Anwaltsklausur (Klägersicht) – Aufbau
I. Mandantenbegehren
II. Materiell-rechtliches Gutachten (einschl. Beweisprognose)
III. Prozessrechtliches Gutachten (Zweckmäßigkeit)
IV. Praktischer Teil
Anwaltsklausur (Klägersicht)
Wie ist die Beweiswürdigung im materiellrechtlichen Gutachten zu prüfen?
Beweislast
Beweismittel (SAPUZA)
Beweiswürdigung (Beweisprognose)
Anwaltsklausur (Klägersicht): Beweis
Können eidestattliche Versicherungen oder heimliche Mithörzeugen als Beweismittel dienen?
Eidesstattliche Versicherung (–), weil im Strengbeweisverfahren nicht zulässig.
Mithörzeugen (–), sofern Verletzung APR und Interessensabwägung nicht überwiegt.
Anwaltsklausur (Klägersicht): Augenscheinsbeweis
Dash-Cam: Verwertbar? (ähnlich: Mithörzeugen)
Interessenabwägung
Contra: DSGVO; BDSG, § 22 KunstUrhG, APR.
Pro: Effektiver Rechtsschutz, rechtliches Gehört, Rechtsstaatsprinzip, öffentlicher Raum (kein Intims-, sonder Sozialsphäre), Beweisnot.
Anwaltsklausur (Klägersicht): Urkundsbeweis
Entfaltet ein strafrechtliches Urteil Bindungswirkung im Zivilprozess?
„Zu Recht rügt sie allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei bereits wegen der bindenden Wirkung seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung für erbunwürdig zu erklären. Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozeßrecht beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar. Der Zivilrichter muß sich seine Überzeugung grundsätzlich selbst bilden und ist regelmäßig auch nicht an einzelne Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils gebunden. Allerdings darf er bei engem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang von Zivil- und Strafverfahren rechtskräftige Strafurteile nicht völlig unberücksichtigt lassen, er ist vielmehr gehalten, sich mit den Feststellungen auseinanderzusetzen, die für seine eigene Beweiswürdigung relevant sind.“
Anwaltsklausur (Klägersicht): Zeugenbeweis
Wer kann Zeuge sein: Partei, Streitverkündete, Streitgenossen, Sympathiepersonen, Sistierter (“unangekündigter”) Zeuge?
Ist es zweckmäßig, mehrere gleich taugliche Zeuge zu bennen?
Woran kann man bei einem Zeugnis des behandelnden Arztes denken?
Partei (–)
Streitverkündete (+), weil nicht Partei.
Notwendige Streitgenossen (–)
Einfach Streitgenossen (+) bei Tatsachen, die nur andere Streitgenossen betreffen, aber (–) bei Tatsachen, die alle Streitgenossen (also auch Zeugen selbst) betreffen.
Sympathiepersonen: ohne weitere Indizien keine verminderte Glaubwürdigkeit, faktisch aber nicht auszuschließen, dass im Rahmen der freien Beweiswürdigung Gericht ein Eigeninteresse berücksichtigt
Sistierter Zeuge: Zulässig, ggf. aber Präklusion § 296 ZPO
Mehrere gleich taugliche Zeugen:
Nachteil: Kostenbelastung, längerer Prozess, Gefahr sich widersprechender Zeugen
Vorteil: Verstärkung Beweiskraft, Nachbenennung im Berufungsverfahren (–) wegen § 531 ZPO
Zeugnis des behandelnden Arztes: Entbindung von der Schweigepflicht nach § 385 Abs. 2 ZPO (Verschwiegenheitsverpflichtung aus § 203 StGB)
Was kann getan werden, wenn sich ein Augenscheinsobjekt im Besitz eines anderen befindet?
Antrag auf Fristsetzung zur Herausgabe (§ 144 Abs. 1 S. 2 ZPO)
Anwaltsklausur (Klägersicht): Parteivernehmung
Was ist zur Vernehmung einer Partei bei einem Vier-Augen-Gespräch zwischen einer Partei und einem Lagervertreter der anderen Partei zu beachten?
Das Ermessen für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO reduziert sich auf Null, weil sonst nur die Gegenseite einen Zeugen hat. Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf ein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und die Grundsätze eines fairen Prozesses (Art. 6 Abs. 1 EMRK) gebieten aufgrund der Beweisnot eine Parteivernehmung.
