett in die

rechte Hemisphäre transferiert worden ist. Diese Systematik kann gut durch eine Zusammenhangshy-

pothese dargestellt werden: Bei intakter kognitiver Leistungsfähigkeit und bekannten frühen Hirnschä-

digungen (z. B. durch Fieberkrämpfe, Verletzungen) ist eine von der Norm abweichende funktionelle

Organisation des Gehirns wahrscheinlich. Dies ist ein Schutzmechanismus des Gehirns, um eine mög-

lichst störungsfreie geistige Entwicklung zu gewährleisten. Ob diese Hypothese auch tatsächlich auf

den Einzelfall zutrifft, kann nur durch zusätzliche Untersuchungen festgestellt werden.

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Tank G.

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