Was ist in der Zweckmäßigkeit regelmäßig zu erörtern?
Rat an den Mandanten
Kostenrisiko (§ 93 ZPO)
Wer muss klagen (Klägerpartei)?
Gegen wen muss geklagt werden (Klagegegner)?
Wie muss geklagt werden (Klageerhebung)?
Wo muss geklagt werden (Gerichtszuständigkeit)?
Anwaltsklausur (Klägersicht) – Zweckmäßigkeit (“Ob”)
Was ist bei eigenen Ansprüchen des Gegners zweckmäßigerweise zu beachten?
Soweit ein gleichartiger Anspruch des Gegners vorliegt, ist mit einer Aufrechnung zu rechnen. Aus prozessökonomischen und kostenrechtlichen Gründen (Streitwertreduzierung) ist es bei sicheren Ansprüchen zweckmäßig, nur den überschießenden Betrag einzuklagen und selbst vorprozessual aufzurechnen. Bei unsicheren Ansprüchen sollte Klage in voller Höhe erhoben werden.
Bei ungleichartigen Ansprüchen ist eine Widerklage zu erwarten. Soweit der Gegner diese noch nicht angekündigt hat, kann diese bei sicheren Ansprüchen unter Vermeidung der Kostenlast sofort anerkannt werden (§ 93 ZPO). Sofern der Mandant bereits aufgefordert worden ist und Anspruch sicher, sollte erfüllt werden. Sofern der Anspruch unsicher ist, ist nichts weiter zu veranlassen und die weitere Entwicklung abzuwarten.
Anwaltsklausur (Klägersicht) – Zweckmäßigkeit (“Wer”)
Was ist bei der Frage zu erörtern, wer Klage erheben sollte?
Streitgenossenschaft: Bei notwendiger SG müssen alle klagen, bei einfacher SG können auch einzelne SG klagen
Partei- und Prozessfähigkeit
Prozessführungsbefugnis (gesetzliche und gewillkürte Prozessstandschaft beachten)
Anwaltsklausur (Klägersicht) – Zweckmäßigkeit (“Wen”)
Was ist bei der Frage zu erörtern, gegen wen Klage zu erheben ist?
Streitgenossenschaft
Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO)
Was sind typische einfache Streitgenossenschaften bei Klägerklausuren? Worauf ist hinsichtlich Zuständigkeit zu achten?
Räumungsprozesse (mehrere Gewahrsamsinhaber), Verkehrsunfallklausuren (Kfz-Haftpflichtversiucherung [§ 115 VVG], Fahrer [Ausschaltung im Prozess als Zeugen], gegnerischer Halter [Erhöhung Vollstreckungschancen]
Zuständigkeit: Darauf achten, ob gemeinsamer Gerichtsstand, ggf. auf rügelose Einlassung spekulieren. Sofern Rüge, kann auch nach Rechtshängigkeit Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt werden.
Aus welchen Gründen ist eine Streitverkündung sinnvoll? Was sind Voraussetzungen? Nenne ein typisches Beispiel
Vorteil:
Herbeiführung der Interventionswirkung (§ 74 Abs. 3, § 68 ZPO): Vermeidung Niederlage in Folgeprozess bei erfolglosem Erstprozess wegen widersprechender Begründung
Verjährungshemmung § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB, bei demnächstiger Zustellung schon mit Eingang Streitverküdnungsschrift bei Gericht (§ 167 ZPO)
Voraussetzungen: Formgerechte Verküdnung (§ 73 ZPO) und Zulässigkeit der Streitverkündung (§ 72 ZPO)
Beispiel: Alternativverhältnisse (Baumängel, deren Ursache eine Schlechtleistung von Unternehmer A oder Architekt B sein kann); nicht bei Kumulativverhältnissen (Gesamtschuldner)
Anwaltsklausur (Klägersicht) – Zweckmäßigkeit (“Wie”)
Geldanspruch: Mit welcher Begründung lehnt man ein Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) ab?
Mahnverfahren nicht zweckmäßig, weil wegen vorprozessualen Verhaltens zu erwarten ist, dass Gegner Widerspruch einlegen wird → unnötige Verzögerung des Verfahrens
Wann ist ein Urkundsverfahren zweckmäßig?
Nur bei Geldzahlung möglich (§ 592 S. 1 BGB); Vorlage Urkunden erforderlich.
Vorteile:
Beschränkung Beweismittel Gegner (§ 595 Abs. 2 ZPO)
Beschleunigung Verfahren
Titel gem. § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistun vorläufig vollstreckbar
Widerklage ausgeschlossen (§ 595 Abs. 1 ZPO)
Nachteile:
Mögliche Schadensersatzpflicht (§ 602 ZPO)
Verzögerung Rechtsstreit bei Nachverfahren (§§ 599 ff. ZPO)
Anwaltsklausur (Klägersicht) – Zweckmäßigkeit
Fall: Anspruch < 600 EUR
Wie lehnt an ein Verfahren nach § 495a ZPO vor AG ab?
Zweckmäßigkeit (–), weil prozessleitende Anordnungen nicht anfechtbar sind, Ermessen des Gerichts, missbrauchsanfällig
Woran ist beim Gebührenschaden zu denken?
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (1,3-Gebühr) nimmt nicht am Kostenfestsetzungsverfahren teil, daher einklagen, sofern Anspruch besteht
Anrechnung von 0,65-Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren, im Erkenntnisverfahren (Klage) kann voller Betrag geltendgemacht werden
Sofern Rechtsschutzversicherung schon gezahlt hat, geht Anspruch nach § 86 Abs. 1 VVG auf diese über: wenn Mandant ermächtigt wird, Anspruch geltend zu machen → gewillkürte Prozessstandschaft, nach Rechtshängigkeit § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Woran ist bei der Ausübung von Gestaltungsrechten zu denken?
Bei Stellungvertretung und einseitigem Rechtsgeschäft Vollmachtsurkunde vorlegen, um Zurückweisung des Beklagten nach § 174 S. 1 BGB auszuschließen.
Unter welchen Voraussetzungen ist ein unbezifferter Klageantrag (Schmerzensgeld) zulässig? Welchen Antrag sollte man in diesen Fällen häufig noch zusätzlich stellen?
Unbezifferter Antrag zulässig (kein Verstoß gegen Bestimmtheitsgrundsatz des § 252 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), sofern die zur Bemessung des Schmerzensgeldes notwendigen Tatsachen vorgetragen werden und eine ungefähre Größenordnung angegeben wird.
Nachteil eines bezifferten Anspruchs: bei Zuspruch eines geringeren Betrages Kostenrisiko (§ 92 Abs. 1 ZPO), Bindung an Höhe (§ 308 ZPO).
Feststellungsantrag hinsichtlich künftig entstehender Schäden, soweit Wahrscheinlichkeit, dass künftig weitere Schäden entstehen und diese noch nicht beziffert werden können. Feststellungsinteresse (+), weil prozessökonomisch, da anderenfalls sukzessive Leistungsklage bei fortwährender Antragsstellung.
Wie ist eine Stufenklage aufgebaut? Wann ist sie zweckmäßig? Was sind Beispiele? Welche Vorteile bietet eine Stufenklage?
I. Aufbau
Auskunftsanspruch
Eidesstattliche Versicherung
Herausgabe/Zahlung
II. Zweckmäßig: Wenn mangels Sachverhaltskenntnis Klageantrag ohne Mitwirkung des Gegners nicht beziffert/bestimmt werden kann
III. Beispiele
Klage gegen Erbschaftsbesitzer nach §§ 2018 ff. BGB (Auskunftsanspruch § 2027 BGB)
Klage gegen Miterben/Vorerben (Auskunftsanspruch: § 2057 und § 2127 BGB)
Klage des Pflichtteilsberechtigten (Auskunftsanspruch: § 2314 BGB)
Subsidiär: Auskunftsanspruch aus § 242 BGB
IV. Vorteile
Umfassende Geltendmachung von Ansprüchen in einem Prozess
Auch bezüglich Herausgabe- oder Zahlungsanspruch (Stufe 3) tritt Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und verschärfte Haftung nach § 818 Abs. 4, 989, 2023 BGB ein.
Kostenvorteile (§ 44 GKG): nur höherer Wert maßgebend
V. Auskunft vor Verurteilung
Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO durch Übergang zu 3. Antrag
Bei negativer Auskunft: Klageänderung in FK bezüglich Kostentragungspflicht des Gegners, Kosten der Stufenklage Verzögerungsschaden (§ 280 Abs. 2, § 286 ZPO)
„Steckengebliebene Stufenklage“: Auskunft negativ
Ausweg 1: Klagerücknahme und Berufung auf § 269 Abs. 3 S. 2 Var. 2 ZPO: Wenn vorgerichtlich Auskunft erteilt, hätte nicht geklagt werden müssen
Ausweg 2: Klageänderung in eine Feststellungsklage (§ 256) bezüglich Kostentragungspflicht des Gegners. Kosten der Stufenklage Verzögerungsschaden (§ 280 Abs. 2, § 286 ZPO)
Achtung: Kein Fall der Erledigung, weil der Zahlungsantrag von Anfang an nicht bestand; man wusste nur nicht, dass es z. B. kein Vermögen im Nachlass gab
Warum ist eine Klagehäufung zweckmäßig?
Prozessökonomisch (ein Verfahren, eine Beweisaufnahme)
Kostengründe (wegen Degression der Gebührentatbestände stets günstiger als eine getrennte Geltendmachung)
Verjährungshemmung (auch für Hilfsantrag)
Teilklage: Wann ist sie zweckmäßig? Was sind die Nachteile?
Zweckmäßig, wenn
hohes Prozessrisiko und
deswegen aus Kostengründen nur ein Teil eingeklagt werden soll.
keine Rechtskraft und keine Verjährungshemmung hinsichtlich nicht eingeklagten Teils
negative Feststellungsklage des Gegners möglich
Fazit: Teilklage eher nicht ratsam
Was ist zu beachten, wenn den Kläger ein Mitverschulden (§ 254 BGB) trifft?
Nur Quote einklagen wegen Kostentragungspflicht.
Ausnahme Schmerzensgeld: Mitverschulden fließt als Bewertungsfaktor in Bemessung des “angemessenen” Schmerzensgeldes ein.
Was ist zu beantragen, wenn Gegner eine Einrede/Zurückbehaltungsrecht zusteht?
Antrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung wegen Kostenrisiko
Was ist zu beachten, wenn Gegner im Verzug der Annahme ist?
Zusätzlich zum Zug-um-Zug-Antrag ist ein Antrag auf Festellung des Annahmeverzuges i. S. v. §§ 293 ff. BGB zu stellen.
Vorteil: Erleichterung der Zwangsvollstreckung wegen § 756 Abs. 1, § 765 ZPO.
Ferner sinnvoll Leistungsantrag auf Abholung bzw. Rücknahme der Sache, sofern ein solcher Anspruch besteht (z. B. bei Rücktritt), weil nur so vollstreckbarer Titel darauf.
Was ist bei einer Feststellungsklage auf Feststellung eines noch ungewissen, künftigen Schadens zu beachten?
Zweckmäßig, weil Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und bei künftigem Schadenseintritt nur Kausalität, nicht aber Haftungsbegründung vorgetragen werden muss.
Ein Feststellungsantrag ist (häufig in objektiver Klagehäufung neben einem schon bezifferten Leistungsantrags) zulässig, wenn Feststellungsinteresse. Feststellungsinteresse (+), weil
Verjährung und Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)
Beweisinteresse
Vermeidung sukzessive Leistungsklagen (Prozessökonomie)
Wie ist zu reagieren, wenn eine schnelle Einreichung bei Gericht erforderlich ist?
Sofortige Einreichung bei Geschäftstelle oder im Gerichtsbriefkasten, Klageeinreichung durch Telefax (§ 130 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) bzw. durch beA (§ 130a ZPO).
Gerichtskostenvorschuss zahlen, weil Gericht Klage sonst nicht zustellt (§ 12 GKG) und nur so Wirkung von § 167 ZPO erreicht werden kann
Welche Vorteile bietet ein Antrag auf Prozesskostenhilfe? Worauf ist der Mandant hinzuweisen? Auf welche Art und Weise kann der Antrag gestellt werden?
I. Vorteile
Gerichtskostenfrei
Verjährungshemmung § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB
Hinweis Mandant, dass Verpflichtung, Kosten Gegner zu tragen, bestehen bleibt (§ 123 VwGO)
II. Voraussetzungen
Bedürftigkeit des Antragsstellers
Fehlende Mutwilligkeit
Antrag (§ 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 1 S. 1 ZPO) ohne Anwaltszwang (§ 117 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, § 78 Abs. 3 ZPO)
III. Antragsstellung
Unbedingte Klage mit PKH-Antrag: Zweckmäßig, wenn überwiegende Erfolgsaussichten
Bedingte Klage (!Zustellung) für den Fall der Bewilligung PKH: Zweckmäßig, wenn unsicherer Anspruch
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